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Full text of "Münchener Museum für Philologie des Mittelalters und der Renaissance"

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OF ILLINOIS 
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University of Illinois Library 


Jun 2° 1970 
NOV 21 1976 


L161— O-1096 


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MÜNCHENERMUSEUM 


FÜR PHILOLOGIE DES MITTEL- 
ALTERS UND DER RENAISSANCE 


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HERAUSGEGEBEN VON 
FRIEDRICH WILHELM 


n der Universität Freiburg 1. B. 


VIERTER BAND 


1924 ® 
VERLAG GEORG D.W. CALLWEY : MÜNCHEN 


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Inhalt des vierten Bandes, 
X —— 
X 
Seite 
Studien zu Ulrich von Türheim. Von Fr. Wilhelm . ‚1 
I) Zur Abfassungszeit der Legenda aurea. Von Fr. Wilhelm 16 
ee Ein Züricher BOLD IORERGES Sp des 17. Jahrhunderts. Von rue 
L, Moser . . . 77 
x Fasching. Von Fr. Wilhelm ; : 86 
'! Zur Sage von Hirlanda von Bretagne. Yon Herm. Steinberger 87 
“ Zu Meinloh von Sevelingen. Von Gerhard Kahlo. 96 
Urkundliches zu Konrad von Hainsfahrt. Von Ludw. Steinberger 99 
Bayrisches Deutsch in der bayrischen Verwaltung zur Refor- 
mationszeit. Von Fr. Wilhelm . . . ». 2 22 2..2.10 
Der Sermo de inventione sancti Kataldi. Von A. Hofmeister . 101 
Textkritisches zum Archipoeta. Von K. Ganszynieo . 114 
Die Adresse der Epistula Aesopi. Von T.O. Achelis . 119 
Zu den neuen Funden aus dem zwölften Jahrhundert. Von 
Hans Ernst Müller . . . . 122 
Die Quellen zu Veldeckes Servatius. "Von Fr. Wilhelm ... .124 
Ein Bruchstück von Strickers Karl aus Linz. Von Fr. Wilhelm 126 
Zur griechisch-lateinischen Uebersetzungsliteratur des frühen 
Mittelalters. Von Adolf Hofmeister . 129 
Ein unbekanntes Versbuch des 17. Jahrhunderts. Von Karl Th. 
Strasser . 154 
Danielis & Crepko, drey Rollen Verliobter Gedancken 2. de. 1088 
Zu H. J. Christoph von Grimmelshausen. Von Arthur Bechtold 181 
Die Fabeln Avians in Steinhöwels Aesop. Von T.O. Achelis . 194 
Hermann Paul. Von Friedr. Wilhelm ee s . 222 
Wenn der Mann geht ins Mahd. Von Ernst Ochs ! . . 226 
Neidhart von Reuenthal ein Oberbayer. Von Fr. Wilhelm . . 229 
> Ein urkundliches Zeugnis für Walter von der en 
. Von L. Steinberger . ; i . 229 
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Der Name Walters von der Vogelweide. Von Max Ortner . . 280 


"Zum Verzeichnis der Drucke der Historia an Sapientum 


Romae. Von J.Rest . . . Be el 
Aus Capri und Amalfi. Von Ad. Hofmeister . 2,2 . 283 
Bemerkungen zu späteren lat. Schriftwerken. Von C. Weymann 273 
Wolfram von Eschenbach und die Markgräfin von Heitstein. 

Von Fr. Wilhelm . . . ET Te: | 
Dye siben seulein. Von R. Now ald ne ee 
Studien zu Publilius Optatianus Porfyrius. Von E. Kluge . . 3% 
swickä, w& he dö swenken gönc.””Von Ernst Ochs . . . . . 848 


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Kinnstch BE FTIITEFTREF VIFILTRES TEC Jr PIRAIE. 


Studien zu Ulrich von Türheim. 


Seit den Arbeiten Joh. von Raisers über die Familie 
der Türheimer in seinen „Denkwürdigkeiten des Ober- 
Donau-Kreises® 1824 (S. 23 Anm. 74 und 36f.), Friedr. 
Heinr. v. d. Hagens in den Minnesängern IV (1838) 206f; 
612f; 867£.; 883f.; und K. Roths über Ulrichs von Tür- 
heim Rennewart in den Verhandlungen des historischen 
Vereins für die Oberpfalz 17 (18566) 293f., ist nichts er- 
schienen, was das durch sie bekannt gewordene Material 
über die Persönlichkeit des Dichters nachgeprüft hätte. 
A. Freiherr v. Starkenfels und J. E. Kirnbauer von Erz- 
stätt sammelten zwar in Siebmachers grossem und allge- 
meinem Wappenbuch IV (1885—1904 Oberösterreichischer 
Adel) 466 f. und 786 die Türheimschen Regesten, aber 
auf die Originalquellen gingen sie nicht zurück. Auch 
das 1895 von Graf Andreas von Thürheim veröffentlichte 
Buch „Die Reichsgrafen und Herren von Thürheim“!) und 


die 1913 erschienene Arbeit von E. K. Busse „Ulrich von 


Türheim“ (Palaestra 12]) haben das nicht getan, und den- 
noch versprach eine Nachprüfung der Ergebnisse von 


1) Der vollständige Titel lautet: „Die Reichsgrafen und Herren 
von Thürheim, Freiherren von Bibrachzell, Herren von Ober- und 
Nieder-Reichenbach. Oesterreichische Linien. Als Manuskript ge- 
druckt. Linz 189%. Druck und Verlag von J. Wimmer“. (sic) 
261 Seiten, 3 genealogisohe Tabellen und eine farbige Tafel mit dem 
gegenwärtigen Wappen des Hauses. Der Verfasser nennt sich nicht. 
Ueber ihn siehe Rens van Rhyn in „Gräfin Lulu Thürheim ‘Mein 
Leben‘, Erinnerungen aus Oesterreichs grosser Welt“. München bei 
Georg Müller 1913 Bd. 1,3 Anm.1. Einsicht in dieses seltene, schön 
ausgestattete Werk des Grafen Andreas von Thürheim verdanke ich 
der Güte K. Schiffmanns, der das Buch für die k. k. Studienbibliothek 
in Linz (Signatur: Hist. IV d. 24) angeschafft und mir zur Benutzung 


an die Münchener Universitätsbibliothek gesandt hat. Ich möchte 


ihm auch öffentlich hiefür meinen Dank aussprechen. Leider ist die 
Münchener Museum f. Philologie des MA. IV. 1. 


cr Ef. 


2 Wilhelm, Studien zu Ulrieh von Türheim. 


v. Raiser, v. d. Hagen und Roth genauere Aufschlüsse, da 
diese drei Gelehrten das urkundliche Material nicht im 
Wortlaut vorgeführt hatten. Die folgenden Blätter sollen 
diese Lücke ausfüllen. Deshalb gebe ich das ganze für 
die Untersuchung irgendwie in Betracht kommende und 
mir bekannt gewordene Material im vollständigen Wort- 
laut am Schlusse dieser Abhandlung. Ich teile es in drei 
Gruppen. 

A: Literarische Zeugnisse aus Ulrichs eigenen Werken 
und den Dichtungen des gräflich-montfortischen Dienst- 
mannen Rudolfs von Ems. Die einzelnen Zeugnisse zitiere 
ich nach den ihnen beigegebenen Nummern als Al; A 2 usf. 

B: Archivalische Zeugnisse. Ich zitiere Bl; B2 usf.!) 

C: Regesten des Schenken Konrad von Winterstetten. 


Da die literarischen Zeugnisse den Punkt bilden, von 
dem jede Untersuchung über Ulrichs Persönlichkeit aus- 
zugehen hat, gebe ich eine kurze Zusammenfassung dessen, 
was sich bei unbefangener Betrachtung ohne Hinzuziehung 
des B-Materials daraus ergibt. Danach war Ulrich von 
Türheim ein Zeitgenosse Rudolfs von Ems (A 12—14). 
Seinen Tristan dichtete er im Auftrage eines Schenken 
Konrad von Winterstetten (A 1; 3), dessen Tod er in 
seinem Willehalm beklagt (A 9). In Betracht kommt nur 
der am 21. oder 23. II, 1243 ohne männliche Erben ver- 
storbene Reichsschenk Konrad von Winterstetten, der Er- 
zieher König Heinrichs VII. Sein Schwiegersohn, dem die 


Partie des Buches, welche die Thürheimer bis zum 14. Jhdt. behan- 
delt, ziemlich wertlos und unselbständig (8. 21 steht z. B. in direktem 
Widerspruch zu Tabelle I). Dagegen ist das von S. 40 an gebotene 
Material wertvoll und wird auch in diesen Studien gelegentlich 
herangezogen werden. 

t) Ich möchte bemerken, dass das Auffinden der archivalischen 
Zeugnisse trotz der Angaben meiner Vorgänger ein sehr zeitraubendes 
und mühevolles war. Fast ein halbes Jahr hat es gedauert, bis alles 
beieinander war. Ich gebe deshalb auch die genauen Signaturen an. 
Alle Zeugnisse sind, soferne nicht etwas anderes angegeben ist, nach 
den Originalen und nicht nach sekundären Quellen gedruokt. Einiges 
ist überhaupt noch nioht gedruckt worden. 


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Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 3 


grosse -Winterstettnische Erbschaft samt dem Schenken- 
amt zufiel, urkundet bis zu seinem zwischen 1251 I, 24 
(vw. Weech, Cod. dipl. Salem. 2, 302 £.) und 1258 V. 17 
(WU. 1497) erfolgten Tod stets nur als Schenk Konrad von 
Schmalegg, und erst seine Söhne, des alten Konrads Enkel, 
nennen sich Schenken von Schmalegg-Winterstetten oder 
auch einfach Schenken von Winterstetten. Unter ihnen 
befand sich auch ein Konrad, er ist aber erst 1296 ge- 
storben (s. WU. 1888 Anm.) und kommt für Ulrich des- 
halb weiter nicht in Frage. Der Tristan Ulrichs von Tür- 
heim wurde demnach vor 21. (23.) II. 1243 geschrieben, 
der Willehalm danach. Wir erfahren aus der herangezogenen 
Willehalmstelle (A. 9) ferner, dass zu Ulrichs Freunden 
ausser Konrad von Winterstetten noch ein König Heinrich, 
ein Konrad von Erringen und Herren von Neifen zählten. 
Rudolf von Ems nennt seinerseits Ulrich seinen Freund 
(A 13) und gibt uns Kunde von einem dritten Dichtwerk 
Ulrichs, dem Olies (A 12/13). Die Quelle zu seinem Willehalm 
hat dem Dichter der Augsburger Otto der Bogner verschafft 
(A5). Noch in der Zeit des Gegenkönigtums Wilhelms 
von Holland hat der Dichter am Willehalm gearbeitet (A 10), 
wie überhaupt manche Partien dieses Werkes den Eindruck 
hinterlassen, als habe sein Verfasser in vorgerückterem 
Alter geschrieben (Busse S. 27 f.; 41f; 142f; 151f.). Auch 
der Liebe Pein hat Ulrich kennen gelernt (A 4), doch scheint 
er sich nicht zu einer Ehe haben entschliessen zu können 
(A 11).') 

Dies sind genügend feste Anhaltspunkte, um die 
archivalischen Zeugnisse fruchtbringend verwerten zu 
können. Ich beginne mit den Erörterungen über 


») Die auf W. Lazius De gentium aliquot migrationibus S. £05 
zurückgehende und von Graf Andreas von Thürheim S. 26 danach 
wiederholte Nachricht, dass Ulrich mit einer Rotenstaynerin ver- 
mählt gewesen sei, von der er zwei Kinder (Conrad und eine später 
mit Conrad von Gabelberg verehelichte Tochter) gehabt habe, ist 
aus den Urkunden nioht nachweisbar. A 11 spricht entsohieden 


dagegen. 


1* 


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4 Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 


Ulrich von Türheim und sein Geschlecht. 


Es sind zwei ganz nahe beieinander gesessene Flamilien 
des Namens von Türheim zu unterscheiden. Die eine, ein 
schwäbisches Rittergeschlecht (B4 Anm. 3), das sich nach 
Türheim im Zusamtale nannte und seinen ersten Sitz wohl 
auf der ehedem auf dem Thürleberg stehenden Burg hatte. 
Schon im 13. Jhdt. gab es, wie heute, ein Ober- und ein 
Niedertürheim in diesem Tale (B 20). Die andere Familie 
stammte wahrscheinlich aus Türheim bei Hohenwart, dem 
heutigen Tierham, ist also bayerischer Herkunft. Von dieser 
bayerischen Familie wıssen wir nur sehr wenig. Zwischen 
1150 und 1180 kommen drei Brüder: Konrad, Engelmar 
und Heinrich vor (B 6), Heinrich vielleicht identisch mit 
jenem Heinrich, der in einer Tradition aus der Zeit 1205 
bis 1230 des Scheyerer Traditionsbuches erscheint und wahr- 
scheiniich zur /amilia des Schenken Leutold von 
Schenkenau gehörte (B 7). Ein ‚anderer Heinrich ist es 
natürlich, den eine Hohenwarter Archivalie 1274 als den 
Vater des Scholaren Grimold erwähnt (B 27). Es ist ferner 
sehr wahrscheinlich, dass jener Wernhart von Türheim, 
der zwischen 1223 bis 1246 für Kloster Geisenfeld stiftete 
(B 10), der bayerischen Familie zuzurechnen ist und nicht 
der schwäbischen, wie dies v. Raiser, Roth und Graf 
Andreas von Thürheim taten. 

Viel bedeutender als das bayerische Geschlecht und 
auch weit älter als dieses ist das schwäbische der Ritter 
von Türheim. Das erste nachweisbare Glied der Familie 
erscheint unter Bischof Embrico von Augsburg zwischen 
1064 und 1077 in der bekannten Traditio Kuonradi oder 
Baldshausener Schenkung; es ist Diemar von Türheim (B 1). 
1127 tritt ein Egon von Türheim auf (B 2). Der Name 
Egon scheint im 12, Jhdt. in der Familie häufig gewesen 
zu sein, denn in der Traditio des Wolftriegel und 'Tieme 
von Fronehofen an St. Peter in Berchtesgaden um 1140 
erscheinen gleich drei Egone von Türheim neben einem 
Alberich und Adelbert (B3). Das Concambium zwischen 
Woltftriegel und Mangold von Donauwörth bezeugen um 1144 


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Wilbelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 5 


Alberich und Egon von Türheim (B 4). In einem für 
St. Ulrich und Afra zu Augsburg von Wernhard von 
- Staufen um 1150 gestifteten Seelgerätsbrief tritt wieder 
ein Türheimer Egon auf (B 5). Wer und ob überhaupt 
einer von diesen Egonen der Vater des Konrad von Tür- 
heim Egonsohns war, der 1234 in St. Ulrich und Afra 
ein Seelgerät stiftete (B 13), muss dahingestellt bleiben. 


Ein jüngerer Konrad, vielleicht ein Sohn oder Enkel 
dieses Konrads Egonsohns, tritt 1266 (B 25), 1271 (B 26), 
1277 (B 28), 1281 (B 31; 32; 33), 1289 (B 40), 1294 (B 41) 
auf und erscheint zuletzt 1297 und 1298 als Vogt von 
Wertingen (B 44; 45). Neben ihm kommt in der Urkunde 
von 1271 (B 26) ein weiterer Konrad von Türheim vor, 
der entweder seiner Stellung in der Zeugenreihe nach zu 
schliessen noch nicht Ritter war oder überhaupt nicht 
zum Rittergeschlecht der Türheimer gehörte, sondern nur 
Colone aus Türheim war, wie der 1283 genannte Bauer 
Eberhard aus Türheim (B 36), der 1287 erscheinende Bau- 
mann Marquard aus Türheim (B 39) und der 1295 erwähnte 
Konrad aus Türheim (B 43), mit dem er vielleicht identisch ist. 
Auch der im Urbarium superioris Bawarie genannte Konrad 
von Türheim wird kein Angehöriger der ritterlichen schwä- 
bischen Familie gewesen sein (B 30), sondern eher ein 
herzoglicher Colone.. Es wäre auch an die Zugehörigkeit 
zur bayerischen Familie zu denken. 


1244 erscheint ein Swiger von Türheim (B 16) und 
1298 eine Brüdergruppe Swigger, Heinrich und Sifrid (B 45), 
ohne dass sie sich irgen dwie sicher näher zu anderen Tür- 
heimern in Beziehung setzen liessen. Gleiches gilt von dem 
1254 (B 20) erwähnten Ritter Heinrich von Niedertürheim. 
Für seine Zugehörigkeit zur Familie spricht der Name 
Heinrich. 

Nach einer wohl aus dem 15. Jhdt. stammenden Nach- 
richt (MB 22 IX er Chronicis Domesticis) soll auch Abt 
Gebwin von St. Ulrich und Afra in Augsburg ein Türheimer 
gewesen sein. In den Urkunden, in denen er namentlich vor- 
kommt: 1244 (B 16); 1249 X. 8. (MB. 23,7); 1256 (MB. 23,9); 


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6 Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 


1259 (MB. 23,12); 1265 XI. 1 (MB. 23,14) fehlt sein Familien- 
name und auch das Necrologium von St. Ulrich und Afra 
vom Jahre 1514 berichtet zum 10. VII. (1267) seinen Tod 
nur mit den Worten: Od. Gewinus abb. n.c. (MG. Necrol.1124). 

Von weiblichen Angehörigen der Familie tritt zuerst 
Irmgard 1249 als Klosterfrau von St. Stephan in Augsburg 
auf (B 18) und desgleichen Willbirg 1279 (B 29) und 1294 
(B 42), die 1344 als Aebtissin des Klosters gestorben ist. 

Der Name Ulrich von Türheim begegnet in elf Urkunden 
von 1236 bis 1286 (B 14; 16; 21; 22; 23; 24; 25; 34; 36; 
37, 38). In zwei derselben 1281 (B 34) und 1286 (B 38) 
wird ein Ulrichsbruder Engelhard genannt, der sonst ur- 
kundlich nicht vorkommt. Mit diesen elf Ulrichsurkunden 
haben wir uns näher zu beschäftigen. In acht Stücken 
tritt der Name Ulrich in der Zeugenreihe auf. Nämlich: 

1) B14: 1236 V. 25. Aussteller: Bischof Siboto von Augsburg. 
. Empfänger: Stift Kaisheim. Gegenstand: eine Vergabung. Archir- 
herkunft: Stiftsarchiv Kaisheim. 

2) B16: 1244. Augsburg, Stift St. Ulrich und Afra. Vergleich 
zwischen Adelheid von Aitingen, vertreten durch Swiger von 
Türheim, und dem Augsburger Domkapitel, vertreten durch den 
Kapitelsprokurator Albert Gusso. Archivherkunft: Domkapitelarchiy 
Augsburg. 

3) B21: 1256 XI 1. Burg Druisheim. Aussteller: Heinrich 
Marschall von Pappenheim. Empfänger: Kloster Oberschönefeld. 
Gegenstand: ein Verkauf. Archivherkunft: Klosterarchiv Ober- 
sohönefeld. 

4) B22: 1257 IX, 24. Aussteller: Heinrich Marschall von 
Pappenheim. Empfänger: Kloster Oberschönefeld. Gegenstand: 
Seelgerätstiftung. Archiyherkunft: Klosterarchiv Oberschönefeld. 

56) B23: 1261 VI. 15. Mertingen. Schiedsspruch des Heinrich 
Marschall von Pappenheim zwischen den Brüdern Eberhart und 
Konrad von Münster einerseits und Abt Dietrich von Reichenbach 
andererseits. Archivherkunft: Klosterarchiv Reichenbach. 

6) B24: 1263 IX, 1. Burg Druisheim,. Aussteller: Heinrich 
Marschall von Pappenheim. Empfänger: Stift Kaisheim. Gegen- 
stand: Stiftung der Pappenheimschen Kastellanseheleute de Noren- 
dorf aus Druisheim. Archivherkunft: Stiftsarchiv Kaisheim. 

7) B25b: 1266 XIL 17. Aussteller: Bischof Hartmann von Augs- 
burg. Empfänger: Kloster Wihenberg. Gegenstand: ein Verkauf 
seitens der Truchsessen von Donnersberg. Archivherkunft: Stifte- 
archiv Kaisheim. 


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Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 7 


8) B37: 1285 VIII. 13. Aussteller: Heinrich und Ulrich von 
Arsheim und ihr Halbbruder Konrad von Isenbrechtshofen. Emp- 
fänger: Die Schwestern von Salmannshofen. Gegenstand: ein Ver- 
Kauf. Archivhberkunft: Klosterarchiv St. Ursula, Augsburg. 

Dass B 21 bis 25 mit B 37 zusammengehören, hatte 
schon v. Raiser erkannt und deshalb zwei Ulriche ange- 
nommen, von denen der eine 1236 und 1244, der andere 
1256 bis 1285 testiere.. Roth pflichtete v. Raiser bei und 
gab S. 372 (vgl. auch 356) seiner Zustimmung folgende 
Form: „Obgleich es nun nicht unmöglich ist, dass Jemand 
50 Jahre hindurch dichtet (wir sahen es ja bei Göthel); 
so liegen uns doch hier zwei Türheimer vor, welche Ulrich 
hiessen, und der zuerst genannte ist der Dichter. Die 
folgenden 5 Urkunden!) beziehen sich nur auf einen Tür- 
heimer, und dieser war wohl ein Brudersohn des Dichters, 
welcher nie von Kindern spricht, wohl aber von Liebes- 
banden.“ Auch Busse trat dieser Ansicht bei und glaubte 
über den zweiten Ulrich bemerken zu müssen: „Aus der 
relativen Menge der Urkunden zu schliessen, hat dieser 
Ulrich in besseren äusseren Verhältnissen gelebt als der 
Dichter.“ Aber das sind keine logischen und keine objek- 
tiven Betrachtungsweisen. So wenig ich aus den über einen 
Zeitraum von fünfzig Jahren verteilten Rentamtsquittungen 
eines schliesslich mit vollem Gehalt pensionierten Beamten 
einen Schluss auf die Dauer seiner Tätigkeit in einem 
Verein ziehen kann, so wenig bin ich zur Annahme be- 
rechtigt, dass, wenn die Zeugennamen Ulrich von Türheim 
von 1236 bis 1285 auf eine Person zu beziehen sind, diese 
nun auch fünfzig Jahre gedichtet hat. 


Die Frage, die man sich zuerst vorzulegen hat, muss 
lauten: ist es nach mittelalterlichem Brauch und nach den 
Ergebnissen geschichtlicher Forschung möglich, dass im 
13. Jhdt. ein Mann 50 Jahre hindurch als Zeuge erscheint? 
Die Antwort lautet unbedingt: Ja. Es brauchen nur zwei 
Beispiele genannt werden. Konrad Schenk von Winterststten 
urkundet und testiert 44 Jahre, Rudolf von Habsburg 50. 


!) Roth kannte B 23 nicht. 


> 2 1 
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8 Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 


Nach dem Spiegel deutscher Leute $ 17 und dem Schwaben- 
spiegel $ 14 konnte jeder männliche Landeseingesessene 
vom 14. Jahre an als Zeuge fungieren, vorausgesetzt dass 
er seiner fünf Sinne mächtig, nicht gebannt, nicht geächtet, 
nicht vor Gericht der Ketzerei oder des Meineids über- 
führt oder übel beleumundet war und nicht unter Kuratel 
stand. Im 65. Lebensjahre konnte demnach ein Schwabe 
unter Umständen auf eine fünfzigjährige Zeugentätigkeit 
zurückblicken, wie wohl dieser frühe Termin nicht allzu 
häufig eingetreten sein dürfte. 


In einem Fall, wie dem vorliegenden, können also nur 
der Urkundeninhalt, insbesondere aber die Zeugenreihen 
entscheiden, ob ein Name auf eine oder zwei Personen 
zu verteilen ist. Und auch da kann es sich nur um einen 
Wahrscheinlichkeitsbeweis handeln, denn wie Lautgesetze 
oder statistisch belegbare Stilregeln lassen sich solche 
historische Dinge nicht nachweisen. In unserem Fall ist 
der Wahrscheinlichkeitsbeweis, dass es sich in den acht 
Zeugenreihen um &inen Ulrich von Türheim handelt, von 
ganz besonderer Güte. Für das Gegenteil lässt sich aus 
den Urkunden auch nicht ein annähernd gleicher Grad 
von Wahrscheinlichkeit beibringen. Es erscheinen nämlich 
in sechs von den acht Urkunden, in denen der Zeugen- 
name Ulrich von Türheim auftritt, in den Zeugenreihen von 

2) B16: 1244 Albertu/ miles de Büch vor Ulrich, 

3) B21: 1256 Albertus de Büch » filius [uus Albertus vor Ulrich, 

4) B22: 1257 Albertus de Büch et al. filius /uus vor Ulrich, 

5) B23: 1261 Albertus de Buche Albertus filius [aus vor Ulrich, 

6) B24: 1263 Albertus de Büch filius fuus Albertus vor Ulrich, 

7) B25: 1266 Albertus de Buch nach Ulrich. 


Dass es sich in den Urkunden von 1244 bis 1266 
immer um dieselben Albertus de Büch genannten Persön- 
lichkeiten handelt, wobei 1244 wohl nur der Vater, 1266 
nur der Sohn auftritt, ist ohne weiteres klar, und somit 
nicht der geringste objektive Grund vorhanden, in dem 
Zeugen Ulrich von Türheim der Jahre 1256 bis 1266 einen 
anderen zu sehen als den von 1244. Es gibt aber auch 
keine objektive Handhabe, den Ulrich von 1236 von dem 


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Wilhelm, Studien su Ulrich von Türheim. 9 


der Jahre 1244 bis 1266 zu trennen. Er erscheint 1236 
ebenso wie 1266 in einer vom Bischof von Augsburg für 
ein Kloster der Diözese Augsburg ausgestellten Urkunde. 
Die Urkunde von 1236 ist ähnlich wie die Briefe von 1256 
und 1263 örtlich mit Druisheim verknüpft. Wenn Ulrich 
in der Urkunde von 1244 als letzter erscheint, so ist kaum 
daraus ein Schluss auf seine „niedere“ Stellung zu ziehen 
als vielmehr auf sein verhältnismässig junges Alter gegen- 
über den andern in der Laiengruppe der Zeugenreihe ge- 
nannten Männer. Die Urkunde von 1236 macht solche 
Unterschiede nicht, sonst würde kaum der ehrwürdige Abt 
Hiltebrant von St. Ulrich und Afra das letzte Glied ihrer 
Zeugenreihe bilden. Mit der Urkunde von 1285 verhält es 
sich nicht anders. Zwischen 1266 und 1285 liegen aller- 
dings 19 Jahre und man könnte deshalb geneigt sein, das 
Testat von 1285 einem anderen Ulrich von Türheim zu- 
zuschreiben. Auch liesse sich die Stelle in B 36 von 
1283 VII. 4 in prato quondam dnj Urici de Turhain gar 
wohl so auslegen, dass der 1266 erscheinende Ulrich vor 
1283 VII. 4 bereits gestorben war. Doch spricht gegen 
diese Auffassung 1. Mos. 23,17 Confirmatusque est ager 
quondam Ephronis, wo Ephron nach Verkauf des ager an 
Abraham noch weiter lebt, und eine Uebersetzung ins Mhd. 
mit guondam als etewenne (vgl. L. Diefenbach Gl. lat.- 
germ. 481b; nov. gl. 312b) hilft über die Zweideutigkeit 
der Stelle nicht hinweg. Vor allem ist aber gegen die An- 
nahme eines neuen Ulrich von Türheim um 1285 die Tat- 
sache anzuführen, dass erst 55 Jahre später 1340 III. 9. 
(MB. 23, 115) ein Ulrich von Türheim wieder auftritt und 
die selten gut erhaltenen Archivbestände des Augsburger 
Hochstifts, Domkapitels, der Stadt Augsburg und des Kais- 
heimer Stiftes bis dahin den Namen Ulrich von Türheim 
nicht mehr aufweisen. 


Positiv spricht aber für die Identität des Ulrichs von 
Türheim von 1285 mit dem der Jahre 1236 bis 1266 noch 
etwas anderes. Aus der Urkunde von 1266 (B 25) er- 
fahren wir nämlich, dass Ulrich von Türheim in Biberbach 


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10 Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 


an der Schmutter wohnhaft war, ein seltener Fall bei den 
spärlichen urkundlichen Belegen für mittelhochdeutsche 
Dichter, die dem Laienstande angehörten. Dieses Biber- 
bach liegtzwei Gehstunden!) südöstlich von Wertingen, dessen 
Vogt später Ulrichs Verwandter Konrad war. In der Nähe 
südöstlich von Wertingen und südwestlich von Biberbach, 
liegt Salmannshofen, wo die Nonnen lebten, die die von 
Ulrich 1285 testierte Urkunde empfingen. Die Empfänger 
haben den Text wahrscheinlich auch verfasst und dann 
gemeinsam mit den Ausstellern zur Besiegelung an den 
Bischof und das Domkapitel nach Augsburg geschickt. Den 
in der näheren Umgebung angesehensten und wohl auch 
ältesten Herrn, den Dominus Ulricus de Tureheim, bat man um 
sein Zeugnis. Denn dass neben Ulrich von Türheim nur 
noch Ulrich von Rihen als Zeuge erscheint, in einer Zeit, 
da man die Zeugen gern häuft, spricht für das Ansehen beider 
und die Glaubwürdigkeit, die man ihrem Zeugnis beimass. 

Es muss also angenommen werden, dass Ulrich von 
Türheim ein hohes Alter erreicht hat. Bald nach 1285 
wird er gestorben sein. Nehmen wir an, dass er um 1200 
geboren war, so ist er etwa 86 Jahre alt geworden, war er 
mit König Heinrich VII. gleichaltrig, so hat sein Leben 
rund 75 Jahre gedauert. Das ist keineswegs etwas Ab- 
sonderliches. Der Satz Busses S. 4lf: „Im ganzen darf 
man wohl sagen, dass die Menschen des Mittelalters früher 
alt wurden oder früher sıch alt fühlten, als wir“ ist ein 
rechter Gemeinplatz, den zu beweisen sehr schwer fallen 
dürfte. Vielleicht darf man sagen, dass der mittelalterliche 
Mensch infolge seiner tieferen Religiösität besser auf das 
Alter vorbereitet war und sich würdevoller darein schickte, 
als mancher unserer heutigen Kulturherren. Aber das ist 
nebensächlich. Der gesunde Mann Rieser Schlags wird im 
Mittelalter ebenso alt geworden sein, wie heute. Die Er- 
nährung war bei dem ganz auf Landwirtschaft eingestellten 
Lebensbetrieb des Mittelalters sicher auch in Kriegszeiten 
bei einigermassen Besitzenden besser als in manchen unserer 


!) Nach freundlicher Mitteilung des Herrn Stadtpfarrer J. E. 
Merk in Wertingen. 


Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 1X 


modernen Grossstädte oder gar im Krieg von 1914 auf 19. 
Dosh auch das gibt nicht den Ausschlag, sondern die Tat- 
sache, ob jemand aus einer langlebigen oder kurzlebigen 
Familie stammt. Lebenszähigkeit ist etwas Angebornes, ein 
Gut, das die Eltern auf die Kinder übertragen und das nur 
herbe und angreifende Schicksale des Körpers und der 
Seele vermindern können. Dass Lebenszähigkeit in dem 
Pürheimschen Geschlecht aber schon zu Ulrichs Zeit vor- 
handen war, lässt sich einwandfrei bei seiner Verwandten, 
der Aebtissin Wilbirg von Türheim, nachweisen. Sie tritt 
zuerst als einfache Klosterfrau von St. Stephan in den 
Urkunden dieses Stiftes von 1279 und 1294 (B29; 42) auf, 
dann steigt sie zur Aelnerin, d. h. Verwalterin der Stifts- 
einkünfte empor, erscheint als solche in den Urkunden 
von 13056 XII. 20; 1308 I. 6 (oder 13); 1311 XI. 29; 
1814 VII. 13 (Augsburg St. Stephan Fasc. 1 und 2) und 
erklimmt schliesslich den Thron der Aebtissin. 1325 
II. 23 und 1341 VII. 21 hat sie als Aebtissin geurkundet 
(Augsburg, St. Stephan Fasc. 3) und am 15. IV. 1344 
ist sie als Aebtissin gestorben: Anno däi M°CCC’Xlüij 
Obiit wilwirk von Tarhen apti/fin deß gotzhauß und gibt 
mann vn/ferm Conuent | V.ß aug/purger dä vnd frümpt 
dem pfarrer meß mit iiij dü die haut ain gefungen vigili 
und selmeß berichtet das Jahrzeitbuch Augsburg St. Stephan 
El. Lit. Nr. 51 Bl. ilr zum IV. 15 und das Jahrzeitbuch 
El. Lit. Nr. 52 Bl. 7v zum selben Tag mit fast gleich- 


zeitigem Kintrag: Hiut ift iarzit Wilwirk von turhein einer 
epteffin diß goczhus vnd git man vnferm koftent. V fill 
an/purger pfenning vnd frumpt dem pfarrer me// mit iij 
pfennigen vnd [ingt man ir an dem aubent vigilg vnd an 
dem morgen ein gefungen [ellme// Anno däi M’CCC’XLiüj 
Obii# dna quondam dicta. Wilbirg hat also nachweislich 
66 Jahre dem Kloster angehört. Nimmt man an, dass sie 
mit 12 Jahren ins Kloster eingetreten ist (vgl. Schwaben- 
spiegel $ 27), dann ist sie über 77 Jahre alt geworden. 
Sie kann aber auch b bis 10 Jahre älter geworden sein. 
Jedenfalls ist sie ein untrüglicher Zeuge für die ausser- 


12 Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim, 


ordentliche Langlebigkeit der Familie und eine historisch- 
biologische Stütze dafür, dass der in den Urkunden von 
1236 bis 1285 erscheinende Ulrich von Türheim ein und 
dieselbe Person, der Dichter des Tristan und des Renne- 
wart ist und ein Alter von ungefähr 75 bis 85 Jahren 
erreicht hat!). 

Zur Zeit, als Wilbirg Aebtissin von St. Stephan war, 
lebten dort noch zwei andere Türheimer Töchter als 
Klosterfrauen: Gertrud und Elisabeth. Sie werden als 
Zeugen erwähnt in St. Stephaner Urkunden von 1341 VII. 
21; 1347 VI]. 22; VII. 28; 1351 VII. 19; 1352 II 17 
(Augsburg St. Stephan Fasc. 2 und 3). Mag auch die hohe 
und ehrende Stellung der verwandten Wilbirg zum Eintritt 
ins Stift angeregt haben, die Tatsache, dass drei Tür- 
heimerinnen zu gleicher Zeit im Stift lebten, spricht für 
Zuwendungen an das Stift seitens Türheimischer Familien- 
angehöriger. Und wenn auch daraus noch nicht auf grossen 
Reichtum geschlossen werden darf, so doch ebenfalls nicht 
auf tiefe Armut der Familie. Und auch unser Ulrich von 
'Türheim war keineswegs ein Ritter von Habenichts. 

Unter dem 16. IV. 1281 verkaufte der herzoglich 
bayrische und rheinpfalzgräfliche Ministeriale Hiltebrand 

!) Beispiele für die Langlebigkeit als Eigenschaft der Familie 
aus neuerer Zeit sind nach den durch Graf Andreas von Thürheim 
in seinem Buch S. 181 f. abgedruckten Thürheimschen Ahnenproben 
Nr. 2: Leopold Graf Thürheim geb. 1623, T 1694; Franz Leopold 
Graf Thürheim geb. 1624, 7 1700. Nr. 6: Franz Ludwig Graf Thür- 
heim geb. 1710, + 1782. Nr.8: Franz Philipp Gottlieb Graf Thür- 
heim geb. 1673, + 1748. Nr. 10: Christoph Wilhelm Graf Thürheim 
geb. 1661, + 1738. Nr. 12: Gundacar Josef Graf Thürheim geb. 1709, 
7 1798. Nr. 13: Christoph Wilhelm Graf Thürheim geb, 1731, T 1809; 
Franz Josef Theophil Agapit Cajetan Graf Thürheim geb. 1740, T 1824. 
Nr. 14: Aloisia Antonia Gräfin Thürheim geb, 1767, 7 1851. Nr. 16: 
Maria Wilhelmine Gräfin Thürheim geb. 1772, 7 1868; Maria Franoisca 
Gräfin Thürheim geb. 1774, f 1848. Nr. 16: Therese Gräfin Thürheim 
geb. 1751, 7 1835. Nr. 17: Constantine Gräfin Thürheim geb. 1785, 
7 1867; Ludowika Gräfin Thürheim geb. 1788, 7 1864. Nr. 18: Ludwig 
Egbert Graf Thürheim geb. 1818, 7 1894. Weitere Beispiele im 


Namensverzeichnis Ren& van Rhyns in Gräfin Lulu Thürheim „Mein 
Jıeben“ II 361 f. 


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Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 13 


von Gumpenberg als Tutor seiner Enkel, der Truchsessen 
Bertold und Siegfrid von Küllental, das Jus dominii und 
das Jus pastorie zu Niedertürheim nebst einer grösseren 
Anzahl von Liegenschaften für 94 Pfund Augsburger 
Pfennige an das Stift Kaisheim (B 33; 34). Die herzogliche 
Bestätigung dieses Kaufes wurde 1281 IV. 30 erteilt (B 35), 
und der junge Truchsess Bertold, ebenfalls ein Ministeriale 
des Herzogs von Bayern, fertigte, nachdem er das hiefür 
gesetzliche Alter erreicht hatte, 1286 XII. 13 auf Wunsch 
des Stiftes Kaisheim darüber eine neue ihn verpflichtende 
Urkunde aus (B 38). Unter den in den Instrumenten von 
1281 IV. 16 (B 34) und 1286 XII. 13 (B 38) als veräussert 
erwähnten Liegenschaften befanden sich auch alle in 
Küllentalschen Besitz übergegangenen Grundstücke und 
deren Lasten, die ehemals im Besitz der Brüder Engelhart 
und Ulrich von Türheim waren. Es waren 6 zree, die für 
das Jahr mit 10 Augsburger Schillingen, einem Viertel 
Mohn und an Stelle der Lieferung von Fastenhühnern und 
der Gestellung von Arbeitskräften!) für die Heuernte mit 
85 Augsburger Pfennigen belastet waren. Der Türheimsche 
Besitz war also schon vor 1281 IV. 16 in Küllentalsche 
Hände übergegangen, sei es durch Kauf, sei es durch 
Tausch oder sonstwie. Darüber werden ebenfalls Urkunden 
ausgefertigt worden sein; da sie aber über Privatgeschäfte 
handelten und nicht in das Archiv eines grösseren Ver- 
waltungskörpers gelangten, sind sie verloren gegangen, 
wie Tausende ihresgleichen. 

Am 4. VII. 1283 stellte Bischof Hartmann von Augs- 
burg eine Urkunde über die Beilegung eines Streites 
zwischen Stift Kaisheim und den Gebrüdern Heinrich und 
Sifrid Sengen aus, die Liegenschaften in der Umgebung 
von Niedertürheim betraf. Unter den Streitgegenständen 
befanden sich auch 4 Heu tragende Tagwerke auf einer 
Wiese, die einst dem Herrn Ulrich von Türheim gehörte. 


») B.34 operarijs, quos vulgus Recher vocat. Danach ist der 


vollkommen verkehrte Artikel bei Schmeller-Frommann U 19 s. v 
Recher zu berichtigen. 


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14 Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 


Da der Streit sich teilweise um dieselben Grundstücke 
drehte, die in der Urkunde von 1281 IV. 16 erwähnt wer- 
den, und Stift Kaisheim wahrscheinlich erst durch diesen 
Kauf von 1281 an Stelle der Küllentalschen Erben zur 
streitenden Partei wurde, so lässt sich kaum ausmachen, 
ob die 1283 erwähnte Wiese Ulrichs von Türheim etwa 
zu jenen 6 zree von 1281 zu rechnen oder als ein anderer 
Türheimscher Besitz anzusehen ist. Wie dem aber auch sei, 
Ulrich von Türheim kann nicht als unbemittelt gelten. 
Freilich sind die Begriffe „arm“ und „reich“ immer relativ 
und werden von dem Einzelnen, je nachdem er sich mit 
anderen vergleicht, subjektiv bewertet. Indessen braucht 
hinter Ulrichs Wink mit dem Zaunpfahl an den König, 
ihm auch einmal 10 Pfund, das sind nach unserem heutigen 
Geld ungefähr 10000 Markt), zukommen zu lassen, nicht 
das subjektive Gefühl der Armut zu stecken. Die Stelle A& 
nimmt sich eher wie eine verblümt angebrachte Beschwerde 
aus: Warum bekomme ich nichts, wenn andre etwas erhalten! 

Vielleicht hat dieser Wink aber noch andere Gründe: 
Stand Ulrich als Militär etwa mittelbar oder unmittelbar in 
herzoglich-schwäbischen und damit in königlichen Diensten? 
Als Schwaben werden die Türheimer ausdrücklich in B4 
bezeichnet. Wir haben auch gehört, dass Ulrich in Biberbach 
an der Schmutter ansässig war. Dort führten die Marschälle 
von Pappenheim, die sich auch Marschälle von Biberbach?) 


t) Prof. Dr. H. Buchenau schreibt mir, nachdem er auf die 
Schwierigkeiten des Vergleiches mit modernen Verhältnissen auf- 
merksam gemacht hat: „Den Begriff eines Pfundes damals wlrde 
ich schätzen wie heute ‚1000 Mark‘. 

1) An diesem Biberbaoher Besitz haben die Pappenheimer unter 
grossen Opfern festgehalten. Als zwischen 1263 IX. 1 und 1269 IV. 25 
Heinrich, Marschall von Pappenheim, gestorben war, heiratete seine 
Witwe einen Grafen Rudolf von Montfort. Dieser belehnte das 
Heinrichs Söhnen Heinrich und Hiltebrand gehörige Haus zu Biber- 
bach. 1269 IV, 25 lösten sie es mit Zustimmung ihres Vormundes, 
Pflegers und Schwagers Marschall Heinrich von Donnersberg wieder 
ein, indem sie den Hof zum Pfal, der Wertheimsches Lehen war, 
an das Deutschordenshaus zu Ellingen und die Vogtei über Wolfer- 
stadt und die Weiler Rotenberg, Mühlberg und Langenlauch, die 


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Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 15 


nannten (vgl. MB. 16, 293; 391), das Kommando. Es ist 
daher ganz natürlich, wenn Ulrich in Urkunden als Zeuge 
auftritt, die der Marschall von Pappenheim ausstellte. 
Leider geben diese Urkunden aber über Ulrichs Stellung 
keinen weiteren Aufschluss. Dass er ein Ministeriale des 
Marschalls von Pappenheim war, ist nicht wahrscheinlich, 
da Reichsministerialen, wie es die Marschälle von Pappen- 
heim waren,. in der Regel ihrerseits keine Ministerialen 
hatten. Wohl aber könnte Ulrich als Offizier unter dem 
Kommando des Pappenheimers gestanden haben. Dass er 
Militär war, zeigt gerade sein Willehalm deutlich. Zei 
meiner freve, sagt er Ogm. 42 Bl. 12v, ich dez /wer: Vül 
dike ich daz vernomen hab: Ez ift pezzer kampf - denn 
hals ab - und wie versteht er das Marschleben zu schildern: 
Bl. 80v: Nv for vor her dem Marky/e Manigerhande knehle. 
Vil gar nach knehtes rehte. Mit wat/ecken vnd mit svmen. 
Mit Jailen vnd mit clvgen zevmen Gemvge (!) knehte man 
da vant. Die Ros zvgen an der hant (Bl. 81r) Vnd ir 
herren [chilt da mite. Ez ift ein gvte knehte fite. Der 
trinket va/te vnde izzet Vnde niht da pei vergizzet. So 
er von der herberge vert. Des hat vil manich [ich erwert. 
Wann ez i/ft mir wol erkant,; und dem Soldatenleben mag 
auch die Erfahrung entsprungen sein Bl. 86r: Manich 
Ritter minnet den win Harter wann ein [chone wip. Auch 
ft maniges wibes lip. Die va/te trinket an den gajt. Die 
blibet an der minnen laft. Ich wil durch pecher zuchken. 
Mich niht lazzen vnderdruchken. Vnd ob wer min pejter 
tach Dar an min gernder wille lach. Dannoch wolt ich ir 
niht/uchen. Noch irer gab geruchen. War vmbe Juch ich 
minne an /ye Minne kom in ir hercze nye. Das sind aller- 
dings Töne, die in der Dichtung der ersten zwei Jahrzehnte 
des 13. Jhdts. nicht angeschlagen werden, aber wir müssen 
auch in Betracht ziehen, dass Ulrich seinen Willehalm 
teilweise zur Zeit des Interregnums schrieb. Dafür, dass 


Reichslehen war, an die Deutschordenskommende Oettingen ver- 
kauften (vgl. Reg. Boica 4, 762). 


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16 Wilhelm, Studien zu Ulrieh von Türheim. 


die Türheimer Ministerialen der Augsburger Kirche waren, 
fehlt jeder Anhaltspunkt. Auch Konrad von Türhein: tritt 
trotz der gegenteiligen auf von Raiser zurückgehenden 
Bemerkung bei Roth S. 368 nirgends als solcher auf. 


In den mir bekannt gewordenen Urkunden des 13. Jhdts., 
die Türheimische Namen aufweisen, siegelt kein Türheimer 
mit eigenem Siegel, woraus indessen nicht folgt, dass sie 
keines besassen. 


Das älteste Türheimer Siegel findet sich an einer 
Urkunde Johanns von Türheim vom Jahre 1318, die leider 
gegenwärtig im k. bayr. allgem. Reichsarchiv nicht auf- 
findbar ist. Siegel des Siegfrid von Türheim sınd an einer 
Urkunde vom 23. II. 1329 (Augsburg Heiligkreuz Fasc. 4)) 
und an einer gegenwärtig nicht auffindbaren von 1332 er- 
halten; von letzterem Siegel ist ein Abguss im kgl. Siegel- 
kabinett vorhanden. Diese Siegel überliefern zugleich auch 
die älteste Form des Türheimschen Wappens, die von dem 
gegenwärtigen Stammwappen des Geschlechtes erheblich 
abweicht (vgl. die Abbildungen des jetzigen Wappens im 
„Neues Adliches Wappenwerk Nürnberg im Verlag des 
Conrad 'Tyrolfischen Wappencomtoirs 1798* Bd. I, Taf. 141, 
in J. Siebmachers „Grosses und allgemeines Wappenbuch II 1 
[1856] 24 und Taf. 17; IV 5 [1885—1904] 465 f.; 786; 
Taf. 112; 163; 164, im Buch des Andreas, Graf von Thür- 
heim und in Gräfin Lulu von Thürheim ‘Mein Leben’ I 
Illustration 2... Das alte Wappen ist wie das heutige ein 
sprechendes. Siegfrids Wappen von 1329 und 1332 hat 
folgende Gestalt: in einem dreieckigen Ritterschild steht 
eine Tür mit Angelzapfen, Spangenbeschlag und Klopf- 


ı) Sigfrid der Schön bürgt und siegelt für seinen Schwager 
Cunrad von Holzingen und dessen Ehefrau Willbirch wegen eines 
Hofes zu Blienspach. Auf dem Siegel bezeichnet sich Siegfrid nicht 
als der Schön, sondern als von Türheim. Seine Zugehörigkeit zum 
Geschlecht der Türheimer beweist auch der Vorname seiner Schwester, 
der in einer Patenschaftsbeziehung zum Namen der Aebtissin stehen 
wird. Vielleicht steht zu ihm der Heinrich Szone de turhein B 40 
in Beziehung. 


Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 17 


ring!). Die Angelseite der Tür ist heraldisch rechts. Etwas 
anders ist das Wappen im Siegel des Ulrich von Türheim 
vom Jahre 13412), das ich leider nur aus dem Abguss im 
kgl. Siegelkabinett kennen lernen konnte. Auch dieses 
Siegel weist in einem dreieckigen Ritterschild eine stehende 
Tür mit Angelzapfen, Spangenbeschlag und Klopfring auf, 
nur sind die Einzelheiten an der Tür nicht so fein und 
plastisch ausgearbeitet. Ausserdem befindet sich die Angel- 
seite der Türe heraldisch links und die freien Schild- 
flächen zeigen Damaszierung mit Punktmuster®). Die Farben 
des alten Wappens überliefert der Ogm. 905 (17. Jhdt.) 
Bl. 45v. In einem roten Schild steht eine weisse Tür 
mit weissen Angelzapfen und blauem Spangenbeschlag 
und blauem Klopfring. Die Angelseite der Tür ist wie bei 
dem Wappen von 1341 heraldisch links. Auf dem stehenden 
Schild sitzt in der Mitte ein Spangenhelm, umflattert von 
einer rot und weissen Helmdecke, Die Zimierde besteht 
aus zwei rot und weiss gestückten Büffelhörnern. 


Das heutige Stammwappen des Geschlechtes dagegen 
zeigt einen dreistöckigen silbernen Torturm auf schwarzem 
Grund, über dem Schild ruht, auf eine schöne, aber sagen- 
hafte Familienüberlieferung anspielend, eine Dornenkrone. 
Die Büffelhörner sind aus der Helmzimierde des kombinierten 
Wappens verschwunden. 


Dieser Torturm hat sich erst allmählich entwickelt. Seine 
Vorstufe scheint ein silberner, abgestufter Mauergiebel 
auf schwarzem Grund gewesen zu sein, in dessen Mitte 


ı) Für beide Siegel diente der gleiche Stempel. Der Klopfring 
ist auf beiden Siegeln deutlich zu sehen. Die bei Siebmacher IV 5 
Taf. 163 wiedergegebene Skizze ist sehr schlecht. 

2) So nach dem Angabevermerk des Siegelkabinetts. Oder 
handelt es sich um die oben 8.9 zitierte Urkunde MB, 23, 115 von 
1340 III. 9., die gegenwärtig leider auch nicht auffindbar ist? 

») Das älteste Wappen von Hans (Johann) von Türheim ist bei 
Siebmacher IV 5 Taf. 163 abgebildet. Von dieser Abbildung wird 
das Gleiche gelten, was in der vorvorhergehenden Anmerkung von 
der Skizze von Sigfrids Wappen gesagt wurde. Eine grössere Ab- 
weichung betrifft die Lage der Tür: sie ist quer gestellt. 


Münchener Museum f. Philologie des MA. IV. 1. 2 


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- 5 u 7 u u 


18 Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 


eine beschlagene aufrechte Holztüre steht!). So erscheint 
das Wappen 1686 im Wappen der oben erwähnten Will 
wirch von Thirrnhaimb, erw. Anno 1330 - Reg. 16 Jahr 
auf Bl.5r im Szamm vnd Wappen Buch Eine/ Hoch Adelichen 
Frey Stüffts Zu St. Stephan allhie in Aug/purg Von der 
Erften Frawen Abbati/sin allda Frawen Eleusinia Schwefter 
def FH. Aug/purg: Bi/choffen Vnnd Patronen Vdalrici 
Gebohrner Gräffin Von Dillingen Vnd Kyburg Bif auf 
Un/ere Zeithen Vnd fo dann weilhers forihzufezen - Auf 
anordnung Der Flochwürdigen Reichs Wohigebohrnen Fr. 
Frawen Marie Margarite Teresi® iezt Regierender Frawen 
Abbati/sin Einer Gebohrnen V Bodmann Anno 1686. 
(K. B. allgem. Reichsarchiv Aufschwörbücher Nr. 1.) Es 
ist möglich, dass dieses Wappenbuch eine ältere Quelle 
benutzt hat. Denn es ist in das Wappenbuch vorn lose 
hineingelegt ein Pergamentblatt, dessen Rectoseite auf der 
oberen Hälfte folgendes Bild enthält: Der hl. Stephan in 
grüner Casula stützt sich mit dem rechten Unterarm, in 
dessen Hand er den Palmenzweig hält, auf das Freyberg- 
sche Wappen, mit dem linken Ellenbogen, in der linken 
Hand drei Steine haltend, auf das von Rothsche Wappen. 
Unter dem eingerahmten Bild steht von gleichzeitiger Hand: 
-15-25- ZVo lob vnd Er got dem Almechtigen. Und de 
hailigen martrer Sant fteffen. auch di/em Lobliche ge/tift 
zu gutt& vnd nutz ift di/jz buch gemachl vnd verordnet 
worde Durch die Erwirdigen Vnd Edlen frowen. frow Anna 


Von Fryberg Aptiffin difes Lobliche /tifis Zu Sant Steffen. 
Vnd find vff di/zmal Irer gnade Capittel frowe gewe/en. 
Die wirdige vnd Edlen frowen Nach der ordnung. Aufra 
vom Fuchs/tain. Margaretha von Knöringe. Anna vo Thüyr- 
haim. vnd Helena von Landenberg. Es find auch zu der 
zeit dife vier Jungkfrolin Schulkinder gewe/en Namlich 
Martha von Wemdlingen Katherina von Fridingen - Be- 
nigna von Thüyrhaim Vnd Dorothea - von Fridingen. Im 
Jar als man hat zell Nach der geburt Crifti Taufend fünf- 


ı) Abgebildet bei Siebmacher IV 5 Taf. 164. 


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Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 19 


hundertzwaintzigvndfünf Jar. Die Versoseite des Bl’s ist 
unbeschrieben. Vielleicht liegt also hier der Rest eines 
älteren St. Stephaner Stamm- und Wappenbuches vor, das 
für einige Wappen des 1686 angelegten Buches als Vor- 
lage diente, | 

Es besteht aber kein Grund zur Annahme, dass der 
Dichter Ulrich von Türheim, wenn er ein Siegel gehabt 
hat, ein anderes Wappen als das durch die Siegel aus dem 
Anfang des 14. Jahrhunderts bezeugte geführt hat. 


Konrad von Erringen. 


Zu seinen Freunden zählt Ulrich von Türheim auch 
einen Konrad von Erringen. Was Busse über ihn S, 8 
Anm. 1 berichtet, ist vollkommen verwirrt. Auch bei den 
Erringern sind zwei Familien zu unterscheiden, die sich 
beide Er(r)ingen schreiben. Die eine leitet ihren Namen 
von Eringen (Ehring) nordwestlich von Nördlingen her. 
Ueber sie hat ausführlich Steichele, Das Bisthum Augs- 
burg 3, 1003 f. gehandelt!). Sie erscheinen seit 1238 im 
Gefolge der Grafen von Oettingen und führen seit 1250 
II. 20 den gräflich Oettingenschen Schenkentitel. Als solche 
nennen sie sich auch später Schenken von Schneidheim 
und Schenken von (Schenken-)Stein. Die männlichen Namen, 
die in der Familie üblich sind, sind Gerung und Rabeno. 
Erst gegen Ende des 13. Jhdts. tritt in dieser Familie der 
Name Konrad auf. Ihn trägt der Sohn Gerungs Ill. und 
seiner zweiten Gemahlin Margaretha Hakkin von Wellstein, 
der nach 1272 geboren ist. Das Wappen der Schenken- 
familie ist im Schild ein Hirschhorn; vgl. O. v. Alberti, 
Württembergisches Adels- und Wappenbuch I, 155, wo das 
Siegel des Schenken Rabno von Erringen 1263 abgebildet 
ist. Der Ogm. 932 (16. Jhdt.) Bl. 171r überliefert das 
Wappen folgendermassen: In weissem Schild schwarzes 
Hirschhorn. Auf dem Schild ruht ein Spangenheim mit 
schwarz- und weisser Helmdecke. Ueber dem Helm eine 


. 1) Ob die in B 8 genannten Erringer mit Steichele der Sohenken- 
familie zuzuteilen sind, erscheint mir sehr fraglich. 


2’ 


/ 


ee 


PiN) Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 


goldne dreizackige Krone, aus der ein schwarzes Hirschhorn 
wächst. Diese Familie de Erringen kommt für uns nicht 
in Betracht. 


Die zweite Familie nannte sich vermutlich nach dem 
südlich von Schwabmünchen gelegenen Langenerringen. 
In dieser Familie sind seit altersher die Namen Konrad, 
Heinrich und Werner üblich. In datierten Archivalien 
tritt ein Konrad von Erringen zuerst 1154 VII, 11 in einer 
von Bischof Konrad von Augsburg für Kloster Steingaden 
ausgestellten Urkunde auf (MB. 6, 481 f.). Dann 1156 VIL./VIM. 
in einer zu Ulm ausgefertigten Urkunde desselben Bischofs 
aus dem Kaisheimer Archiv (Stumpf, Reichskanzler 3749). 
1157 bezeugt er eine Seegerätsstiftung für die Augsburger 
Kirche (MB. 33 I 39). Weit häufiger erscheint der Name 
Konrads in den undatierten Traditionen des Traditionskodex 
von St. Ulrich und Afra, der in den MB. Band 22 heraus- 
gegeben ist. Glücklicherweise können wir die meisten dieser 
Traditionen zeitlich ungefähr bestimmen, da die Pr&fecti 
urbis Augustae unter den Zeugen erwähnt werden. So 
testieren Konrad und sein Bruder Heinrich von Erringen 
Nr. LX; LXXXVU; XCVII zugleich mit dem Stadt- 
präfekten Witegau, der 1143 IX. 24 urkundlich erscheint 
(MB. 33I 23). Mit Witegaus Sohn, dem Stadtpräfekten 
Konrad, tritt Konrad von Erringen in Nr. LXXXVII; 
CXLVI und CLVI auf. Dieser Stadtpräfekt ist schon in 
der Ulmer Urkunde von 1156 (Stumpf 3749) mit Siegfrid 
von Donnersberg erwähnt. Durch Siegfrid lassen sich 
wieder die Traditionen Nr. COXXV und OLVI bestimmen, 
in denen Konrad von Erringen neben ihm testiert. Mit 
dem Donnersberger Sigfrid wird Diepold von Hausen 1173 
(MB. 33I 43f.) genannt. Dieser Diepold erscheint in der 
Traditio Nr. LXVIII als letzter in der Zeugenreihe, in der 
auch Konrad von Erringen fungiert. Nur die Nr. LXXXV 
und XCIV lassen sich nicht genauer zeitlich festlegen. 
Man darf aber wohl sagen, dass die Traditionen des Kodex 
von St. Ulrich, in denen Konrad von Erringen erscheint, 
in die Zeit von 1140 bis 1175 fallen. Der sehr sorgfältig 


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\ 


Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 9] 


gearbeitete Index zu MB. Band 15 bis 27 von Friedrich 
Keinz setzt die Erwähnungen Konrads von Erriugen in 
die Jahre 1140 bis 1160 und hat wohl ganz recht. Jeden- 
falls durfte Busse die Erringer Konrade nach Keinzens 
mühevoller Arbeit nicht mehr so untereinanderwürfeln, 
wie er es tut. Denn der 1231 als vor nicht allzulanger 
Zeit verstorben erwähnte Konrad von Erringen muss ein 
anderer sein als der, welcher schon um 1140 auftaucht 
(s. B 12). 

In der Tat erscheint zwischen 1208 und 1227 noch 
ein anderer Konrad von Erringen. Um 1208 (B 8) befindet 
sich dieser Konrad unter den Zeugen der Bestätigungs- 
urkunde Bischof Sigfrids von Augsburg über eine gräflich 
Frantenhofensche Schenkung an Stift Kaisheim und 1221 
IV. 27 desgleichen, als Bischof Sigfrid der Schenkung 
seiner Schwester Adelheit an Kaisheim zustimmt (B 9). 
Er ist es auch, der 1227 IX. 22 in einer für den Deutsch- 
berrenorden ausgestellten Urkunde König Heinrichs VII. 
auftritt (B 11). Zwischen 1228 und 1231 fallen seine Seel- 
gerätsstiftung (die Schenkung des Hofes Guggenrieth an 
St. Ulrich und Afra) und sein Tod (B 12). Gerade das 
Auftreten Konrads von Erringen in einer Urkunde König 
Heinrichs VII. macht es wahrscheinlich, dass er der Freund 
Ulrichs von Türheim war. Er mag mit Konrad von Winter- 
stetten gleichaltrig gewesen sein. 

Allerdings konkurriert mit diesem Konrad von Erringen, 
wie schon Busse bemerkt hat, ein anderer, der 1253 VI. 24 
eine Seelgerätstiftung an Stift Kaishaim macht (B 19). 
Wäre er der Freund Ulrichs, dann müsste die betreffende 
Willehalmstelle (A 9) nach 1253 VI. geschrieben sein, 
was an sich nicht unmöglich ist. Vielleicht hat auch der 
Tod dieses Konrad von Erringen die Erinnerung an den 
älteren Freund wachgerufen. Sicherheit ist in der ganzen 
Frage nicht zu erlangen. 


Für die Annahme, dass diese Erringer Truchsessen 
der Bischöfe von Augsburg gewesen seien, fehlt jeder 
Anhaltspunkt. 


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29 Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 


Das Wappen der Langenerringenschen Familie, die 
später auch Eringen von Norndorf!) genannt wird, er- 
scheint zuerst auf einem Siegel Aainrichs von Erring 
richter ze Ingol/tat an einer Urkunde vom 21. VII. 1343 
(Niederschönefeld Kl. Fasc. 11.; vgl. MB. 16, 392). Es ist 
ein senkrecht gespaltener Schild mit einem Ring in der 
Mitte. Nach J. Siebmachers grossem und allgemeinen 
Wappenbuch VI 1, 36 und Taf. 32 ist der Schild senk- 
recht in Blau und Silber gespalten, der Ring rot. Auf dem 
Helm sitzt ein Brackenkopf senkrecht in Blau und Silber 
gespalten mit einem Ohrring. Der Cgm. 932 (16. Jhdt.) Bl.143v 
zeigt folgendes Wappen: In rotem ungespaltenen Schild ein 
weisser Ring. Auf dem Schild ruht ein Spangenhelm mit 
rot und weisser Helmdecke. Die Helmzimierde ist ein roter 
Ring. 

Otto der Bogner. 

Nach A5 ist es Otto der Bogner aus Augsburg ge- 
wesen, der Ulrich von Türheim das wälsche Quellenmaterial 
zu seinem Willehalm geliefert hat. Er erscheint in zwei 
aus Augsburg datierten Urkunden, von denen die eine 
1237 II. 6 Bischof Siboto von Augsburg zum Aussteller hat, 
die andere 1246 VIII. 29 Gotfrid von Hohenlohe (B 15; 17). 
In der letzteren Urkunde wird dem „Augsburger Bürger“ 
Otto dem Bogner und seiner Frau Seulinde und ihr beider 
Erben der Platz am „Alten Stadttor“, der Hohenlohesches 
Eigentum war, in Anbetracht treuer Dienstleistungen unter 
ausserordentlich günstigen und ehrenden Bedingungen über- 
lassen. Dies war, wie die Urkunde hervorhebt, in Gegen- 
wart des zum König erwählten Prinzen Konrad geschehen. 

Interessant ist, dass wir hier zwei literarisch angeregte 
Männer in einem Geschäftsakt freundschaftlichst neben- 
einander finden. Denn Gotfrid von Hohenlohe, der ur- 
kundlich zuerst 1219 auftritt und 1256/57 gestorben sein 
muss (vgl. K. Weller, Hohenlohesches Urkundenbuch Bd. TD), 
ist niemand anders als der Gotfrid, von dem Rudolf von 
Ems in seinem Wilhelm von Orlens sagt V.2235f. Die 


ı) Vgl. auch F. H. v. d. Hagen MS. IV 550 Anm. 2. 


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Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 23 


bi Artufes iaren In finem hove waren Für die werdeften 
erkant, Die hal wi/lichen genant Ein Goifrit von Hohen- 
loch. Auch König Konrad IV. in dieser literarischen Um- 
gebung ist beachtenswert!). 


Rönig Heinrich. 


Neben Konrad von Winterstetten und Konrad von 
Erringen zählte nach A9 Ulrich von Türheim auch einen 
König Heinrich und Herren von Neifen zu seinen Freunden. 
Mit der Erwähnung der Herren von Neifen lässt sich prak- 
tisch nichts anfangen, da der Dichter ihre Vornamen nicht 
nennt. Aber auch der Hinweis auf König Heinrich ist 
nicht eindeutig, und der Ausdruck des han ich iemer 
/chaden ist gar vieldeutig. Ist er bloss eine allgemein 
klagende Phrase, oder weist er auf das Einde für Ulrich 
vorteilhafter literarisch -mäzenatischer Beziehungen hin, 
oder handelt es sich um einen Schaden, der aus politischer 
Parteinahme entsprang? Eine Antwort darauf zu geben 
ist unmöglich. 

Für Heinrich Raspe als den König, den Ulrich meint, 
haben sich K. Lachmann, Wolfram von Eschenbach S. XLI 
und E. Lohmeyer „Die Hss. des Rennewart“, Kassel 1883 
S. 4 f. ausgesprochen. Lachmann machte S. XL ausserdem 
auf A 7 aufmerksam, wo der Kaiser Friedrich II. noch als. 
lebend angeführt werde. Ich kann nicht finden, dass diese 
Stelle so ausgelegt werden muss. Ich glaube nicht, dass 
man das Wort keiser pressen darf. Aber Lachmanns Deu- 


tung als richtig angenommen, würde nicht gerade fürden 


Gegenkönig Heinrich Raspe sprechen, man müsste denn 
annehmen, dass Ulrich zwischen Bl. 94d und Bl. 127d der 
Berliner Hs. von Friedrich II. zu Heinrich Raspe über- 


ı) Es sei übrigens bemerkt, dass bei den Herren von Hohen- 
lohe auch sonst literarische Interessen nachweisbar sind. Der 
Deutschordenshoochmeister Gotfrid von Hohenlohe (1270—1310) hat 
ein ohemisches Werk verfasst, Exzerpte aus einem Buch eines 
Magister Gallus, das vollkommen unbeachtet in der Hs. der Münchener 
Universitätsbibliothek Cod. MS. 873 Fol. bruchstück weise erhalten ist. 


24 Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 


gegangen sei. Bl. 127d beklagt er aber schon dessen Tod! ® 


Das ist nicht unmöglich, doch nicht sehr wahrscheinlich. 
Und wer ist gar Bl. 127c der König, den Ulrich um 10 Pfund 
angeht? Der neue Gegenkönig Wilhelm von Holland oder 
Konrad IV.? Von Wilhelm von Holland sagt Ulrich A 10, 
dass er wie alle Menschen sterben müsse!). Das ist die 
Wahrheit gewesen; aber spricht eine solche Aeusserung 
für grosse Anhänglichkeit? Gewiss nicht! Für Konrad IV. 
spricht das Meiste. 

Heinrich Raspe war am 22. V. 1246 zu Veitshochheim 
zum König ausgerufen worden. Schon am 18. II. 1247 ist 
er gestorben. In der kurzen Spanne Zeit von Dreiviertel- 
jahren müsste also Ulrich sich die Freundschaft Heinrich 
Raspes erworben haben. Aber noch am 29. VIII. 1246, 
vierundzwanzig 'l'age nach der für König Konrad IV. un- 
glücklichen Schlacht bei Frankfurt, nennt Gotfrid von 
Hohenlohe in seiner Urkunde für Otto den Bogner König 
Konrad seinen Herren. Diese Männer waren demnach fest 
staufisch gesinnt. Und von diesem Otto dem Bogner bezog 
Ulrich seine Quelle zum Willehalm, an dem er noch unter 
Wilhelm von Holland arbeitete. Wenn man bedenkt, dass in 
Zeiten eines Gegenkönigtums das Uebergehen eines Ade- 
ligen von dem einen zum andern König eine für seine 
private und wirtschaftliche Stellung schwerwiegende Ent- 
scheidung war, dass damit unter Umständen eine Reihe 
wertvoller persönlicher Beziehungen abgebrochen wurden, 
so wird es sehr wenig wahrscheinlich, dass Ulrich von 
Türheim aus dem staufischen Kreis, in dem wir ihn von 
Anfang seiner geschichtlich überlieferten Tätigkeit an 
treffen, unter Heinrich Raspe ausgeschieden sei. Die An- 
sicht Roths und Busses, die Ulrichs Worte auf König 
Heinrich VII. bezieht, ist die bei weitem wahrschein- 
lichere und der Lachmann-Lohmeyerschen entschieden vor- 
zuziehen. 


1) Beachtenswert ist, dass die von G. Leidinger entdeckten 
Kaisheimer Annalen zum Jahre 1256 den Tod Wilhelms aus ihrer 
Quelle zu übernehmen für wichtig hielten. 


_ Digitized „(soogle; 20 . 


Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 25 


Busse hat dafür auch mit Recht auf Ulrichs Bezie- 
hungen zu Konrad von Winterstetten, den Erzieher König 
Heinrichs VI, hingewiesen. Diesen Beziehungen müssen 
wir noch etwas nachgehen. Im Auftrage Konrads von 
Winterstetten hat Ulrich seine Tristanfortsetzung geschrie- 
ben. Er hat den Auftrag übernommen, sagt er Al: daz 
er mins dienftes werde vro und im genade von ir ge/chehe, 
der fin herze ze vrouwen jehe. Auch Rudolf von Ems hat 
auf Veranlassung Konrads von Winterstetten seinen Wilhelm 
von Orlens geschrieben. Der Schenk ist ein so ausgezeich- 
neter Mann, erklärt Rudolf V. 15653 £., Das ich dran ärbaite 
mich Ze dien/te finer vröwen, Das fi gerüchte schöwen Sines 
herzen willen dran, Das er ir [täter diene/tman Jemer ftäte 
we/en wil Getrüweliche allia [iniu zil, Als er ir her gedienel 
hat. Am Schluss des Tristan wünscht Ulrich für den 
Winterstetter: go? gebiele ir daz im gelte, der er vil ge- 
dienet hat! [in leben an ir genaden [tal (A 3). Aus diesen 
Stellen geht zweierlei hervor: 1. Ulrich und Rudolf wissen, 
dass ihre Arbeiten der vrouwe Konrads von Winterstetten 
bekannt werden, und 2. dass Konrad von Winterstetten 
dazu der Vermittler ist und hierfür einen Gnadenbeweis 
von der vrouwe erhofft. Nicht klar ausgesprochen ist, ob 
Konrads Auftrag auf Veranlassung der vrouwe oder aus 
eigener Initiative gegeben wurde. | 


Für die Datierung dieser Aufträge kommt die Frage 
nach der Abfassungszeit des Wilhelm von Orlens in Be- 
tracht. Zu deren Feststellung gibt es nur eine Handhabe: 
die bekannte Stelle über den T'od des Grafen Konrad von 
Oettingen V. 2084 fg.: 

Alfe man nu bi difen tagen 


2085 Den edeln Otingäre claget, 
Der fölichen pris hat bejaget 
Das aljo kurzelich nie nieman 
So gemaines lop gewan 
So der grave Cünrat 

2090 Bejagit in drin jaren hat, 
Du er ritter was genant, 
E das er rümde a lant. 
Nu helfe im Got durch finen tot, 
Unde lö/fe in dort us aller not! 


96 Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 


Graf Konrad von Öettingen tritt zuerst in einer von Graf 
Berthold von Lechsgemünd 1223 für Stift Kaisheim aus- 
gestellten Urkunde als Zeuge auf (Kaisheim, Reichsstift 
Fasc.6; Reg. boica 2, 136; G. Grupp, Oettingische Regesten 
Nr. 45) und zuletzt Nürnberg 1229 XIl. 13 unter den Zeugen 
eines Rechtsspruches Heinrichs VII. (E. Winkelmann, Acta 
1, 393 Nr. 463; Grupp Nr. 53). Es ist möglich, dass er auch 
noch in den Urkunden König Heinrichs von 1231. IV. 29 
und V. 1 (Grupp 54/55) testiert hat; aber da in den Zeugen- 
reihen beider der Vorname fehlt, ist es nicht ausgeschlossen, 
dass Konrads Bruder Ludwig gemeint ist. 1240 war Graf 
Konrad bereits tot; denn in diesem Jahr stimmt sein Sohn 
Ludwig einer lehnsherrlichen Bestätigung seines Onkels 
Ludwig über eine Schenkung an Stift Kaisheim zu (Kais- 
heim Fasc. 11; Grupp Nr. 71). Bereits 1238 erscheint der 
Sohn Konrads als erster Zeuge in einer Urkunde seines 
Oheims Ludwig und Friedrichs von Trüdingen (Grupp Nr. 68), 
und es ist höchst wahrscheinlich, dass sein Auftreten mit 
dem Tod seines Vaters zusammenhängt. Aus einer Wasser- 
trüdingen 1242 IV. 5 datierten Urkunde von Konrads 
Bruder und Konrads Sohn erfahren wir, dass Graf Konrad 
den „Ritterdienst“ des Deutschherrenordens gewählt hatte 
(Grupp Nr. 76). Darauf bezieht sich offenbar V. 2090 f. bei 
Rudolf. Graf Konrad war nach dieser Stelle drei Jahre 
Deutschordensritter, ehe er, vermutlich im Dienste des 
Ordens, Deutschland verliess. Das Jahr 1229 gehört wahr- 
scheinlich zu einem der drei Jahre, während welcher Graf 
Konrad Ordensritter in Deutschland war. Vorsichtig wird 
man daher vom Standpunkte des Oettinger Materials aus 
die Abfassungszeit des Wilhelm von Orlens zwischen 1230 
und 1240 ansetzen müssen und Konrads von Winterstetten 
Auftrag wohl frühestens 1229. 


Was ist nun unter dem Wort vrouwe bei Rudolf und 
Ulrich zu verstehen? Ins Lateinische übersetzt domina, 
das heisst „Herrin“. Rudolf nennt Konrad von Winter- 
stetten ihren diensiman und Ulrich spricht A 3 von vielen 
Dienstleistungen Konrads für sie. Die Worte beider Dichter 


NEE gle 


Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 97 


sind für uns zweideutig, denn sie können auf ein konven- 
tionelles Minneverhältnis ebenso wie auf ein amtliches 
Dienstverhältnis bezogen werden. Konrad von Winter- 
stetten erscheint zum erstenmal 1199 VII. 10 als Zeuge 
für König Philipp. Ein vierzehnjähriger Jüngling wird er 
damals kaum gewesen sein. Sein Alter dürfen wir ruhig 
auf zwanzig bis dreissig Jahre um 1200 schätzen. Als er 
1243 starb, war er Grossvater von acht Enkelkindern, die 
1241 in folgender Reihe genannt werden: Heinrich, Konrad, 
Eberhard, Ulrich, Mathilde, Guta, Elisabeth und Engeltrud 
(WU. 961). Die jüngste Enkelin war damals schon in dem 
Alter, dass sie in einer Schenkungsangelegenheit ihrer 
Eltern an Kloster Weissenau handelnd auftreten konnte 
(WU. 960; vgl. auch 973). Um 1230 war also Konrad von 
Winterstetten schon Grossvater. Ich glaube nicht, dass 
man einem Mann wie ihm, der bald hier bald dort im 
Reichs- und Hofdienste sein musste und schon in das ge- 
setzte Alter eines Grossvaters gekommen war, eine kon- 
ventionelle Minneschmachterei zutrauen darf, sondern, dass 
die Bezeichnungen vrouwe und diensiman den dienstlichen 
Ausdrücken domina und ministerialis entsprechen. Eine 
solche domina hatte Konrad von Winterstetten tatsächlich 
in Margarethe von Oesterreich, die 1225 XI. 29 zu Nürn- 
berg, eben zwanzigjährig, den vierzehn Jahre alten Sohn 
Friedrichs II., Heinrich, geheiratet hatte und zu Aachen 
1227 111.28 zur römischen Königin gekrönt wurde. Vor 
1232 hat sie ihren ersten Sohn Friedrich, 1234 den zweiten 
Heinrich geboren (ADB. 11,438), 1235 im Juli wird ihr 
Gemahl gestürzt, nach Heidelberg, dann nach Allerheim 
im Ries und Anfang des Jahres 1236 für immer nach Italien 
in die Gefangenschaft geführt. Margarethe selbst begibt 
sich wahrscheinlich gleich nach dem Sturze ihres Mannes 
nach Trier und wird dort Dominikanerordensschwester 
(Böhmer-Ficker *5553 m). Seit August 1235 tut Konrad 
Dienst am kaiserlichen Hof und, wie es scheint, ununter- 
brochen bis tief in das Jahr 1238 hinein. Man wird also 
“wohl die Zeit von 1230 bis 1235 für die Entstehung von 


98 Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 


Rudolfs Wilhelm und Ulrichs Tristanfortsetzung in An- 
spruch nehmen müssen. Denn in diese Jahre passen die 
Worte vrouwe und dienestman am besten. Allerdings hat 
Konrad von Winterstetten von 1235 VII. 15 bis 1241 XIE. 1 
noch eine andere Herrin gehabt: die dritte Gemahlin 
Friedrichs IL., Isabella von England!). Aber es ist sehr 
fraglich, ob diese englische Prinzessin wirklich richtig 
Deutsch gekonnt und für deutsche Literatur überhaupt 
Interesse gehabt hat. Nach ihrer zu Worms erfolgten 
Vermählung mit Friedrich II. hat sie sich ausschliesslich 
in Italien aufgehalten. Auf Isabella würden auch nicht 
die Worte Ulrichs der er vil gedienet hat und Rudolfs als 
er ir her gedienet hal passen. Wohl aber auf Margarethe, 
der Konrad seit November 1225 seine Dienste zu widmen 
hatte und der er bei den ehelichen Konflikten mit ihrem 
zügellosen Gemahl wohl öfters tröstend und helfend zur 
Seite stehen musste. Auch lassen sich bei einer Baben- 
bergerin, der Tochter Leopolds VI. von Oesterreich, von 
vornherein literarische Interessen voraussetzen. Freude an 
Literatur und Kunst hatte sie am Wiener Hof eingesogen. 
Wenn Konrad für diese junge Herrin ihm befreundete 
Dichter mit Dichtungen beauftragte, so erfüllte er nicht 
nur die ritterliche "Tugend eines liebenswürdigen Hofkava- 
liers, sondern auch die treue Pflicht eines erfahrenen Be- 
raters, das ihm anvertraute Paar durch edlen Genuss empor 
zu leiten. 

Das, was hier über Konrad von Winterstetten und 
seine vrouwe ausgeführt worden ist, ist und kann nicht 
mehr sein als ein Deutungsversuch, der aber sicher grosse 
Wahrscheinlichkeit für sich hat und glaubhafter ist, als die 
Annahme eines Minneverhältnisses des Grossvaters Konrad. 
Aber auch solch eine Annahme eines Minneverhältnisses 
ist nichts weiter als ein Deutungsversuch von geringerer 


1) Ihre Vorgängerin Isabella von Brienne kommt nicht in 
Betracht. Sie hatte am 9. XI. 1225 geheiratet und war am 8.V. 
1228 gestorben. Zu Isabella von England vgl. B.-F. 2317/18; 2416d. 
2746 und ihre Regesten daselbst. 


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Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim, 29 


Wahrscheinlichkeit als der andere. Wer ganz objektiv den 
Inhalt der Worte Rudolfs und Ulrichs umschreiben will, 
kann nur sagen: „Rudolf und Ulrich arbeiteten im Auf- 
trage Konrads von Winterstetten im Hinblick auf ein weib- 
liches Wesen, zu dem der Schenk nicht näher bekannte 
Beziehungen unterhielt.“ Gegen diese polizeiberichtartige 
Definition wird sich sachlich kaum etwas Nachteiliges ein- 
wenden lassen. Aber wissenschaftliches Streben wird sich 
stets um den Namen der vrouwe Konrads von Winter- 
stetten bemühen, der vrouwe, die offenbar die Empfängerin 
von Rudolfs Wilhelm und Ulrichs Tristan war. 
Reihenfolge und Abfassungszeit der Werke Uirichs von 
Türheim. 

Seine Ansicht über die Reihenfolge der Werke Ulrichs 
fasst Busse S. 42 in folgendem Satz zusammen: „In den 
zwanziger Jahren schrieb er den Kliges, um 1230 den 
Tristan, um 1240 den Rennewart.“ Dieser Ansicht wird 
man im allgemeinen beipflichten können, Der Kliges fällt vor 
Rudolfs Wilhelm, war also wohl vor 1230 vollendet. Lach- 
manns Vermutung, dass Ulrich einen unvollendeten Kliges des 
Konrad Fleck fortgesetzt habe, ist trotz A. Leitzmanns 
abweisenden Worten ZfdPh. 43(1911)316 ernsthaft in Er- 
wägung zu ziehen, solange nicht neues Material sie als 
undiskutierbar erweist. Der Tristan Ulrichs war vor 1243 
I. 21 abgeschlossen. ‚Sehr wahrscheinlich ist die Vermutung 
K. Bartschs Germ. 24 (1879) 3£., dass, während Rudolf 
seinen Wilhelm schrieb, Ulrich am Tristan arbeitete, und 
dass die Worte der Aventüre in A 12: Sich da kum ich 
nit an in diesem Sinne zu deuten sind (vgl. dazu Busse 
S. 37 £),. Man wird den Tristan aber nicht „um 1230*, 
sondern in die dreissiger Jahre des 13. Jahrhunderts setzen 
müssen, nach dem oben Bemerkten um 1230 bis 1236. Der 
Willehalm wurde im wesentlichen sicher nach dam Tode 
Konrads von Winterstetten geschrieben. Noch zur Zeit 
des Gegenkönigtums Wilhelms von Holland wurde daran 
gearbeitet. Die Stelle A 10 ist aber insofern nicht ein- 
deutig, als daraus m. E. nicht hervorzugehen braucht, dass 


80 Wilhelm, Studien su Ulrich von Tüirheim. 


Wilhelm von Holland zur Zeit ihrer Niederschrift noch am 
Leben war. Sie kann auch nach Wilhelms Tod 1256 ge- 
schrieben sein. Auch die Erwähnung des Königs von 
Aragonien ergibt keinen Aufschluss. Auf Alfons von 
Kastilien darf man sie aber nicht beziehen, wie dies Busse 
S. 41 tut, denn der in Betracht kommende König war 
Jakob I. von Aragonien, der 1213—1276 regierte. Schliess- 
lich kann A 6 sich auf Heinrich VII., Konrad IV. oder 
Konradin beziehen. Eine feste Abgrenzung und Ent- 
scheidung, wann der Willehalm so, wie er vorliegt, voll- 
endet wurde, wird sich erst geben lassen, wenn das Ver- 
hältnis des Willehalms Ulrichs von Türheim zum Willehalm 
Ulrichs von dem Türlin und zu den Bearbeitungen in den 
Weltchroniken genauer untersucht ist. Ich wage deshalb 
auch nicht die Stelle im Alexander des Rudolf von Ems, 
A 14, mit der Sicherheit zu interpretieren, wie dies Busse 
S. 42 tut. Für noch der Hass. V. 3265 setzt er mit Sievers 
(PBB. 29,468) ouch ein. Das hat sehr viel für sich, vor- 
ausgesetzt, dass nicht eine grössere Verderbnis oder eine 
Lücke anzunehmen ist. Aber angenommen, mit ouch wäre 
der ursprüngliche Text wiederhergestellt, muss sich die 
Stelle auf den Rennewart beziehen? Könnte Ulrich von 
Türheim zum Kliges des Konrad Fleck nicht auch ein 
einleitendes Vorwort geschrieben haben, oder kann sich 
die Stelle nicht, wenn Ulrichs Kliges ein von dem Kliges 
Konrad Flecks verschiedenes Werk war, auf Ulrichs Kliges 
beziehen? Hier ist Vorsicht sehr am Platze. 

Eine andere Frage, die noch der Lösung harrt, betrifft 
die Tristanfortsetzung Ulrichs. Sie ist uns bekanntlich in 
vollständiger Fassung nur in der Hs. H nebst den Bruch- 
stücken in RS überliefert. Die Hss. MBN dagegen über- 
liefern eine kürzende Bearbeitung. Da M um 1250-1270 
geschrieben ist, hat die kürzende Bearbeitung schon zu 
Ulrichs Lebzeiten existiert. Hat er dabei die Hand im 
Spiel gehabt oder nicht? Ich bin der Frage noch nicht 
näher getreten, hofle sie aber in meiner Ausgabe von Ulrichs 
Tristan behandeln zu können oder in einem besonderen 
Aufsatz. Die vorliegenden Studien sind in Zusammenhang 
mit dieser Ausgabe entstanden. 


x ven EEE 1; BE 


Zeugnisse. | 31 


Zeugnisse. 
A: 
1» U. Trist. 497, 19 f. 

fit ez alfus nu ift komen 30 daz er mins dienftes werde 

497,20 daz in (meister Gotfrid) der vro 
tot hat hin genomen, 498, 1 und im genade von ir ge- 

so han ich mich genomen fchehe, 
an, der fin herze ze vrouwen 

als ieh allerbefte kan, jehe. 

daz ich diz buoch unz an woltich in lobes rüemen 
fin zil und mit hohen fprüchen 

mit fprüchen vollebringen blüemen, 
wil. b als er ez doch gedienet heit, 
25 Des hat mit vlize mich ge- fin lop daz würde wol fo 

beten breit, 
Kuonrat der fchenk von daz es genuoge hatten haz. 
Winterftetten ez tuot mit guote niemen 

daz ichz ime ze liebe tuo. baz, 

herze und fin, da ratet zuo, den ich iender erkenne. 


daz ich im dran gediene fo 


2. U. Trist. 587, 18 f. 


| ich von Türheim Uolrich 
lieze tufent bofe fterben, 
687,20 e einen vrumen verderben. 


3. U. Trist. 588, 38 f. 


Swelh vrowen an difem der ift wol aller eren wert. 
buoche lefen fin herze hohes prifes gert. 
die fuln mir wünfchen b er denket fpate unde vruo 
heiles niwan wie er wol getuo. 
688,40 und danken mir mins teiles, und fich geliebe der welte. 
689,1 des ich dar an gefprochen got gebiete ir daz im gelte, 
han: der er vil gedienet hatl 
ich hanz durch einen man fin leben an ir genaden ftat. 
getan, 
4. Ulrich Wh. Bl. 73b; Cgm. 42, Bl. 80r; Busse S. 21. 
Ich von Türheim Uolrich daz han ich fere überwunden, 
denke felten an die ftat, mir ift diu not gebüezet. 
da min herze fi verfat eins ir mir volgen müezet: 
| der minne ze einem pfande. bezzer ift gedagetiu tugent 
| wart ich mit minnen bande dann ein unverwizzen jugent. 


etefwanne fere gebunden, 


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Bi 
' 


39 Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 


5. U. Wilh. Bl. 88a f.;, Cgm. 231 Bl. 68v,; Busse S. 12. 
daz künde niemer fin gefchehen, vil ungern ich verbzere, 
niur wan ein vil gevüeger man, ich enfeite wa er fxze. 
der uns ein walfchez buoch ge- ob ich des hie vergzze, 


wan fo w&re miner vuoge mat, 
und daz her ze lande brahte. er fitzet ze Ougsburg in der ftat. 
daz er des ie gedahte, und daz er vil gerne tuot, 
des wil ich in iemer minnen, fwaz dunket guote liute guot 
mit vil dienftlichen sinnen. (der ungevüegen hat er haz 
wie fin name ift genant, vil wol hat er erzeiget daz) 
daz wil ich iu tuon bekant: an difem felben buoche hie. 


Otte der Bogenzere. 


6. Ulrich Wh. Bl. 94b; Busse S. I5. 


fwa der künec ift ein kint, 
diu diet ift unberihtet. 

vil wol wirz noch bevinden, 
daz ift daz riche an kinden 
geftanden lange da her. 


7= Ulrich Wh. Bl. 94d,; Busse S. 16; 41. 


dem keifer nicht verfmahte, noch der künee von Engellant, 

kam im der von Unger fam, die folien beide von finer hant 

der im noch nie ze dienfte kam ze rehte haben ir krone. 

Vgl. Lachmann, Wolfram von Eschenbach S. XLll; Lohmeyer S. 51. 


8. Ulr. Wh. 127c; Busse S. 28. 


der künio git fo manio pfunt, daz ich wil der warte phlegen 
daz nieman im miflewante, gein im, biz dar hin fwigen, 

ob er mir zehniu fante. mit dienfte gein im doch nigen, 
nu han ich mich des bewegen, fwie er des geruoohen wil. 


8. Ulr. Wh. 127d bis e,; Cgm. 231 Bl. 174v; Busse S. 7; 40. 


Ich von Türheim Uolrich daz got an im niht wenke 
han fo vil vriunde verlorn, ern hare die engel fingen! 
möht ich von leide han erborn do was der von Erringen, 
den tot, ich wre lange tot. daz er niht tiurer mohte wefen. 


des küneges totfohuofmirdienot, die hat der tot hin zim gelefen: 
daz mir vraude kund entwichen: mine beften vriunde diech ie ge- 


ich meine küno Heinrichen: wan. 
des han ich iemer fohaden. ich felbe niht entwenken kan, 
do verlosichanzwein Cuonraden, ich müeze varn nach in. 

daz ich niht überwinden kan. got herre gib mir den fin, 
was niht wol ein ganzer man daz ich dine hulde erwerbe 


von Winterftsten der fohenke ? und niht in fünden fierbe. 


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und mine herren von Nifen, 
fwaz fi mohten begrifen, 


Vgl. Roth S. 400; Lohmeyer S. 53. 


Zeugnisse. 33 


daz was allez hin gegeben. 
daz fi niht beide folten leben! 


10. Ulrich Wh. Cgm. 231 Bl. I75ra,; Busse S. 40. 


Dem tode kan nit verfmahen 
Er neme fie alle geliche 

Der arme vnd der riche 

Der Junge vnd der alte 

Der kranck der ainvalte 

Der weife vnd der tumbe 

Der gerecht vnd der krumme 
Der hupfche vnd der frute 
Der vbele vnd der gytte 

Der fule vnd der fchnelle 
Darnach die ander alle 

Er fey wenig lang oder grofz 
Er fey geclait oder blofz 


Er fey dicke oder fmall m 


Er fey weis oder val 

Er fey fwartz oder brun 

Were es der kunig von Arubun 

Oder kunig von hollant 

Er nympt fie alle jn fein hant 

It er nider oder ift er hoch 

Der kainer dem tode nie emp- 
| floch 

Noch nymmer kan enpflihenn 

Wer fich darnach kan ziehenn 

So jn der tod ergahet 

Das er danne enpfahet 

Von gotte das ewig leben 

Dem hat er felden vil gegeben 

Wol jn wem wirt das paradeifz 

Do kyburg vnd der markys 

Gelebten raine vnd fchöne 

Darnach gab jn got ze lone 

Die gabe die er den feinen geit 

Sie lebten baide hie ir zeitt 

Das gotte vnd der welte zam. 

Nie ritter bafz mit eren kam 

Danne er an feinez todes vart! 

Durch vns got zu ainem men- 

fchen wart. 


Münobener Museum f. Philologie des MA, 


Lachmann, Wolfram von Eschen- 
bach S. XLIl; Lohmeyer S. 6/. 


er fi dicke oder fmal, 

er fi wiz oder val, 

er fi fwarz oder brün, 

wzrz der künec von Arragün 


‘ od der künec von Hollant, 


er (der tod) nimt fi alle in fine 
hant. 


IV. ı 3 


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Die Aa 


34 Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 


11. Ulrich Wh. Bl. 144bc; Cgm. 23] Bl. 219ra,; Busse S. 22. 


wer kan mich nu befcheiden, der eine maget nam ze konen, 
wederz under in beiden des ich niemer kan gewonen. 
an daz bette & [olte gan? alfo ratet mir min fin, 

ich han ez felbe niht getan daz ich sus gemuoter bin 


noch enhan ez felbe niht gefehen. alle mine lebens zit. 
ir möhtet mirs wol verjehen, 


12. Rudolf von Ems. Wilhelm 2256 f. 
Rudolf spricht zur Aventiure: 


Wan lifet iuch doch rihten Das ich mich der maifterfchaft 
Den wifen Türhaimare, Und der hohen wifhait, 

Der wol güete mzre Die er an Clies hat gelait, 

Ze maifterfchefte tihten kan! Niht gelichen wil noch enfol. 
Der hat Artufe ainen man Gefchiehet iu von mir niht fo wol 
Von Kriechen niuliche So jenim ift von im gefchehen, 
Gefant in finiu riche Des fol man mich unfchuldic 
Mit fo güter fpruche craft fehen. 


Die Aventiure antwortet: 
Sich, da kum ich nit an 
Swie maifterlichen er tihten kan: 
Sit das du dich min haft an genomen 
Und ich nu bin an dich komen, 
So volfüre eht du mich! 


13. Rudolf von Ems. Wilhelm 4387 f. 


Das füze wort minne Das fol man lefen! da ftat an 
Hat in frömde finne Was dü minne wunders kan 
In mänige wis getailet fich: An manner und an wiben 
Das hat min frünt her Ulrich vVeben unde triben 

Von Turham mit wifhait Die an ftäte minne 

An Clies wiflich gefait. Wendent gar ir finne. 


14. Rudolf von Ems. Alexander 3262 f. 


von Türhein her Uolrich ein Jop, daz bi den wifen ftat., 
hat als ein befcheiden man des ich gihe unde jehen fol: 

gevuoge und wol gevangen an fie hant gefprochen alle wol. 

noch fo wol geendet daz er hat 


B. 
1 1064—1077. 
Kuonrat falte folih eigin fo er zehaldefhufin hate mit finif wibit 
hante ze ougiftburch dar ze niuuuin muneftere gote unde {co mau- 
ricio unde den bruoderin die da dinont ze phruonte.. unde tete daz 


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Zeugnisse. | 35 


oeurgifte den bifchoffe embriconi . unde den uogite adelgozze unden 
prouifte anfelme unden bruodernen da dienontin . unde der fale waf 
lere ifanger uone winterbach unde fint urchunder. Ötgoz uon hegif- 
bürch Hartman uone bennunhouin. Etich uon waltbach. Diemar 
non tureheim. (Gebeno uon wintirbach . et filiuf eiuf gebehart. 
ödalrich uon bennunhouin. Öödalrich de biberbach. Winechere de 
büoch. volomar de tudebach **** phart de uifcha. Ebo uon mimin- 
hufin Hartman et Reginhart et anfzkelm uon buoron. Gumpred uon 
liebheim et Volomar uone harthufin ***1*r***f, 


Cim. 3714 Bl. 1r. 
(Wilhelm Denkmäler Nr. XXXV) 


2 | 1127. 

In nomine fe et indiuidue trinitatif Notum fit omnibus tam 
futurif quam prefentibus xpi fidelibus quomodo fauente diuina ole- 
mentia fratres oenobii foi Ödalrici et fe AFRE predium in uilla 
Rüdilinga fitum cum omni iure quo illud Rüdolfvs oomef de Bra- 
ginza et Burchardvs de Byrnowe cum filio fuo eque Burchardo 
poffederunt. in iuf et pofleffionem ecclefie prediotorum foorum du- 
centif marchif argenti ab eis conparatam acquifierunt. Quam nimi- 
rum peouniam uenditis quibusdam eiusdem eoolefie allodiif college- 
runt. inter que hec duo uidelicet Goggelingen quod quidam Nobilif 
Adalbertus nomine eidem loco pro remedio anime fue donauerat. 
et manfvs unus quem in uilla Bergen Arnolduf de Mantichinga tra- 
diderat precipua extiterunt. quorum unum nonaginta alterum. xx. 
marchif uenditum. materia et principium dioti negotii fuerunt. Qua 
propter ab ipfif fratribus in commune decretum est. ut horum no- 
mina. Adalberti feilicet et Arnoldi hif litterif mandarentur. quatenus 
eorum memoria per hoc utile commertium pofterif falubriter com- 
mendaretur. Alia vero predia que huic caufe fubfidio fuere. Aut 
feudata erant ut nec honorem uel obfequium ecclefia inde habet- 
ao fio modica et inutilia ut gorum fterilitas non magnum fi defori- 
beretur audientibus fructum oonferret. Prefati ergo predii traditione 
accepta fupradicte quantitatis dimidia pecunia comef Rüdolfuf de 
Braginza cum Burchardo de Byrnowe et filio eius Burch’ in manus 
BeRhtoldi de Rütenbach in loco qui dieitur Ruten delegauit. Altero 
denique perfoluto argenti centenario Berhtoldus de Rütenbach qui 
hanc delegationem interim referuandam acceperat. fine omni contre- 
diotione in ecolefia auguftenfi ad altare s. ödalrioi fratribus deo ibidem 
militantibus cum omni iure diuine et humane legii tradiderat. Huius 
rei teftes sunt. Künradus frater. Friderici ducif. Gerhardus oumef. 
Werinherus aduocatus eiusdem eoolefie et Werinh’ filius eius. Kün- 
radus de Walerftein. Otto de Richen Zgino de füreheim. Adalbertus 
de Rammungen. Sub hif teftibus Dietboldus oomef de Bergen. Hart- 


3° 


nt 


36 Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 


mannus comes et frater eius Eberhardus eque comes de Kirichberch. 
Erneft de ftuzzelingeN Gerolt de grundefhei Gerolt de fulenchart. 
Heinricus de fteige. Bertholt de Richehouen Eberhart Künrat Helem- 
wic de Rieden. Adalbertus et Rüdiger de häge. Acta sunt hec anno 
düice incarnationif M - GC - XXVII. Regnante Lothario secundo. 
Herimanno epo auguftenfi ödalfcalcho prefati cenobii folo nomine 
abbate. qui et buiuf caufe minifter et cooperator fratrum fuorum 
extitit. et hoc priuilegium propria manu fcripfit. 


Augsburg, St. Ulrich. Lit. Nr.5, S.3 f. (MB. 22, 13). 


3 Um 1140. 


NOVERINT omnef xpi fidelef tam futuri quam prefentef quod 
quidam nobilef homines nomine Wolftrigel et Tiemo de fronehouen 
poteftatiua manu ad altare SSj PETRI pertherfcadm fubnotata predia 
tradiderunt. Dornidorf uillam dimidiam. Tatenhufen uillam dimidiam. 
in loco qui dieitur Artolfingin tref ourtef uillicaf. et aliud quoddam 
in eodem loco Winedehufen curtem unam. Fridechingin duaf ourtes 
cum fuif pertinentiüf. Igenhufen quod ibidem habere uifuf sunt. 
M&rdingen curtem cum fuif pertinentiif. Wihennahten curtem. Niu- 
forhen predium quoddam. waltherfwilzere quod ibidem habuit. Fron- 
houen cum omnimodif ufibus fuif. Wolferftat duaf curtef cum fuit 
pertinentiüf. Allodium quod in loco qui hennental dieitur poffederat. 
aliud quoque in loco qui Walftat nuncupatur. Gremheim quoddam 
predium. Tradidit quoque in loco. qui Hartratefhouen feptem manfuf. 
cum omnibus mancipiif ad predicta allodia pertinentibuf. Huius rei 
teftef sunt. Ödelricuf et filiuf eiuf. Fridericus de hoenburch. Regin- 
hart et frater eius. Rudolfus et filiuf Rudolfi Reinhardus de tabfhen. 
Withegöe de albege. Harthman de berge. Eberharduf et frater eius. 
Otto de wellenwarth. Hoholt de tifenhouen. Alberich. Egeno. Adel- 
bertuf te turehen. Egelolf et frater eius, Sigeloch de fwennigen. 
Ditmar. de rengerefrith. Cönraduf de berolfefhein. Sigefriduf et 
filius eius Sigefriduf de eringin. Otto et frater eius Heinricus de 
richen. Chönradus de Wimerfheim. Rödbertus. Eberharduf de werde. 
Wito de hohenftein. Rehewin de baltrammefhouen. Marchwardus 
de trohteluingin. Rödolfus de hufen. Chönradus de lecchefgemunde. 
Ödelricus de alerhein. Eberhardus de binezwangen, Hertwich de 
lirhen. Hartniduf de uorren. Landolth de tegerichefhen. Adelhoch 
de birchineffelth. Liupolt et frater eius Heinricus de Murun. March- 
wardus de thetenhen. Burcharduf de chregehen. Gifilbertus de nellen- 
uelt. Hartmannuf de berge. Rödbertus de bifeingen. Manegoldus 
de trenelun. Chönradus de beroluefhen. Wirnt de oberndorf. Röd- 
pertus de tytenhen. Meginwarduf de predicta uilla. Gerloch de 
hericheshen. Landolt. et frater eius. Ödalricus de tz»gerichefhen. 
Manegoldus de werde. Egeno de furehen. Eberhardus de Werde. 


ogle 


Zeugnisse. 37 


Beringerus de albegge. Eberharduf. et frater eius Otto de wellenwarte. 
Hoholt et filius eius de tifenhouen. Eberhardus de binezwangen. 
Ödalricus de fcreheim. Hartman de berge. Rüpertus de irginıfheim- 
Heinricus de eringin. Wernherus de rumeliugen. Wito de hohen- 
ftein. Egeno de turcheim‘; 
“ Berchtesgaden Stift, Lit. Nr.3 Bl. 23r—24r. 
(Quellen und Erörterungen 1,285 f. WU. 4, 350,) 


£ Um 1144. 

Notum fit xpi fidelibus tam futuris quam prefentibus quod duo 
nobilef uiri ambo fueui feilicet Manegoldus de Werde et domnus 
Wolftrigel de Fronehouen fecerunt concambium plurimorum allo- 
diorum eorum, fecundum utilitatem utriufque. Prediotus Woiftrigel 
et filius eius Chönradus de Frronehouen prefato Manegoldo de werde 
dederunt allodium quod habebant in loco qui dieitur wolferftat. et 
aliud dederunt ei in loco qui dicitur Egelingen. Infuper dederunt 
ei. quod habebant in loco qui dicitur Crahftat. et quod habebant 
in loco qui dieitur Szlichbrunne. et quod habebant in loco qui di- 
citur Vorren. et dederunt ei quod habebant in loco qui dicitur Er- 
lehe. et quod habebant in loco qui dieitur Afcöwe. et in loco qui 
dicitur Salaha. At econtra ifdem Manegoldus una cum uxore fua 
et?) natif fuis peticione predicti Wolftrigelonis et filii fui Chönradi. 
de Vronehouen tradidit S. PET° in pertberfgad’ allodium. quod ha- 
bebat in loco qui dieitur Acxpach cum omnibus fuis pertinentiis et 
allodium quod habebat in loco qui dieitur Ditpoldefdorf. et uineas. 
II. cum locatif uinitoribus quas habebat in loco qui dicitur afcahe- 
winchel. et allodium quod habet in loco qui dicitur vberfe. et di- 
midium manfum in loco qui dieitur Cremeheim, et cafale unum in 
loco qui dieitur werde. Harum tradicionum sunt ualde idonei teftes 
utriufque gentis fcilicet Bauuarorum atque Sueuorum Quorum no- 
mina bic continentur. Heiür dux bauuarie Comes Liutodus de Plagio 
Hzrtuuich de Rechperch. et?) frater eius Oito. Adelram et frater 
eius Adelbertus de Perge. Rapot de Chambe. Dietpolt waltonis filius. 
Herman de huntefheim. et frater eius Reginhart. Sueui®)'hie inici- 
antur. Ödalricus de Hohenburch et filius eius Fridericus. Rrgin- 
hardus de Taphheim. et Reginhardus iunior de eodem loco. Heiür 
de Moetingin. Otto de Richen et frater eius Heiür. Alberich Egeno 
de Töreheim. Otto de Gozefheim Hartman de Berge. Marchwart de 
Trohtoluingin. Egelolf et frater eius Sigeloch de Suenningin. Eber- 
hardus de werde. . : 

« Berchtesgaden, Stift Lit. Nr. 3 Bl. 28r. 
(Quellen und Erörterungen 1, 300. f.; WU.4, 353.) 


1) Danach fü gelilgt. *) et bis Otto über der Zeile als hier ein- 
zuschieben nachgetragen. °) Sueui hic init. am Rande als hier ein- 
zuschieben nachgetragen. | 


38 Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 


5 Um 1150. 


Teftef predii quod dedit Werinhardus de ftofen in witinginberge 
pro remedio anime fue. S. ödalrico et f. AFRE. Frater ipfius Heinrich 
qui hoc idem predium delegauit. Dieterich de teintenhouen. Arnolt 
de hugelinefhart. Otto de Hufen. F'rideriovs de Hohenburch, Hilte- 
brant de Morenwif. Egino de Tureheim. Wato de Genginbiunte. 


i Minister eiusdem Werinhardi. 
Rüdiger de Offingen. Willehalm. de Peffinachere. Harthman. ödalrich. 


Fratres 


Diepolt. Worthwin. et Wichman de hufen. Werinkere de Erringen. 
Heinrich de Iringifhouen. Rüdolf de Snaitpaech. 


Augsburg, St. Ulrich Lit. Nr 5 S. 19, (MB. 22, 49). 


6 1150 bis 1180. 


Notum fit omnibuf xpi fidelibuf, quod quidam uir nobilif nomine 
Berhtolfuf de fnaetpach. terciam partem predii quod taettingen uo- 
catur quam fibi in aduocatiam poteftatiua manu furripuit. a deo 


commonituf. et III talentorum et fexaginta nummorum precio con- 
ductuf. reddidit fancto GEORIO. danf fidem cum filüf fuif fe tale 
flagicium numquam iteraturum. huius rei teftef funt per aures tracti. 
Hainrich et Rödeger frater eius de lintach. Erbe de röte. Wimar de 
uolcrateftorf. Regenpote et Gerwic de ütencelle. Arnolt de uuolingen. 
Arnolt de Hohenwrate. Hiltebrant et frater eius Otto de Aerge- 
fingin. Liutpolt de Etlefhufen. Rödolf de Aichach. Rödolf. Ölrich. 
Pote. Gönthere. de fchrofenhdfen. Altöm. de fibrantfdorf. Chönrat. 
Engelmar. Haeinrich de türehaeim. Lantfrit de lüterbach. Pero. 
Berhtolt de hohenwarte. Berhtolt ftrazz. Berhtolt et Wernhart frater 
eius de fnaitpach. 


Cim. 7383 (= Hohenwart 3) Bl. 2v von einer Hand des I2, Jhdis. 
(Fehlerhafter Abdruck bei A. v. Steichele 4, 856.)') 


7 Zwischen 1205 und 1230. 


Notum fit omnibus in x credentibus quod domnus pincerna de 
avvve contulit nobis predivm in cüprehtfdorf. in fepulturam filii fui. 
heinrici pro remedio anime fue et anime filii fui prelibati. Teftes 
huius rei sunt HeiN’ de ftarcholtfhov’. YdalR de arrenpach. Retdiger 
de fantincell. et frater eius Arnoldus. Perh’t de gebolfpach. heiN’ 
tiemo de fvbvrch. hartrat ibidem. Winhardus de rorbach et frater 


eius heiN’. Marquardus de fochyren. et frater eius heiN’ Albero de 


!) hic ad breuiata sunt predia que ab hoc zenobio oonceduntur 
hominibus loci iftius. tam aliif. ivre beneficiorum. Sciendum tamen 
eft quod locus ifte manus proorriendi (!)non habet beneficia nifi ad 
filliof ecolefie. Pueri haccon in ferobfihuf-- tenet (!) bubaf(sic/) tref 


m Wa zn || 
12.0, Google 


Zeugnisse. 39 


hetenfhvfen. Wimaruf de hiecendorf. Sifridus de fteinenchirchen. 
Perh’t de fchiltperch. et frater livtoldus. Gerhardus de walde. hart- 
fridus ibidem. Perh’t de efchelbach. (Bi. 68v) Wernhere de hvfen. 
Düs Iordan de lengivelt. Otto de phafenhoy. heiN’ de turhei. heiN’ 
panholz. Vdal’r de grYbe. Eberhardus. de grimoltfhvfen. et frater 
eius hermannus. et alii quam plvres de familia fua. et familia noftra. 
Cim. 1052 BI. 68r. 
. (MB. 10,407. Steichele 4, 890 f.) 


8 1208-1226, 

IN NOMINE Sö5 ET INDIUIDUE TRINITATIS EGO SIFRIDUS 
DEI GRATIA AUGUSTENSIS ECCLESIE EPISCOPUS IMPER- 
PETUUM - ; Cum equitatis ordo requirat. et credite nobis difpen- 
fationis exigat racio. ut uniuerfis fidelibus iufta et racionabilia peten- 
tibus. aurem et animum inclinemus, fpecialis tamen priuilegij debito 
fpecialibus ecolefie filijs cuj auotore deo prefidemus. clementie noftre 
decet adefle prefidium. Hec autem ideirco prelibauimus. ut uniuerfe 
fidelium tam prefentium quam futurorum generationj declaretur. 


‘ quod comes heinricus de franthenhufen et filius ejus chünradus ratif- 


ponenfis ecolefie uenerabilis epo-. predium quoddam in uilla que uo- 
catur Ebinhufen. cum omnibus pertinentijf fuif. uidelicet agris. pra- 
tis. pafouis. filuis. cultif et incoultis. et iuf patronatus ecolefie que 
eft in eadem uilla. cenobio cofarienfi quod uulgarj nomine cheifhel 
dicitur. pari confenfu et unanimj uoluntate contulerunt. Quam do- 
nationem follempniter factam düs epo noftra poftulat atteftatione 
roborarj. eamque figillj noftri inpreffione muniri congruum eftimat. 
eo quod pretaxatum cenobium ofle in terminis noftre diocefis non 
ignorat. Ipfe enim domum illam utpote a progenitoribus fuif fun- 
datam. plantatam et rigatam. tam in pofleffionibus quam in aug- 
mento religionis ampliare ac dilatare defideranf. et eam etiam contra 
uentura mala paterna caritate premunienf. litem cum oomite ber- 
tholdo de Greiffifbach fuper patronatu memorate eoclefie habitam. 


in forobfh’. et curtilia ibidem. h. camerarius bubam in forobäh’. 
Granfo bubam in ferobüh’. Filii pollico bubam winbozing. C longus 
d in crhomtal. item longus b in mulriet. C. Faber b in vtengrunt. 
Nepotef arboü de srinhfingü ibidem b. Ibidem zenobium prebet 
aliam d quif teneat nunc nefcitur hanc tenuit albertus vnteren ruzh- 
bauin. Margareta b in wazäriet. Ilaf in wazn (geiilgt) in altüburc 
b. Ilef b mzgifml. quaf tenent o longus. et vl’ tabernarius. walber- 
unus et diepoldus bubam in hohäwart quam tenuit mazelinus de 
hao habet et longus. In tvrheim bubam habet O de rawinefbah’. 
h de tvrhelm ibidem bubam. diepoldus ibidem d. Ia b in flät. la in 
Cupftorf. Ia b in finbranftorf quam tenet c longus et frater eius. 
c longus Ia in fibrantorf. folus, Kberh’ de tegrenb' bub ibidem. 


Cim. 734 (= Hohenwart 4) Bl. 107r. Von einer Hand des 14. Jhdts. 
(Fehlerhafter Abdruck bei A. v. Steichele 4, 861.) 


AO Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheım. 


et in prefentia chorj noftrj comite deficiente decifam. nobif ad me. 
moriam reuocat. ne ulla deincepf occafio que cefarienfe cenobium 
in queftionem trahere. uel quogquomodo de predioto ecclefie iure in- 
quietare poffit emergat. Nof igitur peticionem prememoratj epj ido- 
neam et racione fubnixam approbantes. tam decife. litis quam facte 
donationif teftes exifiimus. annuentibus. confirmantibus. ratumque 
hoc habentibus predecefloribus noftris beate memorie Vdelfchalco et 
harthwico epif. canonicif quoque et minifterialibus noftrif approban- 
tibus. quorum nomina poftea fuis ponentur in locis. Ut autem hec 
predeceflorum noftrorum noftreque auctoritatif confirmatio inconcufla. 
inuiolabilis. et inconuulfa fine ullo eui termino fupradicto cenobio 
permaneat fom approbamus. et figilli noftri inpreffione munimus. 
rogando. precando. precipiendo. fub anathematif interpofitione. di- 
uineque ultionif animaduerfione. quatenus a die hac et in religquum 
nullius unguam preualeat iniquitaf ad hoc iniufte ınfringendum. im- 
minuendum. inmutandum. quod confulte. racionabiliter. et eccle- 
fiaftice conftat confirmatum. Ad hujus rei plenariam comprobationem. 
nomina teftium tunc temporif prefentium fubfcripfimus. que funt 
hec. Sifridus prepofituf maiorif ecclefie. heinricus decanuf. Waltheruf 
cuftof. Raboto archidiaconus. Albertus cellerarius. Nüdungus. 
Swickerus. heinricuf De berolfestat. Winthervs. De minifterialibus 
ifti. Cünradus burcgrauius. Sifridus dapifer. Vlricus de hufen. Can- 
radus de Erringen. Eberhardus maior uillicuf. hermannuf de blan- 
chenburc. et alij plurimi- ; 


S. Kaisheim, Reichsstift Fasc. 4. 
Ad loculum ecclefie Auguftenfis. 


9 Augsburg 1221, April 27. 


IN NOMIME CANCTE(!) ETINDIUIDUE TRINITATIS. SIFRIDUS 
DEI GRATIA AUGUSTENSIS ecclefie E50‘ uniuerfis x fidelibus in- 
perpetuum. Si ratione preuia naturalis affectus perpenditur‘ liquido 
conftat. quod fororem fuam frater germanuf ex ipfo nature debito: 
affectuofiuf tenetur diligere. eique tam ad temporale commodum 
quam ad ea que ad falutem anime fpectant. confilia femper falutaria 
miniftrare. Proinde tam prefenti quam future innotefcat generationi. 
quod foror noftra Adelhödis prefectiffa. opinione bona religiosi con- 
uentus in k&ifhei. ad bonum inuitata propofitum. tranfitoria eternis 
commutare uoluit. et quia pro odore uirtutum. fincere dietum Con- 
uentum diligit. eidem pro remedio anime fue. atque Omnium pa- 
rentum fuorum. in prefentia noftra et düorum noftrorum videlicet 
chori et minifterialium et aliorum plurimorum ad hoc uocatorum 
adhibita omni follempnitate debita et confueta, liberaliter in bonoro 
gloriofifime virginis MARIE per manum illuftrifimi regis Friderici. 
donauit omnia bona fua in uilla cimbern. tam in agris. pratis, 


f 


Zeugnisse. 4 


pafouis. filuif. quam in alijs attinentijs oultis et inoultis. nulli he- 
redum fuorum quicquam iurif. fiue in aduocatta. feu in defenfione. 
uel quocungue alio nomine legaliter. vel vvlgaliter. cenfeatur dere- 
linquens. Ita fane ut pro redditibus feu penfionibus eorundem bonorum 
prediote forori noftre. annuatim quoad uixerit. a fratribus prelibati 
monafterij‘ v. libre auguftenfis monete foluantur. ita quod una me- 
dietas illius fumme in foro pafchali et altera in fefto foi Michahelis 
debeat perfolui. Poft mortem vero ipfius penfio quemadmodum pro- 
prietas fepedioto c&det monafterio. de cetero a penfione huiusmodi 
libero et liberato. Verum quia prememorati uiri religiofi. non armis 
actualibus utuntur contra hoftes uifibiles. fet in acie fpiritali cottidie 
confiftunt aduerfuf aeriaf poteftates. decet et expedit ut ad excolu- 
dendas futuri temporis infidias. auotoritatis noftre teftimonio muni- 
antur. Vt igitur ipfa donatio cum conditionibus appofitis. firma et 
inconvvlfa perpetuis oonfiftat temporibus. totam rei gefte feriom 
iuffimus confcribi. et tam nostro. quam ( chori figillo communiri. Acta 
funt heo diiioe incarnationis anno. M-OC-XXI. V. Kl. MAIJ, In ci- 
uitate augufta ante capitulum dnorum. Huius rei teftes funt. Rappoto 
prepofituf maioris ecolefie. Heinricus de Brenze Decanus. Bertholdus 
coppo ouftof. Hermannus camerarius. Sifridus de nördelingen, cano- 
nicus. Heinricus de Mandechingin. Heinrious hYchinguf. Hormannus 
de wartolfiftetin. Wernherus fnelmannus. Vlrioufvicedüs. Marquardus 
fräz. Sifridus dapifer de dvnrfbero. Caunradus de Erringin. Heinricus 
et Marquardus oamerarij. Arnoldus et Ebo de porta. Rudegeruf de 
lucelnbvrc. Virious de bernbPren. Albertuf de Mendichingen. Hein- 
ricus nobilis de alginfhvfen. et alij quam pluref. Si quif igitur hec 
aufu temerario et prefumptione iniqua. infringere. caffare. et annul- 
lare temptauerit. et contra iufticiam uoluntariof dei pauperef. molefte 
inpecierit. huius dief fuper terram minuantur. de libro uiuentium 
deleatur. partem cum reprobif foroiatur. tandemque nifi quantocius 
refipuerit? illa miferabili fententia feriatur qua dieitur. Ite maledicti 
in ignem eternum, Sit denique anathema Maranatha. Vniuerfi autem 
filij pacif. qui et iufticiam amplectuntur. et probatof dei feruof. in 
fuo iure tuentur. profperif ad prefenf fucceffibus iocundentur. et in 
futuro fupernis fociati fpiritibus. apparente dei gloria ineffabili gaudio 
glorientur- ; AmeN. 
S.S. Kaisheim, Reichsstift F. o. 

Ad loculum ecclefie Auguftensis. 


10 1223—1246. 


Notum fit omnibus tam prefentibus quam futvrif quod quidam. 
Wernhardus - de - Turheim. pro remedio anime fue. ancillam fuam 


Meehthildi cum fubfequente prole. ad altare. Sce. M. in Gifenvelt 
oontradidit in manus düe. Sophie. Atbatiffe ad annualem confum 


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42 Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 


quinque nummorum. Huius rei teftef funt. Wernherus. Lykko. 
ChvnRadus. Decanus. ChvnRadus facerdof. HxzinR. Gadmer. et alü 
multi. 

Geisenfeld. Lit. I (1281—1309 geschrieben) Bl.47r. (MB. 14, 246). 


Notum fit omnibus. quod quidam nomine. Wernhardus - de 


Turheim. tradidit ancillam fuam. Mehtildem. ad altare. S. M. I 
Gifen, cum omni prole fua. per manus. Sophie. abbatiffe. ad cen- 
fum. v. denariorum. Teftes funt. Wernherus. Lvcko. Ch’. Decanus. 
H&inR Gadmzr. Wernherus de Vülenpach. et. Ch’. frater. eius. et 
aliı multı. 

Geisenfeld. Lit. I Bl. 48r. (MB. 14, 248). 


11 Bei Wimpfen 1227 September 22. 


Henricus septimus divina favente clementia Romanorum rex 
et semper augustus. Ad utriusque vite felicitatem prodesse nobis 
non ambigimus si loca divino cultui mancipata curaverimus ampliare 
ed eorum commodo pio intenderimus cum affectu. Qua de re noyverint 
tam presens etas quam successura posteritas quod nos attendentes 
et vultu placido respicientes devota obsequia et obsequiosam devo- 
tionem dilectorum fidelium nostrorum fratrum domus hospitalis 
Teuthonicorum sancte Marie in lIerusalem que laborioso nobis ac 
progenitoribus nostris et fideli exhibent et exhibuerunt famulatu, 
ecclesiam sancti Blasii in Mulhusen quam nunc de manu nostra 
possidet Albertus capellanus noster, et cujus donatio ac jus patro- 
natus ad nos et imperium spectare de ratione dinoscitur, cum jure 
patronatus et omnibus attinentiis suis diete domui ac fratribus 
ejusdem contulimus et contradidimus libere tenendam et perpetuo 
possidendam. Statuentes et sub interminatione gratie nostre districte 
precipientes ut nulla unguam persona humilis vel alta, ecclesiastica 
vel secularis, hanc donationem nostram infringere audeat vel ei ali- 
cujus ingenii scrupulo contraire. Quod qui ausu ductus temerario 
facere presumpserit, indignationem tremendi judicis nostreque cel- 
situdinis gravem offensam se noverit incursurum. Ad hujus itaque 
donationis nostre robur perpetuo valiturum presens exinde privi- 
legium conscribi et sigillo nostro jussimus insigniri. Testes hii sunt 
Hermannus Herbipolensis, Heinricus Eistedensis episcopi, Ludewicus 
dux Bawarie palatinus comes Reni, burgravius Magdeburgensis, 
Hermannus marchio de Baden, Cunradus burgravius de Nurenberc, 
Hartmannus comes de Wirtinberc, Cunradus comes de Gruningen, 
Hartmannus comes de Dilingen, Henricus de Niffen, Fridericus de 
Truhendingen, Cunradus prepositus de Tanne, Eberhardus dapifer 
de Walpurc, Dietho de Ravenspurc, Godafridus de Solzburc, Linboldus 
senior de Grindelach, Ounradus de Smidelvelt, Cunradus de Erringen 


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Zeugnisse. 43 


et alii gquamplures. Actum apud Winpinam, anno dominice incar- 
nationis M’CO°XXVII®, decimo kalendas octobris, indietione prima. 
Original im Archiv zu Dresden. 
(Hier nach Huillard-Breholles 3, 348 f.) 


12 1231 

IN nomine fcs et Indiuidue trinitatif. Siboto d’i gracia Augu- 
ftenfis ecclefie epc. omnibuf xpi fidelibuf. Salutem in perpetuum. 
Notum fit tam prefentibus quam futurif xpi fidelibus. quod Cunraduf 
de Erringen curiam in gugenrieth pro remedio anime fue beato 
Vdalrico et beate Afre huiuf pacti afftipulatione donauit. quod düf 
Abbaf ei communem fepulturam obtineret. et anniuerfarium diem 
debita commemoratione perageret. Poft obitum uero eiuf‘ uxor fua 
Adelheidis aduocatiam iam dicte curie fibi et Vvillehalmo filio fuo 
quoad uiuerent obtinuit. nullufque heredum fuorum poft mortem 
eorum iuf aduocatie fibi ufurpabit. Quod ut ratum et inconuulfum 
permaneat‘ figilli noftri appenfione confirmamuf. Huius rei teftef 
funt. Vdalricus de rifinfpurc. heinricus de eberftal. heinricus et Vdal- 
ricus de bokkefperc. hermannus de jgelingen. Liupoldus purcgrauius. 
Swiggerus de mindelberc. heinricus marfcalcus. Arnoldus camerarius. 
hermannus de blankenburc. Vvernher de burcperc. OVnradus koppo. 
heinrious et Sifridus de Alkifhufen. Bertoldus de bobingen. Vliricus 
coquinarius. Rudigerus de Lutzelnbure. Bertoldus ubellin. Acta funt 
hec. Anno dominice incarnationif. M - CC - tricefimo primo. INdic- 
tione. Tercia!). 

S(v.) Augsburg, Domkapitelsches Archiv F. 418. 
(MB. 23, 6= 33 I 62.) 


13 1234 


Hii sunt hominef quof dedit dn/ Chunr de Turehaim. fillus dni 
Eginonif fo Vdalrico. et foe Afre. pro remedio anime fue. recepta 
ab eif quadam fumma denariorum in fecreto. videlicet quatuor 
talentif auguftenfium. Berhta. et tref filii eius. Heinricus. Berhtolt. 
Diethmar. Adilhait. et liberi eius. Chünrat. Adilhait. Mahthilt. et 
alla filia eius. Mathilt. Acta sunt hec anno däice incarnationis. 
M.- CO. XXX - I. 

Augsburg, St. Ulrich (Kloster) Lit. Nr.5 S. 42. (MB. 22, 127.) 


14 Augsburg 1236 Mai 25. 
In nomine patrif et filij et Sps Sci Amen. Siboto dei gratia 
Auguftenfis Ecclefie Eps omnibus horum infpectoribus Salutem in düo. 
Notificamus vniuerfitati veftre quod cum olim Viri nobilef düf hain- 
ricus et düf Vlricuf de Bocchifperch Molendinum vnum in Villa 


1) Stimmt nicht! Müsste Quarta oder gar Quinta heissen. 


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ee EENEER 


44 Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 


Triwefhain a nobif et Ecclefia noftra in feodo tenuiffent. idem Molen- 
dinum tali pacto nobif refignarunt‘ vt in proprietatem Ecclefie et 
Conuentui Üefarienfi donare curaremus. Nof vero cultum facre reli- 
gionif in ipfa Ec (!)per plura et continua diuina obfequia et multi- 
formia caritatif opera refplendere recognofcentef. et quanta filiali 
fubiectione fimul et pura deuotione ecclefis noftre in omnibus {6 
promptam femper exhibeat! De confilio Oapituli et Minifterialium - 
Ecelefie noftre. fupradiete Eoclefie et conuentuj predictum Molen- 
dinum in proprietatem donauimus. et in huius donationif noftre 
euidenf teftimonium literam prefentem contulimus eifdem Sigillo 
noftro munitam. ad prefatam donationem tam per nof quam fuccef- 
foref noftrof ipfi ecclefie perpetuo conferuaturam. Huius rei teftef 
Sunt. Magifter Wernheruf OCuftof. Vlricus coppo heibacenfis prepofitus. 
Liupoldus de Rotenburch. Arnoldus de porta. Ounradus Coppo. Die- 
poldus de Attingen. Cvnradus de Agenwanch. Gotfriduf. Viricus de 
\ Turihain. OCvnradus de Celle, Hiltebrandus Abbaf Sci Vdalrici. et 
3 alij pluref. Acta Sunt heo Anno dnj Mitt CC. XXX. Sexto. VIIj. kat 

junij. Augufte in palatio noftro. prefidente düo Gregorio papa nono;:, 


P .S. Kaisheim, Reichsstift Fasc. 9. 
Ad loculum ecclefie Auguftensis. 


N 


15 Augsburg 1237 Februar 6. 

In nomine patrif. et filijj. et fps Sci Amen. Siboto dei gratia 
Auguftenfis Ecolefie Eps-. Omnibus hoo fcriptum infpecturif Salutem 
in xpo jhü. Notificamus vobif quod Anno dni MiH}, CC.XXX.Septimo, 
Octauo Idus Februarij Augufte apud Scm vdalricum conparuit coram 
nobif Manigoldus iuuenif de Sibenaich publicando ibidem in prefentia 
noftra et multorum aftancium quod tutor bonorum fuorum in annii 
puerilibus preteritif ante Annum proxime preteritum tutelam et pro- 
curationem refignaffet. ipfe iam plenariam habendo poteftatem et 
liberam. omnivm bonorum et rerum fuarum cum matre fua dna 
Irmingardi. et cum duabus Sororibus fuif düa Irmingardi et düa Ita. 
et cum vitrico fuo düo Sivrido Spannagel et filio eiusdem Ounrado 
fratre fuo. omnia bona que tam ipfe quam ipfi habuerant vel pouffe- 
| derant iure proprietatif feu titulo feodi in terrif Agrif pratif. et cum 
| omnibus pertinentijf fuif. et aduocatiam bonorum eorundem. et ivi 
patronatus et Aduocatiam Ecelefie in Sibenaich vendidiffet et con- 

tradidiffet Ecclefie et conuentui in Staingadem. pro Quadraginta 
librif Auguftenfis monete. et in continenti in noftra et aliorum pre- 
fontia ibidem renunciauit pro fe et Matre et Sororibus fuif Ante- 
dietif proprietati et omni ivri quod in prediotif bonif et Ecclefia et 
Aduocatia habuerant. düo Siurido Spannagil illic prefente et etiam 
ex parte fua et filij fui Cvnradi vendicionem ipfam factam manifefte 
eonfiftente. et ibidem publice pro fe et‘ipfo filio fuo renunciante 


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Zeugnisse. 46 


proprietati feu quocumgue iuri quod in omnibus bonif dicte ville aut 
Ecclefie fine Aduocatia habuerant aut habere videbantur. Infuper 
ipfe. S. et. M. predictus. coram nobis fe obligarunt Ecclefie prediote 
et conuentui. quod fi qua controverfia aut vexatio de vendicione et 
donatioe (!) et emptione fupradiotorum contra eof de prefenti vel in 
futvro emergeret‘ ab hac eof abfoluere et reddere quietof et in- 
dempnef in bonif‘ Ecolefia‘ et aduocatia tenerentur. Hec vero vt 
rata femper permaneant et obferuentur inconuulfa® ad peticionem. 
Sivridi et Manigoldi. literam prefentem in euidenf fupradiotorum 
teftimonium oonferibi. et tam Ciuitatif noftre quam noftro Sigillo 
hanc fecimus communiri. Huius rei teftes Sunt. Hainricus prepofitus 
de Wiltin. HainRicus Gula. h. filius fuuf Aduocatus Auguftenfis. 
Cvoradus coppo. Bertoldus de Bobingen. hainricus Snelman. Hain- 
ricus Senge. Vlricus Magifter coquine. Gotfridus. hainricus de heibach. 
Vlricus Camerarius de phrundorf. hainrious de Igilingen. Otto 
Boginer. et alij plures:, Datvm Augufte Anno et temino (l) fupra- 
dioto. Regnante Gloriofo Romanorum Imperatore dno FRiderico 


‘ BSecundo:, 
S(v.)  S* Steingaden (Kloster) Fasc. 7. 
(MB. 6, 523, Lachmann, Wolfram*® S. XL1l.) 
16 Augsburg, Stift St. Ulrich 1244. 


In Nomine - Patris - et filij - et fpiritus fancti - Amen. Notum 
fit omnibus prefentem Paginam infpecturis /quod cum inter Capitulum 
Auguftense ex una parte. Et inter Dnam Adelhaidim filiam quondam 
Däj Diepoldi militis de Aitingen‘ ex altera. fuper quodam Manfu 
fito in Aitingen. lis et controuerfia diu verteretur / mediantibus 
taudem viris Prouidif et diforetis | Videlicet düo Alberto Gvffone 
Procuratore Capituli tunc temporis exiftente | et vicem ipfius Capituli 
in bao parte gerente | Et dno Swigero milite de Turhaim | qui vioem 
dicte Adelheidis fimiliter in hao parte gerebat. amicabilis inter ipfos 
conpofitio interoeffit in hune modum. Quod predicta dfia Adelbeidis / 
et CYnradvs Maritus ipfius diotus Schönlin de Turbaim / Manfum pre- 
nominatum de quo lis fuit / Tantum pro tempore vite fue debent 
poffidere. Singulif annis quamdiu vixerint | de ipfo Manfu. decem 
Maltera Triticj. Et Ooto folidos denariorum Auguftenfis monete fine 
diffioultate qualibet foluturj. Poft mortem uero predictorum duorum. 
videlicet die Adelheidis / et düj C’nradj dieti Maritj fui / Heredes 
ipforum / in eodem Manfu nichil jurif' habebunt. Sed pleuo jure extunc 
ad Ecclefiam redibit. Vt aulem hec omnia Rata permanere debeant 
et inconuvlfa / de confenfu partium prefens littera fuit confcripta | 
Et teftimonio Sigillorum düäj Sibotonif venerabilis Eyi Auguftenfis. 
et Capituli Auguftenfis /oommvnita. Acta funt heo In Claustro 


* Aeltestes bis jelzt bekanntes Siegel der Stadt Augsburg. 


46 Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 


Sancti ödalRicj. Anno dnj - M: CC - XL - II. Teftes vero hujus. 
rei funt. Gebewinus Abbas fsi Ödalriej [in Augufta. Ilainricus dictus 
Gula. frater eiufdem Cenobij. Sifridus Decanus. Albertus Guffo. 
Sifridus de Inningen. Canonici Auguftenfes. Hainricus NYdungus. 
Hainricus de Steten. Subdyaconj. Swigeruf milef de Turhaim!). 


Albertuf -milef de Buche. Berhtoldus milef de Bobingen. Viricus 
nilef de Turheim. et alij quam plures. 
S(v.) St) 8 
Augsburg, Domkapitelsches Archiv F. 418. (MB. 33, 70.) 


17 Augsburg 1246 August 29. 


In nomine patris et filii et ipiritus fancti amen. Gotfridus de 
Hohenlo omnibus imperpetuum. Equum et ydoneum efle cenfemus, 
ut devotionis affectus cuiuslibet virtutis non debeat premio carere, 
ne pia mens in ftudiis {uis remissior fiat, dum fibi pro meritis non 
refpondetur. Hac igitur intentione, ut Oftonis Bogenarü, dilecti 
fidelis noftri, oivis Auguftenfis, nobis exhibite fides et devotio non 
tepefcat, suis meritis liberaliter occurrere cupientes aream noftram 
apud antiquam portam civitatis fitam in Augufta, quam a domino 
Ulrico de Porta, filio quondam Ebonis de Porta, cum omnibus per- 
tinentiis fuis comparavimus, fibi et Selindi uxori fue ac omnibus 
heredibus et fuccefforibus ipforum prefente domino noftro Cunrado 
illuftri Romanorum in regem electo liberaliter conceffimus oum omni 
iure, ficut eam emimus, pro ceniu annuo, duabus oaligis videlicet 
de fageto, quas nobis in recognitionem fingulis annis folvent, a nobis 
et heredibus five ceteris fuccefloribus noftris hereditario iure perpetuo 
poffiidendam; eo dumtaxat iure nobis et noftris heredibus in prefata 
area refervato, quod per dietum Ottonem et fuos heredes vinum 
noftrum, quod in Auguftam duxerimus tranfmittendum, in uno cellario 
eiufdem aree refervetur, quod dum de ipfo vino noftrum commodum 
ordinetur; et fi perfonaliter Auguftam pervenerimus vel heredes 
nostri, hofpitium noftrum erit in domo, quam fuper aream duxerint 
conftruendam, in teftimonium, quod eadem area in feodo pofüideatur a 
nobis et noftris fucoefloribus in futurum. Preterea idem Otto et fui 
heredes liberam facultatem habebunt, fi neceffitas ipfis ingruerit, ven- 
dendi dietam aream et omnia fuper edificata fuo concivi vel cuilibet 
alteri, focundum ius commune civitatis Aug. quod vulgariter dicitur 
burchrecht?), videlicet due auce annuatim in fefto fancti Michaelis, 
Ut autem affeotuofa et liberalis noftra conceffio a nobis et fucoefloribus 


ı) Ein Swigeruf de Tierhain l, wird im Nekrologium des Stifts 
St. Ulrich in Augsburg vom Jahr 1514 als an einem 5. Mai ver- 
storben erwähnt, Vgl. MG. Neecr. I 123. 


2) Hier ist offenbar die Ueberlieferung lückenhaft. 


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Zeugnisse. Ä 47 


noftris ftabilis maneat et inconvulfa, notam eam facimus et prote- 
ftamur univerfis tam pofteris quam modernis prefentes litteras in- 
fpecturis et eas in argumentum memorie certioris fub teftimonio 
fubforiptorum, qui teftes funt eiusdem conceffionis noftre, videlicet 
comes Friderious de Zoler, comes Ludovicus de Spitrenberch'), do- 
minus Eberhardus de Eberftain, dominus Hainricus de Nifen, dominus 


Ülrious de Gundolvingen, dominus Kraft de Bokkefperch, dominus 
Wolfradus de Kruthain, dominus Cunradus Kroph, dominus Waltherus 
pincerna de Limpurch, dominus Cunradus pincerna de Lingenburch?), 
dominus Liupoldus magifter coquine de Rotenburch, dominus Hav- 
vardus, dominus Tanhufaer, dominus Engelbardus de Tapfhain, do- . 


minus Hainricus Gula advocatus Auguftenfis, dominus Ulrious de 
Zufmegge, dominus Eberhardus de Richen, dominus Berhtoldus de 
Bobingen, dominus Albertus de Mändechingen, dominus Ofwaldus, 
dominus Hainricus notarius de Hohonloch ; magifter Albertus Phificus 
et Cünradus filıus fuus, Conradus Cervus, Siboto Cervus, Liupoldus 
Cervus, Wernherus Cancellarius, Hainricus Sohongowenfis, Cunradus 
Barba, Ulricus filius fuus, Hainricus de Weilhain, Hainricus Notköf 
Berchtoldus Valman, Berchtoldus Barrarius Wernherus Bruwe et 
Berchtoldus filius fuus, Conradus Sparrarius, Gerboldus Spehemugge, 
Syfridus Surdus, Hainricus Wirrenborner®), Rudolfus Hirnlinus, Hain- 
rious Hirnlinus, Hainricus de Wintzenburch, Cunradus Nägellin, Ulricus 
Hottinger, Eberhardus filius fuus, Hainricus Welsaer, Albertus Zus- 
merhufer, Hermannus Füchelinus, Hainrivcus Nötifen, Liupuldus 
Sohrotter et alii quam plures, cum figillo noftro et civitatis Augu- 
ftenfis fecimus roborari. Acta funt hec in civitate Augufta in domo 
predicta anno dominice incarnationis millefimo ducentefimo quadra- 
gefimo fexto quarto Kalendas Septembris, quarta indiotione. 

Nach K. Weller, Hohenlohisches Urkundenbuch 1, 131 Nr. 226. 

Nach einem Trans/umpt d. d. Augsburg 1472 XII. 14 im 

Lehnsarchiv zu Oehringen. 


18 Augsburg, St. Stephan 1249 Februar 14 (?). 


Adelhaidif de Glahain dei gracia Abbatiffa foi ftephani in 
Augufta. Vna cum fuo conuentu. Vniuerfif' barum infpecotoribus 
falutem in aotore falutif. Significamus uobis® quod nof düo Gerboldo 
prefbytero de Berchain‘ decimaf quafdam in Berchain fitaf fiue feni 


fiue frugum. Ecclefie noftre attinentef. cum. II. pratif ibidem. 
Decimam de ouria proxima‘ aput Eccolefiam in Berchain. de ouria 
prepofiti. de agrif hagniberenfif: de curia Magirenger. de ouria Wide- 
menger. agrof ecclefiaftici. Decimam de Niderholzacher. Conceffimus 


ı), Statt Spitzenberch ! —*) Statt Klingenburch! — °) Wohl für 
Wizzenhorner. 


48 Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 


pro tempore uite iue poffidendaf. Et quamdiu uiuit nulluf ab eo 
aliquot iuf‘ uel poteftatem. in eifdem. pratif uel decimif. sibi ufurpare, 
debet. nec poteft. ut coram nobis eft condietum. poft mortem uero 
ipfiuf‘ Gerboldi. Düe Rilindi de Bannacher filie fue. !) 


fuprädictaf decimaf. cum. IIIL. pratif eo iure et 
pro eodem cenfu. quod a nobis‘ düf Gerbolduf tenuit. indulfimus et 
conceffimus! quandiu uiuunt. percipiendaf et tenendaf. hoc pacto 
tamen interpofito. ut non. liceat eif fecundum quod coram nobis et 
prefentibus probif ac honeftif uirif tam clericif quam laicif. in parua 
noftra ftupa. eft tractatum et conpromiflum. Decimaf antedictas nec 
prata alicui obligare‘ uel earum iuf uendere. qualicungue neceffitate 
conpulfe‘ nec in aliaf fuaf commutare uel tranfferre perfonaf. nifi 
prius hoc fiat. de feientia et noftra uoluntate. Dimidia libra cere. 
in purificatione beate. uirginis’et‘V. fol. Auguftenfis monete. In 
uigilia Thome apl’i. annuatim nomine cenfuf de decimif et pratif. 
sunt nobis foluendi. Si uero düf Gerbolduf. uel perfone sibi in de- 
cimif et pratif fuccedentef‘ in terminif conftitutif cenfum non. fol- 
uerint‘ prata et decime‘ abfolute. pleno iure ad ecclefiam noftram 
debent redire. Vt autem hoc factum noftrum inconuulfum permaneat. 
Literam iftam figillo noftro figillauimus‘ et prefatif perfonif in tefli- 
monium huius rei porreximus. Acta sunt hec Anno düi. Millefimo* 


00- X1- VIII: VI-X Kaln- Marti. Teftef sunt. Mehtilt de Erringen. 
Adelhait de holzhain. Adelhait de Altenmönfter. Elifabeth de Brat- 
tenöwe. Diemöt de Mäwenhan. Willibirch de Botenftain, IIzlewich 
de Bazenhoven. Irmengart de Turhain. Adelhait de Riethöfen. Adel- 
hait de S. Mauricio. Hee sunt düe de conuentu. Hairicus Erneftuf. 
Hainricus Shade. Worthwinvs de holzhain. prefbyteri. Hainricus 
portinarius. Cönraduf filiafter eius. Sifriduf Milef diotus Kzrphe. 
Hainricus de Bargen. ölricus de Bazenhoven. Bertholduf de Wefthain. 
ölricus Vende. Hairicuf hxfelin. Cönrat Chocus et alii quam pluref.?) 

In nomine p. et f. et f. f. Adelhaidif de Glahain abbatiffa foi 
ftephani‘ et omnif conuentuf eius. Significat omnibus hanc literam 
infpecturis. per facrofga iuraffe. nullam perfonam exaudiri‘ pro hif 
decimif et pratif‘ nifi tantum prolem Rilindif de Bannacher filie Ger- 
boldi facerdotis. 


S(v.) Augsburg St. Stephan, Amt Bazenhofen E. 1, 


1952 1253 Juni 24. 


Sane fcriptif commendanda Sunt. que per homines aguntur. 
ne fimul ipfis morientibus. acta eorum ab humana memoria labantur. 
Quoniam omnis homo mendax: Hinc oft quod Ego H&inRicus diotus 


1) Dieser leere Zwischenraum im Original. — ?) Dieser Absatz 
im Original. 


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j | Zeugnisse. | 49 


Camerarius de Wellenbvroh. notum eflfe cupio Prefentium literarum 


rERg 0 
infpectoribus uniuerfis. quod Das CunRadus Miles dictus de ERRin- 
gen. dni Gebhard] et H&inR. antiqui germanus‘ pro romedio anime 
: | 


fue pia contulit uoluntate CurR fuo filio permittente‘ fratribus in 
Cofarea ordinif Cyftercienfis. Deo Gloriofeque genitriej fue fce MARIE 


seruientibus ibidem‘ Pratum cum attinentibus ugultif fitum ab’ 
inferiori parte ville in ERRingen. quod habere iure proprietario 


o 
uidebatur ’ Ea uidelicet oonditione. ut prefcriptus CunR et filius 


Jaus ConR. iamdiotum pratum pro dimidia libra cere jure cenfualj 
quamdiu utergue eorum fuperuiueret poffiderent‘ Deinde in ufus 
fratrvm prediotorum nullo heredium ipforum contradioente libere 
tranfiturum; Et ut hoc factum ftabile foret ac firmum. Pagine pre- 
entj cum Sigilli noftri munimine. Teftef hos placouit adhibere,; Düs 
hzinR de ERRingen filius prepofiti. dis ha»inR diotus hufagre‘ Hart- 
mannus et OYnR de Grönen. hz&inR filius antiqui.hainR de ERRin- 
gen‘ VYIR de Ryet. Düs Wernherus de Swabecke‘ Gotfchalcus et 
frater. de Schiringen 


j | 
Datum Anno Diii"M-CC-Liij-Indietione vndecima. Viii KV. Iulij. 
S(v.) Kaisheim, Reichsstift F. 13. 
Ad loculum Minifterialium. | 


20 1254 April 9. 
In ‚Nomine Sste et indiuidue Trinitatis Magifter Werenherus 
Cuftos Auguftenfis ecoolefie omnibus xpi fidelibus jn vero. falutari 
Salutem. Que geruntur in tempore ne cum tempore labantur foriptura 
teftimonialj frequenter perhennari confueuerunt. Nouerint igitur . 
omnes prefens foriptum in (/34v) fpeoturis (/) Quod heinricus miles 
de niderenthürhein agrum quondam qui dicitur bachelingis in obern- 
thürhein cum omni iure proprietatis donauit Beate marie fuper 
principale altare nos vero agrum predictum Conrado Blancke et 
ommnibus fuis heredibus pro cenfu trium denariorum jn fefto michaelis 
Singulis annis jnde foluendo conceffimus huius rei teftes funt Hilte 
brandus et Conradus!) Heinrious Cuftodes altaris vlricus Canonious 
jn berlach vlrious Subdiaconus magifter Conradus et Heinricus pul- 
fatores et Richerus feruus monafterij et alij quam plures Ad certam 
huius rei euidenoiam literam prefentem conft****2) fecimus et 
Sigilli noftri munimine roborari Acta funt heo düice incarnacionis 
Anno * Mo-OCo -1-iijjo- Indiccione xij vo ydus aprilis eto. 
Copialbuch der Deutschordenskommende Donauwörth (Karton 4) 
aus dem Ende des 15. [hdts. BI. I3Ar f. 


ı) Conradus von gleicher Hand getilgt.—*) Durch Tintenfleck 
unleserlich. 


Münchener Museum f. Philologie des MA. IV, 1. 4 


5 


50 Wilbelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 


21 Burg Druisheim 1256 Oktober 26. 
In nomine düäi amen. Omnibus tam futuris quam prefentibus 
xpianitatis titulo infignitis. H&inricus de Bappenh&in Imperialis aule 
MaRifcalcus Salutem in düo. Humana negotia fi literif et teftibus 
non fuerint confirmata cadunt a memoria et tranfeunt in errorem. 
Ad hec igitur incommoda in pofterum plenius evitanda. Notum fit 
omnibus xpi fidelibus prefens feriptum intuentibus. quod ego cum 
confenfu fororum mearum Adelhzid’”. Mahthild’. et Elyzabeth. ven- 
didi sororibus in Schönnevelt. fuperiorj Curiam quandam fitam in 
Mefifhoven. cum omnibus pertinentiis fuis‘ pro 1x - libris monete 
augustenfis. et totum. cultum et incultum jn nemore et rure omnj 
Jure quo ego illud pofledi proprietatis nomine et quiete. quod ego 
et mater mea nobis retinueramus. quando nof sororibus prefatif | 
donatione facta follempnj donauimus quandam Curiam in villa nomi- 
nata. fitam. et ecclefiam et dotem. pro remedio animarum noftrarum 
et anime patrif mei. Et promifi fideliter ftabilire eif contractum 
memoratum pro me et matre mea et aliis mortalibus vniuerfis. 
verum ut hec rata et inconuulfa perpetuif durent temporibus pre 
fentem paginam confcribi fecoj. quam fubnotatis teftibus Sigilli mej 
impreffione cenfuj roborari. Acta fvnt hec anno düi. M-CC-LV 
Indictione -XV - VII - Kl’ - Nov- In caftro 7Rivfhein. Teftes autem 
huius rei funt fRidericus Canonicus Eifteten. dietus de alth&in. OVnR. 
converfus diotarum sororum aotor caufe. Albertus de Boch . filius 
Juus Albertus. Hiltebrant. de Ifenbrehtofhoven. VIR - de TuRhein. 
OV#nR. de Ellingen. CYnR.de wilh&in. CYnR. de Ifenbrehtefhoven. 
Militef. Völkwinus. H&inR. dietus Vtinger. Schönneberger. Oiuel 
g. et Alij quam pluref. 
S. Oberschönefeld Kloster Fasc. 2. 


22 1257 vor September 24. 
In nomine domini amen. Notum fit omnibus tam prefentibus 
quam futuris quod ego HeinR imperialis aule maRfcaleus dietus de 
Bappenhein ewangelico illo eloquio accensus Date* Elemofinam et 
ecce omnia munda sunt uobis piaque deuotione diligentius düj ad 
bonum prouocatus affeotum contuli Ecclefie diete fuperius Sconenuelt 
de bona uoluntate matris mee et fororum mearum Adelh”. Methil- 
dis. et Elyzabet. pure. libere. et integre pro falute anime mee et patris 
mei et omnium parentum meorum et pro religione inhabitantium 
Monialium ibidem fincere diligens cenobium Memoratum Ecelefiam. 
et totum predium meum in Mefifhouen cum pratis. pafcuif, agris 
et omnibus attenentijs et iuribus fuis. Exceptif hominibus eidem 
ecclefie addinentibus quos mee protectioni uolo referuare et excepta 
una Ouria quam eis pro. 1x -libris Augustü eodem iure ficut ceterum 


-— 


* Luc 11,41. 


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1. äh v 


Zeugnisse. 51 


tradidi pofidendam. Nulli heredum meorum quicquam iuris aduocatie. 
defenfionis procurationis. uel quocuque alio fiue legaliter fiue wlga- 
liter cenfeatur uocabulo in prelibato predio derelinquens. et ut hoc 
factum meum ftabile foret et firmum. prefentem paginam feribj feci 
et proprij Sigilli Munimine roborari. Datum Anno döj- M- CC - Ivu . 
[ Inditione Xv:. Huius regi teftes sunt Albertus - de Büch - et al- 
ö fllius f[uus. VU de tvrhein. C. de eilingen. C. de wilhein. Rabboto 

de wartholuefteten. © de yfinbrefthoven. Milites. Fridericus de althein. 
FrideRicus de Binzwangen. et alij quam plures. 


S (v.) Oberschönefeld Kloster Fasc. 2. 


23 Mertingen 1261 Juni 15. 


Nos Fridericus Miferacione diuina humilis Abbas Sancte Crueis 
in Werde Arnoldus de Mefzenhufen Chunr Münster et Vniuerfi Ciues 
in Werde prefenti feripto notum effe cupimus Vniuerfis tam prefen- 
tibus quam futuris Quod cum Anno düi Millefimo. ducentefimo. 1x 
primo XVlj Kalnı Iulij Venerabilis Abbas Dietricus in Reychonbach 
Eberhardo Ohunrado qui Ouriam quandam in Rüdelingen fitam fue 
ecclefie adtinentem occupabant exhibere vellot de omni impeticione 
iufticie complementum coraım viro prouido ac fapienti dno Hainrico 
Imperialis aule Marfcalco de Bappenhain quem vtraque pars in caufa 
tali in Iudicem affumebat Dictus Abbas fub ftola corporali obtinuit 
facramento predictos Eberhard Chunr omnefque heredes ipforum 
nullum Ius penitus habere in Curia antedieta fub eodem Iuramento 
alferens atque probaus quod ante fpacium decem annorum pro eadem 
Impeticione patri ipforum Marquardo et ipfis viginti octo libras Hallen / 

| dedit eo quod in eifdem bonis ceflerunt et renunciauerunt. omni 
Juri /que cum ante tractata fuerint coram nobis de ipfis cum fepe- 
dicto Abbate perhibuimus teflimonium veritatis. In eiufdem eciam 
rei teftimonium ipfi Conuentui et Abbati fuo prefentes litteras dedi- 
mus ipfas noftrorum Sigillorum munimine roborantes. Teftes huius 
facti funt / Düs Hiltbrandus Struma de Emoldihaim. Vlricus de Weldw 
Hainrious de Salhach Albertus de Buche Albertus filius juus Vlricus 
de Tarhaim Hildebrandus de Seubrehtefhouem. Chunradus Sunniger. 
Rappoto de Warfolfteten Hainricus Stainlin Milites. Chunradus 
Munfter. Marquardus Schroter Waltherus de Gingen. Vlricus Vitlo. 
Hainricus Mergart. Fridericus fenioris Munfter filius Hainricus de 
Laugingen. Iunior Fridericus de Gingen. Sifridus de Handencelle. 
Bertholdus Gfeter. Hainricus de Smaledorf. Acta funt hec in Mer- 
dingen In die Sancti Viti Anno et Menfe ficut antea eft preferiptum. 


Kl. Reichenbach Lit. Copialbuch Bl. 237 vf. (MB. 27,61). 
4* 


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iu 


- ala 


52 Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 


24 . Burg Druifheim 1263. September 1. 


IN nomine düj Amen. Suffoeantur caduca gefta mortalium / nifi 
firmet ea uox teftium et eternitaf litterarum. Hujus rej gratia Nos 
HeinR dej gratia Imperialif aule/ac Ducatus Sweuie Marifchalchuf 
de Bappenheim notuın effe uolumus vniuerfis prefentem paginam 
infpecturis / quod Sifridus de Norendorf Oaftelanus nofter jn Ca/tro 
Triwefhaim | et Adelhaidif uxor fua /jn remedium animarum fuarum 
ac parentum fuorum fratribus de Oefarea. Cyftercienfis ordinis | aug 
dyocefis / medietatem Ourie fue jn Butenwife / proprietatif titulo ipfi 
attinentem / cujus alteram partem Hermannus frater fupradiotj 
Sifridj de Norendorf / pofüidet /fub talj forma et modo cum omnibus 
iuribus et attinentiif fuif tradiderunt pure libere et precife / vt uide- 
licet ipfe fifriduf et Adelhaidif pro tempore uite fue ufufructus curie 
fupradicte recipiant integraliter pleno iure. Poftquam vero alter 
ipforum iubente dio migraverit ex hac luce, parf dimidia medietatif 
Curie fupradicte. jn remedium anime ipfiuf cedere debet plene 
fratrvm vfibus predietorum alteram vero partem poffidebit fuperftef 
et habebit ufque ad terminum uite fue / Poft mortem vero amborum 
prelibati fratref de ÜUefarea totam medietatem fepiusdicte curie / 
cum omnibus iuribus et attinentiif / fuif / poffidere debent et ufufructus 
ac redditus ipfius vniuerfos recipere in perpetuum pleno iure. Sane 
et hoc notandum / quod fupradictuf Sifridus et adelhaid uxor fua in 
dicto monafterio Cefarienfi adhuc viuentef et fanj / fepulturam fui 
corporif elegerunt-eifque promiffum eft ab abbate et Conuentu /[ quod 
poft mortem ipforum v. libre aug monete-pro falute animarum fua- 
rum abbas prout sibi düf infpiraverit in piaf caufaf foluere teneatur / 
Vt igitur ifta prout rationabiliter acta sunt et traotata poffint in- 
conwlfa perpetuif temporibus permanere / prefentem paginam ad 
petitionem fupradictj fifridj et uxorif fue noftri figillj munimine 
duximus roborandam. Teftef hujus rej sunt. Albertus de Büch | et 
filiuf [uuf Albertus‘) | Viricuf de Turhein | Rapoto. CünR Sunninger / 
militef / at hermannus de Norendorf frater fupradiotj Sifrid). Actum 
et datum jn Triwefhaim Caftro noftro. Anno düj. M- CC. LXIUJ- 


Indiotione VJ. jn die Sc) Egidij confeforir. 
S. Kaisheim, Reichsstift Fasc. 18. 


Ad loculum. M;r. de Bappenhein. 


!) In einer Urkunde Ulrichs von Bocksberg von 1264. Xll. 15 
erscheint folgende Zeugenreihe: Düs albertus de Büch / düäs CünR 
de Scheppach / Hiltebranduf de Ifenbrehtefhouen milites. Albertut 

© 
de Büch. VIR fraier fuuf / HeinR de Schonenberch / militaref. VIR de 
Munfter et alij quam pluref. (RB. 3, 237. Gleicher Faszikel.) 


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Zeugnisse. 63 


25 1266 Dezember 17. 

Hartmannuf dei gracia | Auguftenfis Eoclefie epe | Vniverfis 
prefentem paginam infpecturif / Salutem in ih’u xpo / Ne facta homi 
num obliuionif deuio perimantur | expedit ea foripture et teftium 
fubfidiis adiuuari / Ea propter noverint tam / pofteri quam prefentes / 
quod Hainrious!), et fifridus. dapifer / de donerfperch. cum uoluntate 
et oonfenfu patrif eorum fifridi videlizet / dapiferi fenioris | et fratrif 
eorum Sifridi Canonici | Eoolefie nofte neo non prepofiti jn Bvhfhain / 
minifterialef Ecolefie noftre | Curiam / in inferiori Tvrhain fitam. quam 
nuno Colonuf diotus Belliz inhabitat | cum aduocatia ac domibus- 
Agri‘. pratif et omnibus pertinentiis / quefitis. et inquirendif / nec 
non Aduocatiam Curie in Eadem Villa Turhaim fite / Ecclefie In 
Wihenberch pertinentif | quas / aduocatiaf | cum Curia prediota / pre- 
diotus SBifridus fenior pater eorum /eifin partem hereditatif tradidit / 
Dilectif in xpo prepofito / et conuentuj / diote Eoclefie / In Wiben- 
berch / pro. L. et vi. libris Avg. de quibus funt plenius expediti / 
proprietatif titwo / uendiderunt et tradiderunt / largitione eorundem 
bonorum. per manum noftram eidem Ecoleiie faota [| ac oonfenfu 
noftro et Capituli noftri adhoc | plenius accedente | Vt igitur heo 
fupradiote Ecclefie Iu Wihenberch / firma. et inconwlfa perpetuo 
maneant et perfeuorent / prefentef exindo oonfecte | Sigillo noftro / 
eo fupradicti / feniorif dapiferi | cum iunioref proprium non habeant 
neu altero utantur /fideliter funt munite / Huius rei teftef funt Her- 
mannus de Wartolfefteten. Cunradus de Turhalm. Wintheruf de 
Richen [et frater fuuf. Vlriocus. Marquardus de Richen. hermannus 
de bvchelvn. militef.) In Biberbach Viricus. de Tuorhaim. Albertus 
de buch. Viricus de fravdrathov&. militef/ Sifridus de ftulin. Vlrious de 
birzbach. Hohbenftat minifter in Wertvngen Gebebart de Riet. Hain- 
ricus Bvheler Acta funt heo Anno domini. M- 6C-LX- VI:-Xtı 
Kal’n Januarij, 

S. S. Kaisheim, Reichsstift Fasc. 19. 
Pertinet ad looulum Regum. 


26 1271 April 20. 

In nomine patrif et filii et (Po fancti Amen: Hartmannuf dei 
gratia Eccolefie Auguftenfis Epco. Prefentem paginam in perpetuum 
Ne temporalis fucceflus perimat gefta fidelium / ipfa confueuerunt 
literarum munimine | ac fubforiptione teftiium roborarit Quapropter 
nouerint uniuerfi | quod cum Sifriduf Dapifer Senior | de confenfu 
heredum fuorum. Advocatiam fuper Ecolefiam in Wihenberch | et 
omnia iura in eadem Ecolefia ; fibi / et Officialibuf fuis conpetentia / 


ad manuf Lvdewici Comitif de Ötingen liberaliter refignaffet | a quo 


nn 


ı) Heinrich v. Donersberg hatie eine T ochter des Marschalls 
v. Bappenheim zur Frau. °) Dieses Spatium im Original! | 


54 Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türbeim. 


predicta omnia feudaliter obtinebat. Tali oondicione adiecta /ut hec 
omnia / ad iuf / et utilitatem / et libertatem eiufdem Ecclefie / per 
eundem tranfferrentur / Comitem. Tali etiam conditione adiecta | 
vt prepofituf qui pro tempore fuerit in Wihenberch. cum fuo Con- 
ventu / nullum fuper fe eligant / uel conftituant advocatum [ed perma- 
neant fub perpetua libertate / Ne idem Comef tanto feudatario eareret | 
Molendinum in Cranewanch. et Pratum dietum Grafanger /fitum in 
vicino iuxta nouum Caflrum Donerfperch / et Duaf Curiaf in Vorchach 
et in Oftendorf / que omnia a nobif feudaliter obtinebat / nobif libe- 
raliter refignauit / et nof in fauorem / libertatif Ecelefie fupradicte / 


eadem omnia prefato Comiti de Ötingen / feudaliter duximus con- 
ferenda / ut per ea pollet fuum feudatarium rehabere. Vt autem heo 
rata / et inconwlfa permaneant /nof preientem paginam / fuper ipfis 
conferiptam / Sigillorum / tam noftri | quam fepediceti Comitif de 
Ötingen. neenon fupradieti Sifridi / Dapiferi / de Donerfperch / muni- 
mine / duximus roborandam. Teftef funt. Rvdolfuf vicedüs, Lydewiouf 
de Dilingen. Archid’. Rvdolfuf de Hvrnhain Ecclefie noftre Canonicj 
Rvdolfus de Kazzenttaiı. Rvdolfus de Rifenfbvrch. Nobilef. Conradu 
de Scheppach. Wintheruf et Vlrieuf fratres de Richen. Hainricuf de 
AgenWanch. Conradus de Törhain | Hermannuf de Bvchellvn militef 
Albertuf de Vilibach. Conradus de Bvech. Conraduf de Tvrhain et 
„. dictuf Hohenftat / et Alij pluref. Actum et Datum. Anno. düi. 
Millefimo - CO: Septuagefimo - primo - vicefimo die Aprilif. indictione, 
XI1IJa. 
S(v.) S(v.) S(v.) Augsburg Hochstift F. 6, 

(MB. 33, 123.) 


27 1274 November 28, 


In nomine Domini Amen. Ne facta prefentium evolutione tem- 
poris ad oblivionis periculum deducantur, necefle eft, ut litterali 
teftimonio tollatur ignorantia futurorum. Igitur nos Alhaidis Dei 
miferatione humilis Abbatiffa in Hohenwart, omnibus tam prefentibus 
quam futuris tenore prefentium profitemur ac notum facimus uni- 
verfis, quod Grimoldus fcolaris fillius Hainrici Turhaimerü, curiam 
que vulgo dieitur Muefhof, quam a nobis jure feodali pofledit ad 
manus noflras propter Deum provida prius habita deliberatione motu 
proprio refignavit. Nos vero pio fibi favore afpirantes noftri Con- 
ventus ex confenfu memoratam Curiam Mueffhof, fi habitu clericali 
aut laicali dies (uos duxerit, vel alio quocunque modo vitam fuam 
agere difpofuerit, contulimus pro tempore vite fue libere poffiden- 
dam. Ne igitur prefens tractatus valeat aliquatenus infirmari, pre- 
fentem zedulam figilli noftri munimine duximus roborandam. Huius 
rei teftes (unt Dominus Liupoldus plebanus Marquardus Subdiaco nus 


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’ “ 
Kur‘ 


Zeugnisse. 55 


Laici Diepoldus Ulricus Oexamarius Cunrad Guedarius, Hainr Suz- 
holzel, Chunr Pellifex, Otto Salche. Actum et datum Anno Domini 
MCCLXXILH - UIL- Kal. Decembr. etc. 

MB. 17, 104 Nr.4. Ex Codice (aus welchem?)') 


28 1277 März 15. 
Hainrious prepofitus | et Irmengardif Magiftra / Totusque. conuen- 
tus. Monafterij in wihenberch / ordinis fcı Avguftini / vniverfis pre- 
fentium infpectoribus Salutem in xpo / Noverit diforetio fingulorum. 
quod nos cum commvni confenfv. et bona volvntate. venerabili do- 
mino Abbati dieto Trvtewin / et vniverfo conuentui in Kaifhain | 
Tria Curtilia Turhaim. fita. quorum diotus Moze duo poffidet | et. 
vnum. wicfrit / vendidimus nomine proprietatif pro duabus librif 
denariorum et v. fol quof in vfuf ecclefie noftre convertimus per- 
petim poffidenda. In ouius Rei teftimonivm prefentes exinde con- 
fectaf. eidem Abbati. et conuentui. affignauimus noftri Sigilli Mvni 
mine firmiter roboratas. huius rei Teftef funt Deccanus in pfaffen- 
hoven. hermannus Stadelfache. milef. Cunradus de Turhai. Vlricus 
vitel. bainricus Colonus nofter, Frater Marquartdus. frater Cvnradus. 
de Kaifhat. Aota funt heo Ahno dni M CO Ixxii Idus Marti. 
S(v.) Kaisheim Reichsstift. F, 27. 
Pertinet ad löculum Regum. 


29 1279 Mai 1. 
IN nomine düi Amen / Ne gefta hominum a femita deuient 
voritatif. expedit ea. fulcirj fubfidio feripturarum. Eapropter noverint 
tam pofteri. quam prefentes’ quod nof Ofhmya hvmilif Abbatiffa / 
Monafterij Sci ftephani extra murof Augufte /oum confenfv. et bona 
voluntate /totius noftrarum düarum | noftri conuentus / Decimaf dua- 
rum Curiarum R&tbinberch fitarum / quarum vnam dietus Ottho 
Colit / et / Alteram Sifridus dietus holzhaj / hanrico dicto Riphe / vxori 
fue Rychenze. et filio eorum hainrico / contulimus jure perfonali | 
ficut eoclefie noftre conpetierunt / uel conpetere videbantur / jure 
perfonali quoad uixerint poffidendas / huius Rei teftef funt Diemvdii 
de Mavnhain Elyzabeta de Braithenawe. Celleraria. / Agnes de yfen- 
hoven /G’Yta de Lymdawe / Adelhait / haggin | Irmengart de Mavnhai/ 
willeburh de Turhein | Gerdrvt de Botenftain / Adelhait de Cfbach | 
Salme de Braitenawe. Officicialef noftri hainricus pincerna. hainricus. 
piftor / viricus vicarius et aliji quam pluref | Acta funt hec Anno däi 

M-CC LXX - VIIII- Kal Maij // 
S. Augsburg St. Stephan, Amt Bazenhofen F.1. 


ı) Der Abdruck der 1806 erschienenen Monumenta Flohenwar- 
tenfia soll nach einem unter den Klosterliteralien Flohenwarts auf 
ein Gutachten der k. bayerischen Akademie der Wissenschaften 
fußenden Bericht ein sehr unzuverlässiger sein. 


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56 Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 


30 Um 1281. 
Plintheim ouria villicalis foluit tritici XV maltera .... von 
denen Huba Chunradi de turheim tritioi I malter liefert; and unter 
den aree aduocales in Plintheim.... Item XIII aree Ch. de Taurheim 
soluunt tritici XXVI quartalia. 
Urbarium superioris Bawarie 
MB. 361 311]12. 


31 1281 Januar. 27. 

L. prepofitus. R. Decanus. Totumque. Capitulum Maiorif Ecclefie 
Auguftenfis. Vniverfif' prefentium infpectoribus Salutem in xpo / 
Noverit difceretio fingulorum. quod nof cum commvni confenfy. 
predium Erlyngen fitum. videlicet medivm manfum. quod nobis 
Cvnradus Miılef dietus de Bych / cum omnibus adtinentiif / et appen- 
ditiif fuif /fuper Aram Beate Marie virginif chori noftri / proprietatif 
titulo donauit / Vlrico filio villiei dicti Brvninch. vxori fue Adelhaidi 
et omnibus heredibus eorum contulimuf jure Cenfuali tali pactione 
interpofita poffidendum. vt nobis exinde / fuper dietam Aram in die 
purificationif Marie / vertonem Cere uel. III Denarios. Cenfuf nomine 
perfoluant. In cuius Rei teftimonium prefentibus noftri Sigilli appo- 
fuimus firmamentum huius etiam Rei Teftes funt / Ylricus Cuftos / Mar 
quardus Scolaftious. waltheruf / Sacerdof. Reinhardus de Sibenbrvnnen/ 
hainricuf de Beringen / Liupoldus notifen | Cvnz de willamfhvfen. 
vlricus vicarius. hainriouf Schongawer. Siboto. Iohannef fratref eius. 
Ylricus fundanus hainricus Milef de Agenwanc. Marquardus filius 
Meinhardi. Manegoldus. de Richerfhoven Cvnz de Tvrhain | Reinhar- 
dus Brvninch. Cunz filius eius. werinheruf de Manichynigen. werin- 
heruf filius eius. Otto hvrenloher. et alii quam pluref. et Acta funt 
hec Anno düi M-00-- LXXXJ - VI: Kat febR. 


S. Augsburg, Maria-Stern 
(Franziskanerinnen-Kloster) F. 1. 


32 Augsburg 1281 März 28. 


Hartmannus dei gracia Ecclefie auguftenfis epus vniuerfis pre- 
fencium infpectoribus Salutem in düo. Quoniam dictus Hohenftat 
nobis et ecclefie noftre pertinens pratum quoddam quod Anger 
nuncupatur fitum aput pfaffenhouen Dilectis in xpo Commendatori 
et fratribus ordinis Teuthonicorum in lauterbach vendiderit et do- 
nauerit proprietatis titulo perpetuo poffidendum Notum eflfe volumus 
vniuerfis quod vendicionem feu donacionem huiusmodi ipfis fratrıbus 
factam fauore noftro plenius accedente ftabilem volumus permanere. 
Teftes funt. H. de Schepach miles Rudolffus Nobilis de Rifenfpurch 
Conradus de thurhein Qunradus de Schretzhein Cuür latro et alij 


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Zeugnisse. 57 


quam plures In couius rei teftimonium et debitam firmitatem pre- 
fontes Sigillo noftro dedimus communitas Datum Augufte anno düi 
- M°. CCP. Ixxxj? V' kl’ aprilis. 

Copialbuch der Deutschordenskommende Donau- 
wörth. a. a. O.| Bl. 136r. 


33 1281 April 16. 


IN NOMIN® DNI. AMeN. Ego hiltebrandus Minifterialis jlluftris 
Principif däj mej Ludewioj | Comitif palatinj Renj / ducif Bawarie | 
diotus de Gumpenberge / tutor vel quafi {utor nepotum meorum. 
Berhtoldj videlicet / et Sifridj. liberorum felicif recordationis heinricj 
quondam Dapiferj de kulletal / quof. Güta. filia mea reliota fua genuit 
per eundem tenore prefentium confiteor / et Gonftare Oupio vniuerfis 
tam prefentibus quam futuris / quod cum ego de confenfu et bona 
voluntate filie mee iamdicte nomine puerorum predictorum | viris 
venerabilibus abbatj.. et Conuentvj Monafterij Cefarienfis | Ciftercienfis 
Ordinis | Auguftenfis dyocefis / In Nidern Turhein / düium ville / quod 
wlgariter dicitur dorfreht / et juf paftorie | quod vocatur hertfchaft | 
Curiam quandam [et alia intra villam et extra uillam / cum omnibus 
fuis juribus et pertinentiis | que in jnftrumento principalis negotij 
plenius funt exprefla | certo legitimoque habito contraotu / vendi- 
. derim | pro Nonagintaquatuor libris denariorum Auguftenfium | quof 
integraliter me recepifle confiteor | et in vfuf puerorum prefatorum 
totaliter expendiffe / Ipfi | abbas feilioot et Conuentus prenominatj | 
futura pericula que inter oontractus ementium et vendencium fre- 
quenter incidunt / metuentef | fatifdationem fiue warandiam / que 
wigo gewserfchaft / vel erftatunge dicitur inftanter exogerunt / Qua 
prefertim fatifdatione vel warandia fibji ab emergentibus periculif 
cauerstur. Quapropter antediotis . . Abbati et Conuentuj / nomine 
fatifdationif vel warandie / duaf Curiaf meaf michi iufto proprietatif 
titulo pertinentef / Brunne videlicet et Siffenhouen / obligo / immo 
in pofleffionem earumdem Curiarum exnunc taliter eof mitto / quod 
tam ego quam heredef mej / fingulif annif infignum proprietatif 
dnij et poflefionif foluemus / dimidiam libram Core . . abbatj et 
Conuentuj iam predictis | quoufque predietus emptionif contractus | 
me proourante per inftrumentum predictj prineipif Illuftris düj mej 
fuerit confirmatus | et etiam donec prediotj puerj nepotes mej adultj 
ad legittimam peruenerint etatem / et fuif inftrumentif hanc fupra- 
dictam ratam habuerint et confirmauerint emptionem. Si vero fepius 
_ iteratif emptoribus fua quieta poffeffio / ac debita preforipcio qua in 
bonif emptif gaudere debent fuerit interrupta | tunc ipfi abbas et 
Conuentus loco et vice bonorum emptorum | ex refignatione mea 
exnunc facta / duaf meaf Curiaf priuf diotaf vendicabunt | iufto ea 
proprietatif ufu et titulo perpetuo poffefluri. Et ad heo omnia et 


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58 Wilhelm, Studien zu Ulrich ven Türheim. 


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fingula / facienda / promouenda/vel ratificanda meof heredef /vel bono- 
rum meorum fuocefloref / fime decedere contigerit / duxi prefentibus 
litterif obligandof. In quorum omnium robur et tefimonium prefens 
foriptum figillj| mej karactere communiuj. Teftef autem funt / fratref. 
hein? Prior. Cunz prepofituf. heinz dictuf Ceherlin. et frater. vlricus. 
Molendinarius / monafterij Cefarienfis. Cunz de Stüeln Minifterialis 
ecclefie Auguftenfis. Cunz de Turhein. vlricus dietus Mülich. heinz 
officialis de kulletal. heinz Morhart / Ciuif de wartungen. Herman 
Geilfüz. et alij quam pluref fidedignj. Datum et Actum. Anno dnj, 
Milleimo- CO-LXXXj. xtj. kald’ Maij. 
S. Kaisheim, (Reichsstift) F. 30 


und Kl. Lit. Nr. 167. Bd.5, Bl. 26rf. 
Pertinet ad loculum Regum. 


34 1281 April 16. 

In nomine domi amen. Ego hiltebrandus Minifterialis Illuftris 
principis dni mei Lud Oomitis Palatini Rheni ac ducis Bauarie dietus 
de Gumpenberg Tutor vel quafi tutor nepotum meorum Berchtoldi 
videlicet et Sifridi / Liberorum felicis recordacionis hainrici quondam 
dapiferi de kullental / quos güta filia mea relicta fua genuit per 
eundem / Confiteor et conftare oupio vniuerfis ad quos prefens fcrip- 
tum peruenerit {am prefentibus quam futuris Quod ego de confenfu 
et confilio filie mee iamdicte in villa que dieitur Nidernthurhai do- 
miniuın ville quod vulgariter diceitur dorfrecht / et jus paftorie in 
eadem villa quod vfitato vocabulo dicitur hirtfchafft Item ibidem 
Curiam que foluit ID iij / et nj ß 8. Augü Item Quatuor Areas fol- 
uentes ibidern xıı) 8 / preter iiij $ Augni / et quartale vnum papaueris 
menfure in Thurhai Item pratum dietum zu d& holfochten piugen 
quod habet quatuor opera diurnalia defalcandi / que vulgariter folent 
diei vier tagwerck Item opus vnius diei ideft ain tagwerck conti- 
guum prato düi prepofiti de Wihonberg ordinis Sanctı Auguftini / 
Canonicorum regularium. quod fimilıter in defalcando habet vnum 
opus diurnale Item ı) opera idem ıj tagwerck in prato quod dieitur 
zu vndergengen / Et ix opera diurnalia .j. jx tagwerck in prato 
dieto Wilauwe Et jnfuper omnia bona que quondam fuerunt du- 
orum germanorum Engelhardi fcilicet et Vlrici dictorum de Thurhain 
que bona vj funt aree que fingulis annis foluunt aut foluere debent 
x ß Augü et quartale j papaueris Soluere debent etiam pro pullis 
carnifpriuialibus et operarijs feni quos vulgus Recher vocat xxxv® 
Augüi Item Locum qui dicitur Girfperg q filua que vocatur Welteren- 
holez que foluere debet xxxv ß monete fuperius nominate hec vni- 
uerfa et fingula cum omnibus fujs juribus et pertinencijs jn villa 
vel extra villam / in agris cultis vel incultis / pratis / pafecuis / hortis / 
filuis / quefitif et inquirendis / que a predictis nepotibus meis /[ et a 
filla mea matro ipforum bona fide et iufto proprietatis titulo funt 


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Zeugnisse. 59 


poffeffa | ipforum nomine vendidi viris venerabilibus .. dfio Abbati 
et Conuentui monafterij Cefarienfis Cifteroienfis ordinis Augfi diocefis 
pro xoınj ID 8 Augfi / jus dominium | proprietatem / poffefionem et 
omnes obuentiones prediotorum bonorum in dietum monafterium 
Cefarienfe | per contractum vendicionis legitime tranfferendo Ipfos 
vero d .j. xciiij ID prelibatas / integraliter recepiffe me coonfiteor 
Et in vfus fepediotorum puerorum totaliter expendiffe Promittens 
fub ypotheca rerum mearum quod ego prefatum contractum procurabo 
per inftrumenta düi mei Illuftris principis fupradicti ratum ab ipfo 
haberi et etiam confirmari / prouifurus nichilominus quod poftquam 
fepedicti pueri nepotis mei ad etatem peruenerint adultam / quod 
ipfi hunc ipfum contractum fuo nomine per me factum / fuo confenfu 
et ratihabicione oonfirmabunt / renunciaturi tunc etiam ipfi de faoto 
per omnia juri fuo In quorum omnium robur et teftimonium prefens 
foriptum figillo meo | et predioti nepotis mei Berohtoldi quo fepediota 
mater fua in augmentum fui confenfus vfa eft figillo firmiter eft 
munitum Teftes vero funt fratres hainr prior Chunradus prepofitus 
Coteri in literis proprie precedentibus funt notati. Datum et actum 
Anno düi MOCCLXXXj xvj kl. Maij, 


Kaisheim, Reichsstift. Kl-Lit. No. 167, Bd.V, Bl. 27vf. 


35 | 1281 Aprü 30. 


IN Nomine dominj‘ Amen. Nos Ludewicus Dej gracia / Comes 
Palatinus Renj / Dux bawarie | vniuerfis ad quos prefens foriptum 
peruenerit | tam prefentibus quam futuris. Cum fidelis ac Dilectus 
nofter Minifterialis. Hiltebrandus dietus de Gumpenberge / Auus 
maternus liberorum bone memorie Heinricj quondam de kulletal 
dapiferi / de Confenfu et bona voluntate filie fue Gute reliote dictj 
quondam Dapiferj / ac matris dietorum Puerorum / In Nidernturhein 
Dominium ville / quod wilgariter dicitur Dorfreht / et Ius Paftorie 
quod wlgus Hertfchaft vocat /et cum hiis alia quedam bona que 
in inftrumento Principalis negocij plenius funt expreffa | virig-reli- 
giofis.. Abbatj et Conuentuj Monafterij Cefarienfis / Cyftercienfis 
Ordinis | Auguftenfis Dyocefis | nomine Predietorum Puerorum ven- 
didit / pro Nonaginta quatuor lib Deneriorum Auguftenfium / Et 
idem nofter Minifterialis diligenter nos rogauerit / vt in huius emp- 
tionis contractum / confentire fauorabiliter dignaremur | Nos igitur 
tum ipfius Hiltebrandj amore | quem merito fue probitatis fauoris 
gratia profequimur fpecialj / tum etiam pietatis intuitu quo religiofos 
omnes quidem / fed fpecialius fratres Cefarienfes compleotimur ex 
affeotu / Prediotum contractum rite et racionabiliter faotum / per 
ratihabitationem approbantes / ipfum perpetuo valiturum / tenore 
prefentium fauorabiliter confirmamus. Ita ut lus | Dominium / 
Pofleffio | Proprietas | dietorum bonorum / et in inftrumento princi- 


un z 


u + Me = 


80 Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 


palj clarius exprefforum / cum omnibus fuis juribus et pertinenciis 
habitis uel habendis’/ quefitis et inquirentis / nullo obftante iure /lege/ 
uel confuetudine/in prefatos.. Abbatem fcilicet et Conuentum / ac 
fuum Monafterium /libere / abfolute / et integraliter | tam ex debito 
emptionis tytulo / quam ex noftro fubfecute confirmationis beneficio / 
tranfferatuR. Ceterum quia fupradictj Puerj minores etate funt/ 
ac per hoc ab emptoribus ipforum impeticio fine bonorum emptorum 
repeticio formidatur / Ideo fepedictj.. Abbas et Conuentus nomine 
fatifdationis fine warandie / que wlgariter erftätunge / uel gewer- 
fchaft dicitur / Duas Ourias fibj proprietatis tytulo attinentes / Brunne 
videlicet et Siffenhouen / a fepe nominato Minifterialj noftro rece- 
perunt /iure proprietario perpetuo poffidendas/ si ipfe uel fuj here- 
des / fi ipfum decedere contigerit/non procvrauerint vniuerfa et 
fingula / que in inftrumento fuo figillo roborato / et fuper hoc negocio 
confecto / follempniter repromifit. Quas fane Ourias iam predictas 
fi eorum pofleffio in bonis emptis ante certunı prefcriptionis tempus 
fuerit perturbata.. Abbatis fcilicet et Conuentus /vel fi ea que ipfis 
in inftrumento promiffa funt non fuerint effectuj mancipata / tunc 
ipfi noftra ex nunc eif data licencia et auctoritate / nulla contra- 
dictione quorumuif hominum obfiftente / dietas Curias loco et vice 
bonorum emptorum vendicent / iufto eas ufu / et proprietatis tytulo 
perpetuo poffeffurj. Gaudentes in eifdem Curiis omnj iure et Priui- 
legio / quod in bonis prius emptis debuerant habuiffe. In Cuiuf rej 
teflimonium / prefentem paginam | noftri duximus figillj Karaotere 
muniendam. Datum anno Düj Milleimo / CC -LXXX Primo / Pridie 
kaln Maij. 
S(v.) Kaisheim, Reichsstift F. 30, 

Pertinet ad loculum regum. jetzt Fürstenselekt Nr. 333. 


36 1283 Juli 4. 


IN nomine düj Amen. Nos Hartmannuf dei gratia Ecclefie 
Auguftenfis Epc / notum facimus diferetioni fingulorum / quod cum 
fuper lite feu controuerfia / que inter düm .. Abbatem ac Conuen- 
tum de Cefaria ex vna/ et Ilainricum dietum Sengen / Sacerdotem [et 
Sifridum fratrem eiufdem aliquamdiu uerteretur ex parte altera / 
fuper quadam Curia dieta Stricherinhove / fita in Nidernturhein / 
duabus Areis ibidem / quas colit Eberhardus de Turhain / et Altera 
area [| quam colit Waltherus ibidem / vna area /quam colit OVnradus 
textor / et vna area quam colit Hainricus diotus Hineganch / et vna 
Area quam colit OVnradus dictus Salatin‘ et vna area quam colit 
Vlricus dietus Ponlage /et Agris fitis in loco qui dieitur Gierfperch | 
et Silua que dicitur wefterholts / et quatuor operibus dierum feni 
que dicuntur tagwerch | in prato quondam dnj VIR de Turhain; 
et - vll)- operibus dierum in prato quod dieitur wilawe / et duobus 


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Zeugnisse. 61 


operibus feni in prato quod dicitur Zvndergengen | et vno opere 
feni quod dioitur vafelerftagewerch fitum zemhalfohtenpivge | cum 
omnibus attinentiis et appendiciis eorum | cultis et inoultis / quefitis 
et inquirendis / ad prefcripta bona pertinentibus / tandem in viroB 
diferetos / Sifridum de Algifhufen | Berhtoldum de wittolfhoven | 
Archid’ / wolfhardum de Röth et wernhardum de Sevelt / Canonioos 
Ecclefie noftre | et Sibotonem Curialem Ceruum Ciuem noftrum / 
ficut in arbitros arbitratores fou amicabiles compofitores | apartibus 
fub pena caufe et luramento hincinde preftito | concorditer extitit 
conpromiffum | Qui Arbitratores fuerunt et funt taliter arbitratj / 
quod predictj | Abbas / et Conuentus predictis fratribus diotis Sengen | 
foluerent et darent fub certis terminis | - xv. libras | denariorum Au- 
guftenfium antiquorum [et ipfi fratres dietj Sengen omnj Iuri fi quod 
fupradictis neonon et heredibus eorum in prenominatis pofleffionibus 
competebat j uel competere videbatur / renuntiarunt. In ouius rej 
euidens tefiimonium | et plenam firmitatem | prefentes | noftro / Ar- 
bitratorum fupradiotorum | ac Viriei kamerarij noftri de wellenbvroh / 
Sigillis / funt fideliter communite / Teftes funt / Magifter wernherus / 
Magifter Berhtoldus / Canonicj f6j Mauricij Aüg / G#nz Reiboto | et 
Magifter C’nradus de Schönegge | Ciues Auguftenfes / HainR Rec- 
tor in haihenhoven / et Ali; quam plures‘ Actum et Datum / Anno 
dnj / Mill /CO /Ixxxıj). ıf) / Non Iulij. 
8. S(v.) S. S(v.) S(v.) S. Kaisheim, Reichsstifl F. 32. 


pertinet ad looulum regum. 


37 1285 Auguft 13. 

In nomine düi Amen. Ne ea que fub tempore geruntur / una 
cum tempore a memoria hominum elabantur [expedit oa soriptur- 
arum tefiimonio roborari /. Quare nos Hiltebrandus. Hein. Vi. dieti 
de Arfhein et germanus nofter. CVn. diotus de Ifenbrechtefhouen / 
prefenti ferie deuenire uolumus ad noticiam uniuerforum '/ quedam 
bona noftra / Videlicet dimidium Manfum. ideft. Ain halhe hvobe. 
fitam in Baldechfhouen / que titulo et iure proprietatis libere pofle- 
dimus longo tempore pro folutione quorundam debitorum /ideft ooto 
librarum Auguftenfis monete [in quibuf ipfis tenebamur. dedimus 
sororibus in falmanfhouen libere poffidenda, Hac adieota videlicet 
conditione / quod Nos ius proprietatis quod nobis in prefatis pofTeffio- 
nibus conpetebat refignauimus fuper altare Beate virginis Maioris 
ecclefie in Augufta. et prefate sorores Memorata bona exinde rece- 
_ perunt iure cenfuali‘/ quod fingulis Annis de fepediotis bonis per- 
foluerent ad prefatum altare fertonem cere | facta funt autem pre- 
diote prefentibus. düo. VL. de Turhein. et dp v1. de Richen | et 
aliis quam pluribus fide Jdignis. Anno däüj. M-CO- Lxxxt. ydibus 


623 Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 


Augufti. et ut prediota rata / et inconuulfa permaneant / prefentes 
confcribi fecimus et sigillis venerabilis dj Hartmanni / dei gratia 
Ecclefie Auguftenfis Epi ‘/ et Capituli maioris matricis Eoclefie au- 
guftenfis munimine roborari — 

S(v.) S. Augsburg, St. Ursula. Fasc. 1. 


38 1286 Dezember 13. 
In nomine düj Amen. Ego Berlhtoldus dietus Dapifer de 
Kullental Minifterialis düj L. Iluftris Ducif Bawarie vniuerfis xP 
fidelibus notum fierj oupio per prefentes / quod ego tam pro me / 
quam etiam nomine fratris mej Sifridj | per matrem meam / ot auum 
meum maternum / dictum Hiltebrandum de Gvmpenberge tamquam 
per tutorem meum quondam legitimum Vniuerfa bona fubfcripta. 
feilioet düivm ville In Nidernturhein / et Ius paftorte ibidem | Cvm 
Cvria vna ibidem et nu arijs | pratum quoque dietum wilgariter 
zedenhalfehtenpiugen. cum prato quodam alio quod wigo dicitur 
zeden vndergengen. cum prato dicto Wilau. et alio quodam prato / 
Item vuniuerfa bona que fuerunt duorıum Germanorum Engelhardi 
et vlric] de Turhein. Item predium dietum Girfperc / cum filug que 
vocatur wefternholz / viris religiofis düäo.. Abbatj et Conuentuj de 
Cefarea Ciftercienfis ordinis / Auguftenfis dyocefis pro Nouaginta uı°r 
lib den AvZ rite et rationabiliter vendidj. Anno dij M CC - ixzzı. 
cum vniuerfis Iuribus fuif et pertinenoiif proprietatif tytulo perpe- 
tualiter pofidenda. fiout in inftırvmento principali fuper hoc oonfeoto 
plenius eft expreffum. Quia vero predictus frater meus Sifriduf tem- 
pore contracotus hvius infra annos otatif fue legitimos adhuc erat 
nec oonfenfus fuus in prefatum vendicionif contraotum vllam effl- 
caciam poterat tuno habere / ipfo ad etatem adultam diuina gracia 
nuno perduoto /iidem fratres de Cefarea / volentes futuris periculis 
obuiare /confenfum ipfius Sifridi in contractum vendicionis preha- 
bitum poftularunt / Ipfe igitur Sifridus in mea et plurimum proborum 
virorum prefenoia Vniuerfa bona prefcripta | et fingula | feoundum 
tenorem et formam omnimodam principalis inftrvmentj fuper hoc 
confecto Jeifdem fratribus de Cefarea | manualj | feu corporalj done- 
tions dedit ao tradidit fimpliciter et precife | cum vniuerfis luribus 
fuif ac pertinenciif quibufcunque / proprietatis titulo perpetualiter 
poffidenda / Quendam quoque ferwm . . diotum Motzen . quem ipfis 
fratribus fimiliter vondideram iure proprietario perpetuo poffidendum 
cum donacione prehabita tradidit atque dedit Renuncianf follemp- 
niter et fimpliciter atque plene /omni lurj quod fibi vel fuis heredi- 
bus /in preforiptis bonis omnibus et eorum pertinenciis conpetebat 
vel competere poterat quoquomodo Et quia Sigillum proprium non 
habebat / fub meo Sigillo / oonfenfum fuum plenarium in vendicionem 
prefcriptam a me dudum faotam / et abrenunciationem eorund.m 
bonorum fecundum formam prehabitam / tenore prefentis proteftatur | 


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Zeugnisse. 63 


et ego cum ipfo puriter id proteftor. In quorum omnium robur et 
euidens teftimonium / prefentem literam Sigillorum däj vlrici prepo- 
fiti darum de holtz / et mei / munimine Sifridus frater meuf fepe- 
distus voluit roborarj. Teftes huius rei funt düs vlricus prepofituf 
predictus / frater fridericus medius cellerarius de Cefarea frater 
Bernolduf et arnoldus de Strazze monachi ibidem Item düs heinR 
Marfoalcuf de Durnfperch Däüs Marquardus de holzhein milef Her- 
mannus de tehingen vir hegel. CvnR dictuf MYlich /CvnR diotus 
Gufe Vlz diotus Mutinger et alij plures Datum anno düi MCUlxxxvı 
Idvs decembrif. 
S(v.) S(v.). Kaisheim Reichsstift, F. 35. 
und Kl. Lit. No. 167, Bd.V, Bi. 24vf. 

Pertinet ad looulum Regum. 


39 1287 Mail 14. 

Sifridus. dej gracia Auguftenfis Ecclefie Eps / Vniuerfis pre- 
fentium infpectoribus / Salutem in ihü xpo. Ne res prefertim digne 
memoria / obliuionis deuio perimantur /expedit eas foripturarum et 
teftium fubfidiis adiuuarj. Nouerit igitur vniuerforum folercia | quod 
dileotus et fidelis nofter. Mangoldus. de Richerfhouen | noftro fauore 
plenius accedente / Curiam fitam [in Wzltersfhouen / que Grimenhöf 
dicitur | quam Marquardus. de Turehain nunc colit | proprietatis 
fibi tytulo pertinentem / cum omnibus fuis Attinentiis quefitis et 
inquirendis / Dilectis in xpo /sororibus dictis de Stella / Ciuitatis 
noftre Auguftenfis / eo iure /ficut fibi competüt / vendidit et donauit 
Renuncians pro fe | et vxore fua Gerdrudj. ac omnibus heredibus 
fuis /omnj Iuri / quod in eadem Curia fibi oompetebat / uel competere 
videbatur. Item eiufdem Ourie Docimam / quam prefatus Miles / Man- 
goldus. ab awnoulo noftro predilecto. Bertoldo. Dapifero. de Donrfperch / 
in fteudo tenebat/ipfe awnculus nofter / viris honoratis. wernhero. 
dioto Golenhouzer / wernhero /et hainrico filiis fuis nomine predic- 
tarum Sororum contulit / titulo feudj poffidendam / In quorum omnium 
euidens tefimonium et debitam firmitatem prefentes / ad peticionem 
foepedictj. Mangoldi. militis | ac etiam dictarum Sororum dedimus 
figilli noftrj | munimine roboratas | Aotum et datum / Anno däüj. M gi 
CC - Lxxx feptimo - ij - Idus Maijj. 

S. Augsburg, Reichsstift. S. Ulrich und Afra 
I. Select, Fasc. 3. (MB 23, 19.) 


40 Wigenberg 1289 Mai 18. 

In nomine düi Amen / Que geruntur in tempore ne fimul La- 
bantur cum curfu temporis necefle eft ea feripture teflimonio per- 
hennarj. Hino eft quod nos Gerdrudif Reliota düi Cunradj. de Buch 
quondam Militif felicif memorie qui viam vniuerfe oarnis eft in-, 


N 


64 Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 


greffus.. Notum facimus vniuerfis prefentibus et futurif hanc pagi- 
nam infpecturif /quod difcordia que vertebatur inter düm Cunradum 
dietum Ryfe Sacerdotem ex parte vna. et iam dictum Maritum 
noftrum fiue nof ex parte altera omnino diffecata eft / mediantibus 
virif ydoneif et difcretif qui interfuerunt in hunc modum. quod nof 
düa G. vidua et relicta prefata / predicto dno C. Ryfe. fpopondimuf 
et finaliter fine omnj contradictione promifimus dare hanc summam 
denariorum fubferiptam / videlicet in fefto beati Bartholomei proxime 
nunc inftanti triginta folidorum hallenfium. Item in fefto beati 
Mychahelis duaf libraf hallenfium Item in Quatuor diebus die Cyne- 
rum. et tribus fequentibus diebus. duaf libraf denariorum auguften- 
fium monete werdee‘ vel ipfum locare in prebenda Gerhalbifhowe- 
ad duof annof fi fieri poteft fine lefa confcientia / et fi iam dictam 
prebendam fubintrabit poffidendam Elapfif duobus annis erunt per- 
folute predicte due libre auguftenfium denariorum / Sin autem quod 
bono modo proceffus haberi non poterit / extunc in arbitrio noftro 
erit/quod dabimus fepedicto düo. C. Ryfe duaf libraf auguftenfium 
denariorum. et fub hao forma erimus integraliter ab inuicem feparati / 
et ipfum fecundum facultatem noftram vna cum omnibus amicif 
noftrif pro fatiffactione tenebimur promouere / huius autem ordina- 
tionif fideiufforef funt hij fubfcripti / qui predictif terminibus promi- 
ferunt dare denarios pretaxatof /aut pignora que pro ifdem denariis 
aqud Iudeof obligari poflint fub vfura / qualibet occafion@ procul 
mota / primo Rapoto de yrdenboch / Officialis in wertunge. Vlricus 
gener fuus. faber de Logungen. Item Cunradus de turhein | Acta 
funt hec prefentibus hiif Dno.. abbate de wlthenbach antiquo pre- 
pofito in holcz‘ fratri CO. plebano in luterbach. Szufuinoker vero 
paftore in Blinfphat. Camerario ibidem. fratri Bertoldo de fruftingen. 
hco Szone de turhein. G. et Syfrido fratribuf fuif houiftat et alij 
quam pluref fidedigni / vt autem hec ordinacio fiue confirmacio robur 
exiftat / et ne aliqua calumpnia poflit (l) poflit violari / cum proprio 
Sigillo careamus Sigillo Cenobij prepofiti in wigenberg petiuimus 
oommuniri | Actum et datum ibidem in wigenberg Anno djäi. 
M - CC - Lxxx ıx / xviı) kat Iunij. 


S. Augsburg, Hochsti)t F. 9. (MB. 33, 191.) 


41 1294 November 10. 


IN nomine düi AMem. Ich Vlrich von Zufemekke tun chunt 
allen den die difen brief lefent horent oder fehent Daz ich min gut 
ze Blinfbach / den Chirchenfatz / Vior Höfe fünf zinflehen div zv der 
Chirchen gehörent. Gerihte / Hirtfchafft / Dorfreht / Vogtay vnd alle 
die zehenden die zv der Chirchen gehörent. Daz ift der zehende ze 
Blienfbach /der zehende der zv Richen gehört zer Bürge vnd zem 


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F v zer £ T F A 4 Eon 


E 


Zeugnisse. 656 


weiler / der zehende ze Poflenrieth | der zehende ze Hzvforen | der 
zehende ze Molpodemperge der zehende ze Haberflat. der zehende 
ze Fülifpuch als fi die wege fchaident. Vnd alle die eigene liute 
die zv der chirchen gehörent / vnd fwaz zu den guten allen gehört | 
zu dorfe | ze Velde oder ze Walde / vnder erde oder ob der erde ge- 
fuchet vnd vngefuchet / Mit mit(l) miner huffrowen frowen Agnefen 
rate vod mit irem gutem willen und mit allre minre erben willen | 
Vnd auch mit miner tohter Annen willen /die ich bi minre erren 
wirtinne hete. Verkaufft ban herm Hartman dem langemantel burgere 
ze Aufpurch vnd finen erben ze rehtem eigen oder fwem fiz lant oder 
gebent der folz haben in dem felben reht. Da habent fi mir vmbe geben 
zwai hundert phvnt / vnd drizzeok phvnt niwer aufpurger phenninge. 
Vnd da zu litkauf miner Hauffrowen vnd minen Chinden vnd auch 
miner tohter Annen die ich bi minre erren hauffrowen han / DiY 
felben gut vnd liute vnd eigenfchaft vber ez allez |vnd daz geriht 
daz er von minen herren Bifcholf Wolfharten ze lehen hat/ han ich 
in mins herren hant hant(!) Bifchof wolfhartef von Aufpurch dei 
dinftman ich bin gegeben. Vnd hat fi der herm Hartman dem vor- 
genanten vnd finen erben gelihen ze einem rehtem zinflehen nach 
zinflehens reht [oder (wem fiz lant oder gebent. Vnd wan die liute 
der chirchen von Blienfbach mit minen eigenen liuten ze Emorfacker 
mit einander gehilaht habent / ift daz gedinget mit einem rehtem 
gedingde. (wa diY frowe hin gehört ze Emerfacher oder ze Blienfbach 
da füln die ekint hin gehorn ano widerrede / vod fol alfo da mit 
getailet fin.. vnd fol vnder twederre den andren an finen liuten niht 
irren iwa fi fitzent. Di} vorgenanten gut alliY vnd auch liute han 
ich herm Hartman vnd finen erben auf geben in der befohaidenhait 
als da vor gefchriben ftat/Vnd han ich / min hauffrawe di? vorge- 
nannte / mini$ chint bi dirre frowen vnd bi der erren der felben 
liute vnd gute vnf verzigen mit gelerten worten nach def landef 
reht. Vnd fülenz in auch ftssten in dem felben reht nach def landef 
reht. Vmb daz allez daz da vor gefchriben ftat han ich in ze bürgen 
gefetzzet hern Heinr von Hattenberge | Vlrichen den Chamrer von 
Wellenburch / Eglolfen den Plarrer | vnd Albrehten den Jungen 
fohragen zu mir alle vnuerfchaidenlichen. Mit der befchaidenhait / 
ob in iht des gebrochen wurde oder abginge def da vor gefohriben 
ftat | So habent gewalt her Hartman der langmantel oder fin erben | 
oder her Chvar / oder her Hein? fine brüder [oder her Marquart von 
Lauginge der vorgenanten bürgen zwene ze manen fwelhe fi wellen / 
Vnd füln in die laiften ze aufpurch in der ftat in einem lithufe ano 
gevzserde in rehter Gifelfchefte | Vnd fwan die viertzehen tage gelaift 
habent. ift danne diY anfprache niht zerlöfet noch verriht fwie diY 
gefohaflen fi. So fülen fi die andern zwene bürgen manen /vnd fülen 
danne alle vire laiftent vnd fülen nimmer auz chomen vntz di? 
anfprache verriht vnd derledigt werde darvmbe fi gemant habent 
Münehener Museum f. Philologie des MA. IV. 1. 5 


66 Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 


ane fohaden / Wzxr auch daz der bürgen einer fturbe in der frift 
def got nibt welle. So fol ich in oder min erben einen andern bürgen 
fetzen in einem Manode den fi genemen mugen. Tzsten wir def 
niht. So fülen fi auer der bürgen zwene manen vnd fülen die laiften 
in dem felben reht vntz in ein bürge gefetzet werde den fi genement | 
Wir die vorgenanten bürgen veriehen an difem brife daz wir willich- 
lichen bürgen worden fin vnd vnfer triwe geben haben in eides 
wife daz wir allez daz laiftende fin ane gevzerde daz da vor gefohri- 
ben fiat /Daz in daz ftst belibe vnd vntzerbrochen darvmbe han 
ich geben difen brief verfigelt vnd geveftent mit mins herren Bifohof 
Wolfhartes Infigel von Aufpurch mit def gunft vnd def willen der 
chauf gefchehen ift/ Mit minem Infigel / Vnd mit der vorgenanten 
bürgen Infiglen di$ allif dran hangent. Def fint geziuge her Rudolf 
von Hürenhayn Tegan ze aufpurch her Degenhart von Halenftaine 
Probft ze fand Mauritzen / Maifter Chrafft der Schulmaifter ze vnferre 
frowen der die felben liute vnd gut auf geben hat / wan fi erremals 
in finre hant ftunden / her Heinf der Schongower her Berhtolt 
Bitfchlin di do der ftet phleger waren. her Otte von Bufenhoven / 
her Chvnf von Perge | Vlrich von Boohfperch / Sibot vnd Iohans 
Sohongower / Sibot der Stoltzhirz / Otte der Hurlohor burgere ze 
Aufpurch /her Vir der Phaffe von Blienfbach | Chunr von Türhayn 
Vir von Richen vnd ander genuge. Do daz gefchach do waren von 
Chriftes geburt zwelf hundert iar in dem Vierdem vnd Niuntzigoftem 
iare an fand Martins Abende. 


S.S.8,8.5.5 (v.). Augsburg, Hochstift F. 423 
(MB. 33, 223). 
42 1294 Dezember 15. 


IN nomine domini AMen Quoniam Humana fragilis et memoria | 
et omnia funt hominum tenui pendentia filo | Ea propter nouerit 
diforetio fingulorum / quod Nos / Elizabeth humilis Abbatiffa / totufque 
Conuentus /ScI Stephani extra Muros Augufte /de conmuni Conuentus 
noftrj oonfilio dimidium Manfum in Gabelungen fitum oum Agris pratis 
et ourtilibus ad eundem dimidium Manfum pertinentibus | ac ounotis 
quefitis et inquirendis fingulis et vniuerfis | Quem diotus | Litgebe | 
in Gabelungen / ad tempus vite fue tantum poffidere debet - poftobitum 
ipfius diforeto viro / Ludewico / Saxoni | et Benediote vxori fue | neonon 
pueris fuis ab ipfa prooreatis et procreandis iure perfonali quod wige- 
liter lipgedinge dieitur contulimuf poflidendum quoad uixerint / Ita 
tamen quod prediote perfone nobis vel noftris fuccefloribus in Epi- 
phania düj vel ante vel poft ooto dief | quindecim folidos monete 
Auguftenfis annif fingulis perfoluere non obmittent / quod fi faotum 
non fuerit /prediotus Manfus / cum fuis attinenciis / ad nos et Ecole- 
fiam noftram libere reuertetur / et quia Hec in prefenoia tociuf Conuen, 
tus noftri traotate fuerunt / figillum noftri Conuentuf in euidenf huius 
faotj teftimonium fecimuf prefentibus robarj - Huiuf rej teftef funt | 


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Zeugnisse. 67 


di / Hainriouf Kropho Ecclefie noftre Prepofittui / Offemia de Holz- 


hain / Agnetis de Vfenhouen j Adelhaidis dieta Jeggin | Jrmgardit de 
Maunhain | willebirgis de Turhain | Adelhaidis de Horburch - Berhta 


de Vezingen [Sophia de Waibelingen /Güta de Holzhain / Elizabeth 
de Richen | Mahthildis de Snaite / Otilia de Hohenegge / conuentui 
noftrj Canonice | HainR pincerna / Hainrious Piftor | Hainricut Coout | - 


Aota {unt Hec Anno däj. M.CC/XCun) in quarta feria quatuor tem- 
porum poft Lucie - 

Siv) Augsburg. St. Stephan Amt Bazenhofen F.1. 

43 Wallerstein 1295 Februar 20. 
Ich heinrioh von Richen vergihe vü t#n chvnt allen den die 
nv fint oder hernach koment die difen brief lefent - fehent - oder 
horent lefen - daz ich mit bedachtem mfte - min höf ze hvfern vü 
ein gYt ze Richen daz Cunrat von dvrhain buwet . han geben ze 
Wihenbero vf vnierre vrowen fiante Marien alter / vü v£ den alter 
fante Iohannes Ewangeliften - in ir ere | ewecliche ze habenne vfi 
20 niezzenne vmmer vi vmmer ane alle anfprache - min vä miner 
erben - vü aber alfo vn mit iolhem gedingede daz ich die vorge- 
nanten gYt fol inne haben vü nizen die wil ich lebe. Ich 1ol aber 
die nftze von den felben gYten elliv iar dvreh göt geben fwo ich 
waiz daz ef allerboft beftat ift oder da mich min wille allermaift hin 
trait - doch fol iz ie dvroh göt geben - wer aber daz ich die nYtze 
neme vü anlait in minen nYtz - alz vil alz vmb ein Schilling haller 
fo follen die vor gefchribenne gYt vniere vröwen fante Marien vä 
iante Iohannsfen ledio fin va an vallen ez fi mir lieb oder lait: daz 
in diz ftete blibe vü vnzerbrochen fo han in difen brief geveftent 
mit mini edeln herren Infigel graven Lvdewigei von Oetingen - vü 
mit minz Oehaimez Infigel hern Friderichei von Maingen - dirre brief 
wart geben ze Walrftain - do von Oriftei gebvrte warn zwelfhvndert 
iar - in dem voften vü nivntzigeften iare an dem wizen ivnnentage - 

S S(v.) Augsburg, Hochstift F, 11. 

(MB. 33,227). 

44 Augsburg 1297 Februar 15. 
In nomine düi Amen - Wol - dei gratia Ecclefie Auguftenfis | 
Eps - Vniuerfis prefentium infpectoribus / Salutem in omnium falua- 
tore - Cum VlIr - dietus de Elrbach - Irmengardis vxor eius / que 
perfone nobis / et Eccolefie noftre dinofountur proprietatis titulo perti- 
nere / cupientes prouidere faluti animarum fuarum / bona feu predia 
fua fita in Rohifhouen - videlicet agros tria jugera continentef | vnum 
curtile - et pratum quod iufficit ad condendum vni viro - pro vnius 
diei opere et labore - et in Binzwangen - fimiliter agros - tria jugera 
continentef - et prata - VI - dierum opera fimiliter continentes - in 
eadem villa in loco dioto Hvrften - fita / Eoclefie in Wihenberch - poft 
deceffum ipfarum perfonarum donare difpofuerint / quod cum adim- 

5+ 


68 Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 


plere nequeant fine noftro affenfu et fauore / ipfa bona ad manus 
noftras libere refignarunt / petentef / vt pium affeotum eorum et propo- 
fitum inceptum dignaremur perducere in effectum / Nouerint vniuerfi 
prefentef literai inipecturi / quod nos dietarum perfonarum precibus 
inclinati / volentef eciam reformationi feu promotioni prediote Ecclefie. 
Wihenberch - intendere gratiofe | reoepta refignatione feu renuncia- 
cione de bonif fupradiotis a perfonis prelibatis | ipfa bona cum pro- 
prietate ipfarum prefate Ecclefie in Wihenberch - ex nunc donamus 
tradimuf et affignamus [| tenenda / fruenda / et perpetim poflidenda | 
referuantef et ooncedentef fuperiuf nominatis perionis in bonis eif- 
dem iuf perfonale /ita quod pro tempore vite ipfarum teneant et 
poflideant ipfa bona / et in fignum proprietatis et dominij vnum - 
fortonem cere - annis fingulis de eifdem bonis in die foi Martini - 
exfoluere teneantur. In ouius donationis euidentiam et perpetuam 
firmitatem prefentef exinde confeotas dedimus noftro / ot Conuentus 
prefate Ecolefie de Wihenberch - neonon vniuerfitatis Ciuium Wer- 
tungenfium - figillis fideliter communitas - Teftes funt - OvnR Sacerdos 
nofter Cappellanus. Ber. de Wal - Rector Ecclefie in pferfe - frater -H - 
diotus Stadelman, C. de Turhein aduocatus in Wertungen. G - diotus 
Hohentftat - vl - de Rietfonde -H - faber de Langenum - et aaliifidedigni. 


Datum Augufte - Anno däi - M.OC-Lxxzxvij .xv - Kl Mareij. 
Sv.) S. 8. Augsburg Hochstift. F. 11. 
MB. 33,247. 


45 1298 April 24. 

In nomine düj amen. Ich -: Cänrat von Turhein der vogt | der 
zü die Burger / vnd div gemeind alliv von wertungen tYn kunt | 
allen den / die difen prief horent - lefent - oder fehent / das wir mit 
gemeinem rut | haben einen wehfel | vnd einen relten kavf getan / 
mit dem probft | vnd mit dem olofter ze wihenberuh mit einer vihweid 
div heiffet der wisor [aller naheft bi dem olofter | vmb einen akker | 
der lit ze aller vfferoft an den zvnen /vnd vmb ein holz halbes das 
lit ze bYch /vod nYr das holz / vnd niht den boden / vnd avch niht 
wan zeinem nvzze das in daf ftast belib / vnd vnzerbrochen /dar vber 
haben wir in geben vnferen prief gemachet / vnd geveftet mit vnferem 
infigel das dar an hanget / des fint gezivg - de Tegan von Blienfpaoch | 
der Kamerzr von wertungen | herre Lvdwio der kirchherre von 
wertungen / Berhtolt von wäl der kircherre von pherfe Swigger von 
Turhein | vnd heinrich | vnd Sifrit | fin brüder | der Aildrutser | Cüu- 
rat Ilfunc / Ylrich Ilfunc/ Hartman der gervhtar | Marquart fin brYder / 
Marquart wagenman da z# manc erbar man | Dizze geichach / do 
von gotes gebvrte was / Tufent iar zweihundert iar /in dem Ahtodem 
vnd Nivnzgoftem iar [an Sanot Ieorien tag. 

S. Augsburg Hochstift F. 11 
(MB 23,263). 


Zeugnisse. 69 
| Itinerar und Regesten 
| Konrads, Schenken von Winterstetten 7 1245. 
1199 VII.10. vor Strassburg. 
1 : Zeuge für König Philipp BF. 29 
i 1200 IV.29. Spiegelberg. 
j Zeuge für König Philipp AT 
1214 III.12. bei Hagenau i. E. 
| Zeuge für König Friedrich „ 725 
i IX. 23. Speier. 
1 Zeuge für König Friedrich „ 751 
7 1215 VI.20. bei Ulm. 
1 Zeuge für König Friedrich BF. 804; 805 
1 bei Ulm, 
1 Zeuge für König Friedrich BF. 806 
; 1216 VII 13. Konstanz. 
1 Zeuge für König Friedrich „868 
| VII. 15. Ueberlingen. 
Zeuge für König Friedrich „ 870 
1217 II.13. Ulm, 
\ Zeuge für König Friedrich „89 
II. 17. Ulm. 
| Zeuge für König Friedrich „897 
1218 IV.1ö. bei Frankfurt. 
Zeuge für König Friedrich „  935(?) 
t 1218 IX.13. Ulm. 
Zeuge für König Friedrich „949 
1219 III.21. bei Hagenau i. E, 
Zeuge für König Friedrich „999 
zw.1V.13 u. V.6 bei Weingarten. 
| Zeuge für König Friedrich „ 101la 
[X.11. bei Hagenau. 
Zeuge für König Friedrich „ 1052 
IX.14. bei Hagenau. 
Zeuge für König Friedrich „ 1054 
IX. 18. bei Hagenau. 
Zeuge von König Friedrich „ 1056 
1220 1. 4. bei Weingarten. 
Zeuge für König Friedrich „ 1081 
bei Weingarten. 
Zeuge für König Friedrich „ 1082 
VI. 2. Worms. 
Zeuge für König Friedrich „ 1136* 


*, In dieser Urkunde zuerst als Schenk erwähnt. 


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70 
1221 III 8. 
1222 Il.12. 
IV. 24, 

XU. 10. 

1223 Il.15. 
IX. 21. 

IX, 22, 

IX, 24. 

IX. 80. 

1224 IV. 3. 
X. 9. 


1225 1.20. 


VII. 27. 


:1225 


1226 II. 31. 


v1.11. 


VI. 15. 


VIIL 17. 


VI. 18. 


IX, T. 


bei Augsburg. 
Zeuge für König Heinrich 
Konstanz. 


Zeuge für Probst Heinr. v. 


bei Donauwörth. 

Zeuge für König Heinrich 
Ueberlingen. 

Zeuge für König Heinrich 
Ulm. 

Zeuge für König Heinrich 
Nordhausen. 

Zeuge für König Heinrich 
Nordhausen. 

Zeuge für König Heinrich 
Nordhausen. 

Zeuge für König Heinrich 
Altenburg. 

Zeuge für König Heinrich 
bei Wimpfen. 

Zeuge für König Heinrich 
bei Blekede. 

Zeuge für König Heinrich 
Ulm. 

Zeuge für König Heinrich 


. Augsburg. 


Zeuge für König Heinrich 


urkundet als Sohiedsrichter. 
. bei Nürnberg. 


Zeuge für König Heinrich 


Zeuge für König Heinrich 
(bei Worms). 

Zeuge für König Heinrich 
bei Biberach. 

Zeuge für König Heinrich 
Trient, 

Zeuge für König Heinrich 
bei Ulm. 

Zeuge für König Heinrich 
bei Ulm. 

Zeuge für König Heinrich 
bei Ulm. 

Zeuge für König Heinrich 


f 


/ 


Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 


BF. 3854 
Konstanz Cod. Salem. 1,168. 


BF. 


» 83919 

n„ 3941 

BF. 3980/61 
BF 3966(?) 

Cod. Salem. 1,176 
BF. 3972 

„ 3974 


„ 8982 


” 4011 


„ 4012 


1227 


IX. 26. 
X. 7. 


XI. 6. 


xl. 13. 


XI. 26. 
XI. 28. 
1.16 
ILL 16. 
II. 27. 
II. 3. 
IV. 6. 
IV. 6. 
v. 1. 
V. 6. 
V.26. 


„ VD. 17. 


X.10. 


xX.17. 
x. 1. 
X1. 12. 


XT. 18. 


Zeugnisse. 


in Esslingen. 

Zeuge für König Heinrich 
bei Hagenau. 

Zeuge für König Heinrich 
bei Weingarten. 

Zeuge für König Heinrich 
in Weingarten. 

Zeuge für König Heinrich 
Augsburg. 

Zeuge für König Heinrich 
bei Würzburg. 

Zeuge für König Heinrioh 
Würzburg. 

Zeuge für König Heinrich 
Ulm. 

Zeuge für König Heinrich 
bei Würzburg. 

Zeuge für König Heinrich 
Aachen. 

Zeuge für König Heinrich 
Aachen. 

Zeuge für König Heinrich 
bei Oppenheim. 

Zeuge für König Heinrich 
bei Oppenheim. 

Zeuge für König Heinrich 
bei Hagenau i. E. 

Zeuge für König Heinrich 
bei Ulm. 

Zeuge für König Heinrich 
(Konstanz?) 


Zeuge für Bischof CO. v. Konstanz 


bei Donauwörth. 

Zeuge für König Heinrich 
bei Augsburg. 

Zeuge für König Heinrioh 


Zeuge für König Heinrich 
bei Zürich. 
Zeuge für König Heinrich 


Zeuge für König Heinrich 
bei Hagenau. 
Zeuge für König Heinrich 


4018 


BF. 4020/21 


BF. 4022 


4027 
4029 


ze 


T2 


Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 


1227 XII.2%0. bei Nürnberg. 


Zeuge für König Heinrich 


1228 11.20. bei Ulm. 


1229 


1229 


va ı. 


VII. 18. 


VII. 19. 


vol. 31. 
IX. 6. 
1.17. 


1. 28. 


um V.18. 


1230 


1281 


X. 28. 

I. 22, 
Vv1.3%. 
von. 31. 
IX. 22, 
IX. 28, 
I. 6. 


IV. 29. 


Zeuge für König Heinrich 
bei Nürnberg. 

Zeuge für König Heinrich 
bei Nürnberg. 

Zeuge für König Heinrich 
(bei Donauwörth?) 

Zeuge für König Heinrioh 
bei Ulm. 

Zeuge für König Heinrich 
bei Ulm. 

Zeuge für König Heinrich 
bei Esslingen. 

Zeuge für König Heinrich 
(bei Esslingen). 

Zeuge für König Heinrich 
bei Nördlingen. 

Zeuge für König Heinrich 
bei Worms. 

Zeuge für König Heinrich 
Speier. 

Zeuge für König Heinrich 
Boppard. 

Zeuge für König Heinrich 
Konstanz. 

Zeuge für König Heinrich 
bei Ueberlingen. 

Zeuge für König Heinrich 
Speier. 

Zeuge für König Heinrich 
bei Nürnberg. 

Zeuge für König Heinrich 
bei Würzburg. 

Zeuge für König Heinrich 
Nürnberg. 

Zeuge für König Heinrich 
Nürnberg. 

Zeuge für König Heinrich 
Esslingen, 

Zeuge für König Heinrich 
bei Worms. 

Zeuge für König Heinrich 


„ 4106 
„ 41090) 
„ 4110 
„ al 
BF. 4114; 4116 
BF 4118 
BF. 4119/20 
BF. 4125 
„ 27 
,„ 428 
„ 4188 
„ 4140 
„ 4144 
„ 4159 
„ 4164 
„ 4166 
„ 4167 
„ 4188 
„ 4189 


1281 IV. 30. 


vıll 9. 

XI. 22, 

1232 II. 19. 
IV. 


IV. 


Zeugnisse. 


bei Worms 

Zeuge für König Heinrich 
bei Nürnberg. 

Zeuge für König Heinrich 
bei Ulm. 

Zeuge für König Heinrich 
Augsburg. 


BF. 


Zeuge für Bischof Sigfrid von Regensburg „ 


bei Aquileja. 

Zeuge für König Friedrich 
bei Cividale. 

Zeuge für König Friedrich 
bei Cividale. 

Zeuge für König Friedrich 
bei Udine. 

Zeuge für König Friedrich 
(bei Hagenau i. E.) 

Zeuge für König Heinrich 
bei Frankfurt. 

Zeuge für König Heinrich 
bei Wimpfen. 

Zeuge für König Heinrich 


. bei Speier. 


Zeuge für König Heinrich 


. bei Wimpfen. 


Zeuge für König Heinrich 
bei Nürnberg. 
Zeuge für König Heinrich 
bei Esslingen. 
Zeuge für König Heinrich 
bei Esslingen. 
Zeuge für König Heinrich 


. bei Esslingen. 


Zeuge für König Heinrich 
bei Hagenau i. E. 
Zeuge für König Heinrich 


. bei Esslingen. 


Zeuge für König Heinrich 


Zeuge für König Heinrich 


bei Nürnberg. 

Zeuge für König Heinrich 
Frankfurt. 

Zeuge für König Heinrich 


BF 1968; 


BF. 


” 


” 


13 


4191 


1973 
4239 
4245 


4251 


BF. 14769 


4254 


4265 


4266 


4257 


4801 


74 Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 


1234 I. 6. Frankfurt. 
Zeuge für König Heinrich 
II. 15. Frankfurt. 
Zeuge für König Heinrich 
I. 17. Frankfurt. 
beurkundet König Heinrich für ihn ein 
Rechtsgeschäft 
V.10. bei Wimpfen. 
Zeuge für König Heinrich 
V. 26. 
Zeuge für König Heinrich 
V.26. bei Wimpfen., 
Zeuge für König Heinrich 
VI. 5. bei Altenburg. 
Zeuge für König Heinrich 
1234 VII.10. bei Altenburg. 
Zeuge für König Heinrich 
VL. 14. bei Eger. 
Zeuge für König Heinrich 
VIII. 18. Nürnberg. 
Zeuge für König Heinrich 
VII. 21. Nürnberg. 
Zeuge für Köuig Heinrich 4343 
1235 VIl. bei Hagenau i. E. 
Zeuge für König Friedrich 2108 
1236 I.2U. bei Hagenau i. E. 
Zeuge für König Friedrioh „ 2138 
1.20. bei Hagenau i. E. 
Zeuge für Albert von Rossewac Wartmann UB. 3,92 
Il. bei Hagenau ı. E. 
Zeuge für König Friedrich BF. 2140 
III. bei Strassburg. 
Zeuge für König Friedrich 2143 
III. bei Colmar. 
Zeuge für König Friedrich 2145 
VI. Donauwörth, 
Zeuge für König Friedrich 2173 
VI. bei Augsburg. 
Zeuge für König Friedrich 2177 
VI. (bei Donauwörth). 
Zeuge für König Friedrich 
bei Augsburg. 
Zeuge für König Friedrich 
bei Ulm. 
Zeuge für König Friedrioh 


Digitized by G00g9 IC 
4 Ei 


1237 V1. 


vInl. 


vI. 16. 


IX. 


XT. 1. 


1238 IV. 


1241 


1222 V. 1. 


1243 11.21. 
1243 II. 1. 


Zeugnisse. TB 
bei Speier. 
Zeuge für König Friedrich BF. 2254 
bei Augsburg. | 
Zeuge für König Friedrich n 2268 
bei Prittriching 
Zeuge für König Friedrich >. 2272 
(bei Augsburg). 
Zeuge für König Friedrich „ 2275 
Schussenried. 
stiftet sein Saelgeräte WU. 3,404 
hat Weisung erhalten, mit Truppen nach 
Italien zu kommen BF. 2337 
Leutkirch. 


Zeuge für Abt Friedrich von Kempten WU. 3,441 
Leutkirch. 


Kauf zu Gunsten Kl. Weissenaus „ 6,461 
Hall. Zeuge für König Konrad BF. 4407 
. in einer Urkunde Bischof Heinrichs von Kon- 

stanz erwähnt. „ 11244) 


bei Nördlingen; stellt eine Urkunde für Egino 
von Brixen aus 
bei Memmingenurkundet König Konrad für ihn , „ 4426) 
Zeuge für König Konrad „ 4427 


bei Biberach, Zeuge für König Konrad n„ 4428 


. erwähnt in Urkunden der Grafen B. u. 0. von 


Heiligenberg BF. 4429; 11290a) 
erwähnt in einer Urkunde des Truchsessen 

Otto Berth. von Waldburg BF. 11288) 
bei Ueberlingen. 


Zeuge für König Konrad „ 4430 
bei Nürnberg. Zeuge für König Konrad „ 4433 
Kloster Weissenau gibt dem Schenken ge- 

wisse Versprechungen wegen Baindt. BF. 11307 
genannt in einer Urkunde Bischof Heinrichs 


von Konstanz OR. 1518 
Winterstetten, Burgkapelle 
als mediator erwähnt. CR. 1529 
. Baindt. 


Schenkung für Baindt. WU. 5,440. CR. 1531/32 
erhält von König Friedrich Erlaubnis für Ä 

Baindt. BF. 3194) 
bei Baindt; | 

erwähnt im Sohutzbrief KönigKonrads für 


Baindt. n 4444) 
bei Rothenburg 

im Rate König Konrads. 4457 
oder 23. Todestag. MG. Neorol. I 155; 208; 245 


von Erzbischof E, von Salzburg als tot er- 
wähnt, BF, 11406. 


Kal il 0a: ur a 
S u 3 T5 


76 Wilhelm, Studien zu Ulrich von Türheim. 


Nachtrag. 


Seite 6 oben ist bei 3) B 21: X. 26. statt XI. 1. zu losen. — In- 
zwischen ist noch die Dissertation von John L. Campion „Das Ver- 
 wanätschaftsverbältnis der Handschriften des Tristan- Ulrichs von 
Türheim, nebst einer Probe des kritischen Textes“ Baltimore 1918 
J. H. Furst Company erschienen. Was der Verfasser S. 5 und 35 
über das Leben Ulrichs von Türheim und Konrads von Winterstetten 
sagt, ist wertlos. Offenherzig für den Herausgeber eines kritischen 
Textes ist das Bekenntnis S. 14: „Von den in Betracht kommenden 
Handschriften ist mir keine zu Gesicht gekommen“, 


München, 1918/19, Friedrich Wilhelm. 


Zur Abfassungszeit der Legenda aurea. 


Mit der Frage 'nach der Abfassungszeit der Leg. aurea haben 
sioh in letzter Zeit K. Helm PBB. 43,341 f.; Ph. Strauch PBB. 43,549 
und Edw. Schröder PBB. 43,545 f. beschäftigt. Ihnen allen ist ent- 
gangen, dass die F'rage viel weiter schon gefördert ist durch P. Ephrem 
Baumgartner, OÖ. M. Cap. im Archivum Francisoanum historivum 
vV (1912) 210 f., dem gediegenen gelehrten Organ des Franziskaner- 
ordens. P. Ephrem hat aus dem Kloster Einsiedeln eine Hs. der 
Leg. aur. benutzt, die 1288 geschrieben ist und die bereits einen Teil | 
der bei Tb. Graesse S. 859 f. gedruckten Appendices enthält. Diese ' 
Appendices sind in der Einsiedler Hs. von 1288 nach Grässe Cap. 
CLXXXII eingeleitet durch ein besonderes Prohemium, aus dem 
hervorgeht, dass der Zusammensteller der in dieser Hs. überlieferten 
Appendices eine bestimmte Persönlichkeit war und die Absioht hatte, 
nach dem Heiligenkalender seiner Kirchenprovinz Ergänzungen zu 
liefern. Daraus geht hervor, dass der Terminus ante quem für die 
Abfassungszeit der Leg. aur. noch etwas früher anzusetzen ist als 
1288, zumal die Einsiedler Hs. auch in den Text des Jaoobus Ein- : 
sohübe vorgenommen hat, die ausdrücklich und gewissenhaft als | 
solche bezeichnet sind (vgl. AFH.a. a. 0. 221). Aber P. Ephrem hat 
auch einen Terminus a quo nachgewiesen. Er hat nämlich gezeigt, 
dass für die Legende vom hl, Franzisous die Legenda maior des 
hl. Bonaventura benutzt wurde. Diese Legenda maior ist 1263 auf 
dem Generalkapitel von Pisa approbiert worden. Also 1288-1288 
sind die äussersten Termine. Wenn Benz 9. XX f. seiner Ueber- 
setzung 1273 als Terminus ante quem annimmt, so haben ihn sicher 
die Worte Grässe S. 844 defuncto (sc. Friderico II.) gedes imperii 
usque hodie vacat dazu veranlasst. Aber die Annahme, dass mit 
der Krönung Rudolfs I. 1278 X. 23 die sedes imperii im Sinne Jacobs 
nicht mehr vacant war, ist sehr zweifelhaft (vgl. Holm a. a. O. 348), 


München. Friedrich Wilhelm. 


Ei 


h ab Es .; 


Ein Züricher Reformorthograph 
des 17. Jahrhunderts. 


Unter den zahlreichen plötzlich in den vierziger Jahren 
des 17. Jhrhdts. auftauchenden Reformorthographen!) ist mei- 
nes Wissens bisher der Züricher Pfarrer Johann Wilhelm 
Simler (geb. in Zürich 1605, gest. ebda. 1672)?) nicht ge- 
nannt worden.?) Die Sache ist deshalb von einem gewissen 
Interesse, als Simler, selbst von den Schlesiern, zu den be- 
rühmtesten Dichtern seiner Zeit gerechnet wurde und er als 
erster Schweizer sich ausdrücklich (im Vorwort zur Erst- 
ausgabe) zur Fruchtbringenden Gesellschaft und zur Opitz- 
ischen Reform bekennt. Seine vorher einzeln veröffent- 
lichten Dichtungen erschienen erstmals gesammelt als Johann 
Wilhelm Simlers. Teutsche Gedichte: darinnen I. Vierverse | 
oder sumbegriffenliche Inhalte der Psalmen Davids: Il. 
Underscheidliche | auf zeiten undanlasse gerichtele Gesange: 
III. Allerhand Vberschrifften. Getruckt zu Zürich | Bey 
Johann Jakob Bodmer. MDC XXXXVIII. (1648). Klein 8°, 
8 Bl. und 216 S.; teilweise mit Noten. 

Eine knappe Gesamtcharakteristik der Sprache dieses 
Büchleins ergibt ungefähr folgendes Bild: 


!) Eine interessante, noch kaum angeschnittene Aufgabe wäre 
es, die Ursachen dieser Erscheinung und die genauen Zusammen- 
hänge zwischen den einzelnen Bestrebungen — besonders auch die 
Rolle, die hiebei die von Ad. Olearius herausgegebene Lübecker 
Fleming-Ausgabe spielt, — klarzulegen. 

2) Genaueres über ihn J. Baechtold, Gesch. d. Dtschen. Lit. i. d. 
Schweiz (1892), S. 452—b55 und Anm. S. 142—43; Roethe, ADB. 34 
(1892), S. 352—53; Goed. III, S. 146, $ 186, Nr. 6, | 

®) Wenigstens finde ich ihn weder von Ph. Wackernagel (Ueber 
Deutsche Orthographie, Nass. Schulprogr., Wiesbaden 1848, S. 12 ff.) 
noch bei Jellinek (Gesch. d. Nhd. Gramm. I (1913), $ 88; vergl. auch 
dessen Ausgabe von P. Schedes Psalmenübers. [Neudr. Dtscher. Litte- 
raturw., 1896], S. CLIV ff.) aufgeführt, und auch Baechtold (a. a. O.), 


78 Moser, Ein Zürioher Reformorthograph d. 17. Jhrhdte. 


Ad als o stets in ohn[e) 10, 47, 98, 152, 187, wo 14, 76, 132, 208, 
worauß )(2a, worüber 10, 78, wornach 36, worinnen 121, ferner in 
omeiß [Ameise] 159 und selbst noch bei dö [temp. = als [Thomas 
sichf]] 182; dagegen getahn 9. 

ä ist als etymologisches Zeichen im normalen Umfang so gut 
wie durchgeführt: allmächtig 49, täglich 201; nächst! 10, 18; vätter 
[patres] 14; Aänd[e) 89, 132, 2il, männer 121, gäst [.das fäst] 121, 
gäste 211, stätl [urbes]) 128, 203, die kräntze 152, längst 166. Da- 
gegen ist der phonetische Gebrauch für die offenste Qualität der ma 
in etymologisch nicht gestützten Fällen für einen Schweizer Druck 
zunächst recht selten, erst später nimmt er etwas und plötzlich 
stärker ganz zum:Schluss zu: das gilt sowohl für &: der wäg 6, 18, 
ein räben [:geben] 108, die räb 109, der rägen [:zugegen] 109, das 
fäst [:die gäst) 121, die räben [:anheben] 152, die gärsten 168, räben- 
safft 186, die stägen [stiege] 187, der wäg 198, das gewärb 19, ein 
räb 199, als auch für &, @: geschlecht %&, 198, selig 9, 109, 182, stet 
[adj.) 24, 75, 203, angenem 30, schwer 96, dagegen /Ar [adj.] [:die ehr] 
22, [:;meer) 18, angenäm: beguäm 197, schwär %7, 216. Ferner ge- 
wäschen 49, fußwäschung 179, wäsch [imp.] 211, die änten [pl.; sg. 
noch ant oder ente?P) 154. 

e, i gerundet in geschöpfflte] 5, 30, 52, 203, schöpflfler 39, 78, 
158, Zöffel 211, frömd 47, 206, [auß)löschen 15, 198, wöllen 16, 55, 154 
und öfter, zwölff 47, höll 23 gegen Äpfel 162, welch stets, außer- 
wehli 24 [:bestellt), 193, ergetzen 176 [2X] und die hell 97, 186, 198 
und öfter; gewäüßt )(2a, gewüsse [adj.] )(3a, gwüßlich 6, wüssen 47 
[:geflissen], 109, das gewüssen 180, gewünnen1b[:zerrinnen], 109, gwünnt 
[imp.] 137, gewürkt 35, wüschen 121, schwümmen 154, entzwüschen 
181 und überhaupt Z nach w stets > 4 ausser immer wird [3. sg.]. 


u, ü natürlich durchaus als 0, ö in sohn 4, 47, 102, 186, [wrn-] 
sonst 4, 47, 195, fromm 16, 35, 109, 185, fromkeit 207, sonder [adj.] 121, 
besonders 195, die sonne[n] 152, 203, sommer 158, er komit 158, könig 
14, 89, 97, 152, 187, könftig 162, fördern 86, förterhiin 5b, förchten 
8, 186, können )(2b, 129, mögen [-ef] 116, 188, 206. Hingegen ver- 
truknet [B. sg. praet.] 74, günner \(2a, müglich 203 und gulden [adj.] 162. 


dessen abgedruokte Proben übrigens spraehlich nicht genau sind, 
macht keinerlei Bemerkung über seine Sprache; nur Roethe erwähnt 
(a, a. O.) nebenher seine „ausgeprägt schweizerische Mundart“, ohne 
sich deutlicher über die ganze F'rage auszusprechen. Nebenbei hat man, 
wenn ich nicht irre, auch Schottel als Reformpraktiker, als der er 
unter teilweiser Anwendung seiner Theorien in seinem Freuden 
Spiel genant Friedens Sieg. Wolfenbüttel 1648. (Koldeweys ausg. 
i. d. Neudr. Dtscher. Litteraturw., 1900, worin S. V nur eine allgemeine 
Andeutung gemacht wird), hervortritt, durchweg übergangen. 


2 
) 


-. 


Moser, Ein Züricher Reformothorgraph d. 17. Jhrhdts. 79 


Umlaut von # fehlt noch in Oberd. Weise meist: gulden [adj.] 
162, bedunket [3. sg. praos.) 153, bukt: nidertrukt [beide 3. sg. praes.] 
162, frukt [3. sg. praes.] 181 [s. noch bei d und %], zu ruk [adv.] 192, 
stuk [sg.) 193, rak [imp.] 208, er ruket [3. sg. praes.] 209 [alle ausser- 
halb des Reimes] gegen siüke [pl.) )(2a, sfüklein [pl.] 211 und stets 
glük [s. unten bei %]. | 

Die Diphthongierung von {, 4, 4, iu ist selbatverständlich 
vollkommen — und zwar immer auch in auf[f], auß — durchgeführt. 
Auffallend ist demgegenüber deren konsequentes Unterbleiben in 
ein paar ganz bestimmten Worten sowie einigen nur vereinzelt be- 
legten Fällen mit 4, iu: künsch [keusch] )(2a, 176, 207, verlüm- 
dungen 4, verlümder 56, verlümden 1883, zu bezügen[inf.] (3a, schnützen 
[sohneuzen] 209 [sämtlich ohne Reimzwang)]. 


i und ie werden völlig fest auseinandergehalten, da sich bei 
ersterem noch nie Dehnungsbezeichnung angewandt findet: diser, 
vil, frid 24, 36, 109, 120, 132, 201, sig 137, spil 137, vertribnen 24. 


Aber auch die Scheidung von z und % ist vollkommen konse- 
quent — sogar ausnahmslos zu — durchgeführt. Entsprechend auoh 
die von 4: @ z. B. für, sünden, fürst, erfüllt gegenüber güte, ge- 
mühte, erkulen. Das alte de erhalten in versähnen [inf.] [:dienen] 133. 
Umlaut in röffen 5, 132, 194 und immer, und räben [pl.] 162 (alle 
ohne Reim]. 


ei erscheint durchaus als eö [ey]; daneben ein völlig isoliertes - 
di in mäineid 183. Rundung in erhäuscht [3. sg.; kein Reim] 199. 


Dagegen ist ou, öu natürlich immer au [zw], 4 [dw] [s. nach- 
her und bei w). 


äu [dw] ist [analog dem 4] — sowohl für 4 als öz — im vollen 
etymologischen Umfang durchgeführt: das gebäw 8, bräutigam 97, 
120, 122, bräuch 23, sträusser [pl. zu „der [Blumen]strauss‘] 152, täube- 
lein 166; gläubig 28, 49, die bäum[e] 153, 188. Ebenso für altes ew 
in zersiräwet [:erfrewet] 18, es dräwet 75, dräwe [opt.) 128, käw 168. 


Etymologisch nicht gestütztes 2 und Diphthong iu werden hin- 
gegen gewöhnlich durch ez, daneben promisoue durch viel seltneres 
eü wiedergegeben: kreutz, leuht, deuten und eüch 9, theür 38, steil 0. 


Nebensilbenvokale: Apokope gilt in der wenigen Prosa — d.i. 
in der Widmung, der Vorbemerkung „Anden Leser“ und dann seltenen 
Prosaüberschriften u. dergl. — beim Subst. durchweg im Sıng.: schad 
[Nom., schaden] )(2a, die ekr [Nom.] )(2a, die weis |Nom.] Y4a, dise 
gab [Acc.] 3a, der gab [Gen.] )(3b, under geleit )\3a, in abred )(2b, 
in der weis 102, 116 u. öfter, wogegen nur in Schlussstellung befind- 
liohes ende 11, 19, 25, 42, während im plur. umgekehrt das -e durch- 
aus gesetzt wird: verse [Nom.] )(2a, dienste [Acc.) )(da, die gesänge 


| 


80 Moser, Ein Zürioher Reformorthograph d. 17. Jhrhdts. 


[Acc.) )(da, )(4a, sfüke [Nom.] )(2&, werke [Nom.] 183, Zeuthe [Nom.] )ı3a, 
gedichte [Aco.] )(2a, )(4da und sogar günnere, vetterg, schwägere, ge- 
fättere [alle Nom.] )(2a; beim Adj. und Pronominaladj. Erhaltung: der 
gewaltige Persische monarch Y3a]b, die höchstlobliche Fruchtbringeni& 
gesellschafft [Nom] )(2b, die gemeine weis [Nom.] \(da gegen d 


grösser theil (3a, hochgeachte | woledle | veste|.... günnere [Nom.j' 


)(2a, liebe .. veitere [Nom.] )(2a, dise beyde stüke [Nom.) )(2a, gelehrte 
leuthe [Nom.) )(3a, seine verse [Nom.] )(2a, meine dienste [Aco.] )(3a, 
meine gesänge [Aoco.] (da, meine gedichte [Aoc.] )(4a; ebenso regel- 
mässig beim allein belegten Praes. des Verb.: ich bekenne )(2b, ich 
schreibe )(3a, ich bitte \(3b, ich empfehle )(3b, ich lasse (4a gegen 
im hiat. stehendem kab ich )(2b, )(3a, werde [8. Opt.] (2a, er wölle 
8b, wolle [3. Opt.] (4a. Synkope der Mittelsilbe [im Versinnern] bei 
der himlen T, mit den achßlen %9, zu versiglen 54, der Endsilbe [in 
Prosa] bei denen büchern \(3e, den jüngern 182, durchwandern )(3a 
gegen meinen günneren.... vetteren |schwägeren und gefäleren )(1b. 
Suffixe stets -lein: liedlein 29, völklein 153, täubelein [:gemein] 166, 
wörtlein 192, stüklein 211, und -nuß: zeugnuß T, gleichnuß 47, be- 
gräbnuß 182; ferner dörnicht [ohne Reim] 152. 


i: J und u, ä@: v sind — besonders letztere — konsequent als 
Vokal- und Konsonantenzeichen geschieden: ick stets, ihr [neben 
ihrer] 16, ihn 34, ihren [neben jhren] 78, ihme 120, ihrem 153 usw. 
gegenüber jahr stets, verjaget 78 usw., auffallenderweise entgegen 
der Ma. auch durchweg jeder usw. [vergl. am Schluss über die Ausg. 
von 1663]; und stets, uns 49, 129, 154, unmaß 133, um 163, unser 179, 
über 39, 211, überwunden 182, überschreite 187, übel 211 ust. 

Anl. 5 erscheint durchaus als solches: draut, bräutigam, bruder 
usw., selbst deitzwerk 159; ganz vereinzelt der plitz 192. Inl. herpst 
120, 163, Aüpsch 202, stets haupt. 

Anl. d vor r geblieben in dräwen [(s. ob.) dagegen zu £ in her- 
fringen 158 neben dringen 166 und immer in Zrakte [praet.] 74, auf- 
gelrukt 132, nidertrukt 102, trukt 181. Umgekehrt Anl. # als d stets 
in dichter 23, dichten 73 und öfter. Inl. d erhalten in die ernde 152. 
Inl. 2>> d immer bei zzder. Inl. tt nach Oberd. Vokalkürze noch nicht 
selten: vätter [patres] 14, vatter 49, 208, gebolt [Subst. 34, anbeiten 35, 
retten 199, verbotten 208 usw. Dentalanfügung fehlt noch in das 
obs [ausser dem Reim] 159; dem Sg. [?] geschöpff 30 steht im Pl. die 
erweiterte Bildung geschöpflflte 5, 152, 203 gegenüber. 

Anl. f regelmässig in foll 24, 68, 108, 138, 209, freüdenfoll 46, 
follendet 103; dagegen vest [adj.] 19, 54 und öfter, er vesinel [be- 
festigen] 90. 

Bei In- und Ausl. ff macht sioh eine schwache, dabei ganz 
unregelmässige Tendenz zur Vereinfaohung — besonders in der Ver- 
bindung pff — bemerkbar: auf öfter neben auff straf [Subst.] 34, 


DE 5 


Moser, Ein Züricher Reformorthograph d. 17. Jhrhdts. 81 


schaf 188; schöpfer 18, 153 neben schöpffer 39, äpfel 162, schlüpfrig 
192. Daher kommt auch dem / für mhd. v kein Wert mehr zu: feufel: 
. zweifel 82 neben ich zweiffel 196, hof 128. 

In- und ausl. iz ist aber in allen Stellungen durchweg beibehal- 
ten: z.B. kreutz 91, 182, hertzlich 55, hertz 13, 176, saltz 97, kräntze 162. 

Demgegenüber wird ck — und zwar sogar nach kurzem Vokal — 
ganz konsequent durch einfaches % ersetzt: glük 35, 122, 200, sirik 
86, ich streket [Praet.] 73, frukte T4, verzukt: geschmukt: aufgetrukt 
132 [vergl. vorher bei d], die bök 183, erweket 193, volk 85, werk 42, 
kränkt 74, danken 187, trunk 183 usw. Unverschobenes k in stork 
[kein Reim] 162. 

h verhärtet > ch [ohne Reimzwang] in er sicht 182, geschächt 
[beschuht] 193, schäch [pl.] 193, einem reeche [das Reh] 204; dagegen 
vieh 158, beschehen [part.] 182. 

h als Dehnungszeichen ist im vollen Umfang des gleichzeitigen 
md. Gebrauchs durchgeführt: so immer jahr, fahren, erfahrt 1, 
ihr ihm (s. ob.], sohn [s. ob.], ohn[e] [s. ob.], fähren, früähling 152, 
auch roht [adj.] 133, schohnet 168. Ausserdem wird es aber auch 
ganz regelmässig als Umstellungsprodukt von üblichem /% und auch 
sonst noch nach Diphthong angewandt: gelahn 9, trohn 60, tähler 
182, fuhn 16, 188, 192, tühst 5, tüht133, 136 [und immer), das gemählf[e) 
78, 207, der müuht 159, die leuht 116, 137, 201, stähnd [Praet.] 89, 50. 
Dehnung vor r in fehrner 5, 41, lehrnen 47; oberd. Dehnung in der 
fahl [kein Reim] 203. 

w erscheint noch nicht als Verschlusslaut in entfärwet (3. sg. — 
entfärbt; kein Reim] 158. Intervokalisch ist es ausnahmslos aufge- 
geben: frawen 37, vertrawen 49, auf den betaweten awen : schawen 
153, grawen [adj.] 166, vertrawe 203, getrewer 8, frewen : vernewen 19, 
erfrewen 97, newen 122 usw. 

jJ als g in gilgen [Lilien; ohne Reim] 152. Intervokalisch in den 
wenigen Fällen ebenfalls geschwunden: besäet [3. Sg. Praes.] [:ent- 
stehel] 152, säet [dass., ohne Reim] 163. 
| Inl. mm nach oberd. Kurzvokal in namf[e] [der Name] 5, 129, 
nemmen [Inf.] 17, 209 und solche Fälle öfter, aber nicht zu häufig. 

n stets eingeschoben bei künsch [keusch] [s. ob.]. 

r immer gegenüber der Ma.in kirch 4, 50, 197. 

eim Anl, als g in gilgen. [Lilien] 152. Inl. Z/ nach hochalem. 
Vokalkürze bei erzellt [3. Sg. Praes.] [:siellt] 8, er erzelli [ohne Reim] 
22, erzellt [:welf] 103, gezellt [:die welt] 193. 

Substantiv: Oberd. Geschlecht haben schwerer laste [Nom. Sg.] 
[:raste [Imp.]) 96, den kriegslast 132, der tauff [Nom.) 54 [mehrm.), 
im tauff 195; dagegen von der stral 188. Mit er-Plur. erscheinen 
die träher [Tränen] 121, die sträusser [[Blumen-]Sträusse] 152 [beide 
ohne Reimzwang]. Der in hoochalem. Denkmälern dos 16.u. 17. Jhrhdts, 


Münchener Museum f. Philologie des MA. IV. 1. 6 


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82 Moser, Ein Zürioher Reformorthograph d. 17. Jhrhdts. 


häufige Gen. Plur. st. Mask. und Neutr. auf -[e]z findet sich auch hier: 
meiner gedichten )(da, auß kleiner kindern mund d. 

Adjektiv: deß naher [adv. — desto näher] )(2b; dagegen sollt 
bäldest außbrechen 121. 

Verhum: Praes. 3. Sg. Ind. oft ohne Umlaut: er fahrt 183, man 
erfahrt 201, fallt 163, es laufft 186 [alle ohne Reim]. Inf. mit Vokal- 
ausgleich fleühen [fliehen; kein Reim] 55; Uml. in räffen [s. ob.]. Part.: 
geschrawen [geschrieen] [: wir schawen] 153, ist geloffen [ohne Reim] 
186; verzigen [verziehen; ohne Reim] 74, gelidten: vermidten 50, ver- 
milten 8. Ueber den Rückuml. J.Stärok, Studien zur Gesch. des 
Rückumi., Uppsala 1912, S. 44ff., bes. S.56, 58 u. 70—73. Die Plural- 
endungen sind gemeind, Unregelm. Verb.: er weißt 138, wilt da 183; 
über können, mögen a. ob.; stets mit -e- [in und ausser dem Reim] 
gehn [Inf.] 129, geht [Pl.Imp.] 197, vergehet [3.Sg.] [:entstehet : besäef] 
153, gehen [3. Pl.) [:das auferstehen] 182 und zü verstehen [Prosa] )(4a, 
stehn [3.Pl.] 109, entstehet [8.Sg.][:vergehet: besäet] 152, das auferstehen 
[:gehen) 182, [:sie sehen] 182, er versteht 185; seind [3. Pl.) )(4a [Prosa], 
37, 123 u. immer, war [3. Sg. Praet.; ohne Reim] 129. 

Dieser Ueberblick bestätigt zunächst ganz die von mir 
schon früher aufgestellte Behauptung), dass der Anschluss 
an die Fruchtbringende Gesellschaft und die Schlesische 
Dichterschule noch keineswegs die Spracheinheit bedeutet. 
Nicht nur die gemeinoberd. (Fehlen des v-Umlauts, -nuß, 
-t-,-mm-, Substantivgeschl., Fehlen d. Uml. bei d. 3.Sg. Praes. 
d. st. Verb.) sondern vor allem auch die charakteristisch 
alem. (@ = £, wäschen, Labialisierung von i, Unterbleiben 
d. Diphthongierung in bestimmten Fällen, -Zer, -U- uaa.) 
Züge springen selbst bei flüchtiger Durchsicht des Druckes 
sofort in die Augen. Am auflfälligsten ist dabei die im 
direkten Gegensatz zu der Opitzischen Forderung stehende 
Prosabehandlung des Auslauts-e beim Subst., mit der übrigens 
auch die— nicht hieher gehörende, sondern einer metrischen 
Spezialuntersuchung vorzubehaltende — Handhabung der 
Syn- und Apokope (den Apostroph kennt 9. ebenfalls noch 
nicht) im Vers in offenbarem Widerspruch steht. Freilich 
im Hinblick auf all diese Erscheinungen von einer „aus- 
geprägt schweizerischen Mundari‘ mit Roethe (a. a. O.) zu 
reden, geht nicht an; denn deren wesentliche Grundzüge 
hatte ja die Züricher — und überhaupt Schweizer — Schrift- 


1) Einführ. i. d. frühnhd. Sohriftdial. (1909), S. 57. 


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Moser, Ein Züricher Reformorthograph d. 17. Jhrhdts. 83 


d. h. wenigstens die führende Druckersprache schon an sich 
um die Mitte des-17. Jhrhdts. lange zu Gunsten der Gemeind. 
bezw. Md. (Diphthongierung, ou, ou > au, au, u(ü) > (6), 
etym. @ und @u, Dehnungs-A, Beseitigung des intervok. w 
und /, kirch, Pluralend. d. Verb., geh/e]n, steh[e]n) aufge- 
geben. Dabei mag manches von den letztgenannten Punk- 
ten wenigstens in Seiner strikten Durchführung bereits auf 
die persönliche Initiative Simlers selbst — eine strenge Aus- 
scheidung wäre nur durch Vergleichung mit umfänglichem 
andern Material aus der gleichen Zeit einigermassen mög- 
lich, — zurückzuführen sein und würde somit bereits zu 
dessen Reformbestrebungen überleiten. 

Zu den eigentlichen reformorthographischen Tendenzen 
ist aber schliesslich noch Folgendes zu bemerken. Beim 
Vokalismus fällt zunächst auf, dass sich S. gerade der von 
manchen gleichzeitigen Reformdrucken (Lübecker Fleming- 
Ausg. von 1642 bezw. 46%)) angewandten — schon vorher 
im 17. Jhrhdt. auch auf Md. Boden in Schwang geratenen 
— ausgedehnten Vokalverdopplung nicht bedient, obwohl 
diese früher eben eine spezifische Eigenheit der Schweizer 
Druckersprache war?). Nicht aufgenommen hat er auch die 
Scheidung ei: ai, die noch ein zeitgenössischer Strassburger 
Reformer (Rompler 1647°)) versucht‘). Im Uebrigen stellt 
er sich hier im deutlichen Gegensatz zu seinen md. Vor- 


1) Wackernagel a.a. O0. S.14 f,, Kehrein, Gramm. d. Dtsohen. 
Sprache d. 15.—17. Jhrhdts. (1854), I, 88 9—17. 

7) Vgl. Socin, Schriftspr. u. Dial. i. Dtschen. (1888), S. 281. 

°) Bahder, Grundl, d. Nhd. Lautsystems (1890), S. 31, Kluge, V. 
Luther b. Lessing (*1904), S. 194 F'ussn, 

*) Dies sei ausdrücklich im Hinblick aut die auffällige Bemerkung 
Zarnckes im Commentar seiner Brant-Ausg. (1854), „im 17. Jhrhät.* 
— und zwar „in der ersten Hälfte des 17. Jhrhdts.“ (nach 276 a, 
2. Abs.) — „fänden sioh Zürioher Drucke, die“ — im Gegensatz zum 
16. Jhrhdt. — ‚den Unterschied von ai und ei... oonsequent duroh- 
führen“ (275 b), hervorgehoben. Ich kann mir das nur so erklären, dass 
es sich hiebei um Drucke mit absiohtlicher reformorthographischer 
Tendenz handelt; ein bestimmter, mir bisher nicht gelungener Naoh- 
weis wäre mir im Zusammenhang mit den Vorarbeiten zu einer 
frnhd. Grammatik: sehr erwünscht. 


84 Moser, Ein Züricher Reformorthograph d. 17. Jhrhdts. 


bildern bewusst auf oberd. Standpunkt. Denn die strenge 
Trennung von i: ie und u,ü : u, u, deren traditionelle Ueber- 
reste im erstern Fall von jenen nach der einen (Butschky 
1644 ff.1)) oder der andern (Zesen 1643*)) Richtung oder 
in neuer Weise (Zesen 1645°)) geregelt wurde, ist keines- 
wegs als ein F'ortleben derselben in der Züricher Drucker- 
sprache, wo — wie auch in andern hochalem. Drucker- 
sprachen — schon: Jahrzehnte früher Dehnungs-ie wohl 
bekannt und 4 (bezw. Trennung der Zeichen 4 und u) aus- 
gestorben war, sondern durchaus als voll beabsichtigtes 
Reformbestreben zu betrachten. Auch die Behandlung des 
auslautenden -e in der Prosa, vor allem die feste Unter- 
scheidung beim Subst. zwischen dem endungslosen Sing. 
und dem mit -e als Numeruszeichen versehenen Plur., 
wie man sie in der 1. Hälfte des 17. Jhrhdts. bes. in westmd,, 
aber auch in manchen elsäss. Drucken wenigstens angestrebt 
und selbst in Hochalem. und Bayr. in schwachen Spuren an- 
gedeutet findet, gehört nach der Auffassung der Zeit hieher. 
Im Konsonantismus bewegen sich dagegen die Verbesserungs- 
versuche fast ganz auf der von den md. Zeitgenossen vor- 
gezeichneten Linie: die Trennung von 2: und u(4). v findet 
sich bei allen (die Theoretiker seit Brücker 1620, Schneuber 
1644, Rompler 1647), Zesen 1645°), Schottel 1648°)); die 
Schreibung /oll! war gleichfalls schon vorgebildet (Zesen 
1645”)); die Vereinfachung von /f und ck kennen wieder- 
um seine sämtlichen Vorgänger (Zesen 1643 u. 1646°), 
Butschky?), Schneuber, Rompler [diese beiden letztern bei /f 


ı) Wackernagel a.a.0.S. 14. 
°) Wackernagel a.a' 0. S. 14. 
°) Jellinek, Ausg. von Phil. Zesens Adriatischer Rosemund (Neudr. 
Dtscher. Litteraturw., 1899), S.XV fl. 
*) Jellinek, Schede-Ausg. $. CLIV fi. 
5) Jellinek, Zesen-Ausg. S. XXIX. 
°) Koldewey’s Ausg. des Friedens Sieg passim. 
’) Jellinek, Zesen-Ausg. S. XXX; vergl. über Rompler dessen 
Schede-Ausg. S. CI.VI. 
6) Wackernagel a.a. 0.S. 14, Jellinek a. a. 0.5. XXIX ff. 
?) Wackernagel a. a. 0.S. 14. 


Moser, Ein Zürioher Reformorthograph d. 17. Jhrhäte. 85 


nicht?]!), Schottel?)), doch unterscheidet sich S. von ihnen 
dadurch, dass jene bei // z. T. konsequenter sind, meist 
(Schneuber nicht?) auch /z einbeziehen und für ck nach 
kurzem Vokal %%£ (so auch die Lübecker Fleming-Ausg.?) und 


_Schottel?)) statt einfachem %, worin S, allein Schneuber 


folgt, setzen; endlich war auch die Umstellung des A in 
der Verbindung ih sowie dessen sonstige über das Usuelle 
hinausgehende Verwendung als Dehnungszeichen mindestens 
bei den md.-nordd. Reformern (Zesen *), Schottel?)) in gleicher 
bezw. analoger Weise in Gebrauch. 

Simler hat offenbar auch inder Folgezeit an seinen Reform- 
versuchen festgehalten. Von den drei noch erschienenen, 
weiterhin nach Umfang ganz erheblich angewachsenen Auf- 
lagen — Zürich (Joh. Jak. Bodmer) 1653, ebda. 1663 und 
(J. W. Simler?) 1688°) — liegt mir nur Johann Wilhelm 
Simlers Teutscher Getichten die Dritte |... vermehrt- und 
verbesserte Außferligung: ..... Getruckt zu Zürich | In 
verlegung Joh.Wilhelm Simlers | Buchh. M.DC.LX11I.(klein 8°, 
12 Bl. [im hiesigen Exempl. verbunden], 575 SS. u. 3 Bl. 
Register), also die letzte zu seinen Lebzeiten Herausgekom- 
mene, vor. Die Sprache dieser Ausgabe zeigt nach einer 
flüchtigen Durchsicht fast alle wesentlichen Züge — und 


zwar sowohl die Alem. (so im gleichen Umfang a—eü 


für Z, regelm. helle neben den sonstigen 0, verlumbdung, 
künsch, oft -t-) wie die Reformorthographischen (kein 
Dehnungs-ie, Scheidung von Z,u(i) und 7, v, Vereinfachung 
von /f und ck, foll, Umstellung des A und sZuhnd) — der 
Erstausgabe. Sie unterscheidet sich aber von dieser bezüg- 
lich der letztern vor allem in einem Hauptpunkt, nämlich 
in der durchgehenden Ersetzung des z durch x — ersteres 
findet sich bloss ganz am Schluss wiederum sporadisch vor, 
ein beachtenswertes Zeichen, dass die Druckerei die Type 


ı) Jellinek, Schede-Ausg. S. CLVI f£. 

») Koldewey’s Ausg. des Friedens Sieg passim. 

°) Jellinek, Gesoh. d. Nhd. Gramm., I, 8 88 Anm. 2. 

‘%) Jellinek, Zesen-Ausg. S. XV ff., bes. 8. XX, 

‘) Baechtold a. a. O0. Anm. S. 142, dazu Goed. II, S. 186, 


86 Moser, Ein Züricher Reformorthograph d. 17. Ihrhdte. 


noch besass, — während Z und u meist noch geschieden 
bleiben. Umgekehrt erfolgt darin ein weiterer Ausbau 
durch die — gleichfalls in nachträglichem Anschluss an die 


andern Reformer (Schneuber?), Zesen?), Schottel°)) erfolgte. 


— konsequente Einführung von z für vokalisches w in den 
Diphthongen «u, eu (vertrauen, getreu), wo in der 1. Auf- 
lage noch stets aw, ew galt, ferner wird hier in Ergänzung 
früherer Punkte stets ieder, iedoch usw., wo 1648 entgegen 
der Oberd. Aussprache immer jeder usw. stand, gedruckt, 
/f konsequenter vereinfacht, während /z auch diesmal nicht 
zu beseitigen versucht ist, für c% tritt jetzt dagegen nach 
kurzem Vokal neben dem durchaus regelmässig gebliebenen 
einfachen 2 wenigstens im Inlaut öfters auch %k (stükke) 
auf, statt haupt, gedicht (asw.) nun immer haubt, gelicht, 


ı) Jellinek, Schede-Ausg. S. CLVII. 
») Jellinek, Zeson-Ausg. 8. XXIX. 
°») Koldewey’s Ausg. des Friedens Sieg passim. 


München, den 28. November 1918. 
Virgil Moser. 


Fasching. 


Der älteste Beleg für das Wort „Fasching“ findet sich meines 
Wissens in der Weberordnung der Stadt Passau von 1283. XL 11. 
Sie ist bei Sohmeller-Frommann I 770 nur nach späterer Abschrift 
zitiert. Von den im kgl. bayr, Reiohsarchiv erhaltenen beiden Ori- 
ginalen schreibt das eine vafohanc, das andere vaftfchang. Die 
letztere Sohreibung scheint mir etwas Lioht auf die Entstehung des 
Wortes zu werfen. Ich glaube, es ist zusammengesetzt aus vast 
und iohano und bedeutete ursprünglich „Das Ausschenken des 
Fastentrunkes (Fastenbiers, Fastenweins)“,. Vgl. Fastenkrapfe, Fast- 
nachthuhn und ähnliches. Dass später das Suffix -ing auf das Wort 
eingewirkt hat, ist wohl allgemeine und richtige Annahme. 


München. —- F. Wilhelm. 


Zur Sage von Hirlanda von Bretagne. 


Die folgenden Ausführungen sollen sich in erster Linie 
mit der Besprechung befassen, die meine Dissertation!) vor 
geraumer Zeit durch Herrn Walter Benary?) gefunden hat. 
Dass sich bei dieser „Besprechung der Besprechung“ auch 
Ergänzungen für die Dissertation ergeben müssen, liegt auf 
der Hand, | a 

Wenn Benary sich mit meinen Ergebnissen nicht be- 
freunden kann, so bleibt ihm das natürlich unbenommen. 
Die Sagenforschung ist ein Gebiet, auf dem recht verschie- 
den zu Werke gegangen wird. Der eine folgert die litera- 
rische Abhängigkeit aus der Gleichheit oder Aehnlichkeit 
der Namen, der andere lenkt das Augenmerk mehr auf die 
Gleichheit oder Aehnlichkeit der Tatsachen. Ich möchte 
mich daher mit Benary bloss über einige, freilich nicht 
unwichtige Einzelheiten auseinandersetzen. 

Benary hält es für „bedenklich“, dass ich als gemein- 
same Quelle für die englischen und die nordischen Fassungen 
der Gunhildsage „unbewiesen“ die anglo-dänische Volks- 
überlieferung bezeichne. Ich glaube in meinen „Unter- 
suchungen“ (S. 24 u. 26) nachgewiesen zu haben, dass eine 
solche Ueberlieferung bestanden haben muss. Ist übrigens 
Benary die Volksüberlieferung so etwas Absonderliches? Ge- 
rade die Verschmelzungen von zwei geschichtlichen Persön- 
lichkeiten haben in der Regel hier ihren Ursprung, und 
ich habe nicht ohne Grund seinerzeit (a. a. O. S. 24) als 
Seitenstück unsere deutsche Kaisersage herangezogen. 
Aber Benary will, wie mir schemt, jene „normannischen 
Volksballaden“, von denen F. Wolf?) spricht, als Quellen 


1) ‚Untersuchungenzur EntstehungderSage von HirlandavonBre- 
tagne sowie zu den ihram nächsten verwandten Sagen.“ München 1918, 

2) Arch, f, n. Spr. Bd. 132 8. 485 t. 

*) Berl. Jahrb. f. wissensch. Kritik. 1885. II. Sp. 955. 


u 


88 Steinberger: Zur Sage von Hirlanda von Bretagne. 


der Gunhildsage ansehen; er zitiert auch jene übrigens 
auch von mir (a. a. O. S. 23) angeführte Stelle aus Wil- 
helın von Malmesbury „et nostro adhuc seculo etiam in 


- triviis cantitata“. Was aber wurde oftmals besungen? Nicht 


Gunhilds vermeintliches trauriges Schicksal, sondern ihre 
mit grossem Pomp gefeierte Vermählung!!) Wolf hat übrigens 
später?) seine Ansicht in dem Sinne geändert, dass er den 
Ursprung der Gunhildsage „auf die Angelsachsen oder Angel- 
dänen“ zurückführt. Dass es einfacher ist, den Ursprung 
bei den Angeldänen zu suchen, dürfte ohne weiteres klar 
sein: sowohl die Königin Gunhild wie auch ihre gleichnamige 
Base, deren Schicksale bei der Bildung der Gunhildsage 
mitspielten, waren Angeldäninnen. 

Ebenso sonderbar will es mich bedünken, wenn Benary 
zwar einen Zusammenhang der Hirlandasage mit der Schwa- 
nensage „nicht von der Hand weisen will“, dann es aber doch 
auf einmal wieder „bedenklich“ findet, dass ich den beiden 
Sagen gemeinsamen Zug „Aufforderung des Engels an den 
frommen Mann, den Knaben zum Kampf für seine be- 
drohte Mutter auszusenden® als beweisend anspreche. 

Auch sonst bedauert Benary „manche Unterlassung“. 
Ich hätte zunächst auf die Figur des bösen Gerhard im 
„Hüon von Bordeaux“ und im „Wolfdietrich“ aufmerk- 
sam machen sollen. Benary hat sich eingehend mit den 
beiden genannten Sagen beschäftigt; es liegt daher nahe, 
dass er sie sogleich heranzieht. 

Was nun die Hüonsage betrifft, so will ich ihre teil- 
weise Einwirkung auf die Hirlandasage nicht in Abrede 
stellen. Die Gestalten der Intriganten in den beiden Sagen 
weisen sicherlich eine gewisse Aehnlichkeit miteinander auf. 
In der „Hirlanda“ — wenigstens in der Fassung des Paters 
Cerisiers — der Intrigant Gerhard, der Bruder des Herzogs 
von Bretagne, der um jeden Preis selbst Herzog werden 
will; aus dieser masslosen Herrschbegierde entspringt seine 


ı) Vgl. Steindorfi, E., Jahrb. d. Deutschen Reiches unter Hein- 
rioh III. Bd. I. Leipzig 1874. S.36. A.3, 
ı) „Ueber die Lais, Sequenzen u. Leiche.* Heidelberg 1841. S, 217. 


Steinberger: Zur Sage von Hirlanda von Bretagne. 89 


schurkische Handlungsweise. Im „Hüon“ der Intrigant Ger- 
hard, des Helden Bruder, dem die Besitzungen des ins 
Morgenland ziehenden Bruders anvertraut worden sind. Mit 
Aerger und Schrecken vernimmt er von Hüons glücklicher 
Heimkehr, denn die Hoffnung, jene Besitzungen dauernd 
behalten zu können, ist damit zu nichte geworden. So er- 
sinnt er einen schurkischen Plan: er legt dem Bruder einen 
Hinterhalt, nimmt ihn, seine Gattin und seinen Getreuen 
gefangen, reisst die vom Kaiser geforderten Gegenstände 
(Bart und Zähne des Emirs) an sich und klagt den Bruder 
an, er habe die ihm gestellten Bedingungen nicht erfüllt. 
Auf diese Weise glaubt er sich desselben für immer zu ent- 
ledigen. Hüon soll am Galgen sterben, aber Auberon rettet 
ihn und den treulosen, herrschsüchtigen Gerhard ereilt das 
Los, das er seinem Bruder bereiten wollte.!) 

Wenn ich nun auch der Namensgleichheit nicht jene 
beweisende Bedeutung zuspreche, wie es anscheinend Benary 
tut, so ist sie doch in diesem Fall auffällig, umsomehr als 
sich die beiden treulosen Brüder in ihrer Herrschbegierde 
ähneln. Freilich ihre Handlungsweise ist sehr verschieden. 


Ich habe seinerzeit (a.a.0.8.18 f£.) dem Gerhard der Hirlanda- 


sage den Fengo der Hamletsage gegenübergestellt und 
dazu bemerkt, dass der letztere viel folgerichtiger handelt. 
Das Gleiche bemerke ich jetzt bei dem Gerhard der Hüon- 
sage; auch er steuert geradewegs auf sein Ziel los. Dem 
andern Gerhard aber nützt das sinnlose Wüten gegen seine 
unschuldige Schwägerin nichts. Der neuerliche Vergleich 
bestärkt mich in meiner bereits damals geäusserten Ansicht: 
Wir haben es bei dem Gerhard der Hirlandasage eigentlich 
nicht mit einem „Foengotypus“, sondern mit einem „Golo- 
typus“ zu tun. Wie aber eben die ganze Hirlandasage 
eine gross angelegte Kombination verschiedener Sagen ist, 
so hat sich auch die Figur des Intriganten, wie sie uns 
jetzt entgegentritt, unter dem Einfluss verschiedener Intri- 
gantenfiguren entwickelt: der Figur des verschmähten 
Liebhabers der Gunhildsage und der Ureszentiasage einer- 


ı) Vgl. Voretzsoh, C., Ep. Studien. I. Halle 1900. 


” 


90  Steinberger: Zur Sage von Hirlanda von Bretagne. 


seits und der herrschsüchtigen, hasserfüllten Schwieger- 
mutter der Schwanensage andererseits. Bei der Bildung der 
von mir angenommenen Fassung z (a.a.0. S.59ff.) mag aber 
dann auch — das sei ohne weiteres zugegeben — der treulose, 
herrschsüchtige Bruder Gerhard aus dem „Hüon“ seinen Ein- 
fluss geltend gemacht und die Französisierung des breto- 
nischen „Kervoura“ (a. a. O. S. 31 £., 56, 59) bewirkt haben. 

Der böse Gerhart bezw. Gerwart der Wolfdietrich- 
sage, „dieich auch sonstnoch hätte berücksichtigen können“, 
hat indes mit dem Gerhard-Kervoura nicht das Geringste 
zu tun. Er will die Früchte von Wolfdietrichs Heldentat 
ernten, ist also der richtige Typus des „betrügerischen Prah- 
lers“, des „False Claimant“!) ein Motiv, das in der Hir- 
landasage keine Rolle spielt. H.Schneider‘), auf dessen treff- 
liche Ausführungen Benary mich hingewiesen hat, lehnt 
es übrigens sogar gegenüber Voretzsch ab, den „betrüge- 
rischen Prahler“ der Wolfdietrichsage mit dem bösen Bruder 
Gerhard im „Hüon“ in Beziehung zu setzen; seiner Ansicht 
nach ist dieses Motiv ursprünglich in der Wolfdietrichsage 
gar nicht enthalten gewesen, sondern erst unter dem Ein- 
fluss der Tristansage hineingekommen.?) Schneiders Be- 


!) Zu diesem beliebten Motiv vgl. Hartland, E.S., The Legend 
of Perseus. Bd. III, London 1896. S. 203 ff. Weston, J. L., The Legend 
of Sir Lancelot du Lac. London 1901. S. 34 f. u. The Three Days’ 
Tournament. London 1902. S. 26 fl. 

ı) „Die Gedichte und die Sage von Wolfdietrich.* München 1913. 

$) a. a. O. S. 390. — Benary führt in seiner Abhandlung „Die 
germ. Ermanarichsage und die französische Heldendiohtung.“ 1912. 
S.6) die Namensgleichheit bezw. Namensähnlichkeit zwischen dem 
Gerhard im „Hüon“ und dem Gerhart (Gerwart) im „Wolfdietrich* 
als beweisend für die „literarische Abhängigkeit“ an. Er versucht 
damit, die von Voretzsch (a. a. O. S, 350 u. 371 £.) aufgestellte Be- 
hauptung zu stützen, dass zwischen der Handlungsweise des treu- 
losen Gerhard im „Hüon“ und der des „betrügerischen Prahlers“ im 
„Wolfdietrich“ ein Zusammenhang besteht. Schneider bekämpft diese 
Ansicht. Bonary gibt nun in seiner Besprechung der Schneiderschen 
Arbeit (Z. f. rom. Phil. Bd. 38, S. 509) dem Verf. zwar hinsichtlich der 
Tatsachen recht, will aber dooh die Namensgleichheit bzw. Namens- 
ähnliohkeit als beweisend für die „literarische Abhängigkeit“ bei- 
behalten! 


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Steinberger: Zur Sage von Hirlanda von Bretagne. 91 


weisführung erscheint mir in diesem Punkt ebenso zutref- 
fend wie seine andere Beweisführung, dass das „Motiv des 
verschmähten, rachsüchtigen Liebhabers“ auch nicht zur 
ursprünglichen Sage von Wolfdietrich gehört. Ich sehe mich 
infolgedessen veranlasst, einen Punkt in meiner Dissertation 
zurückzunehmen. Gelegentlich der Besprechung der Gunhild- 
sage (a. a. O. S. 21 f.) hatte ich darauf hingewiesen, dass 
möglicherweise im Frankenreich eine Beeinflussung der 
Gundebergasage, die ich nach wie vor mit G. Paris für 
das Vorbild der Gunhildsage halte!), durch die „Hugdietrich- 
sage“ stattgefunden hat. Ich dachte dabei natürlich an die 
„Exposition“ der Wolfdietrichsage — Fassung A: die Werbung 
des ungetreuen Saben um die Königin in der Abwesenheit 
ihres Gemahls, seine Zurückweisung und die darauffolgende 
Verleumdung der Königin. Wie bei dem obenerwähnten 
Motiv nach Schneider ein Einfluss der Tristansage anzu- 
nehmen ist, so lässt sich nach seiner Ansicht hier an eine 
Einwirkung der bereits erwähnten Creszentiasage denken. 
Der betreffende Redaktor hat das so ungemein beliebte - 


. Motiv des verschmähten Liebhabers in die Wolfdietrichsage 


hineingestopft, ohne damit viel anfangen zu können, „die 
Königin wird weder durch Saben, noch durch Hugdietrich, 
der doch den vermeintlichen Ehebruch nicht so gleichgültig 
hingehen lassen durfte, bestraft; das Martyrium der 


unschuldigen Frau fehlt im „Wolfdietrich“ voll- 


ständig.?) Diese Verleumdungsgeschichte wäre aber das 


ı) Benary schliesst sich augenscheinlich Rajna an, der ja in 
Gundeberga das Urbild der Königin Sibille sehen will. (Le Origini 
dell’ -Epopea F'rancese. Florenz 1884. S.188 f.) Ich halte es trotz 
Benary (Rom. F'orsoh. 31. Bd. S. 365 £.) für sehr gezwungen, aus den 
Ausdrücken „turris“ und „exilium“ bei dem sog. Fredegar zwei ver- 
schiedene Versionen herauszulesen, 

2) Schneider a. a. O. S. 22, 25, 310 f. — Seine Beweisgründe er- 
soheinen mir durchaus stichhaltig. Es ist ja auch ganz klar: Finden 
wir in einer Sage ein Motiv zwar eingeführt, aber nicht zu Ende 
gebracht, so dürfen wir ziemlich sicher damit rechnen, dass es ur- 
sprünglich nicht in der Sage enthalten war. Ich erinnere z.B. an 
das Motiv vom aussätzigen König in der Hirlandasage (vgl. meine 
„Untersuchungen“ S. 52). Benary hält Sohneiders Behauptung für 


92 Steinberger: Zur Sage von Hirlanda von Bretagne. 


einzige Bindeglied zwischen den Sagen von Wolfdietrich 
und Hirlanda; sonst vermag ich mit dem besten Willen 
keine Aehnlichkeit zu entdecken, und ich wiederhole noch- 
mal: Jener Gerhart (Fassung C) oder Gerwart (Fassung D) 
hat mit dem Intriganten der Hirlandasage trotz der Namens- 
gleichheit bzw. Namensähnlichkeit nichts zu tun, es handelt 
sich hier eben doch um „eine Laune des Zufalls“. 

Ein weiterer Vorwurf Benarys: „Wenn S. 63ff. die Ge- 
schichte des Ritters Galmi in den Vordergrund gerückt 
wurde, so war es nicht richtig, die sehr ähnliche Histoirede 
Palanus, comte de Lyon, ausser acht zu lassen usw.“ 
Mit diesem Vorwurf beweist Benary, dass er gar nicht 
verstanden hat, warum ich gerade die Galmiversion heran- 
gezogen habe. Ich. schliesse mich G. Lüdtkes!) Ansicht 
an, dass die Vorlage des deutschen Volksbuches am ehesten 
einem Bretonen selber zuzuschreiben ist. Bekanntlich 
haben die Bretonen gerne die Stoffe, die sie in die Hand 
bekamen, in ihrem Land lokalisiert; und im „Galmi“ er- 
scheint ja wie in der „Hirlanda“ die Bretagne als Schau- 
platz der Handlung, eine bretonische Fürstin steht im 
Mittelpunkt des Interesses. Zwei Sagen, deren Inhalt sich 
doch in gewisser Beziehung berührte, standen also in der 
Bretagne nebeneinander; was wunder, dass die sympathische 
Figur des Liebhabers der Fürstin aus der einen Sage in 
die andere Sage hinübergenommen wurde, ohne dass aller- 
dings der „Kombinator“ viel mit ihr anzufangen wusste? 
Da die Rettung der verleumdeten Fürstin dem eigenen 
Sohne vorbehalten bleibt, muss der Ritter von Olive, nach- 
dem er die Rolle des vermeintlichen Liebhabers erledigt hat, 


verschwinden. Natürlich könnte an sich auch die Figur 


des Palanus von Lyon die des Olive beeinflusst haben; aber 


„nicht erwiesen“ (a.a. O. S. 508). Bei dieser Gelegenheit zeigt er 
übrigens, dass er sich mit den einzelnen Gruppen des Sagenzyklus 
von der unschuldig verfolgten Frau nicht allzu eingehend befasst 
hat, sonst würde er nicht die Creszentiasage als eine „Variante“ 
der Genovevasage bezeichnen! 

ı) „The Erl of Tolous and the Emperes of Alemayn.* Berlin 
1881. S. 164 f. 


Steinberger: Zur Sage von Hirlanda von Bretagne. 98 


es ist doch wesentlich einfacher, bei dieser Entlehnung an die 
Galmiversion zu denken, die, wie gesagt, in der Bretagne 
spielend, die Schicksale einer bretoniechen Fürstin er- 
zählt und daher auch wohl von einem Bretonen verfasst ist. 
Völlig unverständlich ist es mir, wie Benary zu der Aeusserung 
kommt: „Das wesentliche Motiv, Held als Mönch nimmt 
Beichte ab‘ durfte nicht unerwähnt bleiben.“ In einer Ab- 
handlung, die sich allein mit der Sage von dem Grafen von 
Barcelona-Toulouse befasst, darf dieses Motiv, dasich ebenso 
gut kenne wie Benary,!) freilich nicht unerwähnt bleiben; hier 
habe ich aber auf jene Version lediglich im Zusammen- 
hang mit der Hirlandasage hingewiesen, und mit dieser 
Sage hat jenes Verkleidungsmotiv nichts, aber auch gar 
nichts zu tun; es bestand also für mich kein Grund, es 
nur „zum Vergnügen“ in meine Abbandlung hineinzuzerren. 

Ausserdem hätte ich nach Benary „Hildegard und 
Talant“ berücksichtigen können. Weiss Benary nicht, dass 
die genannte Geschichte nichts anderes ist als eine der vielen 
Versionen der auch hier bereits erwähnten „Üreszentia- 
Florencegruppe“,?) deren unverkennbarer Einfluss auf 
die Hirlandasage selbstverständlich in meinen „Unter- 
suchungen“ (S.32) gewürdigt wurde? „Auch die Geschichte 
vom rafen von Anjou des JeanMaillart war heran- 
zuziehen.“ Weiss Benary nicht, dass die genannte Geschichte 
nichts anderes ist als eine der vielen Versionen der „Mane- 
kinegruppe“,?) die gleichfalls von mir erwähnt wurde 

ı) Vgl. meinen Aufsatz „Zur Sage von dem Gf. v. Barcelona u. 
der Kais. von Deutschland.“ Münch. Mus, Bd. 1. 8.310 ff, Ich möchte 
hierübrigensdieGelegenheit benützen, eine Vermutung auszusprechen, 
die sich mir inzwiechen aufgedrängt hat. Ich habe seinerzeit (a. a. 
0,S. 315) mit Lüdtke angenommen, dass das Liebesmotiv durch jenes 
im „Erl of Tolous“ erwähnte (V. 1220) bretonische Lai in die Sage 
hineingekommon ist. Sollten wir nun das Vorbild zu der heimlichen 
Liebe zwischen Graf und Kaiserin etwa gar in der Liebe zwischen 
Lancelot und Ginevra zu suchen haben? Wie oft tritt Lancelot 
für die fälschlich beschuldigte, heimlich geliebte Königin ein! 

2) Vgl. Wallensköld, A. Le conte de la femme chaste con- 
voit&e par son beau frere. Helsingfors 1907; Stefanovic,Sv. Die 
Creszentia-Florencesage. Rom. F'orsch. Bd. 29. 


s) Vgl. Suchier, H. Ouvres po6tiques de Philippe de Remi, 
Sire de Beaumanoir. I. Paris 1884. 


94  Steinberger: Zur Sage von Hirlanda von Bretagne. 


(2.2.0.8.37f.)? „Weiterhin waren zu berücksichtigen „Doon 


dela Roche“ und „Parise la Duchesse“.“ Beide Epen 


sind von mir in einer Fussnote $. 36 erwähnt worden, das 
letztere auch noch in einer Fussnote S. 55. Sie enthalten 
das Eintreten des Sohnes für die beklagte Mutter, das zweite 
Epos enthält auch noch das Motiv der „vornehmen Dienst- 
magd“. Ich habe in meinen „Untersuchungen“ des langen 
und breiten auseinandergesetzt, dass das erstgenannte Motiv 
unter dem Einfluss der Sage von den Schwanenkindern 
in die Hirlandasage hineingekommen ist. Den Zusammen- 
hang mit der genannten Sage will ja Benary selbst „nicht 
von der Hand weisen“. Das Motiv der „vornehmen Dienst- 
magd“ ist zweifelsohne aus der Bertasage sowohl in die 
„Hirlanda“ wie auch in die „Parise la Duchesse“ hinüber- 
genommen worden. Man darf doch als sicher annehmen, 
dass allgemein bekannte, weit verbreitete Sagen 
— und als solche kann man doch sowohl die Schwanen- 
sage wie auch die Bertasage bezeichnen — einen grösseren, 
weiter gehenden Einfluss ausüben als weniger bekannte. 
Ich habe mich daher begnügt, die beiden obengenannten 
Sagen neben andern, die auch nur allgemein verwandte 
Züge tragen, in Fussnoten zu erledigen. 

Benary kreidet es mir schliesslich stark an, dass ich den 
Inhalt der Gunhildsage und der Schwanensage nicht ebenso 
wie den der Bertasage in extenso gebracht habe, Ich gebe diese 
Unterlassung unumwunden zu. Die Sagen müssen stets er- 
zählt werden, ein Hinweis auf die einschlägige Literatur (wie 
ich ihn in meinen „Untersuchungen“ S. 20 u. 34 gebracht 
habe) genügt nicht. Wer aber schreibt selbst einmal: Auch 
sonst muss ich es mir im allgemeinen versagen, die Ge- 
schichten lang und breit zu beschreiben. Ich verweise auf 
die diesbezügliche Literatur“? Mein Kritiker!!) 

So viel also hätte,ich Benary zu erwidern. Seinen Hin- 
weis auf den bösen Gerhard im „Hüon“ wie auch auf das 
treffliche Buch von Schneider nehme ich dankend an; was 
‚ er mir aber sonst als „Unterlassung“ vorwirft, muss ich 


1) Ermanariohsage S. 13. 


Steinberger: Zur Sage von Hirlanda von Bretagne. 95 


zurückweisen; noch mehr: ich muss meinerseits gegen ihn 
den Vorwurf erheben, dass er stellenweise meine „Unter- 
suchungen“ nur einer oberflächlichen Durchsicht unter- 
zogen, um sich dann aber doch mir gegenüber „aufs hohe 
Ross zu setzen“. Aber freilich, eine zu besprechende Arbeit 
einer eingehenden Prüfung zu unterziehen, das erfordert 
mehr Mühe als an den Beginn der Kritik die Worte zu 
setzen: „Man darf an eine Doktorarbeit keinen zu strengen 
Massstab legen“.!) Wer solche stolze Worte in den Mund 
nimmt, der darf dem Gegner auch nicht die geringsten An- 
griffispunkte bieten. Dass Benary dies doch getan hat, dürften 
die vorhergehenden Ausführungen beweisen. 

Zum Schlusse möchte ich noch als Ergänzung der von 
mir seinerzeit zusammengestellten Aeusserungen über die 
Hirlandasage (a. a. O. 8. 16 ff., 33 £.) anführen, dass auch 
OÖ. Rank,?) der bekanntlich der Lohengrinsage eine ganz 
neue, sicherlich stark anzuzweifelnde Deutung gab, auch 
der Hirlandasage einige Worte gewidmet hat. Er will „es 
unerörtert lassen, ob das Volksbuch von Hirlanda nicht 
eine Nachahmung der Schwanenrittersage ist, in der die 
Mutterrettung aus der ganzen Geburts- und Jugendgeschichte 
mit psychologischer Notwendigkeit folgt. Immerhin scheint 
aber doch die selbständige Verwertung der Mutterrettung 
ohne die abgeschwächte Dublette (Kampf für die künftige 
Gattin) für die Ursprünglichkeit dieses Motivs zu sprechen.“ 
Es kommt mehr als einmal vor, dass aus einer Sage nur 
einzelne Züge in eine andere Sage übergehen, und so 
hat eben auch bloss der 1. Teil der Schwanenrittersage, 
nämlich die Sage von den Schwanenkindern, bei der Bildung 
der Hirlandasage, so wie uns dieselbe jetzt vorliegt, in unver- 
kennbarer Weise mitgewirkt. 

*) Wenn Benary in seiner „Ermanariohsage“ S. 39 die bekannte 
Alpaisalsdie Gattin Pipins des Kurzen bezeichnet, so ist das 
ein geschichtlicher Schnitzer, der unbeschadet des „nicht zu strengen 
Massstabes“ sogar bei einer Doktorarbeit gerügt werden müsste. 


») „Die Lohengrinsage“. Leipzig u. Wien 1911. S. 160 f. — Dazu 
Golther W. in DLZ. 33. J. 8.1441 ff. „PestalozziR. in ZDA. Bd, 54, S.299 ff. 


Hermann Steinberger. 


Zu Meinloh von Sevelingen. 


Die Frage, ob die unter dem Namen Meinloh von Sevelingen 
überlieferten Verse einen zusammenhängenden Kreis (einen „Liebes- 
roman“, wie Joseph sagt) bilden, oder aber, ob eg sich um verschie- 
dene Lieder handelt, deren Strophen nachlässige Schreiber durch- 
einander geworfen haben, ist im allgemeinen dahin entschieden 
worden, dass der Inhalt der Verse tatsächlich eine Art Roman dar- 
stelle. Es ist dann zu erörtern, wie die Verse anzuordnen sind. 

Ueberliefert sind 11 Strophen in den beiden Hss. B und C, dazu 
in C allein noch ein 12, 13. und 14. Vers. Die Verse 13 und 14 
(Swem von guoten wiben liep geschiht und Trären muoz ich sunder 
minen danc) sind zweifelsohne uneoht, da der Versbau (5b und 6 
Hebungen zweimal wechselnd, dann je eine Zeile mit je 4, 5 und 6 
Hebungen den Vers beschliessend) und die Reime (a, b,a,b, co, a, 0) 
überhaupt nicht zu Meinloh passen, weder in jene Frühzeit des Minne- 
sangs, noch zu den überlieferten andern 11 + 1 Versen, die 2 Strophen- 
formen aufweisen: 1, 2, 8, 4, 6, 7, 9, 10, 11 BC einerseits und 5 und 
8 BC andrerseits. Die nur in C überlieferte Strophe 12 passt gut 
hierher, nämlich entweder zur ersten Strophenform, oder, wenn man 
mit Joseph die Worte so rehte guötliche streicht, zur Formbund8BC. 

ı Es dreht sich nun also um die Frage, in welcher Reihenfolge 
wir die Strophen zu einem geschlossenen Ganzen verknüpfen können. 
Die Anordnung der Strophen in den Hss., die von Laohmann-Haupt 
beibehalten worden ist, wird von Vogt („MSF“, 2. Auflage, Leipzig 
1914, Seite 279) verworfen. Nach ihm stören 5 und 6 B C hinter 
4 BC, wohin sie nur deshalb gesetzt seien, weil sie (gleich 4 BC) 
sogenannte „Minneregeln“ darstellten. Er setzt sie hinter 10 BC. 
Ausserdem sagt er mit Joseph, dass 8 BC (ih gelege in mir wol 
nahe) nicht vor 10 BC passe, wo es ausdrücklich heisse: dne ndhe 
bE gelegen. 

Gegen Vogts Anordnung möchte ich den Einwand erheben, 
dass in seiner neuen Reihenfolge 5 BC (das die „Tugend des Still- 
sohweigens“ behandelt) nicht zwischen 12 O (worin der Ritter schon 
selber davon redet, dass er seiner frouwe verholne seinen Dienst an- 
geboten habe) und 8 BC (laute Freude der frouwe über des Geliebten 
Ankunft) passt. 

Zueinem „Liebesroman“ hat Joseph („Verhandlungen der 45, Ver- 
sammlung der Philologen und Schulmänner“, 1900, Seite 115 fl.) die 
Verse georduet. Aber seine Aufstellung leidet an dem Uebelstande, 


Kahlo, Zu Meinloh von Sevelingen. 97 


dass einige Strophen übrig bleiben, die einen tautologisohen Schluss 
ergeben. Joseph ordnet: 
11, 14 und 12,1 = Dienstvertrag; 
13, 27 und 11,1 = Betätigung des Dienstes zur Genugtuung der Frau; 
13, 14 und 12, 14= Die Frau setzt dem Verhältnis Grenzen, die dann 
14,1 und 14, 26 fallen. 

Dies wäre eine Art Liebesroman. Aber nun hinken ja noch 
ein paar Verse nach: 
13,1 = Huldigung des Mannes (warum jetzt noch einınal?); 
15, 1 = Lohnforderung (der Lohn ist nach 14 bereits gewährt!); 
12, 27° — Schmachten aus der Ferne (sie sind ja längst vereinigt!); 
14, 14 = Renommisterei ans Publikum (!) über den Erfolg seines 
Dienstes. | 

Dagegen möchte ich aus Gründen der Form und des Inhalts 
eine andere Anordnung vorschlagen. Zunächst glaube ich, die unter 
dem Namen Walter von Mezze (13 A, bei Vogt Seite 3, Nr. 4, 1) 
überlieferte Strophe diz linde ist an dem ende unbedenklioh Meinloh 
von Sevelingen zuschreiben zu dürfen. Dem Walter von Mezze darf 
die Strophe um so eher abgesprochen werden, als sein Name als 
Deckung für alle möglichen namenlosen Strophen gilt. Dass sie dem 
Meinloh zugeteilt werden darf, geht m. E. aus den Uebereinstim- 
mungen hervor. Erstens passt das Versmass der Mezze-Strophe genau 
zu dem der Meinlohschen Strophen 5BC und8BC. Zweitens finden 
sich in der Ausdrucksweise folgende Uebereinstimmungen: 
4,1 Erwähnung der Linde=14,2 diuomen, also röt(Naturschilderung); 
4,4 des ich nie genöz — 13, 22 dne nähe bi gelegen; 
4, 5 unstaeter wibe = 12, 18 unstaetiu friuntschaft; 
4,5 vilwibe benement ime den sinn=13, 29 daz nident, ander frouwen; 
4,8 daz i’me diu holdeste bin = 13, 82 daz ich diu liebeste bin; und von 
dem kindeschen man ist die Rede sowohl bei Mezze 4, 10 als auch 
bei Meinloh 13, 28 und 14, 35. 

Auch das Pathos der Frau ist gleich: 
4, 11 oweE mir siner jugende = 13, 14 sow& den merkaeren; 
4,7 got wizze wol die wärheit = 13, 24 des hän ich weizgot niht getän. 

Durch Hinzukunft der Mezze-Strophe hätten wir dann drei 
Strophen im Tone II, nämlich 5 BC, 8B C und Mezze; alle andern 
Strophen weisen den Ton I auf, bis auf 2BC, die im Tone la ver- 
fasst ist. Wir können dann so ordnen, dass immer zwei Männer- 
strophen im 1, Ton gefolgt werden von einer Frauenstrophe im 1. Ton, 
sowie einer solchen im 2. Ton, so dass stets je 4 Strophen eine Art 
Stollen (wenn man den Ausdruck hier gebrauchen darf) ergeben. 
Als Abgesang hat 2 BC zu gelten, im Tone Ia. Der Vorzug dieser 
Anordnung besteht darin, dass die Form dem Inhalt (der dann tat- 
sächlich einen durchgeführten Liebesroman bildet) entspricht. Also 
(m = Männerstropbe, f = Frauenstrophe): 

Münchener Museum f. Philologie des MA. IV. 1. | 7 


98 Kahlo, Zu Meinloh yon Sevelingen. 


LM = Werbung des Ritters. 
erster Stollen. 


1ıBC 
3BC 
4BC\ If [ __ Mahnung der Frau zur Ver- 
5BCjUf | _ schwiegenheit. 

7BC 


s a —= Zweite Werbung des Mannes. 
zweiter Stollen. 
11 B “ If __ Sie wählt ihn trotz der anderen 


Mezze { IIf Frauen. 


Zwischen diesen und den folgenden Strophen liegt die Tren- 
nung der Liebenden; im Winter (Mezze 4, 1—2 diu linde ist an dem 
ende järlanc lieht unde blöz) waren sie getrennt (siehe im Folgen- 
den 14, 7—8 im trüret sin herze, sit er an jungest von dir schiet), 
im Sommer kehrt der Ritter zurück (siehe im Folgenden 14, 1—2 
ich sah boten, des sumeres; daz wären bluomen also röt). 


6BC\ Im | _ der Mann wünscht Liebes- 
12 a Im erfüllung. 

dritter Stollen. 
1 BC] If | __ trotz der merkaere erfüllt sie 
8 B 4 IIf | “seine Liebeswünsche. 


Dass in 10 B6 die merkaere kurz vor der Erfüllung noch ein- 
mal erwähnt werden, halte ich für ein sehr wirksames retardieren- 
des Moment, das durch 8 BC dann kurz und knapp zur Zufrieden- 
heit beider Teile erledigt wird. 

Zum Schluss käme dann als eine Art Abgesang 2 BC im Ton Ia 
(Männerstrophe), eine Zusammenfassung der Minneerlebnisse des 
Ritters darstellend. 


Gewiss ist dieser Abschluss etwas plump und daher ästhetisch 
nicht befriedigend. Andererseits kann man anführen, dass die törich- 
ten Worte in diesem Verse 15, 5—8 ich rede ez umbe daz niht, daz 
mir gol die saelde habe gegeben, deich ie mit ir geredete oder nähe 
bi si gelegen dadurch als entschuldigt gelten können, weil der Mann 
ja kindesch ist (dreimalige Hervorhebung dieser Eigenschaft: Mezze 
4,10 und 11BC=13,28, sowie 8 BC= 14,35; ausserdem 4, 11: 
owe mir siner jugende). Dass die Strophe 2 BC ziemlich ans Ende 
gehört, geht daraus hervor, dass in ihr Teile des Liebesromans vor- 
ausgesetzt sind; so 15, 13—14 ich gesach nie eine frouwen diu ir 
lip schöner künde hän (er hat also die Gesuchte bereits gesehen, 
während er in der ersten Strophe nur von ihr gehört hatte) und 15, 
15—17 durch daz wil ich mich flizen, swaz sie gebiutel, daz daz 


Steinberger, Urkundliches zu Konrad von Hainsfahrt. 99 


allez st gelän — er muss sie also sohon gesprochen und von ihr 
Verhaltungsmassregeln empfangen haben. 

So muss die Strophe am Ende stehen; übrigens passt sie ja 
auch gar nicht zwischen die anderen Strophen, die sowohl inhaltlich 
als auch in bezug auf die Folge der Töne ein geschlossenes Ganzes 
ergeben. 


Jena. Gerhard Kahlo. 


Urkundliches zu Konrad von Hainsfahrt. 


Für den geistlichen Dichter Konrad von Hainsfahrt, !) 
auf den eine neuere Veröffentlichung?) die Aufmerksamkeit 
der Fachleute und sonstigen Interessenten hinlenkt, war 
bisher nur ein einziger urkundlicher Beleg?) in weiteren 
Kreisen bekannt.*) Er steht in einer Urkunde des Bischofs 
Hartwig von Eichstätt (reg. 11955)—1223) von 1204,°) in- 
| dem dort unter den als Zeugen aufgezählten Ministerialen 
der Eichstätter Kirche ein „Conradus de Heimsfurt“ be- 
gegnet. Der einschlägigen Zeugnisse sind indes noch andere. 
Sie finden sich in zwei früheren?) und einer spfteren?) 
Urkunde des nämlichen Bischofes, von denen jene in das 
Jahr 1198 gehören, diese am 28. Mai 1212 ausgefertigt ist. 


ı) Vgl. E. Steinmeyer in der Allgemeinen Deutschen Bio- 
graphie XI, Leipzig 1880, S. 331 f. und K. Goedeke, Grundriss zur 
Geschichte der deutschen Dichtung? I, Dresden 1884, S.86 f. u. 487. 
J. Nadler, Literaturgeschichte der deutschen Stämme und Land- 
schaften I, Regensburg 1912, S. 123 setzt Konrads dichterische Tätig- 
keit um 1180 an. 

2C.v. Kraus, Mittelhochdeutsche Bruchstücke, in Zeitschrift 
für deutsches Altertum LV, Heft 2/3, Berlin 1914, S. 296 ff. 

s) C.F. Jung, Miscellanea I, Frankfurt und Leipzig 1139, S. 5. 

*, M. H[aupt|, Ashrenlese, in Zeitsohrift f. deutsches Altertum XV, 
Berlin 1872, 8. 468, Nr. 56. 

6) Dass Bischof Hartwig nioht 1196 (so F.Heidingsfelder, Regesten 
der Bischöfe von Eichstätt, Lief. 3, Innsbruck 1917, Nr. 502 f.), sondern 
1195 zur Regierung gelangte, werde ich an anderer Stelle dartun. 

e) Heidingsfelder a. a. O. Nr. 534. 

”) A.a.0O.Nr. 511 und 512. 

\ s, A.a. O. Nr. 562, 


7° 


100 Steinberger, Urkundliches zu Konrad von Hainsfahrt. 


Und zwar reihen die beiden Urkunden von 1198 ebenso 
wie die von 1204 den Konrad von Hainsfahrt unter die 
Ministerialen des Hochstifts Eichstätt ein, während sich die 
Urkunde von 1212 damit begnügt, ihn und seinen Bruder 
Tiemo als Laienzeugen den geistlichen Zeugen gegenüber- 
zustellen. Als terminus a quo für Konrads Eintritt in den 
geistlichen Stand ergibt sich hieraus der 28. Mai 1212.*) 


München. Ludwig Steinberger. 


*) Die wertvollen Nachweise Steinbergers bestätigen Friedrich 
Vogts (Pauls Grundriss II? 196) Ansatz, der des Hainsfahrter litera- 
rische Tätigkeit nach Gotfrids Tristan ansetzt. Sie fällt wohl über- 
haupt nach 1212. Jedenfalls ist die Himmelfahrt erst nach Konrads 
Eintritt in den geistlichen Stand gedichtet. Dass der Dichter früher 
verheiratet war, legen VV. 921 der Himmelfahrt nahe: daz süeziste 
leben, daz got der welte hat gegeben, daz ist elicher hirat. 


Friedrich Wilhelm. 


Bayrisches Deutsch in der bayrischen Verwaltung 
zur Reformationszeit. 


Im Gerichtsbuch für die Oberpfalz vom Jahre 1523, 
das Amberg 1623 von Pfalzgraf Ludwig und Herzog Fried- 
rich erlassen wurde und im Allgemeinen Reichsarchiv 
zu München (Oberpfalz 83) beruht, steht Bl. 321 (Letzter 
tittel) folgender interessante Passus, aufden mich Reichs- 
archivrat Oberseider aufmerksam machte: 

Es follen auch hievor begriffen tittl derfelbn artickl vnud gefatz 
nach jrem lautt vnd vermög des gewendlichen vnd lanndleuffigen 
Bayrifohen teutfchs verftanden vnnd aufgenomen werden, alfo wo 
yemandt fich vndersteen wurde / die jn gemain oder fonder jn ain 
ander maynung / od zu mifuerftannd aufzelegen | das alfdann der- 
felb / damit nit fol zugelaffen werden / Wo auch defhalben aynich 
jrrung entftuennde / fo follen wir vnnfer hofmaifter vitzdemb oder 
Stathallter vnnd Rethe darumb erclerung vnnd enntfchid zegeben / 
macht vnnd gewalt haben | ongeuerde / 


München. Friedrich Wilhelm. 


Der Sermo de inventione sancti Rataldi. 
Zur Geschichte Tarents am Ende des 11. Jahrhunderts. 


Die wichtige Handschrift lat. 739 der ehemaligen Wiener 
Hofbibliothek ist trotz ihrer eingehenden Beschreibung durch 
Denis, der ihren Wert offenbar durchaus erkannte), bis vor 
wenigen Jahren völlig unbeachtet geblieben. Die Bollan- 
disten haben sie nicht verwertet, obwohl sie eine Reihe 
teils völlig unbekannter, teils nur in anderen Fassungen 
bekannter Heiligenleben enthält. In höchst dankenswerter 
Weise hat neuerdings P. Michael Huber wieder auf sie 
aufmerksam gemacht ’?); ich bespreche ihren sonstigen Inhalt 
an anderer Stelle genauer und teile namentlich die auf die 
Geschichte von Capri und Amalfi bezüglichen Stücke daraus 
mit. Die Handschrift ist besonders auch kulturgeschichtlich 
von hohem Interesse, weil sie ausser der Auslegung des 
Hohen Liedes durch Bernhard von Clairvaux (Teilll) und 
einer Sammlung von Heiligenleben, die zum grösseren 
Teil, drei sicher von dem (amalfitanischen?) Mönch und 
Priester Johannes in Konstantinopel, aus dem Griechischen 
ins Lateinische übersetzt sind (Teil III), eine namentlich aus 
einem Anonymus, Gregor dem Grossen, Origenes und Justus 
(von Urgel) zusammengestellte Erklärung des Hohen Liedes 


1!) Michael Denis, Codices manusoripti theologici bibliotheoae 
palatinae Vindobonensis Latini aliarumque occidentis linguarum. 
Vol.II. codices a Caroli VI. temporibus bibliöthecae illatos complexum. 
Pars I. Vindobonae 1799, Sp. 1037—1054, Nr. CCCCXLI (Recent. 83). 
Vgl. Tabulae codicum mss. in bibliotheca palatina Vindobonensi 
asservatorum I 123f. | 

2) P. Michael Huber O.S.B., Johannes Monachus, Liber de 
miraculis. Ein neuer Beitrag zur mittelalterlichen Mönchsliteratur. 
Heidelberg 1913 (Sammlung mittellateinischer Texte von Alfons 
Hilka 7), S. XII—-XX. Ueber die Mängel dieser Ausgabe siehe 
meine Anzeige im Literarischen Zentralblatt 1916, Nr.38 (23. Sept.), 
Sp. 995—997. 


In, 


102 Hofmeister, Der Sermo de inventione sancti Kataldi. 


enthält (Teil D), in der auch die metrische Paraphrase des 
Abtes Williram von Ebersberg (1048— 1085) benutzt ist. 
Wie sich dort im Süden Italiens der abendländisch -latei- 
nische und der morgenländisch-griechische Kulturkreis 
nicht nur schnitten, sondern aufs innigste miteinander ver- 
banden, und wie dadurch namentlich der letztere ständig 
befruchtend auf den Westen einwirkte, das tritt uns in 


‘diesem Kodex handgreiflich entgegen. Er ist ein höchst 


wertvoller Zeuge für den lebendigen Zusammenhang, der 
mindestens auf kulturellem Gebiete auch im früheren Mittel- 
alter nicht nur zwischen den Teilgebieten des christlichen 
Abendlandes, sondern auch zwischen Osten und Westen 
bestand und im 12. Jahrhundert seinen Höhepunkt erreichte, 
ein wertvoller Rest jener so ausserordentlich fruchtbaren 
Kulturmischung, die in Unteritalien unter der Herrschaft 
der Normannen nicht erst begründet, wohl aber weiter 
gepflegt wurde und unter den Königen von Roger I. bis 
zu seinem Enkel, dem staufischen Kaiser Friedrich Il., eine 
unerhörte Blüte erreichte. 

Unsere Handschrift ist am 1. August 1174 im Severinus- 
kloster in Neapel, wohin 902 die Gebeine dieses norischen 
Heiligen aus dem Castellum Lucullanum übertragen waren!), 
vollendet worden. Der Schreiber, der Mönch Marinus, der 
sie auf Geheiss des Abtes Marinus während dessen letzter 
Krankheit begann und unter dessen Nachfolger Heinrich 
auf vielfaches Antreiben des neuen Abtes und der Kloster- 
brüder vollendete, wie er selber am Schluss erzählt, war 
unter der Regierung König Rogers II. in das Kloster ein- 
getreten und befand sich dort seit mindestens 22 Jahren, 
wahrscheinlich aber schon mehrere Jahre länger (seit rund 
1140/50); er hat das Regiment der Aebte Johannes (der 
nach drei Jahren acht Monaten von. Roger abgesetzt wurde), 
Petracca (vier Jahre vier Monate), Marinus (17 Jahre ein 
Monat zwölf Tage) und Heinrich gesehen. 
 -%) Vgl. die Translatio Severini des Johannes diaconus, MG.SS. 


rer. Langob. S. 452ff.; W.Wattenbach, Deutschlands Geschichts- 
quellen im Mittelalter 17 342. 


Hofmeister, Der Sermo de inventione sancti Kataldi,. 103 


Eine der vier nicht aus dem Griechischen übersetzten 
Heiligengeschichten ist das letzte Stück des eigentlichen 
Inhalts, eine Predigt über die Auffindung des heiligen 
Kataldus in Tarent, die zwischen 1094 und 1174 verfasst 
sein muss!). Das Stück hat mit der bekannten Vita?) dieses 
ganz legendenhaften Iroschotten, der als zweiter Bischof 
von Tarent in grauester Vorzeit aufgeführt wird, und den 
in der Folge die dortige Domkirche als ihren Patron ver- 
ehrte, oder mit den Bibl. hag. Lat. Nr. 1653—1654 verzeich- 
neten Stücken (Inventio et translatio im Jahre 1151 und 
Miracula, Auffindung der Zunge des hl. Katald im 14. Jahr- 
hundert, Auffindung einer Weissagung Katalds 1492) nichts 
zu tun. Es ist vielmehr ebenso wie die in ihm berichteten 
Ereignisse bis auf Denis unbekannt und bis heute völlig 
unbeachtet geblieben. Aber diese Quelle verdiente wohl, 
der Vergessenheit entrissen zu werden, da sie zwar nur 
kleine, aber doch nicht nur lokalgeschichtlich interessante 
Züge dem Bilde hinzufügt, das wir uns von den Verhält- 
nissen des unteritalienischen Normannenstaates am Ende 
des 11. Jahrhunderts, nach dem Tode Robert Guiscards, zu 
machen haben. 

Bisher wurde von einer dreimaligen Erhebung der Ge- 
beine des heiligen Katald in Tarent, 1071, 1107 und 1151 
erzählt). Im Jahre 1071 liess Erzbischof (oder Bischoft)) 

1) Nach c.6 multis annis nach 1094. Aus der Nichterwähnung 
der Erhebungen von angeblich 1071 und 1107 (s. unten) ist nichts 
zu entnehmen, da es sich damals offenbar um andere, vielleicht 
ebensowenig authentisch bezeugte Gebeine handelt, deren Verehrung 
erst 1151 wirklich in Aufnahme gekommen zu sein scheint. Eben 
deshalb darf man aber vielleicht unseren Sermo mit einiger Bestimmt- 
heit auch vor dieses Jahr (1151) datieren, 

») Bibliotheca hagiographica Latina Nr. 1652. 

s) Vgl. Act. SS. Boll. Mai. 10 IL 568ff.; Aless. Di Meo, Annali 
eritico-diplomatici del regno di Napoli della mezzana et&ä VIII (1803), 
106 zu 1071. ' 

* Vgl. Chron. mon. Casin. auot. Leone III 29 MG.SS. VIl 720, 5 
(der Tarentinus episcopus mit anderen Bischöfen getrennt von den 
archiepiscopi aufgeführt); F.Chalandon, Histoire de la domination 
“normande en Italie et en Sicile II, (1907), 6593 A.7, der noch auf Pirro 


Cs 


104 Hofmeister, Der Sermo de inventione sanoti Kataldi. 


Drogo von Tarent die verfallene Domkirche zwecks Neu- 
baues abbrechen. Beim Ausgraben der Fundamente fand 
man damals den Marmorsarg und daneben ein Kreuz und 
eine kurze Inschrift; die Gebeine wurden dann, so heisst 
es, unter dem Hauptaltar der neuen Basilika neu beigesetzt. 
Im Jahre 1107 brachte Erzbischof Rainald die Gebeine in 
einem steinernen Grabe unter demselben Hochaltar unter. ! 
Schliesslich, am 10. Mai 1151, liess Erzbischof Girald dieses 
Grab öffnen und tat sie in einen Behälter aus Silber, und 
nun begannen die Wunder. Diese Angaben beruhen im 
wesentlichen auf dem Bericht eines Bedengerius (oder Ber- j 
lengerius) von Tarent, der auch als Uebersetzer aus dem | 
Griechischen bezeichnet wird (c.3, Nr.24, S. 572) und wohl \ 
- bald nach 1151 geschrieben haben dürfte; doch sind die j 
) Jahreszahlen 1071 und 1107 dort noch nicht angegeben, 
und die erstere ist in der Folge wohl nur deshalb zugesetzt, | 
weil zu diesem Jahre ein Bischof Drogo bezeugt ist!), 
während 1107 vielleicht ebenso willkürlich aus der Er- i 
wähnung Rainalds 1106—1119 abgeleitet ist (e- 2, 8.570 ' 
heisst es nur lange Zeit vor 1151). 
Der neue Sermo, dessen Zuverlässigkeit nach Ent- 
stehungszeit und Ueberlieferung mit Grund kaum bezweifelt h 
werden kann, knüpft vielmehr an einen Vorgang des | 
Jahres 1094 an. Soweit ein Widerspruch mit der sonst | 
über Katald vorliegenden, oben kurz skizzierten Ueber- 
lieferung bestehen würde, dürfte dieser zugunsten unseres 
Sermo zu entscheiden sein. Doch handelt es sich wohl | 
überhaupt um ganz verschiedene Gebeine, die beide mit 4 
gleich viel oder gleich wenig Recht dem ebenfalls sehr | 
problematischen Bischof von „Rachau“ und dann von Tarent 
beigelegt wurden?).. Ihm ist anscheinend nach dem ‘ut x 


Sioilia sacra 1523 verweist. Vgl.auch J.Gay, L’Italie m6ridionale 

et l’empire byzantin (867—1071), Paris 1904, S.550. Den erzbischöf- 

lichen Titel hat der Bischof von Tarent, wie andere Bischöfe im 

byzantinischen Apulien, in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts an- 

genommen. Gay, S.360ff., vermutet, infolge byzantinischer Verleihung. 
ı) S. vorige Anm. :) Vgl.oben 9.1038, Anm.1. 


Hofmeister, Der Sermo de inventione sancti Kataldi. 105 


“ prediximus’ in c. 1 ursprünglich ein anderes Stück desselben 


Verfassers voraufgegangen, in dem bereits von der Auf- 
findung der heiligen Gebeine dicht vor der Stadt Tarent 
die Rede war, das aber in unsere Handschrift nicht auf- 
genommen wurde. Die Erzählung führt uns in das Tarent 
Boemunds, der selber nicht genannt wird, kurz vor dem 
ersten Kreuzzuge, zwei Jahre nach dem Besuch des Papstes 
Urban II.!). Die Gebeine Katalds, die bis dahin anscheinend 
als unbekannt gedacht sind, ruhen dicht vor der Stadt in 
einer Kirche, deren Vorsteher, der Mönch Atenulf, zweimal 
durch den Heiligen gemahnt, ihre Uebertragung in die Stadt 
mit den Angesehensten der Bürger verabredet und nach 
Einwilligung der bürgerlichen Obrigkeit, der comites, an 
einem Sonntag durchführt. Aus Furcht vor den damals 
in der Nähe befindlichen Normannen geht man in aller 
Heimlichkeit vor. Eine bewaffnete Schar besetzt eine be- 
baute Anhöhe (montem, ubi oppidum forte erat), um einen 
etwaigen Anschlag der Normannen auf den kostbaren Schatz 
abzuwehren; auch den Bischof Gilbert, der selber ein Nor- 
manne war, zieht man nur ungern und notgedrungen ins 
Vertrauen. Der Bischof will die Gebeine am folgenden 
Montag früh in die Marienkirche bringen lassen, der grössere 
Teil des Volkes wünscht aber einen Ort mitten in der Stadt 
und setzt die sofortige Ueberführung in die Blasii-Kirche 
durch (c.1). Bemerkenswert ist der Gegensatz zwischen 
der alteinheimischen Bevölkerung (man beachte den lango- 
bardischen Namen Atenulf), der offenbar das ganze Leben 
des Alltags durchzieht und hier bei einem an sich wenig 
belangreichen Vorfall recht deutlich hervortritt. Seit 1046, 
1052 und 1056 die Normannen bis vor Tarent vordrangen 
und die Griechen hier schlugen, ging die Stadt wiederholt 
zwischen ihnen und den Byzantinern hin und her. Im 
Frühling 1060 unterwarf sie sich Robert Guiscard, zu Ende 
des Jahres war sie wieder in byzantinischer Hand. 1063 
eroberte sie der Normanne Goffrid, Sohn des Grafen Peiron. 


NJaffe-Loewenfeld, Reg.pont. Roman.I Nr.5470 (24.Nov. 1092). 


106 Hofmeister, Der Sermo de inventione sanoti Kataldi. 


von Trani, 1067 fiel sie wieder in die Gewalt der Griechen 
Dann finden wir in Tarent den normannischen Grafen 
Petron II. von Trani als Vormund seines Neffen Richard, 
bis die Stadt endlich im April 1080 endgültig auch Robert 
Guiscards Herrschaft anerkennen muss!). Hatte die Masse 
der Bevölkerung auch unter der griechischen Herrschaft 
(seit 880) trotz der seit der Mitte des 10. Jahrhunderts in 
ihrem Gebiet stärkere Fortschritte machenden Gräzisierung 
doch viel von ihrem langobardisch-lateinischen Charakter 
bewahrt?), so haben die wenigen Jahrzehnte seit dem Auf- 
treten der neuen normannischen Herren erst recht nicht 
vermocht, zu einer Verschmelzung zu führen oder sie auch nur 
bereits anzubahnen. Die wunderbaren Heilungen, die nun 
in unserem Bericht folgen (c.2—6), sind ohne Interesse, 
abgesehen von den bei diesem Anlass genannten Oertlich- 
keiten (castellum sancti Paris c. 3, castellum quod Ölauis 
dicitur c,6); auch der bekehrte Spötter, hier ein vornehmer 
Ritter (miles) aus der Umgegend, der die Echtheit der 
Reliquien bezweifelt (c.7), fehlt nicht. Recht bemerkens- 
wert ist dagegen kunst- und kulturgeschichtlich der fran- 
zösische Maler, der als Pilger durch T’arent kommt und auf 
Bitte eines Kirchenvorstehers eine von diesem zu Ehren 
des hl. Katald erbaute Kirche ausmalt (c.8). Hier rühren 
wir an Zusammenhänge, die vielleicht von der kunst- 
geschichtlichen Forschung einmal greifbarer gestaltet werden 
können. In diesem letzten Kapitel wird für die Stadt die 
uns geläufige Namensform „Tarentum“ gebraucht, während 
vorher immer von „Taranensis urbs, civitas, populus, Ta- 
ranenses cives* u.ä. gesprochen wird. 

Sprachlich ist das Stück mit seiner nicht immer 
grammatischen Ausdrucksweise, besonders dem häufig den 
klassischen Regeln widersprechenden Satzbau, ein typisches 
Beispiel für das italienische Vulgärlatein des früheren Mittel- 
alters in seiner gemässigteren Spielart. 

ı) Vgl. Gay, S.470, 503, 5B21f., 533 ff., 542; Chalandon I lil 


134, 173f., 178, 184, 224, 266. 
») Vgl. Gay, S.191f., 196, 377, 605 u.ö.,; Ohalandon] 3l. 


Hofmeister, Der Sermo de inventione sanoti Kataldi. 107 


SERMO DE INVENTIONE SANCTI KATALDI. 
Incipit*) Sermo de inventione corporis sancti 
Kataldi confessoris®). 

[1.]°) Regis‘) quidem occultum ac alicuius principis 
secretum celare bonum est!), Dei autem virtutes atque 
magnalia revelare et confiteri honorificum est. Unde con- 
gruum est, ut Christicolis archana divina preponantur. 
Humana enim, eo quod caduca sunt, semper ad infima 
relabuntur. Divina vero, quia ad omnipotentis Dei pertinent 
maiestatem, oportet, ut sepe memorie vel etiam litteris 
commendentur. Dicturus igitur, qualiter beatissimi Cataldi 
corpus inventum est, etlocum, in quo quiescebat, scribere 
cupiens, parum extra Taranensem“) urbem, ut prediximus?), 
inventum est. Cum autem me neque sufficientem neque 
idoneum ad hoc opus esse conspiciam, de sola Dei miseri- 
cordia confisus, qui, cum voluerit, etiam brutorum animalium 
ora resolvitin verba°) ef Zinguas infantium facit dissertas°)*), 
ad tantum opus quasi securo ponte me transire statui. Per- 
pendite igitur, dilectissimi fratres, quanta gloria apud omni- 
potentem Deum habeantur in cglo, quorum ossa, cum cognita 
ab hominibus fuerint, tanta aviditate‘) in terra colantur. 
Cum enim iam omnipotens Deus nollet amplius sui famuli 
lucernam sub modio contegi®), sed potius posita supra can- 
delabrum omnibus, qui sunt in domo Domini, luceret#)?), 
a) Incipit bis confessoris rote Ueberschrift c., f. 199'a unten c. 


b) f.199'b c. °) Grosse Initiale, das ganze Wort in Majuskeln c. 
d) So c., immer. °) So c. f) aviditäte c. 8) cöntegi c. 5) luc6ret c. 


ı) Vgl. z. B. Oltonis Fris. Chron. VIll, 35: „Est enim gloria 
regum celare verbum‘“; Prov. 25, 2: „Gloria Dei est celare verbum et 
gloria regum investigare sermonem.“ 

») Danach scheint ursprünglich ein anderes Stück über den 
hl. Katald vorhergegangen zu sein, das in diese Handschrift nicht 
aufgenommen wurde. 

” Vgl. Num. 22, 28: „Aperuitque Dominus 08 asinae a: locuta 
ost...“ 

9 Sap.10, 21: ,‚quoniam sapientia aperuit os mutorum et linguas 
infantium fecit disertas.“ 

6, Matth.5, 15: „neque accendunt lucernam et ponunt eam sub 
modio, sed super candelabrum, ut luceat omnibus, qui in domo sunt.“ 


a 


108 Hofmeister, Der Sermo de inventione sancti Kataldi. 


cuidam monacho eiusdem occlesie, in qua ipse beatissimus 
quiescebat, preposito in lectulo suo iacenti Domino co- 
operante*) ipse per se predictus pontifex quadam nocte in 
episcopali figura apparere?) dignatus est dicens: ‘Surge, ac- 
cipe consilium, qualiter meum corpus intra civitatem Ta- 
ranensem deferatur, ut cum maiori®) honore a populo meo 
mee‘) reliquie transferantur intra civitatem Taranensem. 
Procul dubio enim scias, quia amplius iam hic nolo ab- 
scondi.’ Cui ille: ‘“Quis’, inquit, ‘es, domine, qui mihi talia 
precipis?” At ille: ‘Ego sum’, inquit, ‘Cataldus Taranensis 
quondam episcopus.’ Quo dicto statim ab oculis eius sub- 
latus est. Predictus autem monachus, qui talia per visionem 
viderat, evigilans a somno obstupuit. Cepitque intra se de 
tam maximo negotio attonitus cogitare, dicens se indignum 
cernere ea, que viderat. Inde fit, ut alicui nollet narrare. 
Non post multos dies, cum iam dietus monachus Atenulfus 
territus esset pro nimia cogitatione, ante eiusdem gcclesie‘) 


portas requievit neque plenius dormiens neque plenius 


vigilans, denuo‘) apparuit sibi sanctus Cataldus in figura 
pristina. ‘Quare’, inquit, ‘neglexisti ea, que a me tibi pre- 
cepta sunt? Vide ergo, ne dubites. Surge, noli timere. 
Loquere cum episcopo et populo civitatis, quatenus quod 
tibi®) imperatum est, velociter adimpleatur.. Qui non ut 
.prius moram fecit"), sed statim perrexit ad urbem, et clam 
vocatis illustribus viris, qui sibi ad tale opus faciendum 
idonei!) esse videbantur, quibus causa, ut erat, seriatim ac 
diligentissime, quemammodum sanctus preceperat, narravit. 
Qui audientes gavisi sunt et consilio inito*) collegerunt 
secum alios eiusdem civitatis nobilissimos viros. Quibus in 
unum coadunatis rem, qualiter erat, monachus iterum in- 
timare curavit. Quibus auditis pre nimio gaudio lacrimas 
fundunt et statim habito consilio miserunt ad comites, ut 
voluntati eorum preberent!) assensum. Quibus consentien- 
tibus statuerunt inter se, ut die dominica in proximo ven- 


a) f. 2004 c. b) apparöre c. °) Soc., vgl. unten S.112. d) m66 c. 
e) gcle c. f) dEnuoc. 8) f.2005 c. h) verb, aus faoiens c. I) idönei c. 
k) fnito c. !) prebörent c. 


x ee 


Hofmeister, Der Sermo de inventione sancti Kataldi 109 


tura, si omnipotenti Deo placeret, deducerent sanctas re- 
liquias intus civitatem. Hanc tamen causam secreto reti- 
nentes, propter timorem Normannorum, qui eo tempore prope 
civitatem aderant°). Ascendit quedam multitudo populi 
Taranensis armataP) sagittis, iacolis°), et quibus necessaria 
erant ad expugnandum, contra Normannos in montem, ubi 
oppidum forte erat, quatinus eos, qui perrexerant extra 
portam civitatis T'aranensis die dominica summo mane ad 
deferendum sanctum corpus, defenderent, ne forte Normanni 
vi illud sanctum corpus ab eis tollerent. Tanta itaque‘) 
affuit benignitas Dei et meritum sancti corporis, ut predicti 
Normanni somno ebriati, nemo ex eis illa senserit hora. 
Interea populus Taranensis timebat hoc negotium manifestare 
illo tempore episcopo suo Gilberto nomine?), qui tunc eis 
preerat, eo quod ex eadem‘) gente ortus erat et tanti 
misterii eum proditorem sentirent‘). Tamen perrexerunt ad 
illum eique omnia per ordinem narraverunt, eo quod sine 
ilo tam magnum negotium adimplere?) nequibant. Pre- 
dietus autem episcopus hoc audiens, repletus est gaudio 
magno et hoc illis precepit, ut omnes secum eadem!") die 
ieiunio vacarent, quatenus valde mane, videlicet die lunis, 
deferrent sanctum corpus in ecclesiam sancte Dei genitricis 
Marie. Hoc tamen populus neque audire neque facere 
volebat. Dicebat autem populus: ‘Non sic, sed in medio 
civitatis hoc volumus ponere et esse nobiscum pro corporum 


a) äderant c. Pb) armäta c. °) iäcolis c. 4) mit -que beginnt 
f.200'a c. °) eädem c. f) sentirent c. 8) adimplöre c. h) eädem c. 


1) Dieser sonst nicht bezeugte Bischof Gilbert von Tarent (1094) 
ist wohl als Nachfolger des Erzbischofs Albert zu betrachten, der 
am 9. Dez. 1091 eine Urkunde Graf Rogers I.für Catania untersohreibt. 
Beide zu identifizieren (Albert etwa als Verschreibung für den echt 
frankonörmannischen Namen Gilbert zu fassen) empfiehlt sich nicht, 
wenn die Urkunde für Catania im Original vorliegt und wirklich 
Albert bietet (vgl. E.Caspar, Roger II. und die Gründung der nor- 
mannisch -sizilischen Monarchie, Innsbruck 1904, S.613 A.b). Als 
Bischöfe werden die Hirten von Tarent 1071, 1115, 1129, 1139 be- 
zeichnet. Ughelli, Italia sacra? IX 127ff.; F.Chalandon, Histoire . 
de la domination normande en Italie et en Sicile II (1907), 593 A.T. 
Di Meo 1X 72 nennt einen Erzb. Albert auch 1099 Dez., vgl. XI 318, 


110 Hofmeister, Der Sermo de inventione sancti Kataldi. 


et animarum nostrarum salute, et ut civitas nostra meritis 
istius sancti eripiatur ab igne, quo sepissime perpessa est.’ 
Coactus autem episcopus tandem assensum prebuit. Sed 
populus*) inter se discordante?), alii dicebant: “Deferamus 
illud ad ecelesiam sancte Dei genitrieis Marie’, et alii di- 
cebant:?) ‘Non, sed melius est, ut deferatur ad ecclesiam 
sancti Blasii martiris’, quod et factum est. Cumque inter 
se altercarentur et moram in episcopio facerent, quidam 
clericus surgens coram episcopo et omni populo sic est lo- 
cutus: ‘Cavete, quia inimici nostri hic in proximo sunt et, 
si tantum negotium senserint, procul dubio venient et illud 
sanctum corpus de nostra auferent potestate. Si placet 
domino episcopo et vobis, eamus velociter et deferamus 
illud et deponamus, ubi Domino et sancto placuerit anti- 
stiti’ Quo audito episcopus et omnes, qui illic aderant*), 
ianuas ecclesig aperientes, cursu rapidissimo ad sanctum 
corpus deducendum adierunt. Mira Dei res, quia nullus 
homo hoc dixerat, et multos viros ac mulieres et infantes 
per viam invenerunt. Sed puto angelo nuntiante illud 
sciverunt. Episcopus autem una®) cum clericis ecelesiam 
ingressus, cum ymnis‘) et orationibus plorantes, Deum 
omnipotentem deprecabantur, ut suorum inceptum propitia- 
retur. Tollentes sanctum corpus impositumque humeris‘) 
suis, nudis pedibus incedentes, ad civitaterm detulerunt. 
Sioque nutu Dei et voluntate sancti Cataldi confessoris ad 
ecclesiam beati Blasii martiris®) cum maximo gaudio et 
magno honore deportaverunt. Hoc factum est") anno do- 
minice incarnationis millesimo nonagesimo quarto //094] 
regnante domino nostro Jesu Christo, cui est honor et 
gloria in secula seculorum Amen. 

II. Cum iam omnipotens Deus nollet amplius sui fa- 
muli merita latere'), protinus hec fama volitando circum- 
quaque percrepuit, et omnes, qui habebant infirmos variis 
languoribus detentos, ducebant illuc, Dei virtutem saneti- 
que corporis expectantes, sani fiebant. 

s) Soc. b) /.200'6 c. °) äderant c. 4) und c. °) ymis c. f) hümeris e. 
m (saritiris c. 6) .201a c. !) latöre c. 


Il &. ii. 


1. u we “rt. 


Pen Eee 


Hofmeister, Der Sermo de inventione sancti Kataldi. 111 


IIl. Quedam etenim mulier de castello sancti Paris*) 
a demonio detinebatur. Sed audiens tanti viri miracula, 
venit ad ecclesiam ibique diu fatigata, malignus spiritus 
non sinebat ingredi?) ecclesiam. Cumque multis ... 
.. ...S)eretur ad ecclesiam intrandum®), tandem meritis 
beati Cataldi non post multos dies reddita est sospitati. 
Pluresque postea in d....‘) sua honeste vixit annos. Con- 
gregatis inde vicinis, oblationem tulerunt sancto Cataldo, 
qui tale miraculum in muliere illa contulit. Neque hoc 
silentio pretereundum putamus, quod omnipotens Deus per 
sui famuli merita operari dignatus est. 

‚ HI. Quedam alia mulier Arpinas‘) ®)nomine ab im- 
mundo etiam spiritu vexabatur. Que cum audisset tanti 
viri virtutem®), venit ad urbem Taranensem, ac!) intrans 
ecclesiam*) stetit ante sanctum corpus lacrimans et orans, 
ut a tanto inimico eriperetur. Que etiam a multis illic 
astantibus videbatur sublata a terra quasi duobus cubitis, 
rugiens sicut animal et multa alia, que vereor dicere, faciens. 
Sed virtute omnipotentis Dei ac beati Cataldi meritis ab 
hac passione liberata est. Quod etiam ipsa profitebatur se 
eum?!) vidisse per aera fugientem, se dimissa. Post non 
longum vero tempus veluti sanctimonialis in ipsa ecclesia 
servivit ibique diem clausit extremum. Considerate igitur, 
dilectissimi fratres, quanti meriti sit apud Deum iste sanctus, 
cui non solum alia, verum etiam ipse diabolus, ut audistis, 
obedientiam dat, cooperante domino et salvatore nostro 
Jesu Christo, cui est honor et gloria per immortalia secula 
seculorum!) Amen!). 

V. Neque hoc interserendum supradicto operi indignum 
putamus, quod beatus pontifex Cataldus suis meritis ad 
laudem omnipotentis Dei cotidie operari non desistit. Nam 

a) paris sehr abgerieben, nicht ganz deutlich c. ®) sehr ab- 
gerieben, i- nicht deutlich c. °) 6—8 Buchstaben abgerieben c. )ü 
ganz undeullich c. °) abgerieben (elwa 5 Buchstaben) c.; lies etwa 


domo. f) Arpinäs c. 8) f.20/b c. $) "virtutem“ viri, durch Zeichen 
umgeslellt c. 1) über der Zeile c. k) ocdä c. 1) 8.a.c. 


1) sc. spiritum immundum. 


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r 
r 


112 Hofmeister, Der Sermo de inventione sanoti Kataldi, 


preter istas, quas paulo‘) ante diximus, femina quedam 
alia ex eodem”) loco occulte a demonio vexabatur. Que 
auditis tanti pontificis virtutibus, cum magna fiduoia ad 
ecclesiam°) venit. Veniens autem ad ecclesiam femina, 
diabolus non est ausus vel permissus fatigare eam atque 
vexare. Sed consilio habito®) de sua possessione eidem 


 sancto cartulam fecit, ubi etiam ipsa se tradidit. Transacto 


vero parvo tempore,prec ibus et meritis beati Cataldi con- 
fessoris reddita est pristine sanitati. Ibique®) plurimos vixit 
annos, et usque ad diem obitus sui in ecclesia non destitit 
servire. Non est nostri operis cuncta examussimf) narrare, 
'sed pauca, que gesta repperimus, scripto narramus. 


VI. Quidam enim vir de castello quod Olavis®) dicitur 
graviinfirmitate tenebatur, que Grece paralisis, Latine tremo. 
membrorum dicitur. Adeo brachium eius dextrum sic tre- 
mebat, ut a pluribus hominibus illud retineri non valeretr 
Qui etiam ad plurima sancta loca missus, recipere non 
valebat sanitatem. Deus autem omnipotens suo famulo 
Cataldo curam illius servavit. Tandem vero a sancto ammo- 
nitus, ad sanctum pervenit corpus. Cui etiam tradens se 
’suamque possessionem, omnipotentis Dei bonitate et beati 
Cataldi confessoris meritis integre") restitutus est sanitati. 


Ibique') in ecclesia per aliquantum tempus omnipotenti 


Domino servivit. Postquam autem cognovit se bene*) esse 
de sua sospitate, superbus ad domum suam secure reversus 
est. Sed eadem!) nocte per visionem alloquens eum sanctus 
antistes dixit: ‘Quare de obsequio meo existi? Ut quid 
servitium meum reliquisti? Opere pretium est, ut ad domum 
meam revertaris. Sin autem, scias procul dubio, quia maiori”) 
infirmitate detineberis.” Qui nimio terrore percelsus, reversus 
est illuc cum omnibus, que ad se pertinere videbantur, et 
in eadem®) domo incolumis servivit Domino et beato Cataldo 
confessori Christi. Multis etiam postea vixit annis. 


&) paulö.c. b) eödem c. °) f.20/’a c. 4) häbito ec. °) Ibique c. 
f) exämussfm c. 8) elauis c. b) fntegre c. !) Ibique ce. k) f.201'6c. 
I) eädem c. m) So c., vgl. oben S.108. ") eddem c. 


3 - 8 


2 ..s 


L# 6, _- 


2.9 Pe | art ._2er z.: 238 3 


= IV ıı ’‚* 


Hofmeister, Der Sermo de inventione saneti Kataldi. 113 


VI. Non est mirum, si huic operi*) aliud miraculum 
adiungamus. Miles quidam secundum seculi dignitatem 
nobilis sepissime prediotam veniebat ad urbem. Cumque 
videret cives Taranenses sanctas reliquias venerantes, quasi 
deridendo sic est locutus: ‘SuperfluiP) et caduci, nescio, 
cuius 0ssa hominis mortui veneramini. Et hec dicens, in- 
flato gutture°), crispabat risos. Tunc ad domum suam re- 
versus, per visionem apparuit ei sanctus Cataldus dicens: 
‘Cur me despectum habuisti? Cave, ne amodo iam facias, 
et ne dubites, quod corpus meum illic positum sit.’ Oui 
ille: ‘“Quis’, inquit, ‘es, domine, qui in domo mea talia‘) 
mihi minaris?”” Et sanctus: ‘Ego sum’, inquit, ‘Cataldus 
Taranensis ecclesige quondam episcopus.’ Predictus autem 
miles hec audiens, tremens a somno surrexit, et citius cum 
magna festinatione pervenit ad ecclesiam, Dominum exorare 
et sancto Cataldo poscere misericordiam. Et quod facere 
sponte noluit, egit invitus. Cui etiam de suis causis pro 
oblatione optulit pecuniam. Et quandiu‘) vixit, quotiens 
predictam veniebat ad urbem, totiens ecclesiam sancti Ca- 
taldi Dominum deprecaturus intrabat. Illud quoque silentio 
necessitate preteriens, idoneum duximus, quod beatus Ca- 
taldus non solum in hominibus, verum etiam in animalibus 
cum Christi opitulatione dignatus est demonstrare. 

VII. Quidam namque ex genere F'rancorum peritissi- 
mus pictor, in peregrino habitu Tarentum‘) veniens, a quo- 
dam preposito audiente®) fama huius sancti viri retentus 
est. Qui rogans peregrinum illum, ut miraculum beati Ca- 
taldı designaret in ecclesia, unde ipse prepositus erat, talem?) 
sibi peregrinus ille consilium dedit dicens: ‘Domine prepo- 
site, si tue voluntati placet'), prius ad honorem eius sancti 
corporis ecclesia*) fabricetur, deinde ego illam libenter 
pingam.’ Sicque factum est. Auxiliante igitur omnipotentis 
Dei misericordia, eius ad honorem fabricata est ecclesia, 
sicque postea predictus peregrinus eam depinxit. Qua de- 

e) -j verb., anscheinend aus a c. ®) Superflui c. °) gütture c. 
4) .202a c. °) Soc. !) Sohierc. ®) So c. b) Talö c. 1) .2026 c. 
k) verb. aus -am c. 

Münchener Museum f, Philologie des MA. IV. 1. 8 


“ 


114 Ganszynieo, Textkritisches zum Archipoeta. 


picta, prephatus prepositus a quodam episcopo fecit eam®) 
consecrari ad honorem eiusdem beatissimi Cataldi confessoris 
Christi. In qua ecclesia multa miracula fiunt, propitiante 
domino nostro Jesu Christo, usque in hodiernum diem, ad 
laudem et gloriam domini nostri Jesu Christi, qui cum patre 
et spiritu sancto vivit et regnat, trinus et unus Deus, nunc 
et semper et per omnia secula seculorum. Amen). 


8) über der Zeile c. b) Es folgt rot: Hio est finie. c. 


Berlin-Steglitz. A. Hofmeister, 


Textkritisches zum Archipoeta. 


Dank der mustergültigen Sorgfalt von Manitius besitzen wir 
nun eine Ausgabe des flotten Dichters, die ihn uns wirklich ersohliesst, 
und ihn wohl auch, wie bei uns, in den Kreis der „Seminarsohrift- 
steller“ einführt. Allerdings kann man ein Gefühl bei dieser Aus- 
gabe nioht los werden: dass Manitius im Bestreben, konservativ zu 
sein, allzu konservativ gewesen, und uns so wohl die Tradition, aber 
nicht das Original vermittelt hat. Die Methode, wie sie die Historiker 
mit Recht für ihre Urkunden ausgebildet haben, lässt sich doch nicht 
ohne weiteres auf hochliterarische Werke übertragen. 

Ueber die Anordnung ist wenig zu sagen. Der Anhaltspunkte 
für eine chronologische Festlegung sind so wenige, dass — die An- 
gabe der hslichen Ordnung, wie dies bei Manitius geschehen, voraus- 
gesetzt — leicht auch eine andere Zusammenordnung sich begründen 
oder bestreiten liesse: nur hätte ich nicht: leicht VIII von III ge- 
trennt, da beide doch ersichtlich, wenn auch in verschiedenem Ton, 
dasselbe Thema abwandeln, dasselbe vergessen machen wollen. Ist 
es ja zudem zweifellos, dass wir nicht das ganze Werk des Archi- 
poeta besitzen. Ich beschränke miph daher auf die Textkritik, und 
nur hie und da werde ich Gelegenheit haben, auf Sachliches ein- 
zugehen. | 

I 1.2. Die beiden ersten Verse gehören nicht hierher, und sind 
überhaupt schwerlich vom Archipoeta. Einmal ist es auffallend, dass 
statt der leoninischen Hexameter ausgerechnet die beiden ersten 
Blankvers sein sollten; aber selbst in dem Fall, dass man die Asso- 
nanz fempus— versus als Reim verteidigen wollte, liesse sioh darauf 
einmal sagen, dass bei der sorgfältigen (VI 9) Technik des Archi- 
poeta ein solcher Reim ihm selbst schwerlich genügt hätte, sich 
auch in den andern gereimten Gedichten bei ihm nioht (wohl aber 


Ganszyniec, Textkritisches zum Archipoeta. 115 


bei andern) solche Assonanzen statt des Reimes finden. Erheblicher 
möchte aber für andere wohl der Umstand sein, dass der Archipoeta 
bei Endreim entschieden Strophenform bevorzugt (X 23q.). Freilich 
müssten wir all dies mit in Kauf nehmen, wenn diese beiden Verse 
unentbehrlich zum Verständnis des Gedichtes wären. Aber sind sie 
e3? ‘Ich empfinde sie eher störend; denn mit v.3 beginnt in feier- 
lichem Ton die Anrede — man mag hierbei an das Horazische 0.11 
Maecenas, atavis edite regibus denken —, wobei die Fiktion der 
persönlichen Ansprache (kec loguor) sich neben der etwas prosaischen 
Ueberreichung des Scriptums (v.2) etwas merkwürdig ausnimmt. 
Streitet nicht das presens in tegmine macro (v.3) mit der körper- 
lichen Anwesenheit (v.2)? Ist es nicht wahrscheinlicher, dass der 
Archipoeta im Hinblick auf Horaz dieses, vielleicht sein erstes, oder 
als erstes gedachtes Gedicht mit der Nennung seines Gönners be- 
gonnen? Man lasse v.1.2 fort und sofort empfinden wir den frischen 
Hauch der kecken und so überaus liebenswürdigen Dichtung. Man 
wird dann freilich den Punkt nach macro tilgen, und rubore: schreiben 
müssen — aber das sind F'orderungen, die jede Interpretation ohne- 
hin erheben würde. 

I5 vive, vir inmense, tibi concedit regimen se; das Reflexiv 
steht hier, wie auch sonst manchmal, für das Passiv (conceditur); 
der Sinn freilich scheint mir concreditur zu fordern ‘wird anvertraut’, 
ein gewählterer ma. Ausdruck für iraditur, den z. B. Oesterley im 
Dolopathos (Strassburg 1873) 4, 28. 13, 14 nicht verstanden hat. — 
Zu v.8 hätte auf VI 83, 2 verwiesen werden Können. 

112 cor miseris flecte, quoniam probilas docet hec te: wie hec 
zeigt, ist probitas (wie oft so pielas I 13. VI 24, 4.25, 1. X 24. 39) 
hier prägnant ‘Mildtätigkeit’ = cor miseris flecte: und dann kann 
e8 freilich nur decet heissen; er bringt so auf seine Art das zum 
Ausdruck, was in v.11 mos, 13 solita soll. | 

I 1, 8 sed quid loquor, qui loqui nescioP Der Archipoeta hat 
loguar geschrieben, vgl. VI 19, 3. | 

li 2, 3 at subportet etc. Hier denkt der Archipoeta m.E. an 
Gal.6, 2 alter alterius onera portate, et sic adimplebitis legem Christi. 
— Dass der Archipoeta 3, 2 das geläufige ponam in premam variiert 
habe, fällt mir schwer zu glauben. II 4,4 ‘iu autem’ dicat in medio. 
Meyer ist mir unzugänglich, aber auch so sieht die Bemerkung hierzu 
wie ein Missverständnis aus. Bei der Lektion der täglichen Komplet 
Fratres, sobrii estote et vigilate etc. singt der Lektor am Schlusse: _ 
Tu autem, domine, miserere nobis, worauf die andern antworten: 
Deo gratias (die Horengebete gehören nicht zur Liturgie), Von da 
ist dieser Gebrauch ins Refektorium übergegangen; die Lesung bei 
Tisch wird, nachdem der Prior oder Abt dem Lektor zugerufen 
sufficit, vom Lektor mit der gleichen Formel geschlossen. Diese 

gi 


116 Ganszynieec, Textkritisches zum Archipoeta. 


Uebung besteht noch in den heutigen Klöstern. Richtig sagt darum 
der Dichter, dass der Zector das tu autem sagt. — T, 1 ist potentialiter 
= mirabiliter, eine Wortbedeutung, die mir sonst nicht begegnet ist. 

II 13, 1 Auius mundi preterit orbita i. e. vesligium, wie so oft. 
Der Dichter denkt dabei an Mt. 24, 35 Mc.13, 31 coelum et terra 
transibunt (verba autem mea non praeteribunt). 


II 20, 3 creature misertus mobilis | est pro nobis factus possibilis. 
Manitius schlägt robilis (als Nom.) vor: das käme der Hs. freilich 
nahe und würde dem Sinn entsprechen; aber es widerspricht der 
Technik des Dichters, der jeden Vers in sich abrundet und die ein- 
zelnen Verse nicht so eng miteinander verkettet; also steckt in 
mobilis ein Adj, zu creatura, ich denke debilis. — 39, 1.8 ist das 
Komma zu streichen, dagegen 42, 1 statt des Semikolons zu setzen. 

III 4,1 mihi cordis gravitas res videtur gravis: was ist denn 
cordis gravitas? Ich denke, es hat zu heissen cordis gnavitas, denn 
so sagt der Dichter, mit sichtlicher Anspielung auf v. 1, im letzten 
Vers der Strophe, dass seine herrliche Venus zunguam in cordibus 
habitat ignavis. 

III 8, 3. Das lockere Leben in Papia war gewiss in erster Linie 
durch den Hof mitveranlasst. Die Nennung der Venus bleibt aber 
immerhin auffallend; ich meine, sie wird einigermassen begründet 
durch die auch sonst merkwürdige Tatsache, dass sich gerade in 
Papia eine Kirche zu Ehren der hl. Maria Veneria befand, wie wir 
aus Cardanus, De rerum varietate 585 erfahren (Papiae...templum 
antiquissimum Mariae Venereae — credo quod oppidum Veneri olim 
esset dicalum). | 

III 11, 4 ‘In der Schenke will ich bleiben, bis ich die lieben 
Engel kommen seh cantantes pro mortuis ‘Requiem eternam’. Da 
e8 spezifische Totenengel (etwa ausser St. Michael) im Ma. nicht gab, 
soll es doch wohl heissen pro.mortuo ‘wenn ich sterbe’. Diese Vor- 
stellung war dem Ma. sowohl aus dem Leben der Väter (Vit.patr. III 13 
MSL. 73, 10114.) als aus sonstigen Legenden geläufig. 

II1 23,3 quasi modo genitus novo lacte pascor: die Anspielung 
kam dem Dichter nicht unmittelbar aus I Petr. 2, 2, sondern in der 
im Introitus der Dominica in albis (daher Sonntag Quasimodogeniti) 
geläufigen Form: quasi modo geniti infantes, rationabiles, sine dolo 
lac concupiscite. z 

IV 7, 3 invidet tanto socio mens Romani principis: Schmeidler 
hat invidet schon aus inneren Gründen beanstandet, m. E. mit vollem 
Reoht; ausschlaggebend ist jedoch der Umstand, dass der erste Vers- 
teil eine Silbe zu viel zählt, — eine Naochlässigkeit, die dem Archi- 
poeta nicht gut zuzutrauen ist, und darum haben wir invidet durch 
gandel zu ersetzen. 


Ganszynieo, Textkritisches zum Archipoeta. 117 


IV 11, 2 atyras imposuil melodiam musicam; Manitius denkt 
sich afyras allenfalls als Eigenname, und das ist gar nicht so weit 
ab vom Richtigen; wir müssen lesen: @# yrus; denn der homerische 
Idealbettler Irus (Od.18, 239) ist den römischen Dichtern durchaus 
schon Typus des Armen, wie Croesus des Reichen, vgl. Ovid. trist. 
ID 7, 42 Irus et est subito, qui modo Croesus erat. Was freilich der 
Sinn der Strophe ist, ist mir auch so nicht klar. Soll Irus (wie 
Jonas VII 45 usw. der Dichter selbst) etwa heissen, dass der Dichter 
in burlesker Weise zu seinem Sang eine volkstümliche Melodie, die 
Weise von Bänkelsängern gewählt? So viel ist sicher, dass /rus 
schärfer als alles an des Gönners Mildtätigkeit appelliert. 

VI 5, 2 scheint mir Manitius’ Vorschlag plane (für nane) das 
Richtige zu treffen. — 16, 4 mit preter te weiss ich nichts anzufangen, 
Schmeidlers propter ist noch das Beste, vgl.IV 8. 

V119, 1 mendicare pudor est, mendicare nolo: der Dichter zählt 
der Reihe nach im losen Anschluss an 1 Lo 16, 3 verschiedene Be- 
rufe auf, die wohl (4eld bringen, aber — für ihn nichts sind. Es ist 
nicht ersichtlich, warum er mit solcher Emphase die Bettelei abweist 
— ich meine eher, darüber müsste er leise hinweggehen, da er 08 
ja gerade tut. Es muss ein Wort dagestanden haben, das einen 
Uebergang zu den /ures bildete; einen solchen bildet aber doch für 
einen Dichter und Gelehrten der Handel, der ehrliche Raub am Mit- 
menschen: also verditare nolo. Dass in 19, 4 dies nicht mit erwähnt 
wird, spricht nicht dagegen, wird ja auch der Kriegsdienst über- 
gangen und nur der biblischen Beschäftigungen gedacht. — 24, 1 ist 
doch gewiss neidisch, nicht ironisch: es spricht der Kastengeist gegen 
die Laientroubadours, die nicht nur auf Burgen, sondern auch im Bi- 
schofspalast glänzend aufgenommen wurden; denn die Zaici.../(20,3£.). 

V1 29, 1 Archicancellarie, spes et mea solus: es hat es dage- 
standen. — 31, 4 Ebenso hat es geheissen /argo nunguam poteris 
animo deesse: denn das ist der Sinn des Argumentes & fortiori: gut 
ist’s, einem zu helfen, besser aber, mehreren, also... — 382,3 ef non 
sum, qui curias intrem imprudenter: ich denke, der Dichter schrieb 
impudenter, denn Bescheidenheit ist eine Zier (28, 1). Die gi sind 
die Zeccatores 23, mimi 25, 8, die hineingehen, während der hungernde 
Dichter vor der Tür friert. Die Erzfeindschaft des Klerikers gegen 
sie spricht auch aus den Bestimmungen der Kirche gegen sie, die 
einer Exkommunikation gleichkamen, Jon. Jahresber. Policrat. I 8 
(Migne 1.199, 406): Sacrae gquidem communionis gratiam histrionibus 
et mimis, dum in malitia perseverant, ex autoritate Patrum non am- 
bigis esse praeclusam. | | 

VU 1, 3 quisquis — &, 2 domino, doch wohl nur Druckfehler. 

VIII 1 Fama tuba danle sonum:: köstliche Parodie zur Sequenz 
der Totenmesse, v.3 Zuba mira spargens sonum | per sepulchra re- 


118 Ganszyniec, Textkritisches zum Archipoeta. 


gionum | coget omnes ante thronum. Diese Sequenz wird sonst selten 
parodiert; eine solche Parodie auf P.Montmaur lesen wir als ‘Naenia, 
inconditum carmen in funera parasiti Becodiani decantata’ bei de Sal- 
lengre, Histoire de P. de Montmaur, Haag 1715, t. 310—316. 

25 sed pluralis genitivus: da ist zuviel herumgeraten worden, 
sogar um Kanzler und Dichter in üblen Ruf zu bringen; genitivus 
— tesliculus, eine Bedeutung, die doch gewiss nahe liegt, wie jedes 
Lexikon zeigen kann; natürlich muss er hier pluralis dazusetzen, wo 
er für seinen Reim bloss den Singular brauchen kann; der Plural 
selbst steht richtig v. 89. Der Ausdruck ist augenscheinlich der 
Dezenz zuliebe gewählt. — 30 drute sui = bruto porco. 

41 cuius carnes sunt absortg | sed cor manet adhuc forig: ist 
nichts weiter als Paraphrase von Mt 26, 41. Mc 14, 38 spiritus guidem 
promptus est, caro vero infirma. Die Beziehung zu IIT4, 4 fällt aus 
dem Rahmen, ganz abgesehen davon, dass man bei derlei Gelegen- 
heitspoesie grundsätzlich keine Beziehungen von einem Lied zum 
andern konstruieren sollte. Hat ja doch unser Dichter vielleicht 
selbst mit dem kurzen Gedächtnis der Leser seiner fliegenden Blätter 
gerechnet, III 14ff. So verliert das Lob IV 6, 3 durch den Hinweis 
auf II 39 und wird parodistisch. 

v.50 Sieh, dein Jonas weint: veniam vult et implorat, | ut a 
peste, qua laborat, solvas eum, [qui decorat | laudibus te,] quem 
honorat. Der Vers, den ich beigegeben, ist ausgefallen: das beweist 
der Umstand, dass eum den Dichter, guem aber seinen Gönner be- 
zeichnen muss. Das klassische decörare (z. B. auch Horat. Epist. II 
1, 266 nec prave faclis decorari versibus opto) ist schon frühzeitig 
zu decörare geworden (z. B. Cypr. Genes. 1394); Zaudes ist in diesem 
Sinn unserem Dichter durchaus geläufig, vgl. IV 2, 1. 9,1. VII4,4. 
X 3. 82. 

IX 9, 3 vermutet Manitius richtig vereor statt videor; — 12,3 
dagegen ist die Erklärung wohl ein Missverständnis: sed eius interitus 
venit instar furis; Jer Dichter dachte dabei an 1 Thess.5, 2 (4 vgl. 
Lo 12, 39f.) dies domini sicut fur in nocte, ita veniet. 

IX 15, 4 /acrimis inducias postulans abeo: zu schreiben haben 
wir, einmal nach dem Zusammenhang, und wegen der unwahrschein- 
lichen Betonung (vgl. pereo II 36, 4), zb eo, von dem Heiligen. 

X 19 pro vili panno sum vilis pargue lyranno: dieser Vers hat 
Manitius einiges Kopfzerbrechen gemacht. Ich weiss nicht, wie sich 
da andere herausgefunden haben; denn zu schreiben ist unbedingt: 
pre vili panno sum vilis parque trulanno,; zu pre in diesem Sinn 
vgl. IV 9, 2. VI 21, 2. VII 22, 2; zu Z/rufannus, neben Ducange, 
VIII 83. Den Sinn erläutert Seneca epist. 47, 16 siultissimus est 
qui hominem ex veste aut ex condicione, quae vestis modo nobis 
circamdata est, aestimat, und das deutsohe Sprichwort: Kleider 


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Aohelis, Die Adresse der Epistula Aesopi. 119 


machen Leute. — 24 ist Manitius’ Vermutung solito für solo richtig, 

‚nicht nur nach I 13, sondern eben wegen des Sinns: ‘du bist noch 
der alte, der du dort warst.’ — 33 Entweder erklärt Manitius I 14 
et transmontanos, vir transmontane, iuva nos oder diesen Vers ver- 
kehrt, denn frans Alpes= trans montes. Ich glaube, dass I 14 die 
richtige Erklärung hat, und demnach kic Deutschland, Cöln ist. 
Darauf deutet auch reversus v.1. redeo v.23 ‘Rückkehr in die Heimat’, 
und das Gedicht benutzt eben die Rückkehr, um mit Nachrichten 
von drüben die gewohnte Bitte einzuschmuggeln. 


Posen. R. Ganszyniec. 


Die Adresse der Epistula Aesopi. 


Auf die Epistula Romuli folgt in einigen Handschriften der . 
Romulusfabeln eins Brief des Aesop'), Im Gudianus lat. 148 trägt 
der Brief das Präskript: Magistro Rufo Aesopus salutem, in den 
Handschriften der Recensio gallicana ?) magistro Rufo Aesopus. Georg 
Thiele bemerkt hierzu in seiner Ausgabe des lateinischen Aesop des 
Romulus®): „Die Adresse ist vielleicht nicht ursprünglich, vollständig 
nur in W. (= Gud. lat. 148) erhalten. Magistro Rufo Aesopus salutem. 
Die Wortstellung der Adresse ist nicht die in lateinischen und 
griechischen Briefen gewöhnliche, sondern durch die Ueberseizung 
oder Umarbeitung verdorben.“ 


!) Er steht im Burneianus 59, Cod. 84 der Stadtbibliothek von 
Le Mans, Oxoniensis Coll. Corp. Christi 42, Monacenusis lat. 756, 
Gudianus lat. 182, Vindobonensis lat. 901, und im Gudianus lat. 148, 
ferner am Schluss der Romulusfabeln im Vindobonensis lat. 303. 
(Ebenso in Oesterleys Ausgabe, 1870, 8. 87.) Nach der Angabe 
Thieles (Der Lateinische Aesop des Romulus, Heidelberg 1910, S.2 
und 4) fehlen beide Briefe im Vossianus lat. oot. 15, aber S.856 gibt 
er die Epistula Romuli in der Sonderüberlieferung des Ademar-Kodex 
(wie er den Voss. 15 nach dem Schreiber nennt), wo er fol. 4® steht, 
vgl. Thiele S. CLIV. 


2) Es sind die Anm.1 genannten Hss. ausser Vindob. 303 (in 
der Recensio vetus, zu der diese Hs. gehört, fehlt das ne) 
und Gudianus 148. 


9) Heidelberg 1910, S. 4—5. 


120 Achelis, Die Adresse der Epistula Aesopi. 


Ein Terminus post quem für das Romulus-Corpus ergibt sich 
aus der Fabel vom Affenkaiser!) IV 8°). Auf die Frage des Affen, 
wer er sei, antwortet der Sohmeichler: Du bist der Kaiser, auf die 
weitere Frage nach denen, die vor ihm stehen, antwortet derselbe: 
hi sunt comites tui, primicerii, campidoctores et cetera officia®). Das 
ist das Gefolge des Kaisers, wie es sioh in Konstantinischer Zeit 
herausgebildet hat, speziell sind die comitiva damals eingerichtet‘), 
Also sind auch die beiden Briefe frühestens im Anfang des vierten 


{N 
Jahrhunderts an die Spitze der Sammlung gestellt worden. Für 31 
diese Zeit kann man in der Wortstellung der Adresse nichts An- r 
stössiges finden. Frronto hat zuerst in der lateinischen Literatur, 3 
wenn er einen Brief an den Kaiser schrieb, den Namen des Emp- IR; 
fängers aus Höflichkeit vorangestellt, z.B. p.41 Naber: Domino meo x; 
Caesari Fronto. Auch in den griechischen Briefen findet sich vom 


zweiten Jahrhundert n. Chr. an die Inversion des Namens des Ab- 
senders: t& delv: 5 detva üyıalvsv. So schreibt der Untergebene an I. 
den Vorgesetzten, bald auch so der Gleiohgestellte dem Gleich- 
gestellten; nur der Höhergestellte beharrt naturgemäss meist bei 

der ursprünglichen Reihenfolge: Erst Name des Absenders, dann 

Name des Empfängers. Charakteristisch ist die Höflichkeit und 
Unterwürfigkeit des Kaisers Claudius: Senatui populoque Romano 
Claudius princeps (Scriptores historiae Augustae 15, 7, 2 Peter), 
umgekehrt die Insolenz, mit der die Soldaten an den Senat sohreiben: 

Felices ac fortes exercitus senatui P.Q.R. (26, 41, 1)°). 


ı) Oesterley spricht minder genau von einem Affenkönig 
(Romulus, 1870, S.Vl, XX, XXU, XXX, XXXIU, 122; ausdrücklich 
sagt der Fiallax: imperator es, der römische Kaiser ist das Vorbild. 
Ein König ist er bei Camerarius (S.198) und Burkhard Waldis IV 75, 
wo der Affe eine „Königlich Maiestat“ (v. 66) ist im „Affenthal“ (v.52). 

2) S.82 Oesterley; Fab.LXX VIII Thiele. In Steinhöwels Assop 
(hrsg. von Oesterley, 1873) Fab. 68. 

°s) Steinhöwels Text weicht ab: isti sunt milites tui primicerii, 
campiductores, milites el alii officiales; seine Uebersetzung (S. 181 
Oesterley) erweitert sehr: Die sint dyn ritter, din indersten rät, 
dyn houplman und fürer der her, und dyn hoffmaister, marschälk, 
schenken und kämerling und ander amplüt, die du hast. Burkhard 
Waldis IV 75 geht auf das Gefolge nicht ein. j 

4) Vgl. Seeck bei Pauly-Wissowa, Real-Enzyklopädie IV Sp.680. 

s) Vgl. F. Ziemann, De epistularum Graecarum formulis solem- 
nibus quaestiones seleotae, Diss. philol. Hal. XVIII 4 (1911), dazu |. 
Hans Haas, Berl. philol. Wochenschr. 1912, Sp. 332—841, J. Babl, De 
epistularum latinarum formulis, Progr. Bamberg 1898; auch G.Norden, 
Antike Kunstprosa I 288, A. 1. 


Achelis, Die Adresse der Epistula Aesopi. 121 


Hierzu stimmt der Brief des Aesop. Er schreibt an den Magister 
Rufus. Es ist eine sehr schöne Entdeckung Thieles!), dass in dem 
Magister Rufus der samische Philosoph Xanthos, der aus dem grie- 
ohiscohen Aesopbios bekannte Herr des Sklaven Aesop®), steckt. Es 
setzt also der Aesopbrief den Aesopbios voraus, Assop schreibt an 
seinen alten Herrn auf der Insel Samos, — er schreibt in aller Höf- 
lichkeit und Unterwürfigkeit und erlaubt sich, ihm seine „memoria“, 
sein F'abelbuch zu dedizieren®) als eine Lektüre für das behagliche 
Alter, und zur Erziehung seiner Diener. Also ist die Voranstellung 
des Adressaten recht wohl am Platze, und der Brief also nach der 
Mitte des zweiten Jahrhunderts — 143 war F'ronto Konsul — ver- 
fasst; dass er nicht einfach aus dem Griechischen übersetzt ist, 
lehren die Phaedrus-Reminiszenzen; ob überhaupt vor der griechi- 
schen Fabelsammlung ein entsprechender Brief stand, was nach 
Thiele „höchst wahrscheinlich“ ist‘), will ich nicht untersuchen, 
Doch eher wohl darf man schliessen, dass Romulus einen Aesop 
benutzte, dem ein Bios voranging. Dass der Aesopbios in den ersten 
christlichen Jahrhunderten stilisiert sei, hat Paul Marc aus dem 
literarischen Porträt des Aesop geschlossen ). 

Ueberliefert ist im Gudianus 148, wie wir anfangs sahen, 
Magistro Rufo Aesopus salutem, in den übrigen Hass. Magistro Rufo 
Aesopus. Thiele hält salutem für das Ursprüngliche, mir scheint es 
ein Zusatz zu sein. Eine sichere Entscheidung zu treffen ist wohl 
unmöglich, doch der Sprachgebrauch des Fronto, auf den wir schon 
oben uns bezogen, lässt die alleinige Nennung von Adressat und 
Absender wahrscheinlicher erscheinen. 

Ich stelle einige Briefe zusammen, zunächst des Kaisers: p.18 
Niebuhr®): M. Caesar Frontoni magistro suo salulem, p.47 M. Aurelius 
Caesar consuli suo et magistro salutem, p.68 amplissimo consuli 
magistro suo M. Caesar salutem, p.99 magistro meo salutem, ebenso 
p.145; dann des Fronto: p.4 /mp. Antonino Pio Augusto Fronto, 
ebenso p. 9 und 11, p. 5 Antonino Pio Fronto, p.8 domino meo 
Caesari, p.22 M. Caesari domino suo Fronto, p. 27 Caesari suo 
Fronto, p.43 domino meo, p.52 Caesari Aurelio domino meo consul 


1) Der lateinische Aesop des Romulus (1910), S.XV. 

ı) Fab. Rom.I, p. 238. Eb. Zavdog 82 6 YuAlöoopog ATi. 

s, Vgl. Rhein. Mus. LXX (1915), S. 887, A,2. 

*) a.2.0.S.XV. 

s) Paul Marc, Die Ueberlieferung des Aesopromans, Byzanti- 
nische Zeitschrift XIX (1910), 8.384 (vgl. J.Fürst, Die literarische 
Porträtmanier ... ., Philologus LXI (1902). 

‚© Ueber die wenigen Ausnahmen lässt sich nach der Niebuhr- 
schen Ausgabe keine Entscheidung treffen. 


1223 Müller, Zu den neuen F'unden aus dem 12. Jahrhundert 


tuus Fronto, p. 97 domino meo Antonino Augusto Fronto, p. 11g 
Antonino Augusto Fronto, ebenso p.116 und 145. 


Also pflegt der Kaiser den F'rronto zu grüssen; Fronto unter-. 


lässt seinem Kaiser gegenüber, um die Ehrerbietung auszudrücken, 
einen Gruss. Ebenso lautet im zehnten Buch der Briefe des jüngeren 
Plinius die Ueberschrift der Briefe des Kaisers stets: 7raianus Plinio 
salutem!), während Plinius regelmässig schreibt: C. Plinius Traiano 
imperatori®). So scheint mir auch „Aesop®, der den Namen des 
Xanthos voranstellt, nicht durch ein zugesetztes salutern*) die darin 
liegende Hochachtung wieder vernichten zu dürfen; die richtige 
Adresse wird also sein: Magistro Rufo Aesopus. 


Hadersleben, 11. September 1918. T. ©. Achelis. 


Zu den neuen Funden aus dem zwölften 
Jahrhundert. 


Eine erneute Vergleichung der von Degering, PBB. 41 (1916), 
513f., veröffentlichten Bruchstücke ergab mir die nachstehend auf- 
geführten Abweichungen von seinen Lesungen. 

Ich möchte dazu noch bemerken, dass man an vielen Stellen 
der Hs. die Wörter zwar erkennen, nicht aber, ohne den Wortlaut der 
betr. Stelle mit mehr oder weniger Wahrscheinlichkeit vorher zu 
wissen, einwandfrei lesen kann. Solche Stellen kommen bei D. nicht 
zum Ausdruck; ich erwähne sie nur, wo meine Lesung abweicht, — 
Von den vielen teilweise zerstörten Buchstaben führe ich nur die an, 
wo ausser D.s Ergänzung noch eine andere möglich ist. — Die 
a. a. 0. S. 543 erwähnten Fälle falscher Interpunklion trage ich 
nicht nach. 

Die 5.542 Z.7 v.u. angeführte Abkürzung ” sieht für ur, nicht 
or, im Eilhart 386 k”uenal und 410 k”|zer. 


1. Eilhart. 
25 begunde schwer, aber noch genügend lesbar; olagen unlesbar 
— 36 Daz — 77 domuft — 98 tv — 104 in| — 127 tiftrände (sonst 
stets tifträt mit kleinem Anfangsbuchstaben, wie alle Eigennamen) 


ı) Brief 21—65 die ungeraden, 68—122 die geraden Nummern. 

2») Brief 1—20, von 22—66 die geraden, 67—121 die ungeraden 
Nummern, 

°, Anders zu beurteilen sind familiäre Briefe, in denen salutem 
fehlt; vgl. Babl, De epistularaum latinarum formulis (1898), S.11. 


Müller, Zu den neuen Funden aus dem 12. Jahrhundert. 128 


— 134 Hatt® — 150 och, Schnitt zwischen o und o — 174 vorgetzen!) 
— 178 lange: nur Reste des letzten Buchstabens, = e? — 213 dinen: 
nur ein Strich sichtbar: ı — 221 h&let gebessert aus {? — 288 gute 
g deutlich — 243 trüwen nur untere Hälfte der Buchstaben sichtbar, 
ü oder u? — 245 iets ich lese teil, nur untere Buchstabenenden 
sichtbar; ebenso bei gram und 246 wil — 255 iz auf Rasur, wovon? 
— 264 zv; künfü — 275 kumich — 287 (Anm.) vröwedö — 304 Hun- 
dert H aus h gebessert; fillige — 807 rvmeteden — 317 alagreufe 
— 8321 iegewiffe — 825 dotet? — 839 vnde ausgeschrieben — 389/41 
auf Falzbruch, mit Sicherheit ist nur zu lesen wa.... h.. eme. Daz 
er.... ch... do... — 341 vröwe ” sichtbar — 342 miffe fpechen — 
343 begunde — 344 fveiz — 348 (Anm.) wahrscheinlich siatt 
sioher — 350 Swer — 358/65 lief — Mychele die Wörter sind nur 
aus den unteren Buchstabenenden mehr oder weniger gut zu er- 
kennen — 355 alagreüfe — 357 mi — 359 fi — 366 ovge — 867 vor- 
nemet — 369 guam der — 382 (Anm.) wuze deutlich — 391 trifträt 
— 397 (Anm.) wallere nach dem vorhandenen Platz ist w wahr- 
scheinlich — 421 vorsich — 480 A rot, zweizeilig — 486 t'fträde — 
440 mineliche kein Strich — 446 wurbes w aus anderem (welchem?) 
Buchstaben gebessert — 448 t'weliche — 450 vingerin erkennbar, 
sonst nichts — 452 suz letzter Buchstabe undeutlich — 458 Blan| 
kande k erkennbar, darnach e oder a? — andie. 


2. Tagzeitengedicht. 


2 Da — 7 werdeftv — 10 Gemifchet schwer lesbar, aber zu er- 
kennen — 12 ademe kein Strich über a sichtbar — 17 qveme — 19 
hY.en mittlerer Buchstabe unsicher — 21 sint mit anderer Tinte 
übergeschrieben — 22 dine lüte ich lese mich gYte, d ausgeschlossen, 
keine Korrektur erkennbar (Anm. bei D.) — 24 goteft — 39 Ivt un- 
sicher — 42 Dv v halb zerstört, aber sicher erkennbar — 53 den 
noch; trv — 54 ritfer — 58 barhithe das zweite h aus t gebessert 
— 62 vn dahinter Wort von fünf bis sieben Buchstaben, nicht lesbar 
— 65 hire fi unsicher — 68 di deutlich — 70 Con|plelte — 72 bracht 
von eo nichts erkennbar — 77 dich sehr dunkel und zum Teil zerstört, 
aber erkennbar — 18 beg've — 80 wol unsicher. 


3, Thobias. 


8 nith (vgl. zu Eilh. 174) — 16 bvoch — 54 alfoman — 60 zv 
— 63 gevie; das gestrichene Wort war eher wm als vnt — 73 Dvreh 
— 74 wandiz — 78 nur nach erkennbar — 8b iz: ez? — 86/6 sicher 


1) Die Formen des t und co sind in der Hs. vielfach nur sehr 
schwer zu unterscheiden; eine unbedingte Sicherheit der Lesung ist 
oft nicht zu erreichen. - 


— 


124 Wilhelm, Die Quellen zu Veldekes Servatius. 


ist nur lesbar gine zv fin® zw®... h’vochte de dot — 87/8 sicher 
lesbar nur slan.... alfo... me... wive getan — 89 kintt erkennbar 
— 93 nehane; neh6 (?) letzter Buchstabe undeutlich — % v'.\egen 
dritter Buchstabe undeutlich — Veberschrift: . et de eius.... 
lesbar nur 4 de ei.... ulo... Abergeschrieben vita — 108 Daz — 
108 fungen — 109 velt unsicher — 111 svnden undeutlich — 112 hvde 
— 114 hymelistraze kein Strich! — 125 Thobyas — 153 fichfo — 
164 gvten — 171 den; befneiht — 172 and — 180 dvroh — 181 vn- 
rofhes — 183 ge az — 1% iherer:therer (?) — 191 bvch — 195 wi- 
her — 196 vnt fethe — 

197 Niwf; nfnfue — 198 neve:here schwach, aber erkennbar — 
noe ohne Trema — 199 Alivr — 200 babilonien o aus v gebessert 
— 201 Balse ich lese half — 202/4 alden auf Falzbruch — 202 fine 
lute ich lese mit liften; diese Wörter, ferner richten, 203 zvngen, 
204 die alden sind kaum zu erkennen — 204 fugen ohne Strich — 
206 dumnen — 228 be durfthen — 238 gvde — 242 dar — 261 fie — 
261 neweiz — 24 ifge.... en unsicher — 267 her:hie — 271 feluef. 


4. Spruchdichtungen. 
1. 
7 konn — 8 Alfe — 11 woinich — 13 wole — 
2 


2/3 gebuden.gnegefnen — 8 dat unlesbar, Wurmfrass — 11 
Dat — 12 Mä /aget ovch. 


Neu-Ulm. Hans Ernst Müller. 


Die Quellen zu Veldekes Servatius. 


A. Kompeneers hat in den Studien en Tekstuitgaven, Heft 3, 
Antwerpen 1913, unter dem Titel Hendrik van Veldeke en de Bron 
van zijn Servatius den Text B(ibliotheka) H(agiographica) Lfatina) 
Nr. 7617—21 veröffentlicht, den ich aus den Hss. T und a in die Les- 
arten zu BHL.7633—37 (Gesta) und den Anhang Nr.I S.273f. meines 
Werkes St. Servatius, München 1910, gearbeitet habe. K.s Ausgabe 
ist keine kritische. Sie fusst auf drei den Bollandisten gehörigen 
Hss., lässt aber das übrige, BHL.7617f, betreffende Material, also auch 
T und a, unberücksichtigt. Einen Variantenapparat herzustellen oder 
zu lesen ist K., wie verschiedene Stellen seines Buches erweisen, 
nicht in der Lage. Trotz alledem ist K.s Ausgabe willkommen, weil 
jetzt BHL.7617f. in zusammenhängendem Druck vorliegt, Ich musste 
seinerzeit aus Mangel an Geld — ich bezahlte den Druck des Buches 


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Wilhelm, Ein Bruchstück von Striokers Karl aus Linz. 195 


» von meinen Kolleggeldern — auf den Abdruck von T in extenso 
a und einer bruchstückweise erhaltenen deutschen Uebersetzung von 
” T verzichten. Ich war schliesslich auch nicht dazu verpflichtet, T 
\ abzudrucken, da ich ja bloss den Indersdorfer Servatius mit seiner 
N Quelle, nicht aber Veldekes Arbeit herausgeben wollte. Wenn aber 
:'  K.so tut, als bringe er den Nachweis, dass BHL. 7617f. die Quelle 
von Veldeke sei, als Erster, so muss ich gegen diese an Plagiat 
i streifende Frechheit entschiedenen Protest einlegen. Denn diesen 
!' Nachweis habe als Erster ich, nach mühevollen und an materiellen 
} Opfern reichen Studien S.L 3—28 meines Buches geführt, und zu- 
: gleich unwiderleglich dargetan, dass Veldeke neben BHL, 7617. auch 
die Gesta gekannt hat, was bei seinen nahen Beziehungen zu Ma- 
;d striecht so natürlich wie etwas ist. Ich würde trotzdem an dieser 
= _ vonseiten des Herrn Kempeneers nicht ganz sauberen literarischen 
Hi Affäre vorübergegangen sein, wenn nicht Edward Schröder in einer 
= „literarischen Notiz“ über K.s Buch im AfdA.88 (1918) 107 in ge- 
wohnter kritikloser und oberflächlicher Art das, was ich gefunden 
habe, als K.s Verdienst hinstellte. Wenn Schröder schreibt: K.s Buch 
‚bringt... . einen neuen Text der Vita S. Servatii .... - und er- 
weist diesen im Gegensatz zu F. Wilhelm als die von der Quelle des 
hochdeutschen Gedichtes (Wilhelms G[esta]) abweichende Vorlage 
Veldekes“, so ist jedes Wort falsch. Weder ist der von K, veröffent- 
liohte Text „neu“*), noch der Nachweis, dass dieser Text Veldekes 
-} Quelle war, K.s literarisches Eigentum, sondern meines. Von einem 
„Gegensatz“ kann daher gar nicht die Rede sein. 


2 München. Friedrich Wilhelm. 


. Ein Bruchstück von Strickers Karl aus Linz. 


Das unten im Wortlaut mitgeteilte Fragment von Striokers 
”i Karl, die VV. 7473 bis 7612 umfassend, wurde 1910 von K. Schifl- 
ı mann, dem Vorstand der K.K. Studienbibliothek in Linz, abgelöst 
' - vom Deckel des Buches „Orientalische Zensur“, Ingolstadt 1583, aus 
“ der alten Jesuitenbibliothek in Linz und mit der Signatur: Fragm. 2. 


# *) Vgl. auoh BHL. Supplement?, 1911, S.278, wo ausdrücklich 
‘ auf meine Publikation der von K.in extenso veröffentlichten Fassung 
hingewiesen ist. Uebrigens fusst die Einteilung der Servatiusviten, 
welche die Bollandisten in BHL. geben, und die ihr grosses Verdienst 
ist, eben zum Teil auf ihren Has. 


1926 Wilhelm, Ein Bruchstück von Strickers Karl aus Linz. 


versehen. Herr Professor Schiffmann hat mir seinen schönen Fund 
in zuvorkommendster Weise zur Veröffentlichung überlassen, wofür 
ich ihm auch hier öffentlich danken möchte. 


Das Fragment ist ein einzelnes Pergament-Blatt, 29 cm hoch, 
19 cm breit, Ursprünglich betrug die Breite wohl 21 om. Denn 
der innere Rand des Blattes ist stark beschnitten, so dass bei der 
Rectoseite Sp. a !/s om Text fortgeschnitten ist, während bei Sp. b 
der Versoseite nur einzelne Buchstaben der Versenden verloren 
gingen. Der Schriftspiegel, der zweispaltig beschrieben ist, ist 
20!/a cm hoch und war 15% om breit, die Breite des Spaltenschrift- 
spiegels beträgt 7 cm. Die Spalte umfasst 35 abgesetzte Verszeilen. 
Spalteneinteilung und Verszeilen sind mit der Reissfeder vorge- 
zeichnet. Der Anfangsbuchstabe jeder Verszeile ist rot gestrichelt 
und ebenso das R in Rvlant V.70683 und 7607. Die Absatzinitialen, 
die stets zwei Zeilen hoch sind, sind rot. S V.7543 und R V. 7078 
sind als Anfangsbuchstaben der Spalte schwarz stark vergrössert, 
so dass sie über den oberen Spaltenrand hinausragen. Die Sohrift 
des Bruchstückes gehört der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts an. 
Die Sprache ist ostfränkisch. Das Fragment ist gut erhalten bis 
auf die VV. 7558-67 und 7593-602 der Versoseite. Sie sind durch 
Abreiben teilweise undeutlich geworden. 


Durch die Lesarten der VV.7500; 505; 550; 560; 574; 612 wird 
das Bruchstück der Gruppe GJO zugewiesen. 7609 stimmt mit 4 
in der Erhaltung des ie von iefa überein. Gegen GO bietet das 
Fragment die richtige Lesart VV. 7514; 519; 543; 559. Der von mir 
in der Geschichte der hslichen Ueberlieferung von Stricekers Karl 
$ 136, S.151 aufgestellte Stammbaum ist demnach, unter der Be- 
zeichnung des Fragmentes als z, zu erweitern: 


* GJ0z 
2 * .GQJO 
*GJ *Of 
— un En, 
G d OO £ 


Das heisst, z ist der älteste und beste Vertreter der ganzen 
Gruppe GJOz nicht nur dem Material-, sondern auch dem Les- 
artenbestand nach. 


Ich gebe im Folgenden einen genauen spaltengetreuen Ab- 
druck des Bruchstückes. | 


VEERSEFEPRUREREEN 


73 


75 


z 


Wilhelm, Ein Bruchstück von Striokers Karl aus Linz. 197 


Rectoseite. 


fatzte den lip zv wage 

kvno von kartage 

az geheizen algariez 

ch alreft finen fpiez 

ch olifiren den degen 

prach . nv heiz karlen pflegen 

helfe des ift michel not 

haft ein zeiohen daz den tot 

gewiflichen dutet 

vns daz recht bedutet 

fier erfohrak nicht fere 

z gefohuf- di ewige ere 

im do ftunt zv gewinne 

d di vil groze minne 

er zv gotes dienfte trvo 

zoch fin {wert vnd fluo 

n kvno algariezen 

az fioch begonde entzlifen 

halfbero zv beiden wenden 

on den achflen biz zv den lenden 

o waz 82 ouch vm in getan 

u macht ouch wol ein zeichen han 

prach olifier wid: in 

az dir beiaget den vngewin 

a en fi vil gut glucke bi 

or dir fint alle oronen vri 
ie mac mä mzken groze oraft 
Vi ftarke tugöt von ritt?fchaft 

az olifier dänoch vür fioh reit 

nd alfo ritterlichen ftreit 

az di heiden fin2* wünden 

n den flegen nicht enpfunden 

z en wart nie kvners bekant 

an olifier vnd Rvlant 

nd d= bifohof turpin 


* Aus finen geb. 


Daz taten fi des tages fchin 
Ir gloube was so ftete 
Swelche not man in tete 
daz fi def nimant betwano 
daz fi ie entwichen väzes lanc. 
wi clein ir her were 
durch keiner flachte fwere 
wolden fi v2zagen nie 
Si rifen mvnfgoy an fie 
Vnd begonden ir mangen vellen 
biz daz dem dritten gefellen 
allez fin ellen gefweich 
do wart er varbelof vi bleich 
Im v2giengen di ougen 
do was im ie fo tougen 
w2 iener was od= der 
Gefelle Rvlant fprach er 
hilf mir vö den heiden 
wir mvzen vns nv foheiden 
dz werltlichen gefellefchaft 
Mir ift erftorben di coraft 
der tot hat mich gevangen 
di ougen fint mir vergangen 
Ich enfehe nicht w2 iemant ift 
Ich hore wol daz dv bi mir bift 
o daz Rvlant vznam 
di not di an fin h2zze qvam 
d= gloubte vnfanfte ein man 
d: ni recht h2zeleit gewan 
Ez ift mang? tot fint vnd e 
dem ni fo leide noch fo we 
Enwart fo Rvlande was 
Swi er doch vurbaz genas 
Er half im von dem ftrite 
Owe der hochzite 


15 


20 


30 


40 


60 


70 


75 


128 Wilhelm, Ein Bruchstück von Strickers Karl aus Linz. 


Versoseite. 


Sprach Rvlant trut gefelle min 
daz ich nv mvz enpern din 
Owe d2 manheit vnd d= iugent 


dz oraft vnd d“ vil grozen tugent 


di mir an dir w2den begraben 

zv wem fal ich nv troft haben 

Im gebraft von dem grimme 

an gehoren vn an ftiimme 

Vnd an d= orefte fo gar 

daz er fich neigete totvar 

Vber den fetelbogen nid2 

Vnd gehabte fich kvme wid: 

Daz er vf dz erden nicht enlao 

wan daz er grozlich erfchrao 

Vm den bifchof turpinen 

Im hette den lip finen 

Idoch vzwandelt d= tot 

den fach or in groz® not 

daz er oraft gevie vnd fin 

Ouch fprach Olifier wid in 

Gefelle Rvlant rit hin wid: 

Si flahent den bifohof dar nid? 

Vnd hute fin . So tvt er din 

Gote mvzet ir bevoln fin 

Vnd allem himelifchen here 

def helfe fi hute vw were 

Karl d: libe herre min 

Vnd den di im getrüe fin 

Si fin lebende oder tot 

den helfe got vz aller not 
vrch daz groze vngemach 


daz an dem bifchofe gefchach 


Mvfte fich Rvlant fohire 
Scheiden von olifire 
Nv en mochtes nicht rat fin 


München, 


Rulant vnd turpin 

di wolden fich nicht fcheiden ; 
Vnd huben fich an di heiden 
Swi olifier mit dem tode ra 
do er fo grozen fw*tesclane 
Horte vf fine gefellen 

do betwane in noch fin ellen 
daz ez zv helfe wolde kvmen 
do er di not hette v2numen 
dar qvam er I kurzor zit 

zv finen gefellen I den ftrit 
Nv horet welch iam* da gefoh 
wan olifier nicht en fach 

def gap er Rvlanden einen fla 
Vf den helm daz er erfchrac 
alf er daz wolde rechen 

do begonde olifier fpreohen 
wa biftv herre Rvlant % 
da mite wart er im erkant 

daz er den widsflao lie 

Er fprach gefelle ich bin hie 

dv haft mich vf den helm gefla 

Er fprach daz wil ich gote olag 7600 
da en mac ich leid” nicht gefen 

daz mir di fvnde ift gefohen 

daz ift imm? min rvwe 

Nv v:gip mirz durch din träw 

di wir entfamt han . 6 
dv en haft mir leides nicht geta 
Sprach Rvlant trut"gefelle m 

beide colagten fi di not fin 

Vnd mvften fich ie fcheiden 

Rulant reit an di heiden 10 


O% vö dem ftrite reit 
In liz def todes grimikeit 7612 


Friedrich Wilhelm. 


| 


VW Ze Ze >> Dep > 5 Zu — Ze > Ze. ' 


CIE 7 © u —. 


ed KERRR EEE Zur - 


Zur griechisch -lateinischen Uebersetzungs- 
literatur des früheren Mittelalters. 


Die frühere Wiener Handschrift iat. 739. 


Die Handschrift lat. 739 der ehemaligen k. k. Hof- 
bibliothek in Wien (im Jahre 1174 vollendet) enthält unter 
einer Anzahl von Heiligenleben und anderen theologischen 
Texten mehrere bisher nicht gedruckte Stücke, die von 
grossem historischen Interesse sind und eine eingehendere 
Behandlung verdienen. Ich habe diese Handschrift unter- 


. sucht, als es sich darum handelte, das Material für die 


zweite Hälfte von Band XXX der Scriptores der Monumenta 
Germaniae historica zusammenzustellen. Für die Aufnahme 
in diesen oder einen anderen Band der MG. kommen freilich 
auch die unmittelbar geschichtlichen Stücke ihres Inhalts 
nicht in Frage, weil die in ihnen berichteten Ereignisse in 
keinem Zusammenhang mit der Reichsgeschichte stehen. 
Andererseits bieten aber einige Stücke sehr erwünschte 
Nachrichten über bisher völlig oder fast völlig im Dunkel 
liegende Vorgänge aus der älteren Geschichte Unteritaliens. 
Sie sollen deshalb teils hier teils an anderer Stelle mitge- 
teilt und besprochen werden. Auch für die Geschichte des 
geistigen Lebens im früheren Mittelalter, namentlich die 
Vermittlung griechischer Literatur ins Abendland ist die 
Handschrift von hohem Wert. 

Bereits Denis hat in seiner ausführlichen Beschreibung 
der Handschrift Mitteilungen aus ihrem Inhalt gemacht, die 
aber meines Wissens von der Forschung nicht beachtet 
worden sind!). Es ist ein Verdienst von P. Michael Huber, 


ı) Michael Denis, Codiceg manuscripti theologici bibliothecac 
palatinae Vindobonensis latini aliarumque occidentis linguarum. 
Vol. U. oodices a Caroli VL temporibus bibliothecae illatog com- 

Müscheuer Museum f. Philologie des MA. IV.2. 9 


Vase m 


Kraan 2) 


130 Hofmeister, Zur griechisch- lateinischen 


in seiner Ausgabe des Ziber de Miraculis des Johannes 
Monachus wieder auf diese Stücke aufmerksam gemacht 
zu haben!). Er suchte mit ihrer Hilfe die Persönlichkeit 
und die Lebenszeit des Johannes Monachus näher zu be- 
‘ stimmen. Seine Mitteilungen und Ausführungen sind aber 
nicht einwandfrei und bedürfen besonders nach der histo- 
rischen Seite hin sehr der Berichtigung und der Ergänzung. 
Ich muss dabei aufs neue von der Handschrift selbst aus- 
gehen. Ich gebe daher eine Uebersicht ihres Inhalts und 
beschreibe die historisch und literarhistorisch-hagiographisch 
wichtigeren Teile ausführlich, während für das Uebrige zur 
Ergänzung auf Denis zu verweisen ist. 

Die Hs. besteht aus 204 Blättern italienischen Perga- 
ments von grossem Format (30,5:21 cm). Sie ist in zwei 
Spalten zu je 30 oder 31 Zeilen in stattlicher italienischer 
Minuskel mit zum Teil prächtiger ausgeführten Initialen 
(mit Menschen- und Tierfiguren?)) geschrieben. Sie zerfällt 
in drei Teile, die aber alle von derselben Hand herrühren. 
Die Bezeichnung der Lagen (Quaternionen) mit grossen 
Buchstaben geht einheitlich durch die ganze Hs. 

Teil I, f. 1-78 (Lage A—K°)) enthält: 

1. F. 1a—76’a, Erklärung des Hohen Liedes: 
Incipit prologus Origenis pluriumque doctorum in canticum 
canticorum Salomonis,; dann /ncipit Sirasirin, idest Can- 


plexum. Pars I. Vindobonae 1799, Sp. 1037—1054, Nr. CCCCXLI 
(Rec. 83). Vgl. Tabulae codicum manuscriptorum praeter Graecos 
et Orientales in bibliotheca palatina Vindobonensi asservatorum I 
(1864), S.123f. — W. Wattenbach hat die Hs. im Archiv der Ges. 
f, ält. deutsche Geschichtskunde X (1851) nicht erwähnt. 

1) Johannes Monachus, Liber de miraculis. Ein neuer Beitrag 
zur mittelalterlichen Mönchsliteratur, von P.Michael Huber O.S.B. 
Heidelberg 1913 (Sammlung mittellateinischer Texte, hgb. von Alfons 
Hilka 7), 8. XII-XXV. Ueber die Mängel dieser Ausgabe in 
editionstechnischer Hinsicht 3. meine Besprechung im Literarischen 
Zentralblatt 1916, Nr.38 (23. Sept.), Sp. 995—997;, vgl. auch V.de V.. 
Analecta Bollandiana XXXIII (1914), S. 363—366. 

ı) „Letztere bis fol.86“ bemerkt Huber S. XIU. 

°®) Je 80 Zeilen nach Huber. 


Uebersetzungsliteratur des früheren Mittelalters. 131 


ticum Canticorum Salomonis. In dieser Catene wechseln 
dauernd Zitate aus Gregorius in Moralibus oder in Eze- 
chiele (zweimal auch in Pastorali f.14a, 66a, einmal in 
euangelio omelia vicesima nona f.15b), Origenis und Justus 
episcopus (von Ürgel, erste Hälfte des sechsten Jahrhun- 
derts), denen (nach Denis) die Erklärung des Anonymus 
vorausgeht. Gegen Anfang werden die ersten vier Verse 
aus der ınetrischen Paraphrase Abt Willirams von Ebers- 
berg (1048—+1085) angeführt (f. 2b)'): 


Quem sitio volis, nunc oscula porrigat oris. 
QOuem dudum venturum prompserunl organa valum, 
Nunc ipse per se presens dignetur adesse, 
Oscula prebendo, sua dulcia verba loguendo. 


Bald darauf finden sich noch einmal vier und dann 
drei Verse (f. 2b und 3a) aus Williram (Vers 5—8 und 
Vers 11, 12, 14). Ich führe sie ebenfalls an, weil die Be- 
nutzung Willirams in einem aus Unteritalien (Neapel) über- 
lieferten Werk von Interesse ist: 


Übera nempe tui precedunt pocula vini 
Suaviter unguenlis flagrantia sat ®) pretiosis. 
Mitificans veterem tua lenis gratia legem 
Gratis iustificat, quos lex punire iubebat, 

und: 
Sponse, lui nomen, olei predulce liguamen, 
Qui se dilatat, dum largo nectare®) manat 
 Christicole °, dicti nam sunt de nomine Christi.®) 


Dahinter: Actenus Justus episcopus. Einmal wird auf 
Hieronymus verwiesen: Lege Hieronymum de membris Do- 
mini, et ibi luce clarius videbis, quia universa, que de di- 


«) sat verb. co. b) nectare c. °) Christlcole o. 


1) Nur diese ersten vier Verse (mit einem F'ehler im dritten) 
bei Denis. Denis hielt es für möglich, dass Williram selbst auch 
obige Catene zusanımenstellte. 

ı) S. Willerami abbatis Ebersbergensis in Bavaria in Canticum 
Canticorum Paraphrasis gemina, Ulmae 1726, S. 3, in Joannis 
Schilteri Thesaurus Antiquitatum Teutonicarum I (Ulmae 1728), 
mit folgenden Abweichungen: 2: mihi st. dudum, 3: eliam st. ipse, 
b: precellunt, 6: fragranlia, 11: tuum, 12: Quod. | 

g” 


132 Hofmeister, Zur griechisch -lateinischen 


vinis membris dicuntur, in membris ecclesie, que est corpus 
eius, intelliguntur (f. 46'b). Schluss f. 76a unten: Explicit 
Sirasirin, idest Canticum Canticorum Salomonis. Deo gra- 
tias semper. Amen. 

2. F. 76’a—78°, Sermo domni®) Benedicti monachi de 
compunctione lacrimarum. 

3. F.78‘, De patientia. 

4. F.78°, De quindecim signis futuri®) ante diem iudicü. 

Teil II (f. 79—150) und Teil III (f. 151—204) bilden ein 
zusammengehöriges Ganzes, wie ausser der Subskription des 
Schreibers Marinus (f. 204) auch die Kustoden der Qua- 
ternionen zeigen. Aber es sind eine ganze Reihe von Lagen 
und einzelnen Blättern verloren gegangen. Vorhanden sind 
in Teil II die Lagen A—H (f. 79-—-142) und N (f. 143— 150), 
in Teil III die unversehrten Lagen 

R=f£.157-—164, _ V= f.180—187, 

S = f. 165—172, X = f. 188— 19, 

T= f.178—178, 208, 179, Y=f.196—202, 204. 

Die Lagen O, P,Q in Teil III sind ausgefallen bis auf 
f. 151—156, welche die drei inneren Doppelblätter eines 
Quaternio gebildet zu haben scheinen. 

Teil II enthält: | 

6b. F.79—137, Expositio domni Bernardi Clarevallensis 
abbatis super Canticum Canticorum (dieersten 23 Sermones).t) 

6. Fol. 137—142°, Incipit epistola domni<) Bernardi 
Clarevallensis abbalis ad domnum Henricum Senonensium 
archiepiscopum missa (= De moribus et officio episcoporum 
bei MSL. 182, 809 ff.), am Ende unvollständig. 

Nun fehlen die Lagen J, K,L, M. 

1. F. 143—150‘, Erklärungen des Vaterunsers (Zxposi- 
tiones Orationis Dominicae), darunter an 4. Stelle die des 
Abtes Isaak (in den Collationes des Johannes Cassianus IX 
bei MSL. 49, 788ff.); das Ganze am Anfang und am Einde 
(mitten im Wort abbrechend) verstümmelt. 


a) dönic. ®) Soc. °) döns c. 
ı) MSL. 183, 786 ff. 


Uebersstzungsliteratur des früheren Mittelalters. 133 


Teil III, von Denis als ein Lectionarium ob membranas 
excisas dx&yalov bezeichnet, enthält: 


8. F. 151 (davor fehlen Blätter) bis 153a, Schluss einer 
Predigt über die Hilfe des heiligen Konstantius bei einem 
Ueberfall der Sarazenen auf Amalfi und Kapri im Jahre 991, 
von mir an anderer Stelle als Sermonis de virtute sanck) 
Constantii fragmentum herausgegeben. 


9. F. 153b—156‘, Sermo:) de transitob) sanctli Con- 
stanti, am Schluss unvollständig, von mir an anderer Stelle 
herausgegeben. 


Dann folgt eine grosse Lücke. 


10. F. 157—164°b, die Antiphonetislegende (von dem 
Christusbilde in Konstantinopel, dem Kaufmann T'heodorus 
und dem Juden Abramius), die sonst mit im einzelnen ab- 
weichendem Text als erstes Stück des Ziber de miraculis 
des Johannes monachus überliefert‘ und mit diesem unter 
Benutzung unserer Hs. von Huber herausgegeben ist.!) Von 
den zahlreichen Fehlern in Hs. Angaben über den Wiener 
Text habe ich das Wichtigste im Literarischen Zentralblatt 
1916, Nr. 38, Sp. 996 f. berichtigt. Der eigentliche Text der 
Antiphonetis liegt vollständig vor; von einem voraufgehen- 
den Prolog, der von der Widmung des Johannes monachus 
an den bis consul Pantaleo in den Handschriften des Liber 
de miraculis verschieden war, sind nur die letzten Worte, 
mit denen f. 157 beginnt, erhalten: qguod que per suam pre- 
sentiam est dignatus exhibere in hominibus. Quomodo et 
qualiter, nunc subsequens sermo declarat. 


1l. F. 164'b—172b, /ncipit vita vel obitum Beati Jo- 
hannis qui cognominatur Caliuita. Celebratur autem et 
legitur quinta decima die‘) intrante mense Januario. Der 
Text beginnt: Tirannica®) quodam modo est causa geni- 


s) Sermo steht noch unten auf f. 1532. db) verb. zu fransitu c. 
c) Ueber der Zeile c. 4) In blau und rot verzierten Majugkela mit 
grosser Initiale o. 


') BHL. Nr. 4232. — BHQ.* Nr. 797. 


134 Hofmeister, Zur griechisch -lateinischen 


forum amor et obligatio nature indissolubilis, und endet: 
Reliqua vero pauperibus erogaverunt. Et factum est ita, 
ut arbores sequerentur fructum. In Gloria Dei et patris 
usw. Amen. Es ist dies also, wie schon Denis sah, eine 
Uebersetzung der griechischen Vita des Johannes Calybita 
(Mönchs in Konstantinopel im 5. Jahrh.), die in den AA.SS. 
Boll. 15. Jan. 11031—35 in einer modernen Uebersetzung 
Henschens gedruckt ist, BHG.?Nr.869.!) Mit den lateinischen 
Viten BHL. Nr. 4358 (Uebersetzung des Anastasius Biblio- 
thecarius) und 4358b (in derSupplementi editio altera auctior, 
Brüssel 1911) hat sie nichts zu tun. 

12. F.172b unten bis 174’a, das Drachenwunder des hei- 
ligen Georg: /ncipit miraculum beati Georgi martiris. 
Fratres karissimi, intentis auribus audite.... —....et 
confirmans eos in fide Christi perrexit ad civitatem ; suam 
Cappadociam, gedruckt von Huber, S.124—128 (dazu Literar. 
Zentralbl. 1916, Nr. 38, Sp. 997), der S. 128 ff. aus cod. Vat. 
Lat. 6932 auch eine andere Textform (BHL. Nr. 3396 m) mit 
dem anschliessenden Dämonenwunder (S. 131 f., BHL. Nr. 
3396n) mitteilt.?) Aber auch in unserer Wiener Hs. ist, was 
Denis und Huber nicht anmerken, dieses Dämonen- 
wunder des heiligen Georg, wenn auch in kürzerer 
Fassung, unmittelbar in derselben Zeile ohne jeden Absatz 
fortfahrend, mit dem Drachenwunder verbunden. Ich lasse 
den Text hier folgen: 

Factum est autem, dum pergeret, apparuit ei diabolus 
nudus et confusus, baculum in manibus tenens®). Et excla- 
mavit voce magna adversus marlirem Christi dicens: ‘Heu 
me, Georgi, quia obviavi tibi,; cogitavi enim te seducere 
in via ista, ut amplius iam non®) orares, quoniam propter 
tuas orationes multas) mala mihi veniunt’ Tunc sanctus 
Georgius faciens signum sancte crucis contra demonem dixit: 


s) -s auf Rasur c. db) Ueber der Zeile c. °) Beginnt f. 174b co. 


!) 13 griechische Hss. in Paris werden Analecta Bollandiana 
XV 257 A.2 erwähnt. 
2) Vgl, auch BHU. Nr. 887. 


wa. 


Uebersetzungsliteratur des früheren Mittelalters. 135 


‘In nomine patris et filü et spiri£us sancti’, et stalim aperuit 
se petra, super quam demon stabat, et tenuit demonium. Et 
continuo asscendit?) ignis maximus de abisso, et petra soli- 
data est, sicut [uerat prius. Hec et alia multa mirabilia 
fecit Deus per bealissimum martirem suum Georgium in 
civitate Cappadocia ad®) laudem et gloriam domini nostri 
Jesu Christi, qui cum patre et spiritu sancto vivit et regnat 
trinus et unus Deus nunc et semper et per injinita secula 
seculorum. Amen. 

13. F.174'b—178°, 203—203’a, Sermo über den Tod des 
heiligen Nikolaus (von Myra), von dem Priester und Mönch 
Johannes während seines Aufenthaltes in Konstantinopel 
aus dem Griechischen übersetzt. Die Vorrede ist wegen der 
Angaben des Uebersetzers über seine Tätigkeit wichtig und 
sei deshalb auch hier, vollständiger als bei Denis und Huber, 
abgedruckt.!) Der Vergleich mit der Ueberlieferung in einer 
Hs. der Vallicellana (=V.) in Rom ist lehrreich für die nach- 
träglichen Korrekturen sprachlicher Art in der Wiener Hs. 

Incipit prologus de obitu beati Nikolay archiepiscopi. 
Legitur die depositionis eius. Quoniam quideme), karissimi 
fratres‘), bone memorie Johannes subdiaconus sancte Par- 
thenopensis ecclesie, qui vitam sancti patris Nikolai®) inter- 
pretatus est‘) 2), manifestat non se potuisse invenire obitum 


») Soc. b) Cappadocia. Ad co. °) So c.; der cod. Vallicell. hat 
Monachus quidem statt Quoniam quidem. ) fratres carissimi \. 
e) Nicholai V. f) & auf Rasur o. 


ı) Dieser Prolog mit der folgenden Erzählung ist, wie Huber 
anmerkt, von zweiter Hand im Cod. Lat.Vallicell. Tomus (nicht Rom.) 
I, saec. XII, f. 21—21’ nachgetragen; s. A. Poncelet, Catalogus codi- 
cum hagiogr. Latinorum bibliothecarum Romanarum praeter Vatica- 
nam, Brüssel 1909, S. 240, 5 (BHL. Nr. 6156i). Aber der Schluss 
im Vallicell. (Collaudantes dominum J.C., qui cum Deo patre... 
Amen) weicht ab. Der Vallicell. (saec. X1/XII) ist vor 1170 geschrieben, 
also etwas älter als unsere Hs. 

») Vita s. Nicolai episcopi et confessoris, ex b. Methodio, per 
Johannem diaconum ecclesiae S. Januariüi c. I (Prolog), N.C. Fal- 
conius, S. conf. pont. et celeberrimi thaumaturgi Nicolai Acta primi- 
genia, Neapoli 1751, 8. 113: excessum vero eius qualiter a saeculo 


136 Hofmeister, Zur griechisch -lateinischen 


eius, propterea intermisisset®). Et non est?) mirum, cam in 
Italia interpretatus‘) esset‘).. Unde ego infimus Johannes 
presbiter et monachus), cum: in urbe Constantinopolitana‘) 
manerem, sancli patris!) ductus amore quesivi et inveni, 
et non®) in qualibuscunque scidulish), sed in archivis et 
emendatis codicibus. Et secundum tenuitatem sensus mei‘ 


interpretatus sum), ut potui'), communis”) quidem sermoni- 


bus, sed veritate firmatis atque munitis. Unde, 0”) optime 
lector, lege°) et indubitanter crede. Et?) pro me misello Do- 
minum exorare digneris. Explicit prologus, incipit obitum,). 

Sermo quidem, fratres'), antiquitus scriptus") atque 
firmatus‘), qui usque ad nos veraci relatione pertinxit*), 
qualia fuerunt insignia beatissimi patris Nikolai‘). Venera- 
bilis quidem fuit in moribus atque”) angelicus in visione 
usw. Auf den Tod des Nikolaus folgen drei Wunder, über 
die Denis so berichtet: präimum de demone sub feminae 
specie oleum ad Nicolai sepulcrum per nautas mittente‘), 


2) intermisisse V. ®) est fehlt V. °) -t’ auf Rasur, £ei verb. o;; 
interpretasset V. %) monachus et presbyter V. °) Constantinopoli\. 
f) Beginnt f. 175a c. 8) non von anderer Hand über der Zeile V. 
b) scedulis V. 1!) mei sensus V. x) -’ sa auf Rasur o.; inter- 
prelavi V. \) ut potui fehlt V. =) So (. Communis) c.; cum meis\. 
a) 0 fehlt V. 9) folgt necnon V. P) Et—obitum fehlt V. ı) obilä c. 
r) fratres fehlt V. *) scriptus, -s anscheinend verb. statt c.; 
scriptum V. !) firmatus, -s anscheinend verb. statt” _c.; firmalum V. 
u) perlincxit V. ‘) Nycholai V. ”) atque fehlt V. 


abierit, ideo non scripsimus, quia nusguam illum invenire potuimus. 
In der BHL. Nr. 6104—6117 sind zahlreiche Formen einer Vila 
Nicolai auctore Johanne diacono Neapolitano aufgeführt, doch fehlt 
es noch an einer ähnlichen kritischen Sichtung der lateinischen 
Nikolaus-Viten und -Wunder, wie sie für die griechischen jetzt G 
Anrich durchgeführt hat (Hagios Nikolaos. Der heilige Nikolaos 
in der griechischen Kirche. I. II. Leipzig, Berlin 1913, 1917); über Jo- 
hannes diac. Neap. s. kurz Anrioh JI, 178£., vgl. 84, 26 ff., 69 ff., 1b1f. 
Die Uebersetzung des Johannes presbiter et monachus erwähnt 
Anrich nicht. 

ı) Vgl. das Thauma de Artemide in der griechischen Vila per 
Michaelem co. 44—48 und kurz in der griechischen Vita acephala 
0.6, Anriuh I, 185—137, 270f. 


| 


Uebergetzungsliteratur des früheren Mittelalters. 137 


alterum de liquore ex eius sepulcro non amplius manante, 
dum Magnentius quidam episcopum Myrensem sede sua 
propulisset!), terlium denique de puero a Saracenis capto 
parentibus suis restituto in Lycien?). Am Schluss reiht sich 
f. 203b—203°% noch an: Letemur?) ergo, karissimi fratres, 
letemur et nos in Domino et diem festum beatissimi patris 
nostri Nikolay salubriter celebremus, ut pro nobis indignis 
intercedat ad dominum nostrum Jesum Christum, qui cum 
patre et spiritu sancto vivit et regnat Deus per omnia secula 
seculorum. Amen. 
Ordine‘) quoque potes, Nikolae, tuere®) rogantes, 
Nos superis‘). socies, ordine quoque potes. 
Celicolis4) frueris‘), quibus exposcenda mereris‘), 
Continuus®) meritis, celicolis") frueris'). 
Hinc tua facta brevi succurrit“) fateris'), 
Mandamus laudi hinc tua facta brevi. 
Mox subit id memores, qui primo lacte fuisses, 
Quibus inciperes, mox subit id memores. 
Übera bis repetis”) septeno sole parentis, 
Viribus exiguis ubera bis repetis"). 
Crimina quoque") reprimas’), insignis dote puellas, 
Mente modum versaP), crimina quoque”) reprimas. 


) Mit grosser Initiale co. b) /uere c. °) supris c. 4) Cellcolis c. 
°e) früeris co. !) mereris o, 8) Continuus c. ®) celfcolis c. ') fr&eris c. 
k)succürrit oc. 1) Beginnt f.203a c. In fateris muss ein Fehler steoken. 
m) repelis c. ») verderbt? °) reprimas c. P) |. versas? 


ı) Vgl. dieses Wunder (lateinisch) bei Falconius S.126 (c.XIV) 
=AnrichL 451f. Der Name Magnentius, der hier nicht vorkommt, 
muss auf einem Irrtum (wessen?) beruhen; denn es ist nur davon 
die Rede, dass guidam magnatium den Bischof von Myra vertreiben. 
Bei Falconius S. 124 (c. 20) = Anrich I, 452, wo das gleiche 
Wunder steht, wird der Bischof @ praefecto verbannt. 

» Vgl. (lateinisch, ohne Namen des Knaben) Faloonius S. 127 
bis 129 = Anrioch I, 199-201, und das griechische TAauma de Basilio 
adolescente in den Thaumata tria c. 188-195 und in der Vila ace- 
phala o. 14—18, Anrich I 188—195, 273-275. 

®), Das Folgende entspricht dem erheblich längeren Texte bei 
Falconius 8.126 (oc. XV). 


138 Hofmeister, Zur griechisch-lateinischen 


Sollicitis populis presul dicaris ab astris, 
Dum refugis:), traheris®) sollicitis populis. 
Gloria, Christe, tibi, sanctos qui mire decoras, 
Qui tam mira facis, gloria, Christe, tibi. Amen. 


Dieser Hymnus auf den heiligen Nikolaus ist bei 
Chevalier, Repertorium hymnologicum, nicht verzeichnet. 

14. F.203’a—b, 179—184a, Leben der heiligen Irene, 
dessen Prolog wegen der noch wichtigeren Angaben über 
den Uebersetzer und die amalfitanische Niederlassung in 
Konstantinopel hier ebenfalls mit einigen Verbesserungen 
gegenüber Huber vollständig wiedergegeben werden muss!): 

Incipit“) vita vel passio sancte Herinis virginis et 
martiris. Celebratur quinta die intrante mense Magio:). 
Johannes omnium monachorum sacerdotumque ultimus 
omnibus sanctis fratribus, qui lecturi seu auxdituri sunt, in 
Christo domino deogue nostro karissimam!) salutem. Cum 
quadam die issem in domum nobilissimi viri domni*) Lu- 
pini filii domni*®) Sergü cognomento Comiti Mauronis visi- 
tandi gratia, affuerunt et alii plures Amalfitani. Quod 
cum loqueremur inter nos hoc et illud, quod solent homi- 
nes ad consolationem infirmi narrare, exortus!) est sermo 
apud nos de sancta virgine et martira®) Christi beata 
Herini, quomodo per tot annorum curricula, cum esset 
ecclesia Amalfitanorum sub dicione et quasi in sinu illius, 
neglexerunt inquirere et invenire, que fuit, cum fuissent 
multi nobiles et sapientes et ditissimi viri necnon et plu- 
rimi interpretes essent utriusque lingue in hac regia urbe?) 


a) rdfugis o. ®) Irdheris c. °) Incipit—Magio rot oc. 9) kmam o. 
e) dmi o. f) Mit -tus beginnt f.203’b o. 8) So co. 


ı) Denis gab nur wenige Sätze im Wortlaut, Sp. 1046f., wies 
aber bereits auf die Bedeutung für die Geschichte von Amalfi bin. 

2) Ueber diese im elften und besonders im zwölften Jahrhundert, 
aber auoh schon früher, im Abendland ganz gewöhnliche Bezeich- 
nung für Konstantinopel vgl. z. B. Otto von Freising Chron. IV 5 
Anfang. An sehr vielen Stellen, wo Otto diese Bezeichnung ge- 
braucht, hat er damit eine andere seiner Quelle. ersetzt, vgl. das 


g | 


Uebersetzungsliteratur des früheren Mittelalters. 139 


et cum in lanta veneratione esset hec sancta ab initio. 
Nam magnus Constantinus, in suo nomine consecrata urbe, 
primam namque, quam?) fecit, ecclesiam ad nomen et ho- 
norem illius dedicavit!). Postea vero sanctus Marcianus, 
Romano ex genere natus, nobilis et doctissimus vir in utra- 
queb) lingua, tanto decore eius nomini templum hedifica- 
vit?), ut puto, quod non sit ei similis in toto mundo. Sed 
quia sunt aliqui, qui dicunt, quoniam, quomodo sancta 
Sophia Dei sapientia, ita dicitur et sancta Herini Dei pax, 
in hoc quidem non errant?), qui hec dicunt, quia per inter- 
pretationem sic dicitur. Tamen naturaliter hec homo fuit 
in sexu femineo et post multa et intolerabilia tormenta et 
multa milia hominum, qui per eam“°) crediderunt in Christo, 
secundum interpretationem nominis sui in‘) pace quievit 
in Domino, sicuti vestra fraternitas est auditura. 

Est enim apud Grecos liber integer:) de passionibus 
et miraculis eius, que mihi interpretari!) ac scribere im- 
possibile est, cum sim senex et in ultima etate, legentibus 
autem vel audientibus, cum sint multa, fastidium generant®). 
Unde decrevi, ut ea tantummodo eligerem breviter, que 
vitamt®), initiurn atque finem eius ostenderent, et que legun- 


») guam über der Zeile oc. ®) ufrdque c. °) Das -a- verb.c. 
a) Beginnt f.179a c. ®) -er integer auf Rasur co. f) -i aut Rasur c. 
&) -a- auf Rasur c. b) So c. 


Register zu meiner Ausgabe der Chronik (statt 243, 20 lies 243, 40), 
vgl. auch z. B. das Register zu MG.SS. rer. Lang. s. v. Constantino- 
polis. Der Ausdruck ist Uebersetzung aus dem Griechischen und 
besonders durch die Historia miscella Gemeingut im Abendlande 
geworden. “ 

!) Darüber an anderer Stelle. 

3) Synaxarium Constantinopol. zum 9. Januar, Propyl. ad AA. 
SS. Nov., Sp. 379: pvipn Tod &v &yloıg narpdg Außv npeoßurgpou xal olno- 
vönov Ts neyding Enninolag Mapnıavod. Odrog Av an Nic Baorkelag Map- 
ıavod al IIovAxeplas, z@v npoyövwv aörod &x TNig npeoßurepag "Pong &AN- 
Ausötwv. "Edelnaro 88 dv vadv Tg Aylag Elpyvng Töv npdg Yadaccav, änı- 
ouväadbac aörh dv edurhpov olnov To &ylov "Ioudwpov. 

°) Sie hatten, wie der fabelhafte Inhalt der Vita zeigt, offen- 
bar reoht. 


140 Hofmeister, Zur griechisob-lateinischen 


tur in hoc sancto monasterio Panagiotum:»), in quo hospi- 
tor®). Qui enim pleniter voluerit legere vel audire, in eias 
ecclesia requirat et inveniet. Nobis autem de multis hec 
pauca sufficiant. Mihi quoque precor, ut non presumptioni 
deputetis‘), sed obedientiam et devotionem in sanctas). Sed 
magis obsecro, ut pro meis illiusque!) delictis Dominum 
deprecemini*®), cuius occasione hec gesta Latinis auribus 
tradere curavi, quatenus per merita et intercessionem sanctg 
martiris, scribentibus ac legentibus atque diligenter audien- 
tibus necnon et vera esse credentibus, una!) cum ipsa gaudia 
mereamur consequi sempiterna.. Amen. Explicite) pro- 
logus,. incipit passio eiusdem®). 

Beatissimatb) igitur Christi martir Herinis filia unica 
juit Liciniü regis et Licinig matris. Nata vero fuit in civitate 
Magedon, Penelopi'‘) prius a parentibus vocata?). ..... 
Am Schluss (f. 183‘b) ist angefügt: Passa*) est autem atque 
examinata virgo et martir Christi beata Herini primo qui- 
dem a patre suo Licinio, deinde a Sedecia Saboriogue et 
Numeriano filio!) Sebastiani necnon et a prefecto nomine 
Babdo”) et a Saborio rege Persarum. Civitates autem, in 
quibus passa est, heg sunt: Magedon”) civitas°) sua, in qua 
nata est, Callinicia et Constantina atque Mesembria. Quie- 
vit autem iuxta nomen suum in pace in urbe Ephesa®) 
quinta die mensis Madiü%), et non est inventum corpus eius, 
quoniam transtulit illam Deus.) Scripta est autem hec 


s) panagiötum c. db) höspitor c. °) -tis auf Rasur 0. 4) sca o. 
e) -mini auf Rasur c. f) undo. 8) Expl.—eiusdem rot co. %) Beginnt 
f.179b co. 1) Peneldpi oc. *) Mit grosser Initiale o. !) -o über der 
Zeile c. =) Babdd 0. 2) Magedön c. °) -s auf Rasur c. P) -a verb. c. 
4) -d. verb. (aus g?) c. 


ı) Des Lupinus? 

») Wörtlich ebenso beginnt (und schliesst) die "AYAnaıg Tg &ylas 
paptupog ElpYvng im Synaxarium der Kirche von Konstantinopel, im 
codex Sirmondianus (jetzt in Berlin) zum 4. Mai, in andern, wie 
Johannes pbr. et mon., zum 5b. Mai, H.Delehaye, Propylaeum ad 
AA.SS. Nov. (Brüssel 1902) Sp. 668, vgl. Sp. 660, Z. 41f. 

°*) Mit Ausnahme dieses Satzes: Ouievit— Deus stimmt auch der 
Schluss im Synaxarium von Konstantinopel Sp. 657 wörtlich über- 


Uebersetzungsliteratur des früheren Mittelalters. 141 


gesta Greco sermone ab Ampelliano magistro suo tam 
pleniter, sicuti in Grecorum libris seu codicibus invenitur. 
Interpretata vero est seu et?) conscripta a Johanne presbi- 
tero et monacho in urbe Vizantium®). Tantum ex priori:) 
gesta assumens, quanlum sufficeret ad demonstrandum, que 
juerit vel unde seu queque passa fuerit vel a quibus. 
Ipsius quoque precibus et meritis inveniamus veniam apud 
omnipotentem patrem Deum eiusque unigenitum filium 
dominum nostrum Jasum Christum atque consubstantialem 
et coeternum et vivificantem spiritum sanctum, perfecta 
trinitas, una divinitas, una eternitas .... 

Diese lateinische Fassung der fabelhaften Vita und 
Passio einer offenbar niemals existierenden Heiligen, die der 
Priester und Mönch Johannes in Konstantinopel (wohl auf 
Veranlassung des zu Anfang des Prologs als krank in Konstan- 
tinopel darniederliegend genannten vornehmen Amalfitaners 
Lupinus aus dem Hause der Comiti Mauronis?)!) aus einer 
umfangreicheren griechischen Vita des Ampellianus über- 
setzte und zusammenzog, ist von den beiden den Bollan- 
disten bekannten lateinischen Fassungen (BHL. Nr. 4467 
und 4467b) verschieden‘), entspricht aber, nach Anfang 
und Schluss zu urteilen, genau dem Abschnitt über die 
heilige Irene zum 4., bzw. 5. Mai im Synaxarium der Kirche 
von Konstantinopel°). 

15. F.184a unten bis 197’a, /ncipit‘) vita vel obitum‘) 
sancti Johannis patriarche Alexandrini cognomento Fleley- 


a, Beginnt f. 184a c. b) uiz. c. °) -i verb.c. 4) Incipil— No- 
vembrii rot c. °®) obiltü schwarz verb. obitus o. 


ein. Auch der Satz über Ampelianos ist dort vorhanden, natürlich 
ohne Hinweis auf die Zibri Grecorum: & 8% od napruplov adıijg Drro- 
pvipata ouvsypäabaro "Ayunsiuuvög 6 rabıng Suödcnadlog. 

ı) Ueber den Uebersetzer Johannes und das Geschlecht Comitis 
Mauronis handle ich ausführlich an anderer Stelle. Die Tätigkeit 
des Johannes gehört etwa in die Jahre 1060--1090 oder vielleicht 
erst rund 1080—1100. 

2), Auch BHG.? Nr.953 (’Arnettıovösı und 954 entsprechen an- 
scheinend nicht. | 

N) 8. oben S. 140 Anm.2 und 3. 


149 Hofmeister, Zur griechisch -lateinischen 


mon, edita a Leontio episcopo Neapolitano provincie*) Ci- 
pri. Celebratur die duodecima mensis Novembriü?). Dum 
indignus ego!) venissem aliquando in urbem Alexan- 
driem .... 

Der Text entspricht sachlich im allgemeinen der BHL. 
Nr. 4388 als Uebersetzung des Bibliothekars Anastasius ge- 
buchten Vita?), doch fehlen die Vorreden des Uebersetzers 
Anastasius und des Verfassers Leontius, und der Schluss 
weicht ab (auch von BHL. Nr. 4391)°). Denis nimmt daher 
an, dass es sich hier um ein anderes, wie er meint, um ein 
volles Jahrhundert jüngeres Werk, nicht aus der Feder des 
Anastasius, sondern wahrscheinlich des bereits zweimal ge- 
nannten Johannes handelt, und er hat damit gewiss recht, 
wenigstens mit dem ersten und wahrscheinlich auch mit dem 
zweiten. Die unten S. 143 angeführten Worte von der über- 
mässigen Länge der griechischen Vorlage, die der Ueber- 
setzer mit Rücksicht auf den Leser gekürzt habe, kommen 
genau mit der Aeusserung des Johannes im Prolog zur Vita 
der Irene (oben S.139) überein. 

In der Tat stimmt auch BHL. Nr. 4888 (MSL. 73, 
341 ff.) nur sachlich, nicht im Wortlaut, obwohl sich auch da 
viele Berührungen zeigen. Gelegentlich findet sich sogar sach- 
lich eine Abweichung. So folgt auf c.15 des Migne-Textes 
(Sp. 353) f. 193°b: Zodem quoque tempore iuvenem quen- 
dam monachum puella speciosa sequebalur, cum qua men- 
dicando circuibat civitatem .... Das nächste Stück ent 
spricht dem c.35 bei MSL.73, 369, £.194’a: Alter autem mona- 
chus quidam Vitalis nomine, cum per multos annos esset 
in monasterio, exiens inde in Alexandriam et cepit vitam 
agere valde inhonestam et scandalo plenam in oculis homi- 
num .... An diese Geschichte schliesst sich f. 195’a: 


®) Beginnt f.184b. d) /Incipil—Novembriü rot c. 

4 Nämlich Leontius. 

3) Ueber die Uebersetzungstätigkeit des Anastasius vgl, künftig 
E. Perels, Papst Nikolaus I. und Anastasius Bibliothecarius, Berlin 
(1920), S.191ff., auch S. 246. 

») BHG.? Nr. 886-889 steht nichts genau Entsprechendes. 


Uebersetzungsliteratur des früheren Mittelalters. 143 


Magna*) et ammiranda sunt gesta, que de sancto isto pa- 
triarcha: Johanne in?) libris Grecorum scripta sunt, que nos 
propter longitudinem et lectoris jastidium intermisimus. 
Nam triginta et octo capitula sunt alia. Nunc autem, qua- 
liter ex hoc migravit seculo, fideli relatione pandamus. 
Das Folgende entspricht dann Migne c. 48 Sp. 378 von 
Z.5 von unten an und c. 49 (stark verkürzt), dann folgen 
Migne c. 50, 51, 52, 53. 

Der Text schliesst f. 197’a mit den Worten: Sufficere 
credimus ista ad conjirmationem meritorum et gloriam, 
quam a Deo adeptus est. Sed hoc non est silentio preter- 
eundum, quod ad tumulum eius Dominus demonstrare dig- 
natlus est. 


Denique°) cum sollempnitas ageretur sanctli martiris 
Tichonis‘®), in cuius basilica quiescebat sanctus patriarcha 
cum suis sociis aliis duobus episcopis, atque populi mulii- 
tudo esset coadunata, tantum liquoris sancti olei ex eorum 
fumulo emanavit, videlicet sancti patriarche Johannis socio- 
rumque°’) eius, ut universi, qui dderant, utriusque sexus 
viri et jemine, pueri et puelle, omnes ex eo perungerentur. 
Et quod est mirabilius, quicunque inventus juit a qua- 
cunqgue infirmitate detentus, statim ut uncli sunt, conlinuo 
salvi facti sunt. Ad laudem et gloriam domini nostri Jesu 
Christi, qui cum Deo patre sanctoque spiritu vivit et regnat 
trinus et unus deus, nunc et semper et per omnia secula 
seculorum. Amen. Das entsprechende c. 54 (das vorletzte) 
bei Migne Sp. 383 weicht sehr stark ab. 


Man kann nach allem nicht zweifeln, dass in unserer Hs. 
eine andere Uebersetzung als die des Anastasius vorliegt. Mit 
BHL. Nr. 4391 oder 4392 besteht kein Zusammenhang. 


16. F. 197’a—199’a, /ncipit!) vita vel obitus®) sancti 
Constantiani confessoris et sociorum eius.‘) Igitur®) regen- 


e) In Majuskeln, mit grosser Initiale c.. db) Beginnt f. 195‘b c. 
c, in Majuskeln, mit grosser Initiale oc. 4) Tichonis co. *®) sociorum- 
que c. !) Incipit—eius rot c. 8) -s schwarz auf Rasur c. b) Be- 
ginnt f. 197°b co. 


—[ı 


144 Hofmeister, Zur griechiseh -lateinischen 


tibus atque tenentibus Childeberto ac Lothario [ratre eius 
monarchiam regni Francorum .... Endet f. 199a: Obiit 
ergo sanctus Constantianus die kalendarum Decembrium 
atque a suis discipulis ac monachis est sepultus in supra- 
dicta cellula sua honorifice. Ad cuius tumulum fiunt mag- 
norum miraculorum virtutes, auxiliante atque regnante do- 
mino nostro Jesu Christo, qui vivit et gloriatur Deus per 
infinita secula seculorum. Amen. Im ganzen—=BHUL.Nr.1931. 
Dieses und das folgende Stück, sowie die beiden Stücke über 
den heiligen Constantius (oben Nr. 8 und 9) sind im III. Teil 
der Hs. nicht aus dem Griechischen übersetzt. 

17, F. 199'a—202b, /ncipit*) sermo de inventione cor- 
poris sancti Kataldi confessoris.°) Dieses Stück hat mit der 
Vita oder den Inventiones an. 1151, saec. XIV., an. 1492, 
BHL. Nr. 1652-1655, nichts zu tun. Es wird von mir an 
anderer Stelle herausgegeben.!) Der Vorgang, an den diese 
Erzählung anknüpft, spielt im Jahre 1094, als Tarent zwar 
einen normannischen Bischof Gilbert”) hatte, im übrigen 
aber sich noch nicht so ganz behaglich unter der neuen 
Ordnung der Dinge fühlte. Es sind kleine, aber nicht un- 
interessante Züge, um die hier das Bild der inneren Zu- 
stände des Normannenstaates am Einde des 11. Jahrhunderts 
bereichert wird. Auch der perilissimus pictor ex genere 
Francorum, der als Pilger nach Tarent kommt, verdient 
vielleicht mehr Beachtung, als er trotz Denis’ Hinweis m. 
W. bisher gefunden hat. 

Auf den Schluss dieses letzten Stückes des eigentlichen 
Inhaltes der Hs. folgen noch rot die Worte lic est finis 
(f, 202b). Daran schliesst sich nur noch 


s) Incipit—confessoris rot c. 


ı) S.0.8.101—114(S.105 2.25 1. „der Normannen zu® st. „zwischen“). 

») Di Meo kennt keinen Bischof Gilbert von Tarent, sondern 
verzeichnet nicht nur zum 9. Dezember 1091 (Urkunde des Grafen 
Roger von Sizilien für Catania, a. d. ino. 1092, ind. XV.), sondern 
auch zum Dezember 1099 (A.ab ino.MC, mens. Deo., ind. VIII, in der 
Kirehe S. Nioola di Castellaneta) einen Erzbischof Albert von Tarent, 
Ann, crit.-dipl. d.r. di Napoli VIII 326. IX 72 (vgl. XI 818). 


 Vebersetzungsliteratur des früheren Mittelalters. 145 
18. F. 202b—204’b eine lange Subskription des Schrei- 
bers Marinus aus Sorrent über sein Leben, einige Schick- 
"sale seines Klosters während seiner Zeit und die Entstehung 
dieser Hs., die, auch wegen der Angaben über die Aebte 
seines Klosters von der Mitte des 12. Jahrhunderts an, hier 
nicht übergangen werden kann. Denis hat sie zwar voll- 
ständig, Huber aber nur Bruchstücke daraus mitgeteilt; im 
einzelnen war der T'ext wiederholt aus der Hs. zu verbessern. 
Man könnte dieses Stück etwa Nofitia Marini de monasterio 
sancti Severini Neapolitano et de vita sua nennen. Denn 
dass es sich um dieses Kloster handelt, zeigt ein sehr ver- 
löschter Vermerk oben auf der 1. Seite der Hs.: /ste liber 
est sancti Severini de Neap....... Das Stück lautet: 
Dum®) ego frater Marinus monachus parvulus essem 
in domo patris mei in civitate que vocatur Sirrentum, pla- 
cuit Deo, cuius nutu et dispositione subsistunt ac gubernan- 
Zur omnia, que sunt in celo sursum et in terra deorsum!), 
ut ad habitum sancte religionis pervenirem. lTempore nam- 
que domni Johannis abbatis huius sancli cenobiüi a domno®) 
Gregorio monacho, vero germano matris mee, in hoc mona- 
sterium perductus sum et monaycho°) habitu indutus. Fuit 
enim prephalus abbas civis Salernitanus, genere nobili‘) 
ortus, loquela facundus, in acquirendis‘) rebus strenuus, 
corpore grandevus, omnibus honorabilis. Qui sedit in 
ordine abbatatus‘) annos tres et menses octo*®). Post hec 
ab emulis apud regem Roggerium?) accusatus eius iussu 
depositus est de suo officio suogue honore. Qui?) post 
hec parvo vivens tempore apud Beneventum defunctus est 
ibique sepultus. Successit aulem in loco eius domnus Pe- 
fracca®) abbas civis Tranensis, vir per omnia eruditus, etate 


2) Mit grosser Initiale c. b) dmo c. °) -ycho verb. c. 4) Mit 
-Ii beginnt f. 202’a c. °) Soc. f) So c., immer. 8) Auf Rasur c. 
b) Etwas undeutlich c.; ‘Petronax’ Denis, Huber. 


1) Vgl. Deut. 4,39: guod Dominus ipse sit Deus in coelo sursum 
et in terra deorsum, ebenso Jos. 2, 11, vgl. Act. 2, 19. 
2) Roger II., König von Sizilien 1130— 7 1154 Febr. 26. 
®) Der abgesetzte Abt Johann. 
Münchener Museum f. Philologie des MA. IV, 2. 10 


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146 Hofmeister, Zur griechisch lateinischen 


senex, moribus maturus, sermone luculentissimus omnique 
bonitate et Dei sapientia repletus. Qui vixit in ordine abba- 
tatus annos quattuor et menses quatiuor. Quo defuncto 
surrexit in loco eius domnus Marinus abbas civis Neapoli- 
tanus, genere nobili ortus, vir universa morum honestate 
preclarus, virtute abstinentie preditus, vigilüs et orationi- 
bus semper intentus, cibo et potu parcissimus, in augmen- 
tandis rebus monasteriü strenuissimus. Qui sedit in ordine 
abbatatus annos decem et septem, mense uno, dies duo- 
decim. Cuius temporibus dedicata est magna ecclesia 
hulus®) sancti monasterii officio episcoporum in honore 
sancte Dei genitricis Marie et beati Viti Christi martiris, 
anno dominice incarnationis MCLVIIII®, die quartadecima 
mensis Juni, indictione VI. Qui cum multo tempore 
valida infirmitate cotidie cruciaretur, tandem venit ad obi- 
tum. Tunc fecit convocari ad se omnes fratres. Quo®) cum 
omnes adessent, cepit se ipsum humiliare et unicuique 
veniam petere, ostendens se omnibus culpabilem et rogans 
eos, ut sibi misericorditer indulgerent et veniam tribuerent. 
Quod ita factum est, ut ipse petit, orantibus omnibus pro 
eo et absolutionem*) ei facientibus. Ipse quoque similiter 
fecit omnibus, orans pro eis et absolvens eos. Quo de- 
juncto orta est contentio inter nos de sepultura eius, eo 
quod sepulchrum vacuum non esset, ubi sepeliri deberet, 
et novum non erat, qui faceret. Quod cum multo inde hesi- 
tando hoc et illud inter nos diceremus, dixit quidam frater: 
‚Levemus ossa domni‘) Placidi et domni°) Martini de eorum 
sepultura et reponamus eum ibi. (Quo dicto placuit omni- 
bus et quieverunt a musitatione, deponentesque!) eum 
honorifice, ut decebat, sepelivimus. Cumque sepultus 
esset, fratres tulerunt ossa prephatorum fratrum, domni®) 
Placidi videlicet et domnie«) Martini, et subtus ipsum cam- 
panarum®‘) in‘) inhonesto loco inhoneste collocarunt. Fac- 


a) Beginnt f.202'b o. db) Verb. aus Quod c. °) absalulionem co. 
d) döni co. °) So (ausgeschrieben) c. ?) Beginnt f. 204a (f. 208 ge- 
hört, wie oben bemerkt, zwischen f. 1T78—179) o. 8) döni o. b) So o. 
i) in über der Zeile c, 


er Fa) Be SE Ba 2 Sn 
a Ze ” 
ER, 


Uebersetzungsliteratur des früheren Mittelalters. 147 


tum est autem post hec, ut ipsi ambo pariter per visionem 
apparerent cuidam Leoni clerico, qui eos de sua sepultura 
levaverat, minantesque®) ei dicerent: ‚Cur ausus fuisti nos 
de nostra trahere habitatione? Et quod peius est, de mona- 
sterio eicere? Quodsi foras nos eiecissent, sicut facere 
volebant, monasterium omne destrueretur et tu non evaderes 
celestem vindictam.‘ Quod cum expergefactus tremebun- 
dus narraret, ceperunt etiam et alii huius loci homines 
dicere?’), similia se per visionem vidisse. Quod nos stalim 
ut audivimus, fimore omnes perculsi sumus. Initoque con- 
silio albis induti perreximus omnes ad eundem locum cum 
luminaribus et thimiamatibus. Elevantesque eos inde de- 
portavimus in ecclesiam orantes et psallentes, omnesque 
eliam campanas sonantes cum magno gaudio°) et letitia 
reposuimus eos in ecclesia suffraganea in jundamento ab- 
side maioris a parte meridiei‘), offerentes Deo sacrificium 
pro eis. Et ibi manent usque in hodiernum diem. Fuerunt 
enim hi duo fratres bene religiosi in vita sua, virtute abs- 
tinentie prediti, humiles, obedientes bonisque operibus 
optime*) redimiti. Quorum vitam et operationem nos se- 
quentes, credimus und cum ipsis in gloria Dei gaudere et 
exultare cum omnibus sanctis, ipso adiuvante et concedente, 
qui cum patre et spiritu sancto vivit et regnat trinus et 
unus Deus per omnia secula seculorum. Amen. 
Prephatus‘) vero®) domnus Marinus abbas, cum adhuc 
viveret et magna infirmitate, ut dictum est, pessime crucia- 
retur, de qua etiam et mortuus est, et ego astarem coram 
eo, serviens ei, precepit mihi, quatenus explanationem Can- 
tici Canticorum bone memorie domni?) Bernardi Clareval- 
lensis abbatis!) scriberem; quod Deo annuente festinus 
adimplere studui. Nam cum ipse adhuc') viveret, totum 
illud scripsi et complevi. Eo vero defuncto successit in 


&) -ätes- auf Rasur c. ®) Ueber der Zeile o. °) Mit -dio beginnt 
f.204b c. 4) -inachgetragen c. °) Ueber der Zeile c. f) Mit grosser 
Initiale o. 8) Ueber der Zeile c. &b) döni c. 1) Ueber der Zeile c. 


1) Bernhard von Clairvaux, 7 20. August 1153. 
10° 


148 Hofmeister, Zur griechisoh-lateinischen 


loco eius domnus Henricus abbas, qui precepit iterum mihi, 
ut prephatum librum, quem domnus Marinus abbas pre- 
cessor*) eius inceperat?), usque ad finem scribendo perduce- 
rem. Cuius iussu°) omniumque fratrum ammonitione atque 
exortatione sepissime animatus adimplere curavi et usque 
ad finem Domino cooperante, a quo omne bonum sumit 
initium et fine concluditur, perduxi, anno videlicet dominice 
incarnationis MCLXXIII?, die prima mensis Augusti, in- 
dictione septima. Rogo itaque vos in Domino [ratres, qua- 
tenus istum librum cottidie legere studeatis et legendo 
corde retineatis et‘) corde retinendo opere adimplere festi- 
netis. 'Lectio enim divina assidue meditata perducit mona- 
chum ad summa virtutum culmina. Si quid vero legendo 
ineptum in eo invenerilis, non noxam, sed mihi veniam 
tribuatis Deumque omnipotentem pro me miserrimo ob- 
secrare non neglegalis, dicentes: ‘Deus omnipotens, pro- 
pitius esto illi miserrimo peccatori. Amen’ Ego enim, 
licet indignus, gratias illi ago, laudo et benedico, qui me 
hucusque sua immensa bonitate adiuvare dignatus est. Sit 
illi laus, honor et gloria, cuius imperium sine fine manet 
imperpetuum*). Amen. 


Queris‘) Opus Cuius, Nomen Marinulus Huius!). 
 Hec Ego Marinus Scripsi Non Pectore Pigrus. 
Celica Pro scriptis Marinulus Postulat istis. 
Scripsit Hen®) Emunus®), Tribuit Quod Trinus et 
Unus. Amen. 


Qui scire cupis nomen libri huius: 
Titulus est talis huius libri eclesialisth) 
ER ee.) sie iure vocatus*). 


e) So c. b) Das erste e verb. aus i co. °) Mit -sz beginnt 
f.204’a 0. 4) Ueber der Zeile 0. ®) So o. f) Beginnt f. 204 o. 
8) So c., 88 steckt wohl yövog ('allein’) darin; /ren/rici]... munus 
wolite Huber schreiben. +) So c. 3!) Eine halbe Verszeile aus- 
radiert c. *%) Dann eine Zeile frei c. 


ı) Natürlich des Schreibers, nicht des von ihm geschriebenen 
Kodex, wie Huber S. XIV meint. 


Uebersetzungsliteratur des früheren Mittelalters. 149 


Scriptori huic cuncta parcat?) 

crimina Christus®). Amen. 

Signa‘) libri huius qui scire cupis. 
Liber quem scripsit monachus Marinus. 


Die Hs. ist also am 1. August 1174 von dem Mönch 
Marinus aus Sorrent in dem Severinuskloster in Neapel 
vollendet worden. Das Kloster, gewöhnlich nach den beiden 
Heiligen Severinus, der 902 vom Castrum Lucullanum, und 
Sossius, der etwas später von Misenum in der Zeit der Sa- 
razenennot hierher übertragen wurde, genannt, war unter 
Herzog Athanasius von Neapel (877—898) gegründet; unter 
dem Bourbonen Ferdinand IV. und nach vorübergehender 
Wiederherstellung während einiger Jahre endgültig 1807 
von Joseph Bonaparte aufgehoben!), beherbergt es seit 1818 
das neapolitanische Staatsarchiv?). 

Ausdrücklich bekennt sich Marinus nur zu dem II. und 
III. Teil der Hs. Er hat längere Zeit daran gearbeitet. Bern- 
hards Auslegung des Hohen Liedes (also den 11. Teil) hat 
er auf Veranlassung des gleichnamigen Abtes Marinus 
während dessen letzter Krankheit begonnen und in raschem 
Zuge noch zu dessen Lebzeiten vollendet. Auf Geheiss des 
neuen Abtes Heinrich und unter wiederholter Mahnung 
von seiten der Klosterbrüder hat er. dann die Fortsetzung, 


‘also die Heiligenleben, mit denen wir es zu tun haben, 


hinzugefügt. 

Der Schreiber befand sich bei Vollendung seiner Arbeit 
bereits mindestens 22—25 Jahre im Kloster, in das er auf 
Veranlassung des Mönches Gregor, eines Bruders seiner 
Mutter, unter Abt Johann, aus adligem salernitanischen 


®) Dahinter von späterer Hand: Expicit (so) liber Deo gralia o. 
b) xps c. ®%) Von hier an rot c. 


ı) B. Capasso, Monumenta ad Neapolitani ducatus historiam 
pertinentia II 1 (Neapel 1885), S. 6. 

2) Es liegt am Largo S. Marcellino, nicht weit von der Univer- 
sität, also mitten in der Altstadt Neapel. 


150 Hofmeister, Zur griechisch-lateinischen 


Geschlecht, eingetreten war.!) Die Zeit lässt sich nicht ganz 
genau bestimmen, weil wir nicht wissen, wie lange Abt 
Heinrich am 1. August 1174 bereits im Amte war. Unter 
seinem Vorgänger Marinus wurde am 14. Juni 1159 die 
Klosterkirche der heiligen Maria und dem heiligen Veit 
geweiht, er ist also nach (und offenbar geraume Zeit nach) 
dem 14. Juni 1159 und ebenfalls geraume Zeit vor dem 
1. August 1174 gestorben? Von dessen Vorgänger Petracca 
hören wir, dass er noch unter König Roger II. (j 26. Fe- 
bruar 1154) sein Amt antrat, nachdem Abt Johann von 
diesem abgesetzt worden war. 

Ein solches Eingreifen des Normannenherrschers in 
Neapel ist aber vor der neuen Unterwerfung des letzten 
einheimischen Herzogs Sergius VI. 1137 und vor seinem 
Tode in der Schlacht bei Rignano (30. Oktober 1137) un- 
möglich,?*) und auch in den nächsten beiden Jahren, wo 
Neapel sich auch ohne Herzog noch zu der Herrschaft „der 
grossen Kaiser“ von Konstantinopel bekannte, nicht gut 
denkbar. Erst nach der Niederlage des Papstes Innozenz 11. 
am 22. Juli 1139 unterwarf sich die Stadt dem Könige, der 
im nächsten Jahre selber dorthin kam.°) Wir kennen ferner 
die Regierungsdauer der drei Aebte Johann (3 Jahre, 8 Mo- 
nate),*) Petracca (4 Jahre, 4 Monate) und Marinus (17 Jahre, 


1) Man beachte im Zusammenhang mit den neueren stände- 
geschichtlichen Untersuchungen innerhalb der Kirche des früheren 
Mittelalters die Betonung des nobili genere ortus bei den Aebten 
Johann (aus Salerno) und Marinus (aus Neapel). Ob es nur zufällig 
bei Petracca (aus Trani) fehlt? 

2) Sergius VII. hatte vorher schon 1131 die Oberherrschaft Rogers 
anerkannt, sich aber 1135 wieder von ihm losgesagt. Vgl. Capasso, 
Monumenta I (1881) 136 ff.; M.Schipa, Archivio storico per le pro- 
vinoe Napoletane XIX (1894) A4b4ff. 470Of.; E. Caspar, Roger II. 
und die Gründung der normannisoh-sizilischen Monarchie, Innsbruck 
1904, S. 106, 146, 211, 2138; F.Chalandon, Histoire de la domination 
normande en Italie et en Sicile, Paris 1907, II 12f., 42, 78f., 8Of. 

’)Capasso,Mon.1142f,;Scohipa, Arch.st.Nap. XIX 472 ff. 4T5f. 

.*) Dieser Johann muss einen (unmittelbaren?) Vorgänger glei- 
chen Namens gehabt haben, der am 21. Juli 1127, 1130, 7. April 1130, 
20. Juli 1131, 17. Januar 1135 belegt ist, Capasso, Mon. II 1 (Reg. 


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Uebersetzungsliteratur des früheren Mittelalters. 151 


1 Monat, 12 Tage). Danach ist ihre Amtszeit innerhalb 
folgender Grenzen festzulegen: 

Johann 3 Jahre 8 Monate; Beginn zwischen Ende 1135 und 
Frübjahr 1149, Ende zwischen 2. Hälfte 1139 und Anfang 1153. 

Petracca 4 Jahre 4 Monate; Beginn zwischen 2. Hälfte 1139 
und Anfang 1153, Ende zwischen Ende 1143 und Frühjahr 1157. 

Marinus 17 Jahre 1 Monat 12 Tage; Beginn zwischen Ende 1143 
und Frühjahr 1157, Ende zwischen Ende 1160 und 1. August 1174. 

Heinrich seit 1160/1174. 

Im Severinuskloster zu Neapel hat die Hs. offenbar 
geruht, bis 1718 die Hss. dieses und anderer neapolitanischer 
Klöster auf Wunsch Kaiser Karls VI. mit päpstlicher Ge- 
nehmigung diesem übertragen und durch die Ueberführung 
in die ehemalige k. k. Hofbibliothek vor der Verschleude- 
rung und der Zerstreuung in alle Welt bewahrt wurden, 
der im 18. Jahrhundert manche unteritalienischen Kirchen- 
bibliotheken anheimfielen. Nach dem Verzeichnis, das An- 
tonio Maria Cavalcanti bei der Uebernahme aufstellte, kamen 
damals 97 Hss. nach Wien, denen 1721 noch 15 weitere 
folgten; bei 41 davon ist mit Sicherheit die Herkunft aus 
dem Severinuskloster festzustellen!). Nach dem Zusammen- 
bruch Oesterreichs in dem Weltkriege 1918 ist auch dieser 
letzte Rest der gewaltigen spanischen Erbschaft, der dem 
Hause Habsburg-Lothringen im Wechsel der Zeiten noch 
verblieben war, von den Italienern wieder aus Wien fort- 
geführt worden?). 


Neap.) S. 894 Nr. 634, II 2 S. 103—107, S.87—92 (=II 1 8. 401 Nr. 644), 
S. 79—84 (=1I 1 S. 405 Nr. 651), IE 1 S. 415f. Nr. 662. 

%) Ferdinand Mendik, Die Neapolitanischen Handsohriften der 
Hofbibliothek, Mitteilungen des Oesterreichischen Vereins für Biblio- 
thekswesen VII (1904), 133—143, 170—177 ; IX (1905), 31—37. Unsere 
Hs». verzeiohnet Cavaloanti als Nr. XX: „Un oodice in foglio in carta 
pergamena, ohe contiene l’esposizione d’Origine, di S. Gregorio e di 
altri dottori sopra la Cantica con altri opusouli aggiunti, molto 
commendabile per l’antichitä di oingue secoli e commendabilissimo 
per le oose, che oontiene“ (Menlik S. 141). Nach einem früheren Ver- 
zeichnisse desselben Cavalcanti war zunächst bei den seit 1716 schwe- 
benden Verhandlungen von 38 Hss. des Severinusklosters die Rede. 

*) Siehe das Verzeichnis von 99 Hs. aus Neapel und 45 Hs. 
aus Trient, die von Italien der Wiener Hofbibliothek entnommen 


L.. 


152 Hofmeister, Zur griechisch-lateinischen 


Die Hs. ist für uns besonders des III. Teiles wegen 
interessant, aus dem wir andern Orts die beiden unge- 
druckten Erzählungen von dem heiligen Konstantius mit 
ihren Nachrichten dus der Geschichte der Sarazenenzüge 
gegen Kapri und Amalfi mitteilen. Dieser III. Teil verdiente 
auch deswegen noch einmal eine ausführlichere Besprechung, 
weil es sich hier, wie auch Huber andeutete, fast überall 
um sonst ganz unbekannte Texte oder doch um Textformen 
handelt, die von den sonst bekannten erheblich abweichen 
und die von den Bollandisten noch nicht verzeichnet sind. 
Die Hs. ist aber auch deswegen von hohem Interesse, weil 
von den zehn Stücken des III. Teiles sechs (Nr. 10 —15) 
aus dem Griechischen übersetzt oder auf Grund griechischer 
Vorlagen zusammengestellt sind, nämlich die Antiphonetis- 
Legende, die Vita b. Johannis qui cognominatur Caliuita, 
die beiden Miracula s. Georgii, der Sermo de obitu b. Ni- 
kolai, die Vila s. Herinis und die Vita s. Johannis cog- 
nomento Heleymon. 


Die Entstehung der Hs. führt uns an die Stelle, wo 
zwei der grossen Kulturkreise des Mittelalters einander 
schnitten, der abendländisch-lateinische und der morgen 
ländisch-griechische, während die von dem dritten, diese 
beiden vom Osten bis zum äussersten Westen von Süden 
her umrahmenden, dem arabisch-islamischen, ausgehenden 
Einwirkungen wenigstens in ihren negativen Aeusserungen 
in dem Inhalt der hier aufgezeichneten Erzählungen ihre 
Spuren hinterlassen haben. Die Hs. ist mit ihrem Inhalt 
ein kleines, aber sehr bezeichnendes Stück aus der Kette, 
die Lateinertum und Griechentum aneinander band, ein un- 
scheinbares aber lehrreiches Ueberbleibsel des fortgesetzten 
und mehr im stillen Fortgang des täglichen Lebens, aber 
gerade darum auf die Dauer intensiv wirkenden Infiltrations- 
prozesses, in dem der griechisch-morgenländische Geist und 
sein Schrifttum immer allgemeiner Eingang fanden in die 


sind, bei Hans Tietze, Die Entführung von Wiener Kunstwerken 
nach Italien, Wien 1919, S. 47 fi. 


- u Bi: 83 


as it anni Pe 7 1 es 


Uebersetzungsliteratur des früheren Mittelalters. | 153 


Literatur und das geistige Leben des Abendlandes. Freilich 
handelt es sich hier nicht um die Befruchtung durch die 
reinen Gedanken der Denker und Dichter des hellenischen 
Altertums oder der philosophischen Theologen der alten 
Kirche, sondern um .die Niederungen, in denen Wunder- 
glaube und Fabelsucht einer halbgebildeten Masse vermischt 
mit kirchlichen und fremden Anregungen in den üppigsten 
und buntesten Blüten wucherten. Wie sehr aber gerade von 
diesen ein in die Breite wirkender und den Inhalt des abend- 
ländischen Schrifttums nachhaltig beeinflussender und doch 
auch bereichernder Antrieb während vieler Jahrhunderte aus- 
gegangen ist, braucht hier nicht besonders erörtert zu werden. 

Mit diesen Uebersetzungen aus dem Griechischen sind 
in unserer Hs. nicht nur Schriften des französischen Zister- 
ziensers Bernhard von Clairvaux, sondern auch ein Werk 
verbunden, das u. a. die Verse ausschreibt, in denen der 
deutsche Benediktiner Williram von Ebersberg, aus vor- 
nehmem rheinfränkischen Geschlecht, dem eben erwachse- 
nen König Heinrich IV. den Inhalt des Hohen Liedes dar- 
stellte. Der übernationale Charakter der Kultur des zwölften 
Jahrhunderts und ihre internationalen Beziehungen spiegeln 


‚sich in dieser Hs. des neapolitanischen Mönches mit ihrem 


italienischen Vulgärlatein (im III. Teil) ebenso sinnfällig wie 
die Völker- und Kulturmischung auf dem Boden des sizilisch- 
apulischen Reiches der französierten Ritter aus der Nor- 
mandie, deren Ahnen einst von dem skandinavischen Norden 
ausgezogen waren.!) 


ı) Für die Völkermischung in den Normannenstaaten sei auf 
den Bretonen Ihon in Aversa hingewiesen; er urkundet am 30. 
Juli 1097 in Aversa: Ego Ihon filius Hermenioht de genere Britan- 
norum orlus, habitator sc. Aversanae urbis, Regii Neapolitani Ar- 
chivi Monumenta V (Neapel 1857) Nr. 488 S. 228 ff, und unterschreibt, 
ohne Angabe seiner Herkunft, die Urkunde des Fürsten Richard I. 
von Capua ebendort August 1101, ebd. Nr. 506 S. 273. — Die Urkunde 
des Sansguala dominus Planisi qui sum ex genere Normannorum, 
ebd. Nr. 279 S. 39f. zum Juni 1008, ist für 1008 unmöglich; nach 
der 11. Indiktion dürfte sie etwa zu 1088 gehören. 


Berlin. Adolf Hofmeister. 


a. 


Ein unbekanntesVersbuch des 17 ‚Jahrhundeı ts 


Das nachstehend mitgeteilte Jugendwerk Daniel Czepkos 
(1605—1656), die „Drey Rollen verliebter Geiangez 
wird hier zum erstenmal vollständig abgedruckt. Eine ı 
kleine Auswahl in ungenauer Orthographie gab bereits 187 17 
Palm in seinen Beiträgen zur Gesch. der deutschen Liter. ; im 
17. Jahrh., S.272f, Die ‚„‚„Rollen‘ umfassen Bl. 33—50 der 
Hs. R. 3098 der Breslauer Stadtbibliothek, einer Abschrift des 3 
Anonymus J. 8. E., der im Herbst 1721—23, zum Teil schon 
1718, nicht reger als 14 stattliche Quartbände ungedruokter 
Schriften des Dichters zusammentrug. Die Hss. stammen also 
aus dem ersten Viertel des 18. Jahrhunderts, sie sind sehr 
gut lesbar, fast unverbessert, doch mit gewissen inkonsequen- 
ten Eigenheiten aufgezeichnet. Gross Z und klein z werden 
z. B. niemals, gross © und klein c selten, verschiedene and are 
Buchstaben ungleicher Grösse häufig nicht voneinander Je- 
schieden. Es fragt sich nun zunächst, auf welohen Vorlagen 
diese in der Orthographie von 1723 überlieferten Absc n 
des Anonymus beruhen. Czepkos Sekretär Zacharias Allert 
‚teilt in seinem „Bericht-Schreiben‘“ vom 24. August 1674 
(Hs. R. 3100, S. 231.) über die Endredaktion an dem bis 
heute ebenfalls ungedruckten Schäferepos Ozepkos „Ooridon 
und Phyllis‘ mit, er sei vom Dichter beauftragt, dies Werk 
in Folio „auff eine Paginam nur 3 Strophen oder Gesetzlein“ 
abzuschreiben. L 

Aehnlich hat Allert es mit manchen anderen Werken % 
Ozepkos, vielleicht also auch mit den „Rollen“, gemacht. 
Die andere Möglichkeit ist jedoch die, dass J. S. E. Originale 
des Dichters selber als Vorlage benutzte. Von solchen sind 
heute nur 1 Gedicht, 2 Briefe sowie eine Anzahl amtlicher 
Protokolle!) (Ozepko war Liegnitz-Briegischer Rat) erhalten 


Vergl.darüber meine Arbeit „Der junge Üzepko“ (München 1912), 
S. VIL. 


a SB EBK KFZ EN FA SH 


ss = 


1 eu ar ee ea Fr an 


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Strasser: Daniel Gzepko, Drey Rollen verliebter Gedancken 155 


— schwer lesbar, nicht nur wegen der verwiokelten Hand- 
schrift, sondern auch, weil die Papiere jetzt zum Teil schlecht 
geworden sind. Ich nehme an, dass es mit Gründe der letzten 
Art waren, die J. S. E. veranlassten, seine Sammlung Üzep- 
konischer Schriften auf guten Quartbogen zu veranstalten. 
Endlich muss noch mit einer dritten Reihe oder Schicht von 


Vorlagen gerechnet werden, zu der man den Anonymus der 


Biographie!) zu zählen hat. Es ist natürlioh ausgeschlossen, 
unsere „Drey Rollen“ auf eine dieser Reihen mit Bestimmt- 
heit zurückzuführen. Ich möchte aber des persönlichen Ge- 
halts wegen nicht annehmen, dass Czepko diese Arbeit dem 
ironischen Allert zur Absohrift gegeben hat, zumal da er sogar 
vor der Oeffentlichkeit mit ihr zurückhielt. Denn „Coridon 
und Phyllis“ ist demgegenüber doch ein starker Schritt zum 
Objektiven, das Persönliohe ist da tief hinter der Renaissance- 
portiere verborgen. 

Fesselnder als die Textgestaltung ist die Enntstehungs- 
geschichte der Schrift, bei der man freilich ebenso häufig über 
Vermutungen nicht hinauskommt. 

Die fremden Einflüsse habe ich in meiner Arbeit S. 881. 
auf Eckarts Mystik, die Griechische Anthologie (bes. Paulus 
Silentiarius) sowie Martial zurückzuführen versucht. Ich be- 
schränke mich daher auf einige Bemerkungen zur kompositio- 
nellen Genesis der Schrift. 

Die „Drei Rollen® gehören ihrem Wesen wie ihrer 
Gestalt nach in die Zeit von Dobroslawitz, wo der Dichter 


1632—35 bei den befreundeten Brüdern Hans Georg, Karl 


Heinrich und Wenzel Friedrich v. Ozigan sowie auf den Gütern 
ihrer Freunde die glücklichsten Jahre seines Lebens verbrachte. 
Es sind zwei Perioden oder jedenfalls zwei Gattungen von 
Schriften dieser Zeit zu unterscheiden: die erste (sicher frühere) 
ist überwiegend mystischen Charakters, sie schliesst sich an 
die Brieger Verbannung (seit 1629). Ihr gehören vor allem 
der tiefreligiößse Septemberbrief an Geissler von 1631, das 
Gedioht an Donath von 1632, sowie die Zwillingsdiohtungen 


1) Allerdings haben dieser „Latina“ höchstens gewisse Auf- 
zeichnungen aus Üzepkos Kreise vorgelegen. Vergl. „Der junge 
Czepko*, S.2, Anmerkung 1. 


156 Strasser: Daniel Czepko, Drey Rollen verliebter Gedancken 


„Inwendiges Himmelreich“ (1833) und „Gegenlage der 
Eitelkeit“ (1633) an — die grösste mystische Schrift, die 
„Consolatio ad Baronissam ÜUziganeam“ scheidet als 
wirkliche Gelegenheitsschrift hier aus. Sobald es dem Dichter 
aber besser ging, und je mehr die mystischen Freunde von 
den Sohwestern und Töchtern seiner Wohltäter zurückgedrängt, 
je heiterer und geselliger die Tage wurden, um so mehr rückte 
die „Weissheit“ vor Liebe und Flirt in den Hintergrund. Dieser 
zweiten Periode oder besser Schicht gehören die überwiegend 
erotischen Schriften dieser Zeit: „Unbedaohtsame Ein- 
fälle“, „Reisende Musen“!) und die „Drey Rollen“ an 
— „Coridon“ scheidet hier aus, da seine Entstehung sich 
über mindestens drei bis vier, seine endgültige Formulierung 
auf mindestens 20 Jahre erstreckt. Aber es ist wie gesagt 
ausgeschlossen, mystische und erotische Periode von Dobros- 
lawitz scharf voneinander zu trennen. Das „Fassnachtspiel“ 
liegt z. B. sicher im Anfang, die mystische „Consolatio“ 
wahrscheinlich am Ende des Trienniums. 

Unser Versbuch liegt als Schwesterdichtung zu den in 
mancher Hinsicht tieferen „Einfällen“ vor dem Betrachter. 
Ebenso wie diese sind sie in der erhaltenen Fassung, wenn 
nicht unorganisch, so doch nicht ursprünglich. Das ganze 
Werk ist der gleichfalls dichtenden Frau Salome v. Lassat, 
geb. Burggräfin v. Dohna, gewidmet. Mit Recht — nicht nur 
weil sie besonderes literarisches Verständnis zeigte, sondern 
auch, weil die Gedichte „theils unter dero Liebs- würdigen 
Frauen Zimmer empfangen“ worden sind, Zum andern Teil 
aber sind es Reste der aus den kroatischen Wachtfeuern von 
Hultschin geretteten Blätter?). Diese beiden Elemente schält 
der Diohter also selbst heraus, ein drittes müssen wir hinzu- 
fügen: es umfasst alle jene Verse an andere Damen, die etwa 
später den unverbrannten Blättern noch hinzugefügt wurden, 
um die einzelnen Rollen zu runden. 

Die erste unter ihnen ist der geliebten Barbara v.Czigan °) 


u ı) Von dieser Schrift nur Teil2, „Gesetze der Liobe“, er- 
alten. 
») Vergl. Vorrede sowie meine Arbeit an verschiedenen Orten. 
*) Sie ist Heldin des Hauptteils der „Einfälle“, der 16 Kling- 
gedichte, die zu den besten des 17. Jahrhunderts gehören. 


ER ._—_.:5 u PT ge 


Strasser: Daniel Czepko, Drey Rollen verliebter Gedanoken 157 


gewidmet, ausser seiner späteren Gattin Katharina Heintze 
wohl Czepkos einziger wirklicher Jugendliebe. Es sind 50 
zweizeilige Sinnsprüche mit Ueberschriften in Reimpaaren. 
Seit Nr. 26 gehen die vierhebigen Jamben in Alexandriner 
über. Entweder ist also die zweite Hälfte der Rolle Nr. 26 
bis 50 später hinzugedichtet oder die ganze erste Rolle wurde 
in einem Zuge niedergeschrieben und dann vom F'euer nicht 
beschädigt. Die zweite und dritte Rolle umfassen 10 und 20 
Gedichte verschiedener Art mit je einer Widmung an Katha- 
rina v. Boessin (3) und Roessle v. Sedlintzky (2). Sie sind 
so beschaffen, dass man sie nach dem Gehalt der einzelnen 
Stücke scheiden muss. Die Lyrika allgemeinen Charakters 
sind spätere Zudichtungen, „Füllungen“ (in der zweiten Rolle: 
Nr.I, I, X — in der dritten: IX, XIV, XVID), diejenigen 
persönlicher Färbung wie z.B. Nr.10 der dritten Rolle primär. 
Eine Szene wie die letztgenannte hat Czepko nicht erfunden, 
sondern wirklich erlebt. 

Aber sicher ist diese Sichtung wiederum nioht. Denn 
selbst liebend und erlebend wird der Dichter nicht immer 
persönlich sein, die reizende Nr. 15 der dritten Rolle beruht 
sogar auf einer Reminiszenz an Paulus Silentiarius (Griech. 
Anthologie V, 229) — und andrerseits ist selbst nach Jahren 
die Ausgestaltung rein individueller Motive nicht ausgeschlossen. 

Ueberhaupt würde zu fragen sein, wann Czepko seinem 
Liebesbuch den Schlussstein setzte. Fasst man das Wort 
„mein Unglück“ in XX der letzten Rolle schalkhaft (ahnlich 
am Schluss des „Ooridon‘“, vergl. meine Arbeit, S.92 — 
sowie in der Latina), so bezieht es sich auf des Dichters 
Verlobung mit der sechzehnjährigen reichen Anna Katharina 
Heintze 1636, die er am 16. Februar 1637 heimführte. Anna 
Katharina war schuld, dass verschiedene Hauptwerke, „Oori- 
don“, das Singspiel „Pierie‘“, endlich unsere beiden Bände 
mit entsohiedener Hand abgeschlossen wurden. Czepko hatte 
wohl selbst das Empfinden, dass damals eine neue Zeit und 
ein neuer Absohnitt seines Lebens begann. 

Und so geschah es! 


Karl Theodor Strasser. 


DANIELIS ı CZEPKO 
verliebter 
Gedancken. 


en te 


160 Strasser: Daniel Czepko, Drey Rollen verliebter Gedancken 


1728. d. 6. Dtaj. Ascensio 
Un 


Die HohWolgebohrne Frau 
Stau Salome Lassatin, gebohrne 
Burggräfin von Dohna. 
Srau auf Quarckhofl. 
Eu. On. 

babe auf dero gnädigen Befehl ih die Rollen verliebter Gcdanden, 
fo ich theils aus der Aichen, als folcde nebenft vielen anderen Schrifften 
dem Seuer unlängit von den unbeliebten Eroaten in Hiltihin aufge 
opffert worden, aufgelefen: theil® unter dero LiebSmürdigen Frauen 
Zimmer empfangen, biermit in tieffer Undadht, wie e8 fich bey dero= 
gleihen Göttin, wo auf der Welt dergleihen au anzutreffen geziemet, 
gehorfam übergeben wollen. Jh muB es befennen, daß ich durch diefes 
Ihlechte Opffer dem Altar der Dankbarkeit nicht einen geringen Schand= 
fled anbänge, alß ber id durd) die von Eu. Gn. mir fo viel erzeigte 
Grabe längft verbunden gemwefen, durch) etwan eine neu aufgebauete 
Arcadia zu ermeifen, dab Teinem undandbaren folde wiederfahren. 
Und hat iemablen die vom Himmel herabgeitiegene und auf Erden fich 
au erfennen gegebene Schönheit die unterthänige Uufmwartung der aller 
berühmteften Gemüther verdienet, jo haben in Wahrheit Eu. Gn. die 
Oberitelle darunter in diefer unferer Zeit erlanget, und wäre zu wün- 
fchen, daß alle derfelbigen verwundernde Beihauer Ihre unbegreifiliche 
Macht, wie fie folche leiden, alfo auch bejchreiben Tönten. Uber mie 
M. Scävola feine Yand, als fie den Fehler begangen, und nit den 
Koenig Porsena, fondern feinen Eantler im Lager barnieder geitojien, 
in das Feuer jtieß, darinnen abbrannte, und daß gante Lager bie 
wunderjame Leiche feines in der Flammen vertriffenden und geröjteten 
Urmes mit groffer Herkhafftigkeit ohn einhiges Juden fchauen ließ: aljo 
fürchte ich, dürfften audy die Überwinder eines folhen Vorjates fih, ehe 
fie e8 gemeinet, mitten in den Ylammen ihrer Schönheit befinden, und 
ihre $Sehler mit dem Scaevola barinnen der ganken Welt Schau tragen, 
und barüber in Die WMfche geleget werden. Unterdefjen wil ich gegen= 
mwärtige Rollen und die darauf folgende Mujfterung Eu, On. als dem 
einsigen Mufter aller Vortrefflichteit beitens befohlen haben. lind ob 
gleich dieje verliebte Gebanden von Eu. On. ausgemuitert werden jolten, 
mil ich doch Hoffen, Sie werden barüber ihren eigenen nicht feind mwer- 
ben, die den meinigen viel von ihrem euer mitgetheilet, und mie fie 
theils noch alle Heiß aus dem Feuer hervor geluddet worden, alfo nuns 
mehr durch dero befondere Gnabe darinnen beftätiget feyn Taljen. 


Nee 


Strasser: Daniel Czepko, Drey Rollen verliebter Gedanoken 161 


Erite Rolle 
verliebter Gedanden 
oder 
Feuers 
Aus der Wijchen. 


An 
Ihro Gnaden 
Fräulein Barbara Dorothea 
gebohrne 
Fräulein von Czigan. 
* 


Was aus der Afchen ich 
Gefhorren und befommen, 
Als nod) dag Blat geglomen, 
Wil hier bedienen did). 

O Barbara, e8 tft 
Im Feuer aufgeflogen, 
Was ih auf hundert Bogen 
Bu beinem Lob erfieft. 

Sedoch, es fol dein Preiß 
Richt feyn des Feuers Beute, 
D Freundin mweifer Leute, 
Slut frift nicht Ihren Schweiß. 

Das Erkt Triegt ftarden Schein, 
Wo man es Thmelkt gufammen, 
Sp wird dein Lob in Flammen 
Ein Salamander feyn. 

* 


I. 
VBorfak fuht Plab. 


Mer meinen Vorfat redit mil willen, 
Muß mein Gemüth in feines fchlielfen. 
11 


Dein und Mein, 
Berhinbert Ein. 


Wer fi umfieht, wo er geblieben, 
Gehört nicht unter die, fo lieben. 
III. 


Ergib Dich, 
So Hajt Du mid. 


AS ih zum eriien mich verlohren, 
Da war die Lieb in mir gebohren. 


‚Münchener Museum für Philologie des MA. IV, 2. 11 


162 Strasser: Daniel Czepko, Drey Rollen verliebter Gedancken j £ 


IV. 
Vergiß, 
es ift ungemiß, 
Der fhlägt die Liebe leicht in Wind, 
Wer fih nur fonft auf mas verfinnt. 
v 


8 tft ein Bild, 
daraus e8 quillt. 
In Dir Ift maß, das ift nicht du, 
draus quili die Lieb und Tomt bir zu, 
VL 
Wo Hulb nit Tan, 
Brit Gold die Bahn. 
Viel, Die der Lieb und Treu entgangen, 
Hat endblid) Geld und Gold gefangen. 
VI. 


Wo Brand, 
Selten Verftand. 
Das uns auf Erden fan erhöhn, 
Jit Lieben, und dis recht verftehn. 
vm. 


Glaub e8 Bloß, 
fo bift du Ioß. 
Ber liebt, und fpricht, er ift gebunden, 
Hat nichts davon noch redit empfunden. 
1X 


Neht fchweigen, 
Kan viel zeigen. 
Bebdenli Doc), was mein Reden fey, 
Ih Ihweig und werb erhört dabey. 
X 


Mein Du 
2äft mir fein Ruh. 
In mir da redt was immer zu: 
Was ijt8? Ich, oder, Göttin, du? 
xI 


Ih fand dich 
Und verlohr mid). 

3 Hab und fudhe, wag mir fehlt, 
Und bin durch nehmen mehr gequält. 
Xu. 

Auf Treu 

folgt Neu. 
Ad, wann ich mich, was Ich erkannt, 
Doh nicht fo bald darauf gemand 


Strasser: Daniel Czepko, Drey Rollen verliebter Gedancken 163 


XII. 
Slamm und Ey8 
Hält ein Gleis. 
Ah Wunder! mitten in den Slammen, 
Gefrier und bad ih offt zufammen. 
XIV. 
Lieben madt Denden, 
Denden madt Tränden. 
Offt hebt, wenn ich nicht dende dran, 
Dih in mir wa8 zu nennen an. 
XV. 
Demuth 
MWol Thut. 
als ih aufs Hödjite Tam, fiel ich, 
Drum der nadhgehit, Hüte did. 
XVI. 


Laß den Willen, 
Wilt du’8 ftillen. 
j Der Willen muß Tein Willen feyn, 
Die Lieb ijt fonjt nit Lieb allein. 
XVII. 
Ungenehm 
Macht bequem. 
Treu ift awar gut. Doch ber hat mehr getan, 
Der fih beliebt vor andern maden Tan. 
xXVI. 
35 fudte Did 
Und verlohr mid). 
Bin ih in dir, und du in mir dergleichen: 
Wie Fanft du mich, ih dich dan nicht erreichen. 
XIX. 
Viel leiden und Thweigen 
San zu Hergen fteigen. 
Im Willen wird die Liebe war gebohren, 
Dod Läßt du ihn, haft du erft Lieb erfohren. 
XX. 


Wie dag No, fo der Mann, 
Mol dem, ber e8 reiten Tan. 
Gut ift die Lieb: als fie wird gut genommen, 
BöR iit fie dann: ift fie dir fo vorkommen. 
XXI 


Verlohren 
Sft bier erlohren. 
IH fu und find, und als id} e8 erlohren, 
Hab ich dagjelb und mid) in dem verlohren. 
11* 


164 Strasser: Daniel Czepko, Drey Rollen verliebter Gedancken 


XXI. 
Viel finnen 
Maht wenig Tönnen. 
Wo du mid triffit in meinem Herken an, 
©o rede fo, baß ich e8 hören an. 
XXIU. 
Nicht mid, 
Sondern in mir Did. 
Was in mir ift, da8 haft du nidht erfant, 
Drumb ilt bein Her& auch ftetS von dir gewand. 
XXIV. 
Beritummen 
Hetit übel vernomen. 
Es ift nit Noth: nichts reden und viel leiden, 
Ein einsig Wort, aud) Tein Wort Tan uns fcheiden. 
xXXV. 
Nicht ich 
Du jelbit plageit Dich. 
Bann di nur nicht felbft die Gedanden plagen, 
Salt du fonjt in der Liebe nichts zu Tagen. 
xXXVl. 
Gedanden 
Wanden. 
Du bijt gu mir, id bin zu dir auch glei) gegangen, 
Wir fehlen beyde fo, und find boch beyd umfangen. 
XXVI. 
Mas in Dir, 
Das fehlt mir. 


Die Liebe, die mich plagt, wirb anderswo empfangen, 


und anderswo ernährt, und jtedt Do im Verlangen. 
XXVIII 
Wer allein 
Darf fih nit Zweyn. 
Ob mir die Hödjfte Yuft dein AUntlis, Göttin, giebt, 
Doh hab abwesend ich did) allzeit mehr geliebt. 
XXIX. 
Obne Berk, 
ohne Schmerg. 
Wer von ber Liebjten geht und bleibet nicht dahinden, 
der Tan, ob er verirrt, alsbald nad) Haufe finden. 
XXX. 
Mich 
Über vielmehr Did. 


Du Liebit nicht mid), nur dis, was fi dir in mir gleicht, 


Drumb fi in ihrer Lieb auch deine Lieb erreicht. 


S trasser: Daniel Ozepko, Drey Rollen verliebter Gedancken 165 


XXXI 
An einem Nu 
eb ih und Du. 
Könt uns der Augenblid, wan wir uns fehn, vertreiben: 
Wo würden, ftürben wir, dann die Gemüther bleiben. 
XXXU. 
Lieb ohne Pein 
ft ein Bancguet ohne Wein. 
Verlier ich te die Pein, fo ich bisher erlitten, 
Sch weiß nicht, folt ich viel umb Liebe bey bir bitten. 
XXXII. 
Einerley Sinn 
Legt alles Hin, 
So Halt ich, dak du Ihön und Höher, daß ich frey: 
Wann beyde weg, dann fomt ung rechte LViebe bey. 
XXXIV. 
Ohne Rath 
Folgt die That. 
US ih Rath bey mir hielt, ob ich dich folte Lieben, 
- Sam felbjt die Viebe dein, fieng an mid) zu betrüben. 
XXXV. 
ah bin 
Da, wo mein Sinn. 
Die Tugend Tann zwar viel, do madjt die Vieb allein: 
Daß ich abwesend aud) Tann gegenwärtig jeyn. 
XXXVI. 
Beydes bringt Flehn, 
Sehn und nidyt jehn. 
Wenn ich dich jeh, alsdenn verlier id Herh und Sinnen: 
Seh ich dich nicht, ih weiß nichts Jonjten zu beginnen. 
XXXVL. 
E83 fomt von Dir, 
Nidm e8 von mir, 
Weil die Gedanden mid) zur Liebe ftetS vermögen, 
Sp find id) alda dich, Bijt du glei nit zugegen. 
XXXVII. 
OD Noth, 
Wie nah ijt der Tod. 
Mein Leben feh ich bloß an deiner Liebe Fleben, 
Kihm nur die Liebe Bin, bald wird e8 fein Begeben. 
XXXIX. 
Sein gröfler Leid, 
| Als das im Herten fehreyt. 
Mit euch beiprehh id mid) gar gern, o ihr Gedanden, 
Dod) fhaut, betriegt mich nicht, ich wil von eudy niit wanden. 


166 Strasser: Daniel Czepko, Drey Rollen verliebter Gedancken 


XL. 
Ohne Bein 
Kan e8 nicht feyn. 
Mit Blumen prangt der Lenk: der Somer drauf mit Ühren: 
Mit Wein und Obft der Herbft: die Liebe mit Bejchweren. 
XLI. 
Bebuld 
Ermirbt Hulb. 
Sch wünfde mir von hier, und wil aud) lieber bleiben, 
San weder bier noch dort die Liebe doch vertreiben. 
XLI. 
Schaue Did für 
Du dienft deiner Begier. 
Biel find, die beten wohl gar Ihöne Nymphen an, 
Und ehren, fehn fie es, bloß ihren eignen Wahn. 
XLIII. 


Sag’s 
3% Mlag’2. 
Ih feuffs, umb einkig nur au wiffen, Schönfte Zier, 
Wie diefen Blid c8 geh’ (indem ich feuffge) dir. 
XLIV. 
Unverwand 
Der grölte Brand. , 
Der ftedt in groffer Noth, der feine füffe Pein, 
unmöglid und dann aud fieht unverändert feyn. 
XLV. 
Wann e8 gethan, 
Verläft dich der Wahn. 
Im Fall id) von dir Tom, ertenn ich fonder Biel, 
Daß dis, was mid) gequält, dann nicht gemeit fo viel. 
XLVL 
Nicht Hören 
Kan verjehren. 
Erwad) ich früh: fo rufft das erft Ach Bott in mir! 
Das andre, biit du nicht im eriten, Liebjte dir, 
XLVIL 
Das Mein in dir 
Ermwedt Begler. 
Das beite bleibt die Seel, und die war raus getrieben, 
Ist fchwebt fie um den Punct (du bill’) fo drinnen blieben. 
XLVIII. 
Alles Du, 
Was ih thı. 
Die Morgenröt erblidt ich nedhft; ih fprang Herfür 
Und fprad) (du famft mir vor) Willlommen fhöne Bier. 


z er  , 5 
4 * 


Strasser: Daniel Czepko, Drey Rollen verliebter Gedancken 167 


| XLIX. 

Lieben ohne Vergnügen 

| it Krieg ohne Siegen. 

„' Lieb ich: alsben geichiehts, daß fie ih von mir treiit: 

| Und Iieb ich nicht, ift mag, das mich fehr reitt und brennt. 
L 


Bald geihehn 

Macht offte flehn. 
ars ih dich ah: in dem haft du mid) weggenommen, 
und weiß noch) nicht, wohin ic) Damals mit dir fommen. 


u A 


“= — 


168 Strasser: Daniel Czepko, Drey Rollen verliebter Gedancken 


Andere 
Rolle 
Berliebeter Gedanden 
oder 
| Wurm 
unterjchiedener Vorbildungen. 


Un 
Shro En. 
Fräulein Nößle 
gebohrne Fräulein 
von 
Sedlintiy. 


Den Zitul, Fräulein, ihr, dag Buch hab ich gemacht, 
Das Bud) nehmt ihr, und mir wolt ihr ben Titul geben, 
Sch Iaff es ja gefchehn, doc), ift e8 recht erdadit: 

Kan, was von Euch gebohrn, bey Euch auch eingig leben. 


I 


Ach liebe das 

Und weiß nicht wa®. 
Was mehr als diefe Zier 
Die Pfauen fo nicht mabhlet, 
Was mehr, al3 was da ftrahlet 
Aug deinen Augen für: 
Was mehr, als diefes Licht, 
Das Wdler fo nicht haben, 
Mas mehr, als alle Gaben, 
Und ihre große Pflicht: 
Was i’82% Jch juch e8 Hier, 
Und ift, bleibt eg bey mir, 
Weil ich es hab, entronnen. 


E 1 


II. 
Angit und Hohn 
Der Liebe Bohn. 
Nihm die NRoje von den Dörnern, 
Zeige dann den Frühling an: 
Nihm die Ühren mit den Nörnern, 
Sage, mas der Sommer lan, 


pe a A er 
pe R 

; 4% 
t* 


Strasser: Daniel Czepko, Drey Rollen verliebter Gedancken 169 


Nihm der Trauben füßen Preiß, 
Sprid darauf, der Herbit it onen: 
Niym das Schmelt Glas von dem Eyß, 
Auch der Winter wird genommen. 
Nihm der Liebe Duaal und Bein, 
Liebe wird nicht Liebe feyn. 

= 


Il 
Der Liebe Tabad. 

Liebe treugt, 

Rauch verfleugt. 
Die Lieb tft raud), mein Sind, 
Der e8 nicht fieht, ift blind, 
hr Kram ift nichts, als Naud, 
Ein täglider Gebraud: 
Sie fhendt ung Rau vor Wein, 
Rau muß ihr Effen feyn: 
Was fie verfpriht vor Bohn, 
Geht mie ein Rau davon. 
Vol Rauch wird deflen Haubt, 
Der foldyer Liebe traut: 
Die Lieb ift Rauch, der liebt, 
Wird Itet8 durch Rauch betrübt. 

* 


IV. 
Was treibt, 
Das bleibt. 
Durd) fliehn entflieh ich nicht, 
Bann id dDurd) Wind und Wellen 
Gleih meinen Lauff wil ftellen, 
Folgt dur) das Schöne Licht: - 
Durch Berge, Thal und Wald 
Seh ich ftetS vor mir ftehen, 
Seh id) ftet8 vor mir gehen 
Die freundlie Geitalt. 
Mi müht ich felber fliehn, 
Diemeil bier ftedt im Herten, 
Dein Bild voll Biebes Schmergen, 
Dem ih mich wil entziehn. 
* 


Vv. 
Ye Härter Band, 
Se freyer Stand. 
Hätten Ungel Würme nicht, 
Kein FZifch würde darnad) Tchnappen: 
Wenn ber Falle Sped gebridt, 
Hört man feine Mäufe tappen: 


u Belleibt und bleibt e8 eigen: 


170 Strasser: Daniel Czepko, Drey Rollen verliebter Gedancken 


Wenn nit Beern an Sprendeln jeyn, 
Kan man Teine Vögel Triegen: 

Wenn nicht Bänk an Eyfen Liegen, 
Geht Fein fchlauer Fuchs niit ein: 
WUlfo, wie e8 jener! giebt: 

Liebe, wilt du feyn geliebt. 


ı Martial. 
* 


VI 

Überall 

Durh Zufall. 
Stein Gaftgebot, Tein Spiel, 
Kein Tanken und fein Winden, 
Kein Nahmen und fein Trinden, 
Nah) der Budjitaben Ziel. 
Kein Krank, Tein Eruß, Tein Brief, 
Aud) jonjt fein Fund noch Grief 
San bey den Liebes Sachen 
Auch nur dag minjte madıen. 
Es ift in uns ein Bronnen, 
Draus lomt, mas angenehm, 
Behäglih und bequem, 
Nach feiner Art geronnen: 
Das wird numehr geliebt, 
Weil fi) eg mehr ergiebt: 
Us Gajtgebot, als Spiel, 
US Tanten und als Winden, 
AUlE Nahmen und als Trinden 
Nah) der Buchitaben Ziel. 
Als Krank, als Gruß, als Brief, 
Und mehr als Fund und Grief: 
Wer Liebe mil genüßen, 
Muß diefen Brunnen wißen. 

* 
VIL 

Mer fragt, 

Veriagt. 
Uh Mägblein, beine Bier 
Sieht wie ein Blümlein für, 
Das zart und neu gebohren: 
Und fi fo bald verlohren, 
So bald ein fühler Wind 

- Bu mittern fiH beginnt: 

Durd Stille feyn und fchmeigen 


Strasser: Daniel Czepko, Drey Rollen verliebter Gedancken 171 


Erfährft dur, was e8 fey, 

Sp tft fie [hon vorbey. 
Glaub, eh als du es funden, 
Sit e8 bereit verihmwunden. 


* 


VIIL 


Der Bahn 

Zündt an. 
Mein Feuer fümt aus dir, 
Und bilt Eyß gegen mir: 
Bon dir find meine Plagen, 
Und du Haft nie geichlagen: 
Mein Treu feyn lehrjt du mid), 
Und ftelft nicht redht treu did). P 
Von dir find meine Schmergen 
Und nihmft es nicht zu Herken. 
Du giebit, was du nit Haft, 
Halt, was du nit fanit geben, 
Was mich befreyt und faßt, 
Bon dem fol id nu Ieben. 


* 


IX. 


Dis, mas man liebt, 

. Sid felten giebt. 
Ach fliehe, die mich fuchet, 
Die mid) fleucht, die juch ich, 
Sch Iobe, was mir flucdhet, 
Der ich flud, ehret mid. 
Nicht alles, was bequem, 
Sit Tieb und angenehm. 
Was ung die Augen giebt, 
Da8 Habt man offt im Herten, 
Und dis, wa8 uns betrübt, 
Verehrn wir voller Schmergen. 
Sch mil, die mid) nicht mil, 
Die wil, wil id) betrüben: 
Die mich Iiebt, plag ich viel, 
Die mich plagt, wil id) Iieben. 
So lebt die Lieb allzeit 
An Wiedermärtigleit. 


’% 


172 Strasser: Daniel Czepko, Drey Rollen verliebter Ged: 


X, 

Wohl bedadt, 

Erhält die Schladt. 
Wie Apollo feinen Strahl 
Läit zu uns hernieder gehen, 
Und dod in des Himmels Höhen 
Bleibt Apollo überall; 
Und wie Vrethujfa Fuß 
Durch) die See mit feinen Filhen 
Komt gegangen ohn Vermifhen 
Und behält den frifhen Fluß: 
Alfo gehet aud Veritand 
Mitten durch der Liebe Flammen, 
Wird zum minjten nicht verbrant; 
Wol dir, halt du fie beyjfammen. 


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Strasser: Daniel Czepko, Drey Rollen verliebter Gedancken 


Dritte 
Rolle 
Verliebter Gedanden 
oder 
Bunder 
unverfehener Yuneigungen. 


Un 
Shro Gn. 
Sräulein Catharina geb. Fräulein 
von Böllin. s 


Stäulein voller Hurtigteit, 
Eharithea unfrer Zeit, 

Derer Tritte, Blid und Sadıen 
Alle Gratien beladen. 


Eurer Unmuth füße Madt 

Sat mid) auf das Seil gebradt: 
Daher trag id) ungebeten 
Gatharina Eure Feten. 


Ob e8 Ernit Ift oder Schimpff, 
Weit ic) voller Treu und Glimpff 
Euch nicht auf der Poft zu jagen: 
Böttin, ihr müßt Euch drum Tragen. 
:k 
I. 
Das Härtefte, das Herglichite. 
Wann unsre Herken Ich mir bilde, Göttin, ein: 
Sit deines und zugleid) auch meines wie ein Stein. 
Bmar being, meil e8 die Ungit bes meinen nicht ermwegt, 
Und meins, weil es den Grimi des deinen fo erträgt. 
Sedod), bedend ich te mein Leiden umb und an, 
Das du mir Shideft zu, und ich ertragen fan: 
Zalt großes ungleich für. Dann find die Herken Stein, 
Sit e8, das mein an Treu, das dein an graufam feyn. 
* 
IL. | 
Bih auf den Mund. 
Alles, was id) jeh an dir, 
Deiner Stellung Wonn und Zier: 
Deiner Wangen freundlid) Qachen, 
Wann fie Rofengrüblein machen, 
Deiner Uugen Scher und Spiel, 
Bann jte find der Meinen Biel: 


173 


0 bu at en 


174 Strasser: Daniel Czepko, Drey Rollen verliebter Gedancken 


Deiner Lippen Liebli Küßen, 
Bann fie fih aufammen fliehen: 
Deiner Hände Deuteley: 

Deiner Füße Schodeley: 

Aller deiner ®lieder Sitten, 
Bann fie mid) fehn did fo bitten: 
Numphe, fpredien fämtlih Ja: 
Kein pricht blos der Mund allda. 
War e8 fol zum alten fommen, 
Dab er müfte gar verftummen. 


* 


II. 


Kleider Sprade. 


Wie dab die Göttin ihr die Zarbe hat erkieft, 

Sn die das Tchöne Neich ber Lufft gekleidet ift. 

Bedeut es Hoffarth? Nein. Dann fie ift allen gut: 
Beltand? Nein. Dann fie Braut in etwas Wandelmuth. 
Geht e8 auf Eyfer? Nein. Dann ihr gilt alles gleich. 
Auf heimlich Veiden? Nein. Dann fte tt fonft fo bleich. 
SH deute diefe Zarb auf Freud und Hoffnung mir, 
Denn eines Theil fpielt blau, daß andre grün herfür. 


* 


IV. 
Se heimlicher, ie inbrünftiger. 


Deine Hand wie Marmorftein 
Zügit du ja der meinen ein: 
Und erlaubft mir fie zu Tüßen, 
Wiljt fie auch drauf ftärker fchlüßen. 
Seimlich Taft dus dies geiähehn, 
Bann uns niemand Tan zu fehn: 
Bald Haft du fie ausgemunben, 
Wat fi) jemand beygefunden. 
Fräulein, e8 gefält mir mol, 
Daß e8 niemand wißen fol, 

Wie wir miteinander jteben, 

Laß mich, laß mid) weiter geben. 
Diele Yreyheit deiner Sand 

Sey und bleibe mir befant, 

Bis du fie wirft, vo mein Leben, 
Einem vor dem SPriefter geben. 


* 


Strasser: Daniel Czepko, Drey Rollen verliebter Gedancken 175 


V. 


Un die Augen 


der Gegen über jtehenden Göttin. 

Allezeit Lichte bey diefer Sonnen. 
Ihr Fönt mir Himmel und zugleich aud) Hölle feyn: 
hr Ichönen Augen ihr durch euern Blank und Schein, 
Schaut ihr mid) gnädig an, feh idy den Himmel offen, 
Schaut ihr mich zornig an, hab ih die HN antroffen. 

Hier Pein, und bort ift Zuft, do mil mit eud) in Pein 

Ich lieber als ohn euch in Luft und Freude feyn. 


* 


v1 


Herbe, der beite Spiegel. 
Weil ihr vor dem Spiegel jteht, 
Und mit ihm au Rathe gebt, 
Fräulein, Hab ich euch erichhlichen, 
drüber etwas ihr verblichen. 
Über Eurer Achjel Hin 
Seht ihr mein Gefihte Ziehn. 
Sn des Spiegels reinen Pläben 
Sid zunedjft an Eures fegen. 


Das entjegen ließ ja nad), 
Weil mih Euer Mund beipradh, 
Daß vom Pupen auf ber Stellen 
Ich ein Urteil jolle fällen. 


Bier und Antlit voller Schein, 
Zräulein, fprad) Ich, treffen ein: 
Über lehrt der Augen Kerken 
Dort in Spiegel, hier zum Herben. 


* 


VI. 


Der Sonnen und Augen Bergleichung. 

Wie der Sinn, fo die Sadıe. 

Die Sonn ift hell und Klar, 

Auch deiner Augen Licht, 
Die Sonne brennt die Welt, dein Augen lühlen nicht; 
Die Sonn ilt bo und groß, dein Augen find erhaben; 
Die Sonne liebt dag Gold, bein Uugen goldne Gaben; 
Sit glei die Sonne fo, bodh fol fie fledicht feyn; 
Sind glei) dein Augen fo, tit dod was falih ihr Schein. 


Bst. En | Zune ot Bo 2 


176 Strasser: Daniel Czepko, Drey Rollen verliebter Gedancken 


VII. 

Das beite im Haufe der Wirt). 

Auff einen Sanbihud. 
Herberg einer fhönen Hand, 
BZarter Singer. Wohn Gebäude, 
Sonnenjhild, mein Ehr und Freude, 
Welch ic) diefe Nadjt erlafit. 
Sandihudh, weil du Diefe Nacht 
Mein Anfechtung bift gemefen, 

- Haft du beßer zu genefen 
In die Heimat bi) gemacht. 
Wan du heimlomit, fprich zu ihr, 
Sräulein, nehmt mid) an in Gnaben, 
Gieng e8 eud), wär e8 ohn Schaden, 
Gleich auch diefe Nat, wie mir, 
* 


IX. 
Eine Schnure Schmel Glaf. 
Überall 
Seh id meinen Fall. 

Du Schmelg Glas Shwark als Pech, da8 bu umtettelt haft 
Die Lilgen weiße Hand, und Zehnmal umgefaft: 
IH zürne doc) mit mir, ob meiner Farbe du, 
Die mein Beträübnüs zeigt, gleich triffit am nechften zu: 
Nicht made bich fo groß: Du bift und bleibeft Glas: 
Die Reiffen find zu fchleht umb ein fo edles Faß. 
AUG Göttin! Diefe Schnur erließ ih nicht umbfonft, 
Die Farb ift meine Pein, das Glas tft deine Gunft. 

%* ) 


X. 

Ueber einen Biltol Schuß 

Verfonen Heißt Straffen. 
Göttin, ift dag recht gethan, 
Weil ich auf und nieder gehe, 
Und am Senfter ftille ftehe, 
Stellteft du dich Seiten an. 
Höfflidy redeit du mit mir, 
Als ich mich zu bir mil büden, 
Reicht dein Knabe Hinterm Rüden 
Ein geipanntes Sand Rohr dir. 
Eh, als ich nehm e8 in adıt, 
Giebft du Feuer. AG der Laugen! 
Benfter au8 vor meinen Augen, 
DaB e8 auf dem Marlte Iradıt. 


A FT Et Su u a 
4 
Mn Zee? 


! : 
| Strasser: Daniel Ozepko, Drey Rollen verliebter Gedancken 177 


Aber, mas tft Diefer Schuß? 
Deiner Augen Blide maden, 
Dap ih jtündlih fonder Kradhen 
| Qundertmal vergehen muB. 
} San bein Liedermaderlein 
| Göttin, eine Gnad erwerben: 
Lab mid ungemartert Sterben, 
| Her Rohr, Weg der Augen Schein. 
| % 
| XI. 
h Un eine Kette und Armband. 
I Wer frey ift, ift am minjten frey. : 
} Warum fchleuft du den Hals und deine weiße Hand 
i Un diefe goldne Kett’, an diefeß goldne Band? 
Sndem du dich geziert, und geheft wie gefangen, 
Sp führft du mich herumb, und bindejt mein Verlangen. 
Die Schönheit Ift mein Jod. Drumb tft e8 redht gethan, 
Daß ich, und nicht daß du bir Ketten trägeit an. 
* 


XI, 

Am Mittel da8 Beite. 
Nymphe, weil ich mwerffe mid, 
Dir gebüdter vor die Fülle: 

Und den Saum des Nodes Küffe, 
Ey jo laß erbitten did. 


Zwar, du wilt mit deiner Hand 
‚Bon der Erden mich aufheben, 
Mir ein fhönes Antlig geben: 
Do dein Herk ift unverwand. 
Nun ein Girdel tft der Saum: 
Drüber mwolt ih gerne fommen, 
Davon halt du nichts vernommen. 
Drumb erlang id da nit Raum. 
’ * 


XII. 

Aus wiedrigenm größere Vereinigung. 
hr Sinn ift voller Eyß, ihr Augen voller Glut, 
Vol Zeuer ift mein Sinn, mein Uugen Talt wie Flutbh. 
Das madıt, ba feinen Sit der Gott der füßen Schmerten 
Bey ihr in Uugen bat unb bey mir in bem Seren. 
AH! Dat er wechleln folt, und nehmen fonder Bein 
Sn ihr da8 Herke zwar, in mir die Augen ein. 


* 
Münchener Museum für Philologie des MA. IV, 2. 12 


178 Strasser: Daniel Czepko, Drey Rollen verliebter Gedancken 


XIV. 


Der Liebe Wzoth. 
Göttin, du bit Stall und Stein, 
Sol ih meine Lieb und Pein 
Sn dein hartes Herke graben, 
Sp muß id) was härters haben. 
Was ilt härteres als bu: 
Das mid) reikt jo ftard Dazu. 
E8 find die ftandhafften Slammen, 
Die aus Wit und Tugend ftammen. 
E83 bringt einen Ugoth mir 
Die Beitändigleit herfür: 
Der wird dich voll Lieb und Baden, 
Rauer Felfen mürbe madıen. 


Und jo mürbe, daß man mid 

Göttin, oder felber dich, 

Sn dir würd abdruden Tönnen, 

Do du muft mid) lieb gewinnen. 
* 


XV. 
Haus Diebe, Haus Verräther. 
Wie artig ift mein Schald. Sie nahm ihr golbnnes Haar, 
Drudt e8 an Mund, und warff daburd) der Augen Paar: 
Nicht Haar, vielmehr ein Ne: in dem ich mid) verfikt, 
Dadurdy viel taufend Bid auf mich gefad; gepligt. 
Nicht Neb, ein fhlauer Raub: weil fie durch biefen Strahl 
Mir Herke, Seel und Diuth und Sinn und Leben ftahl. 
Niemand nahm e8 in adit. Nun hat es Teine Notb, 
Der Diebitahl it entdedt. Wie? Sie ward drüber roth. 
* 


xXVl. 

Alles auf Eines. 
So viel Wellen in der See: 
Bann die Fluth fteigt in die Höb, 
So viel Stern in hellen Näditen: 
Derer Zahl nit zu verfechten. 
So viel Blätter in der Welt, 
Wenn der Herbjt fie runter fält; 
So viel Stipdhen in der Sonnen, 
Wenn der Ausfluß fomt geronnen. 


Sp viel Unfhläg auf der Volt, 

Wäls ih täglih In der Bruft: 

Sit ein AUnfhlag doc) vor allen, 

Den bloß dir wil ich gefallen. 
* 


Be 
| 


Strasser: Daniel Ozepko, Drey Rollen verliebter Gedancken 179 


XV. 


Von feinem Feier. 

Das Leben ofit vom Tode. 
Bann durd) der Flammen SKrafft der Phoenix fi} gebtert, 
Sehn wir, daß die Geburt von feinem Sterben rührt. 
Aus feinem Grabe Tan fid) feine Wieg erheben, 
Aug feiner Afche Ipringt und bricht hervor das Leben. 
So fterb und leb id) auf. E8 madjen mid), o Noth, 
Dein Yugen lebendig, mein liebes euer tobt. 


* 


XVIM. 


Ohne Nachteil. 
Weil die Ungel offen Itunden, 
Sab ih mich zu euch gefunden: 
Zräulein, in der Kater Thür, 
Euer Menjhh verrieth fie mir. 
Sangt nicht auf fie an zu fhmähen, 
Denn ih) babe nichtS gefehen, 
Als mie ihr des Todes Bild 
An: den bloßen Urmen hielt. 
Ah 309 ab den Ieifen Sup, 
Legt aufs Bettud) einen Huf: 
Eh audy) Eu wa folte weden, 
MWolt id Euch felbit jelbit zubeden. 


* 


XIX. 


Stein Rath ohne Liebe. 
Bann id) nicht bey dir bin, Tieg ih in foldder Noth, 
ALS einer, weldier jtirbt und ringet mit dem Tod: 
Und fom id) ie gu bir, fo fan ich nicht beitehen, 
Und fterbe fo dahin und fan doc) nicht vergehen: 
Mein Abjeyn Trändet mid) von Liebe gegen bir, 
Dein Beyfeyn tödtet mich dur) Härte gegen mir. 


* 
12* 


UDEREED- SSEREFFT EEE TEA SEE“ SEHEN NORD 


180 Strasser: Daniel Czepko, Drey Rollen verliebter Gedancken 


XX. 


Vergeijenbeit 

Des Liebhabers 

befte Tugend. 
Sräulein, wie viel Lieder ich 
Dir gefchrieben, dir gefungen, 
Mub ich Doch gelegnen Did, 
Weil mein Unglüd mid) gebrungen. 
Bisher Bat die treue Hand 
Deines Sinechtes di erhaben, 
Bisher hab ich dich genaiit, 
Und gepriefen beine Gaben. 
‚Numehr wirft du, fhönftes Licht, 
Meiner gank und gar vergeflen, 
Numehr wird fich diefer Pflicht 
Mander Held und Gaft vermeflen. 
Castalis tft ja vor Did: 
Du mwilt mir auß Lethe fhhenden: 
Beyde heißen dich und mid, 
Sräulein, denden und nicht dbenden. 


w. d. 15. Maj. vigilia 
Pentecostes. 


Zu H. J. Christoph von Grimmelshausen. 


Wie im Simplizissimus und den im Anschluss an ihn 
entstandenen simplizianischen Schriften, so ist auch in dem 
1670 erschienenen „Ewigwährenden Calender“') Erlebtes, 
Erdichtetes und Uebernommenes durcheinander gemischt. 
Während aber dort die genaueste Kenntnis der Lebens- 
geschichte Grimmelshausens erforderlich ist, um die ein- 
zelnen Bestandteile, aus denen oft eine einzige Episode 
zusammengesetzt ist, von einander zu sondern, vermag bei 
den Kalenderanekdoten auch der mit seiner Biographie 
weniger Vertraute manchmal schon aus der äusseren Form 
und Einkleidung einer Erzählung zu erkennen, ob sie aus 
persönlicher Erfahrung geschöpft ist, oder ob es sich um 
einen Schwank aus der Geschichte des Romanhelden, um 
gelegentliche Abfälle aus dem Hauptromane handelt, die 
aus diesem oder jenem Grunde dort keine Verwendung 
mehr finden konnten, die aber der Verfasser doch nicht 
ganz verloren geben wollte. Anekdoten der letzteren Art 
sind in der Regel daran kenntlich, dass sie vom Simpli- 
zissimus, in der dritten Person, erzählt werden, und dass 
sie sich eng an eine Episode des Hauptromans anschliessen; 
spricht dagegen der erdichtete „Erfinder“ des Kalenders 
selbst, in der ersten Person, wird die Erzählung vielleicht 
noch besonders unterstrichen, zum Beispiel mit der Ver- 
sicherung, dass „diß Stückgen auß einem Butterbrieff ge- 
nommen worden, der mit Simplicissimi aigner Hand über- 
schrieben gewesen“, so haben wir es gewiss mit Erinnerungen 
aus Grimmelshausens eigenem Leben zu tun. Zu dieser 
letzteren Art gehören die Anekdoten „Die verkehrte Welt“, 
„Der teutsche Bawr“, „Corporal ‚Esel‘“, sowie die vom 
„Platteyßlein“, die bekanntlich auf die Spur von Grimmels- 
hausens Aufenthalt zu Offenburg geführt hat. Die Mitte 
zwischen beiden Gattungen nehmen die Erzählungen ein, 


182  Bechtold, Zu H.J. Christoph von Grimmelshausen 


welche der Dichter mit dem aus dem Hauptroman bekannten 
Garnisonleben des Simplicius in der Festung Philippsburg 
in Verbindung bringt; die Quelle, die er für sie angibt, ist 
wohl die gleiche wie die für die entsprechenden Kapitel 
im „Simplizissimus“. Grimmelshausen sagt darüber: „Die 
Philippsburger Stücklein hat ein F'reyherr, so hiebevor auch 
die Saurbrunnen-Our gebraucht, ehrlichen Leuten erzehlt, 
indem er sich eben damahl zu Philippsburg befunden und 
Rittmeister gewesen, als sich Simplicius dorten uffgehalten 
..“ Ich habe bereits früher nachgewiesen, dass der Ge- 
währsmann Grimmelshausens kein anderer gewesen sein 
kann als der kaiserliche Rittmeister, spätere Obrist Johann 
Friedrich Pissinger (Bissinger), der in Philippsburg unter 
dem Kommandanten der Festung, dem Obristen Baum- 
berger (Bamberger) eine Kompagnie Reiter befehligte. Die 
Bekanntschaft Pissingers kann Grimmelshausen sowohl im 
„Sauerbrunnen“ — einem der damaligen Modebäder Gries- 
bach, Peterstal oder Antogast im Renchtal, also in der 
nächsten Nähe von seinem Wirkungskreise, wo die vor- 
nehme Welt jeden Juni und Juli sich zusammenfand — 
gemacht haben, aber auch schon etwas früher, als der Ritt- 
meister als Gast von Grimmelshausens Obristen, des Hans 
Reinhard von Schauenburg, vorübergehend in Offenburg 
weilte, um bei der Taufe der Tochter desselben für seinen 
unabkömmlichen Kommandanten die Patenschaft zu über- 
nehmen (11. Januar 1642?). Ohne Zweifel selbsterlebt sind 
auch die beiden Geschichten, welche nicht unter den eigent- 
lichen Kalenderanekdoten, sondern in der sechsten Spalte 
des Kalenders, welche „Zonagri Discurs von Waarsagern 
ins gemein, als Propheten, Sibyllen etc.“ enthält, stehen 
(5.143). Die erste berichtet von den angeblichen Engels- 
erscheinungen eines Bettelknaben, und seiner alsbald er- 
folgten Entlarvung: „Ich weiß mich zuerinnern, daß umb 
das Jahr 1643, da ich noch ein junger Soldat war, ein 
Geschrey erschollen, was massen die Engel täglich mit 
einem jungen Knaben Gespräch hielten .. .“ 
Aehnlich ist die zweite, unmittelbar darauf folgende 
Geschichte: 


Bechtold, Zu H.J. Christoph von Grimmelshausen 183 


nn... . Auff obigen Schlag gieng mirs auch, da Anno 1648 der 
Rebmann, Hanns Keil, eine Handvoll mit Blut besprengte Reben 
hervor brachte, und das Volck überredete, die Reben hätten es, als 
er geschnitten, selber geschwitzt; Auch wäre ihm ein Engel er- 
schienen, der hätte ihm offenbaret, dasz GOtt die Welt ein und 
anderer Sünden halben straffen würde. Das wurde ihm so festiglich 
geglaubt, dasz er auch sampt dem Engel in Kupffer gestochen, und 
neben seiner Prophecey und etlichen Liedern, welche die Pfarrer 
selbst gemacht hatten, hin und wieder feil getragen ward, sampt 
einem Stück Rebholtz in rother Seiden eingewickelt, welches die 
Landfahrenden Verkauffer zum Warzeichen bey sich hatten. Mir 
kam ein Bogen seiner Offenbahrung unter die Hände, welches ich 
einer vornehmen Dam abschreiben muste, weil es ein Original, und 
von Hans Keilen selbst geschrieben seyn sollte; Ach! da sahe ich 
gleich, dasz es faule Fische, uud der neue Prophet ein Mauszkopff 
in der Haut seyn müste. Aber ich sang und sagte, was ich wollte, 
so gab man mir doch zur Antwort, ob ich dann witziger seyn wolte, 
als so viel gelehrte Leute, so alles für wahr und heilig erkannten, . 
Also muste ich mich leiden, bisz des elenden Propheten Sach an 
Tag kam, dasz er nemblich die Reben mit Blute geschmiert, und 
dem Land einen vergeblichen Schrecken gemacht.“?) 


Die Feststellung der Oertlichkeit, wo die Geschichte 
sich abgespielt hat, war aus dem Grunde nicht unwichtig, 
weil dadurch vielleicht der Aufenthalt Grimmelshausens, 
über den wir für das Jahr 1648 nur sehr unvollständig 
unterrichtet sind, zu der in Frage kommenden Zeit bestimmt 
werden konnte. In meinem Buche „Grimmelshausen und 
seine Zeit“ habe ich dargelegt, wie nach dem im März 1647 
zwischen dem Kurfürsten von Bayern und den Kronen 
Schweden und Frankreich zu Ulm geschlossenen Waßen- 
stillstand die Festung Offenburg aus dem Oberbefehle des 
Kurfürsten ausschied und wieder unter den des Kaisers 
zurücktrat; mit dem Aufhören der Berichte des Komman- 
danten ging auch die Spur Grimmelshausens, der sie schrieb, 
verloren. Das letzte Schreiben von seiner Hand, das ich 
gefunden hatte, trug das Datum des 5. Mai 1647; seine 
Handschrift konnte ich erst am 4. Juni 1648 wieder in 
einem Berichte, den der Obrist von Elter von Wasserburg 
am Inn aus an den Kurfürsten sandte, nachweisen. Es be- 
fand sich also in der Biographie Grimmelshausens eine Lücke 
vom Zeitraum eines Jahres, die noch zu überbrücken war. 


184 Beohtold, Zu H. J. Christoph von Grimmelshausen 


Mehrere Umstände der Erzählung schienen auf Offen- 
burg zu deuten. Meine Erwartung, dass die Ratsprotokolle 
der Stadt Offenburg einen Eintrag darüber enthalten würden, 
hat sich nicht bestätigt; auch die Kirchenbücher von Offen- 
burg und Oberkirch, in denen ich den Namen des Reb- 
mannes Keil zu finden erwartete, liessen im Stiche. Das 
„Theatrum Europaeum“, welches am Schlusse jedes Jahres 
gerne und ausführlich über solche Wunderzeichen und Pro- 
phezeihungen berichtet, schwieg über den Fall. Der von 
Grimmelshausen erwähnte Kupferstich mit dem Bilde des 
falschen Propheten war weder in öffentlichen noch in pri- 
vaten Bibliotheken und Sammlungen aufzufinden, ebenso- 
wenig eine andere Relation, Zeitung oder ein Einblattdruck, 
der auf das Ereignis Bezug genommen hätte. 

Bei der nochmaligen Durchsicht eines vor längerer Zeit 
erschienenen Antiquariatskataloges der Firma Ludwig Rosen- 
thal in München stiess ich auf eine handschriftliche Zeitung 
aus den Jahren 1646—48; ich liess sie mir vorlegen, in der 
unbestimmten Hoffnung, dass darin vielleicht etwas über 
den Gegenstand enthalten sein könne. Ich sollte mich auch 
nicht enttäuscht sehen; die Handschrift enthielt unter 
anderem ausführliche Nachrichten über den Rebmann Keil, 
die ich im folgenden wiedergebe. Sie besteht aus zehn 
Quartblättern, von denen die sechs ersten, in einer Hand- 
schrift des 17. Jahrhunderts, in der Art der damaligen 
Zeitungen und Relationen Himmelserscheinungen und Wun- 
derzeichen behandeln: die blutige Verfärbung der Sonne an 
St. Pauli Bekehrung, beobachtet bei Bissingen, nicht weit 
von Rothenburg; das Erdbeben zu Livorno, einen Blutregen 
zu Malchin in Mecklenburg; Missgeburten und ähnliche 
Dinge, welche das Publikum von damals interessierten. 
Datiert sind die Nachrichten „auß Wien, den 20/30 Januari) 
1646 Jahrß“, „aus Nerlingen“* (Nördlingen), aus Erfurt, 
Frankfurt und anderen Orten. Es dürfte sich bei den, 
seitdem in rneinen Besitz übergegangenen Aufzeichnungen 
nicht um eine eigentliche „Zeitung“, sondern um Ab- 
schriften und Auszüge aus Zeitungen verschiedener Jahre 
handeln. Die vier letzten Blätter tragen ähnliche Auf- 


Bechtold, Zu H.J. Christoph von Grimmelshausen 185 


zeichnungen aus den Jahren 1705, 1772 und 1780. Das Wasser- 
zeichen ist vielleicht das der Papiermühle der Reichsstadt 
Augsburg um die Mitte des 17.Jahrhunderts: ein Reichsadler. 

Weitaus den grössten Raum nimmt der Bericht über 
die Enngelserscheinungen des Hans Keil ein: 


„Extract einesz fornemmen Freyherren Schreiben ausz Vlm 
vom 16. Februarij Ao 1648, welichesz auch geschriben worden ausz 
Studtgart vom 9/19 Februarij. 


Vergangnen 4/14 Februarij 1648 ist in einem Dorf Nammensz 
Herling oder Herlingen, Cronberger Ambtesz, so zwo Stundt von 
Studtgart gelegen, ein weingartner frue Zeitten in seinnen Weinperg 
gangen sein arweidt zu verrichten (Nammensz Hans Keyl genendt, 
so sonsten von Jugendt auf das Zeignusz hatt, dasz er ein Gott- 
seliger man seie), vorderist aber sein gebet verricht, auch mit diszen 
worten (das waldt Gott) sein hippen‘*) ansezen wollen, die Stöck zu 
beschneiden, ist imme ein heller schein vorkummen, als der sich 
aber vmbgesehen, ist ein Jungling in einem weissen langen kittel,. 
goldt gelber haar vndt schennen angesichtes onne huet, vor imme 
Steendt gesehen, wellicher ihmme frdi: gegrist, dariber aber der 
Man Erschroken, vnd nicht antworten können, darauf der Engel zu 
imme gesagt, füerchte dich nicht, Gott hat dein gebet erherret, vnd 
ich werdt von Gott zu dirr gesandt, dasz du deinnem landes füersten 
sagest, was ich dier iezo verkinden werde, 1) klaget der Engel Gott 
seie hoch erzirnet, vber dem vilfeltigen fiuechen, vnd Schweren, 
2) vber den Ehebruch vnd huererei, 3) vber die hoffart der Menschen, 
4) vber den Grossen wuecher der Menschen vnd Ambtleudt, 5) vber 
die grosse Schinderei, 6) vber den Grossen Geitz der Geistlichen, 
wan Sie solten der Gemeinne das heillige Euangelium vortragen, 
mit dem leib Sein sie zwar auf der Oanzel, aber mit dem herzen 
vnd Sin in dem keller, korn poden vnd Seokel, 7) vber dem Schpillen 
zumal am Sohn vnd Feyertag, 8) vber die Endtheilligung desz 
Sabates mit vnnüzen Jagen, vnd werde man nicht ware Buesz thuen, 
vnnd sich zu Gott bekeren, so solle man wissen nach folgenden straffen, 
nicht allein Yber Wüertenberg, sondern ganz Teutschlandt, ja Yber 
die ganze COhristenheidt ergehen werden 1) Alsz der Tüerck werde 
ein solliches rumoren anfangen, dasz der gleichen von anbegin der 
weldt nicht beschehen, das getreidt werde von denn wilden Felkern 
schaden nemmen, solliche Tonner Wetter geschehen, dasz iederman 
erbeben, zusammen lauffen, vnd sich desz jungsten Tagesz besorgen. 
Derselbe aber ist noch nicht da, doch aber nicht waidt, 7 Städe 
werden mit feier verbrendt werden, vier aber sonsten vntergehen 
vnd wasz Vbrig bleibet, wierdt ein grimmig volck kummen, sollichesz 
gar zu verzeren, darauf ein sollicher hunger entsteen, dasz die leidt 
davon werden verschmachten, werde aber der Landesz Füerst, das 


186 Bechtold, Zu H. J. Christoph von Grimmelshausen 


Schwerdt der gerechtigkeit brauchen, die laster abschaffen, vnd das 
vnorecht straffen, auch die leidt ware Buesz thuen, so selle das imme 
zu Trost gesagt Sein, dasz gleich wie der schne von der Sohnne, 
der rauch vom wiendt vergebet, also sol das vorstehende Vnglickh 
von dem landt Scheiden, vnd wier sollen in guettem Friden vndt 
Rue mit Gottesz Gnedigen Segen Ruehig zuebringen; damit imme 
aber glauben gegeben werde, so hett er Engel selbst 6 reben ab- 
geschnitten, vnd die imme in die handt gegeben, welliche ser ge- 
blietet, also dasz dasz bluet vber die handt vndt kleider gerunnen, 
doch dabei bevohlen Solliohes vor 24 Stunden Niemandt zu sagen. 
Nach Vollendung derselben, hat diszer Weingartner seinnen bevellich 
verrichten wollen, vnd den verlauf seinnem Gnedigen Füersten vnd 
Herrn anzeigen wollen, ist aber nicht vorgelassen worden, sondern 
ist von dem Consisterio Examinirt worden, den 7/17 Februarij ist 
er zu seinner arweidt wider in weingart gangen, darauf der Engel 
wider erschinnen vnd den griest, auch gefragt, haben dier die leidt 
glauben geben, vnd er geantwordt die wenigisten, darauf füerte der 
Engel ihn bei der handt in weingarten, ermante die leidt nochmallen 
zur Buesz. In werenden Solicher letzteren Reden, haben aber malen 
in die hundert beschnitne Reben bluedt geschwitzt, auch der Engel 
darauf gesagt, weil man dier nicht glauben wil, so zeige disz den 
leitten nochmallen an, auf dasz Sie glauben, vnd Buesz thuen, vnd 
wan ich nochmallen wegen Solicher verstokten leidt kummen Solte 
‚wegen der verstokten leidt, so wierdt ein feier Zeichen gegeben 
werden, Ö Wehe Wiertenberg, ö wehe Teutsohlandt, ö wehe der 
ganzen Christenheidt, damit beschlusz er sein Rede, vnd verschwandt 
vor ihmme. Wellichesz wunder der Herzog mit vil Adelichen per- 
sonnen Selbst besichtigt, vnd in die mer alsz 1000 gemeinner leidt 
dahin gangen vnd geritten, So Solliches an dennen Reben war be- 
funden, So hat sich ein Teicht oder weier nachendt darbei in schwebel 
Rauch verwandelt, dasz wan man dar zue gehen wollen, man vor 
Tampff nicht bleiben können. Der Ror so darin gestanden, deren 
man etliche abgeschnitten, wan mans angezindt, hatt wie Schwefel 
gerochen, der almechtige Seie Vnsz Gnedig vnd verleihe ware puesz.“ 


Von der Direktion des K. Württ. Geheimen Haus- und 
Staatsarchivs, wo ich Akten über den Fall zu finden hoffte, 
ward mir der Bescheid, dass der gesuchte Ort das Dorf 
Gerlingen im württembergischen Oberamt Leonberg, dass . 
aber Akten nicht vorhanden seien. Die Geschichte werde 
in der amtlichen Beschreibung des Oberamts Leonberg 
(Stuttgart 1852) S. 133 erwähnt, ein gleichzeitiger Bericht 
in Heyd-Leuze, Bibliographie der württembergischen Ge- 
schichte (IV, S.66, Nr. 10975) aufgeführt. 


Bechtold, Zu H. J. Christoph von Grimmelshausen 187 


Die Stelle der Oberamtsbeschreibung lautet: „... Im 
Jahr 1648 machte hier ein Weingärtner, Joh. Keyl, Auf- 
sehen, welcher sich göttlicher Offenbarungen und engelischer 
Erscheinungen rühmte, den Untergang von sieben Städten 
verkündigte und dem Herzog Eberhard zum Wahrzeichen 
drei blutige Reben zu liefern versprach, welche er aber 
‚selbst mit Blut bestrichen. Er wurde endlich in Haft ge- 
bracht und als Betrüger mit Ruthen gehauen und des 
Landes verwiesen.“ 

Die zweitgenannte Schrift führt den Titel: „Göttliche, 
Warhafftige und niemals erhörte Wunderwerk, welche in 
diesem 1648 Jahr hin und wieder, so man Busse thut, zu 
Gnadenzeichen, so man aber unbussfertig in Sünden fort- 
fährt, zu Straf- und Ungnadszeichen der gantzen Welt seyndt 
fürgestell. Das erste ist geschehen zu Magdenburg, das 
andere zu Eckersbergk in Sachsen, das dritte in Görlingen 
im Wirtenberger Land. Im Thon: Wie schön leucht uns 
der Morgenstern etc.“°) 

Endlich wandte ich mich an das Pfarramt der Ge- 
meinde Gerlingen. Der derzeitige Pfarrer, Herr Friedrich 
Schwarz, verwies mich auf den ausführlichen Aufsatz seines 
Vorgängers, Pfarrer Dreher, der in den Jahren 1896—1901 
zu Gerlingen Vikar und Pfarrverweser war. Seine aus 
Akten des Staatsarchivs (die also doch vorhanden sind!) 
geschöpfte Arbeit „Hans Keil, der Prophet“ erschien 1904 
in den „Blättern für württembergische Kirchengeschichte“ 
(Neue Folge VIII, S. 34—61). Dem liebenswürdigen Ent- 
gegenkommen des Herrn Pfarrer Schwarz verdanke ich den 
folgenden Auszug. 

Hans Keil ist am 29. August 1610 als Sohn eines gleich- 
namigen Rebmannes oder Weingärtners®) geboren. Er scheint 
Soldat gewesen zu sein; als er vor Hagenau lag, wurde er 
in eine Untersuchung wegen eines Vergehens wider die 
Disziplin verwickelt: er war, vom Hunger getrieben, trotz 
Verbots mit Anderen in benachbarte Ortschaften zum 
Fouragieren gegangen. Am 12. August 1638 verheiratete 
er sich mit der fünf Jahre Jüngeren Barbara Klingenstein, 
die ihm drei Kinder schenkte. Das älteste war stumm. Bis 


uk 2a 


Er} 


- & 


188 DBechtold, Zu H.J. Christoph von Grimmelshausen 


zum Jahre 1648 durchaus ruhig — „gar eines christlichen, 
ehrbaren und ohntadenlichen Wandels, der die Kirchen gar 
fleissig besuchte und in allen Stücken gehorsam war“ — 
trat er am 4. Februar dieses Jahres mit der mündlichen 
und schriftlichen Aussage auf, er habe am Tage zuvor in 
seinem Weinberg eine Engelserscheinung gehabt; der Engel 
habe zu ihm gesagt: „Sei getrost, dein Gebet ist von dem 
Herrn erhöret worden; ich bin ein Engel von Gott zu dir 
gesandt, dass du sollst deinem Landesfürsten in Württem- 
berg anzeigen, dass Gott wolle Land und Leute strafen von 
wegen der grossen Sünden, wenn man nicht Busse tue. 
Denn der Herr hat die ganze Christenheit nun dreissig 
Jahre heimgesucht mit Krieg und Blutvergiessen, Hunger, 
Teuerung, Pestilenz und Untergang und mit allerlei Strafen, 
aber kein Mensch kehrt sich daran, sondern alle Tage wird 
es ärger.“ Dann fing der Engel an zu rufen: „Weh, weh, 
weh Württemberg, o weh Deutschland, o weh der ganzen 
Christenheit, o weh der grossen Sünde! Feuer vom Himmel, 
das türkische Schwert, Hunger genug ihr haben werdet!“ 
Dann nahm er Keil das Rebmesser aus der Hand, schnitt 
sechs Reben und gab sie ihm; sie bluteten alsbald. „Das 
hat zum Zeichen, dass der Herr noch sechs Monate Frist 
gebe allem Volk; denn der Herr will nicht haben, dass’der 
Mensch in seinen Sünden verderbe, sondern dass alle Men- 
schen sich bekehren und selig werden.“ Acht Laster macht 
er namhaft: Erstens das Fluchen. Zweitens: die Unzucht 
(Strafe: der Türke). Drittens: schändliche Hoffart, besonders 
den Gebrauch von Mehl zum Stärken der Hauben: „Welches 
Weibsbild Haubenspitz über sich trägt gestärkt, die sticht 
die Hl. Dreifaltigkeit in die Fusssohlen und trägt dem ober- 
sten höllischen König, dem Erzteufel, die Krone nach. © 
weh, o weh denselbigen, welche die Gabe Gottes zu der- 
selben Hoffart verwenden!“ — Viertens: Missbrauch der 
Steuer durch die Amtleute, welche durch Zuschläge sich 
bereichern. Fünftens: Wucher. Sechstens: Jagen am Sonn- 
tag. Siebentens: Würfel- und Kartenspiel am Sonntag. 
Achtens: Geiz der Pfarrer. 

Eine von Keil geplante Reise nach Stuttgart wurde 


ed, KSOOgLE - 


aa A 9 


Bechtold, Zu H.J. Christoph von Grimmelshausen 189 


verhindert. Am 7. Februar wollte er wieder eine Eingels- 
erscheinung in seinem Weinberg gehabt haben, wobei hun- 
dert Reben Blut geschwitzt haben sollten; die blutenden 
Reben wurden von vielen Leuten bestaunt. 

Die Geschichte machte grosses Aufsehen; eine Menge 
Leute wanderte nach Gerlingen, um das Wunder mit eigenen 
Augen zu’ sehen. Traktate von Keils Visionen wurden im 
ganzen Lande und über die Grenzen hinaus verbreitet; 
Drucker, Verleger und Verkäufer wurden indes, so weit 


man ihrer habhaft wurde, empfindlich, zum Teil mit Ge- 


fängnis bestraft. 

Am 22. März wurde Keil auf den Hohenstaufen ge- 
fangen gesetzt. Dort fand man ihn eines Tages ohnmächtig; 
er wollte wieder eine Engelserscheinung gehabt haben. Auch 
dies wurde auswärts bekannt. Am 10. April gab Keil zu, 
mit den blutenden Reben einen Betrug versucht zu haben; 
er habe die Reben mit Schweinsblut und mit Blut aus 
seiner Nase bestrichen. An der Eingelserscheinung hielt er 
fest. Am 6. Mai gestand er, auch diese erdichtet zu haben. 
Ueber die Entstehungsgeschichte seiner Visionen gab er an, 
er habe vor Weihnachten eine Zeitung gekauft, in der ge- 
standen sei, dass ein Weingärtner am Sonntag Reben ab- 
geschnitten habe, worauf ihm ein Engel erschienen sei, der 
gesagt habe, es sei nicht recht, am Sonntag zu arbeiten; 
er solle das seiner Obrigkeit anzeigen. Auch an die Engels- 
erscheinung des Hauptmanns Cornelius in der Apostel- 
geschichte habe er gedacht. An seiner Kammertüre habe 
er eine Zeitung gehabt, nach der ein Engel zu den Schnittern 
auf dem Acker getreten sei und sechsunddreissig Gersten- 
ähren abgeschnitten habe, die sich dann in Blut verwan- 
delten. Endlich habe er einiges aus einer Zeitung entnommen, 
in der eine „verzückte“ Bäckerstochter ankündigte, dass im 
48. Jahre ein gross Wetter geschehe, dass der Friede müsse 
geschlossen werden, um dem Türken zu wehren. 

Daraufhin wurde Keil vor dem Malefizgericht zu Nür- 
tingen der Prozess gemacht. Während des Verhörs suchte 
er den damaligen Gerlinger Pfarrer, M. Philipp Christoph 
Schertlin, in die Sache als mitbeteiligt zu verwickeln, zog 


190 DBeohtold, Zu H. J. Christoph von Grimmelshausen 


aber die Beschuldigung wieder als ungerecht zurück. Doch 
scheinen in der Tat die ernsten, strengen Predigten des 
Pfarrers in ihrer leidenschaftlichen Diktion auf Keil einen 
grossen Eindruck gemacht und den Inhalt seiner Anklagen 
und Prophezeiungen zum Teil bestimmt zu haben. Schertlin 
war ein moroser, seltsamer Mann, der im Dreissigjährigen 
Kriege, besonders bei der Ueberschwemmung Württembergs 
durch die kaiserlichen Truppen nach der Schlacht bei Nörd- 
lingen im Winter 1634/35, Schweres ausgestanden hatte — 
es war ihm in der Kirche der sogenannte „Schwedentrank® 
eingegeben worden — und seither kränkelte. 

Die Universitäten Tübingen und Strassburg wurden 
um Gutachten über den Fall angegangen; der Herzog ent- 
schied sich für das strengere der Strassburger. 

Am 23. September 1648 wurde zu Nürtingen das Urteil 
vollstreckt. Keil wurde eine Viertelstunde an den Pranger 
gestellt, hierauf entblösst und bis vors Tor mit Ruten ge- 
strichen. Für ewig ward er des Herzogtums verwiesen. 

Er fand in dem katholischen Orte Bühl in Baden eine 
Unterkunft. Sein Weib war ihm zuerst nachgezogen; sie 
kehrte aber wieder nach Gerlingen zurück. Ihr Bittgesuch 
vom 27. Oktober 1649, ihren Mann wieder in die Heimat 
zurückkehren zu lassen, fand keine Erhörung. Am 21. No- 
vember 1649 wurde ihm und seiner Frau zu Gerlingen ein 
Sohn Michel getauft; neben seinen Namen setzte der Pfarrer 
im Taufbuch das Wort „impostor“* (Betrüger). Weiteres 
als diese Randbemerkung findet sich in den Pfarramts- 
akten nicht. 

„Ueberblickt man das Ganze, so kann man sich des 
Eindrucks nicht erwehren, dass Keil anfangs die löbliche 
Absicht hatte, durch sein Auftreten Busse zu wecken. Dass 
er sich in der Wahl seiner Mittel vergriffi, möchte man 
seiner Beschränktheit und seiner religiösen Schwärmerei 
zugute halten. Mit dem verfehlten Mittel war aber sein 
Fall gegeben; er kam immer tiefer in die Lüge und damit 
in sein Verderben hinein.“ 

Dies das Urteil seines geistlichen Biographen. Wenu 
es auch in seiner psychologischen Würdigung des Falles 
einen grossen Fortschritt gegen das der zeitgenössischen 


Becohtold, Zu H. J. Christoph von Grimmelshausen 191 


Richter des Keil, die in seiner Handlungsweise lediglich 
den beabsichtigten frechen Betrug erblickten, bedeutet, so 
scheint es mir doch noch allzusehr ein bewusstes Handeln 
des Täters vorauszusetzen. Vor einem heutigen Gerichte 
würde bei der Abmessung des Urteils das Wort des psy- 
chiatrischen Sachverständigen gewichtig zu Gunsten des 
Angeklagten in die Wagschale fallen. Ein Rebmann, dessen 
Vater, und wahrscheinlich lange Generationen vor ihm, 
wieder Rebmänner, also wohl schon von Berufs wegen 
Weintrinker waren; als Zeichen schwerer erblicher Belastuug 
ein stummgeborenes Kind, religiöse Wahnideen, schliesslich 
der Ohnmachtsanfall im Gefängnisse — es dürfte an der 
psychopathischen Veranlagung des Mannes kaum ein Zweifel 
bestehen. Das Geständnis des Angeklagten — wir wissen 
nicht, wieweit es durch die Folter erpresst ist — spricht 
nicht dagegen; die Sucht, sich interessant zu machen, um 
jeden Preis eine Rolle zu spielen, gehört in vielen Fällen 
zum Krankheitsbilde Dazu berücksichtige man die — in 
Vielem an heutige erinnernden — Zeitverhältnisse: dreissig 
Kriegsjahre, fast unausgesetzt Todesgefahr und Hungersnot, 
die Gemüter aller Orten erregt durch die Kunde von 
Wundererscheinungen, seltsamen Himmelszeichen und der- 
gleichen; es ist nicht auffallend, dass ein nicht durch grosse 
Geistesgaben ausgezeichneter Mensch das seelische Gleich- 
gewicht verlor. 
* * 
% 

Die Frage nach dem Aufenthalt Grimmelshausens zu 
der in Betracht kommenden Zeit ist durch. den Nachweis 
des Schauplatzes der Geschichte anscheinend nur wenig 
gefördert worden. Für einen Aufenthalt in Württemberg 
während des Jahres 1648 hatten wir bisher keine Anhalts- 
punkte; andererseits muss Grimmelshausen zur Zeit des 
Vorfalls in erreichbarer Nähe sich befunden haben, in einer 
Gegend, wohin „Landfahrende Verkauffer“ aus der Heimat 
des Propheten mit den Wahrzeichen der geschehenen Wunder, 
dem in Seide eingewickelten Rebstück und dem von 
Keil eigenhändig niedergeschriebenen Schriftstück gelangen 
konnten. Wir kommen also doch wieder auf Offenburg. Aus 


192 Beohtold, Zu H. J. Christoph von Grimmelshausen 


Württemberg, über Freudenstadt, den Kniebis, durch das 
Renchtal mit seinen für die Schriften Grimmelshausens so 
wichtig gewordenen Bädern und die in seinem Leben keine 
geringere Rolle spielenden Städtchen Oberkirch und Renchen, 
führte die direkte Heerstrasse nach Offenburg und weiter 
nach Strassburg, noch heute einer der Hauptwege für markt- 
fahrende Landleute und Hausierer aus dem badischen und 
württembergischen Schwarzwalde. Auf diesem Wege konnte 
Grimmelshausen die Kunde von der Geschichte zugetragen 
worden sein. Unter der „vornehmen Dam“, für welche er 
die Offenbarung Keils abschreiben musste, würden wir dann 
wohl die Gemahlin des Offenburger Obristen Hans Reinhard 
von Schauenburg, Amalia, geborene Bonn von Wachenheim, 
zu verstehen haben. 

Indem ich schon darauf gefasst war, wie so häufig in 
der Grimmelshausenforschung, nicht über eine gewisse 
Wahrscheinlichkeit hinausdringen zu können, erhielt ich 
eine Bestätigung meiner Vermutung in zwei, erst während 
dieser Arbeit von mir aufgefundenen Schreiben des Obristen 
von Schauenburg an den bayrischen Obristen Charles Neveu 
de la Folie, Kommandanten der Festung Freiburg i. Br.‘). 
Beide sind von der Hand Grimmelshausens geschrieben, von 
dem Obristen von Schauenburg unterschrieben, beide aus 
. Offenburg, der eine vom 19., der andere vom 29. Januar 
1648 datiert; es liegen also nur wenige Tage zwischen 
diesem Datum und dem Auftreten des falschen Propheten. 
Der Aufenthalt Grimmelshausens zu Offenburg ist für diese 
Zeit also sicher gestellt ?®). 

München. Arthur Bechtold. 


Anmerkungen. 


ı) Aus der „Vorerinnerung“ zur Ausgabe D des Simplizissimus 
ergibt sich, dass Grimmelshausen ausser seinem „Ewigwährenden 
Calender* noch ein „Kleines Jahrbuch oder Oalender in Quarto* 
herausgegeben hat, in dem die „Continuatio meiner wunderlichen 
Begebnüss“ enthalten sein sollte. Diese Bemerkung der „Vor- 
erinnerung“ lässt vermuten, dass in diesem Kalender der Erstdruck 
der drei Continuationen des Simplizissimus stand. Einige Stellen 
der „Continuationen“, dieser Zusätze zum Simplizissimus, lassen 
deutlich erkennen, dass sie nacheinander in verschiedenen Jahren 
entstanden sein müssen. Mit grösster Wahrscheinlichkeit lässt sich 
nun annehmen, dass diese Continuationen in den leider nicht er- 


m 


Bechtold, Zu H.J. Christoph von Grimmelshausen 193 


haltenen Jahrgängen 1668—1670 des „SimplicianischenWunder- 
Geschichts-Galender“ zuerst erschienen sind. Von diesen von 
Grimmelshausen verfassten Kalendern sind nur der Jahrgang 1671 
in einem Bruchstück, die Jahrgänge 1673 und 1675 vollständig er- 
halten. Nach seinem Tode wurde das Unternehmen, vielleicht von 
seinem Sohne, weitergeführt und mindestens bis 1807 fortgesetzt. 
Exemplare dieser Fortsetzungen finden sich in der Bibliothek des 
Germanischen Museums und in der Stadtbibliothek zu Nürnberg. Die 
Veranlassung, gemeinschaftlich mit Professor Hans Heinrich Borcherdt 
(München) diese Verhältnisse zu untersuchen und festzustellen, gab 
ein von mir im Antiquariatshandel aufgefundener Kupfertitel eines 
„Simplicianischen Wunder-Geschichts-Calenders“ aus dem Anfang 
des 18. Jahrhunderts. Wie aus Mitteilungen des Germanischen 
Museums hervorging, hatte schon vor uns Gustav Könnecke die 
Kalender im Germanischen Museum aufgefunden, doch ist eine Ver- 
öffentlichung dieser Entdeckung bisher nicht erfolgt. 

2) Vgl. mein Buch: „I. J. Christoph von Grimmelshausen und 
seine Zeit“, S. 48, ferner meinen Aufsatz: „Zu Grimmelshausens 
„Seltsamem Springinsfeld“, Alemannia Bd. 44, 8.9; hier auch das 
Faksimile der Unterschrift Pissingers. 

®) Die beiden Geschichten fehlen bei Kurz, Simplicianische 
Schriften, Vierter Teil. Die zweite abgedruckt von J. H. Scholte 
(Amsterdam), Probleme der Grimmelshausenforschung, S. 242. Beide 
in meinem Buche „Grimmelshausen und seine Zeit“, S. 27. 

4) Rebmesser. 

5) Sie ist abgedruckt in dem gleich zu besprechenden Aufsatze 
des Pfarrers Dreher. Das Titelbild stellt dar, wie ein Engel dem 
Keil die Reben reicht; im Hintergrund ist das Dorf sichtbar. Trotz 
der Inanspruchnahme der Auskunftstelle der deutschen Bibliotheken, 
welche die Schrift in ihre Suchliste aufnehmen liess, konnte in 
keiner deutschen öffentlichen Bibliothek ein Exemplar der Schrift 
nachgewiesen werden. 

°) Die Angabe Drehers, sein Vater sei ein Flaschner gewesen, 
ist unrichtig. Dreher hat die Worte „Hans Keilen verlassner Sohn“ 
falsch gelesen. 

?) Im Münchner Allg. Reichsarchiv, Acta des Dreissigjähr. Kriegs, 
Tom. 580 B1.256 und 282. 

°) Während des Drucks macht mich Herr Schulte-Strathaus auf 
eine italienische Zeitung aufmerksam, die sich im Besitz des Anti- 
‚quariats Halle (München) befindet; sie behandelt die Gerlinger Engels- 
erscheinungen. Der Titel lautet: 

Relatione di maravigliosi Prodigi Apparsi in Germania nella 
<sittä d’Häburgo (Hamburg) li 15. Febraro 1648. Nella quale si da 
contezza dell’ apparitione d’un bellissimo Huomo vestito di bianco 
ad un Contadino, che staua lauorando in una Vigna. Descritta da 
Lorenzo Paolo Carciani. In Loreto, per Paolo e Gio: Battista Sera- 
fini. Con licenza de’ superiori. 4 Bl. Kl. 8°. 


Münchener Museum für Philologie des MA. IV, 2. 13 


Die Fabein Avians in Steinhöwels Aesop. 


Einhundertvierundsechzig Fabeln hat Hainz') Stein- 
höwel ausser dem plauffdeischen ßlog des Aesop in seine 
Fabelsammlung, die um 1477 zuerst erschien ?), aufgenommen. 

Es war zunächst sein Plan, in dieser Sammlung alle 
Fabeln des Esopus zu vereinigen. Nach seiner Meinung 
waren diese Fabeln in den vier Büchern des Romulus ent- 
halten; Romulus selbst hat bekanntlich zu dieser Annahme 
Anlass gegeben durch das Proömium des ersten Buches: 
De?) civitate attica Aesopus quidam, homo graecus et in- 
geniosus, famulos suos docet quid homines observare 
debeani ... Id ego Romulus transtuli de graeco in 


!) So nennt er sich selbst Aesop f.113 S.258 Oesterley (Biblio- 
thek des literarischen Vereins in Stuttgart CXVII, Tübingen 1873): 
Hainrice cave, übersetzt: darum hüt dich Haincz (Berl. phil. Wochen- 
schrift 1916, Sp. 1376) und Aesop f.140 S.291 Oesterley: Darumb 
schwyg, Haincz. 

2) Vgl.jetzt auch Erwin Rosenthal, Die Anfänge der Holzschnitt- 
Illustration in Ulm, Diss. phil. Halle 1912 S.40, ders. Monatshefte für 
Kunstwissenschaft VI (1913) S.187 A.3 mit Verweis auf Leonhardt 
und Bossert, Studien zur Hausbuchmeisterfrage, Zeitschrift für bildende 
Kunst N. F.XXII S. 194. 

®) Romulus ... von Hermann Oesterley, 1870, S.38, von Georg 
Tbiele, 1910, 8. 2, darnach Steinhöwel S. 78 Oesterley; vgl. unten 
S.218 A.2. Dass für Steinhöwel Esopus = Romulus war, lehrt z.B. 
f£. 76 S.187 Oest. Autoris brevis narrat fabala, übersetzt S. 188: dise 
kurcze fabel Esopi bewyset, f. 160 S.350 Oest. (vgl. dazu Berl. phil. 
Wochenschrift 1916 Sp. 1376), f. 84 S. 127 Oest., f.36 S.129 Oest., 
f.44 S.145 Oest., f.486 S.148 Oest., f.50 S.155 Oest., f.76 S. 187, 188 
Oest.; andere Belege sind Beiträge zur Geschichte der deutschen 
Sprache 42 (1917) S.323 A.2 gesammelt; vgl. auch Lessing, DNL.68, 1 
S. 195. — Ueber Trillers „äsopische® Fabeln vgl, F. Stein, Lafontaines 
Einfluss... (Aachen 1889) S.24, über Liohtwer 8.27. — Ueber eine 
Differenzierung zwischen Romulus und Aesop in einer französischen 
Uebersetzung des 15. Jahrhunderts vgl. unten S.196 A.7. 


Achelis, Die Fabeln Avians in Steinhöwels Aesop ‘© 195 


latinum!). Die Fabeln des Romulus umfassen in Steinhöwels 
Corpus fab. 1—80. In der Schlussschrift heisst es: Finis 
quarti libri Esopi viri ingeniosi, nec plures eius libri in- 
veniuntur. Multe tamen eius fabule reperte sunt, quarum 
plurime sequuntur, ut in processu videbitur?). Zu diesen 
Romulusfabeln gehört auch noch fab. 164: de vulpe et gallo 
et canibus, et perlinet ad finem quarti libri Esopi?). 

An die vier Bücher des Romulus schliessen sich die 
Extravagantes Esopi antiqui: fab. 8I—97. Ueber sie 
urteilt Steinhöwel in’ der Schlussschrift so: exiravagantes 
antıque, ascripte Esopo, nescio si vere vel ficte‘).. Darum 
hat Steinhöwel auch nie in den Promythien der Extra- 
vagantes den Esopus als Verfasser der Fabeln bezeichnet. 
Am Schluss der Promythien heisst es: unde audi fabulam 
(fab. 81—86, 89, 95—97) oder: de hoc audi fabulam (fab. 87, 
88, 90—94); das wird in der Uebersetzung wiedergegeben: 
Darvon (dar von, da von) hör (höre) dise (ain) fabel, oder 


1) Sermone setzt Steinhöwel mit den Handschriften der reoensio 
vetug zu graeco, es ist aber nicht notwendig. Während bei Cicero, 
wenn ich recht sehe, nur das Adverb graece absolut gebraucht wird, 
verwendet z.B.Quintilian auch das Neutrum so: Institutio oratoria 16, 
3, 13, 37; III4, 12; VIII3, 33; IX 3, 17, 55. — Thiele, Romulus S.5 
zieht de graeco sermone als unklassisch vor. 

») S.191 Oesterley. 

s) S.350—351 Oesterley. Vgl. meine Ausführungen Berl. philol. 
W ochenschr. 1916 Sp. 1373—74. Die Bearbeitungen der „Frriedensfabel“ 
stellt A. Kurz zu B. Waldis IV2 (Anm. S. 149) zusammen. — In der 
deutschen Uebersohrift Steinhöwels (S. 351 Oesterley) muss es statt 
samen natürlich kanen (= gallis) heissen. Seiner Stimme verdankt 
der Hahn im Deutschen wie im Lateinischen (vgl. ahd. kallön = laut 
scohwatzen) seinen Namen, auch die Griechen nennen ihn Aıxavuv = 
Frühsänger. Ebenso leitet sich luscinia von canere ab, und Nachtigall 
ist die Nachtsängerin (zu ahd. galan = singen). Onomapoetische 
Namen tragen im Griechischen xöxxvf, wi; vgl. R. Helbing, Jahres- 
berichte des philol. Vereins 1917 S.247—48 (Anzeige von F'. Robert, 
les noms des oisseaux en Grec ancien. Diss. 1911). Ebenso auch tyyE. 
— Vom graculus sagt Quintilian 1.0. I6, 37: manifestum duci ex 
vocibus avium. Die Arbeit von Georg Schmidt, de luscinia, quae est 
apud veteres, Petersburg 1904, ist mir nur aus der Anzeige von Otto 
Keller, Berl. philol. Wochenschr. 1905 Sp. 799/800 bekannt. 

‘) S.241 Oest. 

13* 


196  Achelis, Die Fabeln Avians in Steinhöwels Aesop 


ähnlich), stets aber ohne Nennung eines Verfassers, während 
beispielsweise in der Romulusfabel von den beiden Hunden’) 
dem: „subjecta?) monet fabula*)“ in der Uebersetzung die 
Worte: „seczet Esopus dise fabel“°) entsprechen‘). 


Auf die Extravagantes folgt eine Auswahl aus der 
Aesopübersetzung des Rimicius, ausdrücklich in der Ueber- 
schrift als „alique’) Esopi fabule“ bezeichnet‘), fab. 98 


1) Es heisst: 
Darvon hör dise fabel: {.83, 89, 92, Darvon höre ain fabel: £.97, 


Darvon„ ,„ „ 5.84, 85, 88,93,| Des hör ain fabel: f. 87, 
Davon „ , „ :£8, als dise fabel bewyset: f. 86, 
Dar von höre „ „ 2294, Wie „ 2 £ 2.5.45, 
Darvon hör ain „ :$.%,91,%, Also, „ ußwyset: f.81. 


Diese Variationen stehen in keinerlei Beziebung zu den beiden 
lateinischen Formen des Promythien-Schlusses: Unde audi fabulam: 
f. 81—86, 89, 95—97 (10 mal), De hoc audi fabulam: f.87, SS, 90 bis 
94 (7 mal). 

*) Romulus I9 (= XII Thiele), Phaedrus 119. — B. Waldis hat 
die F'abel nicht bearbeitet. Vgl. Thiele, Der lateinische Aesop des 
Romulus (1910) 8.XXXIV. 


°®) Romulus 8.43 Oest.subjecli versus monent aus Phaedrus 119,2: 
versus subiecti monent; der auctor ad Herennium sagt IV 49 (S.347, 16 
Marx): khorum amborum generum exempla subiciemus. l.benso ge- 
braucht Romulus auctor für Aesopus wohl nach dem Vorgange des 
Phaedrus (I prol.1, III15, 19). 

4) Steinhöwel 8.89 Oest. 

5) Steinhöwel S.90 Oest. 


°, Eine Ausnahme bildet Steinhöwel 17 (S. 100 Oest.): de quo 
auctor subiecit fabulam, wo in der Uebersetzung es nur heisst: dar 
von hör dise fabel. Es ist dies in der Tat auch keine Romulus-Fabel. 


) Es ist Genetiv. Mein verehrter Lehrer Professor Wagener in 
Bremen verweist mich auf Buecheler-Windekilde, lat. Deklination 
(1879) S.78, Georges, Wortformen S.334, Neue-Wagener, Lat. Formen- 
lehre II 427. „An allen diesen Stellen finden Sie Belege für den 
Genet. Sing. illi; bei Buecheler a. a. St., Georges S.35 und Neue- 
Wagener II 533 Belege für den Genet. Sing. ali gewöhnlich für alii, 
so ali modi und ali rei causa. Dass aber ali für aliae stehen soll, 
scheint mir höchst unwahrscheinlich, ich kann wenigstens keine 
Belege anführen, es wird wohl alique Esopi fabule heissen müssen, 
„die Fabeln eines anderen Aesop“, indem Aesop hier überhaupt für 


fe SEE = "SE 6. — Te. Tr | 


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EG Er REEFE 


Achelis, Die Fabeln Avians in Steinhöwels Aesop 197 


bis 114, sodann aus den lateinischen Fabeln des Avian 
fab. 115—141, aus den Fabeln und Facetien des Petrus 
Alphonsus und Poggius fab. 142—1683. 


Es hatte sich damit wohl die ursprüngliche Absicht 
Steinhöwels, die Fabeln Aesops zu sammeln, erweitert, denn 
wenigstens von Poggio sagt er selbst gelegentlich der Fabel 
vom Heuchler und der Witwe: „hab ich mit urloub!) Pogii 
geseczet, uß des buoch ich daz habe“?). So war aus 
der beabsichtigten Sammlung der Fabeln des lateinischen 
Aesop ein „Buch der Fabeln“ geworden im lateinischen Text 
mit deutscher Uebersetzung. 


Aus dem ursprünglichen Plane, die Fabeln des Esopus 
zu sammeln, erklärt sich die Auswahl, welche Steinhöwel 
aus den Fabeln des Rimicius getroffen hat. Es mussten 
alle die Fabeln fortbleiben, welche schon in den Romulus- 
büchern enthalten waren. Aus diesem Grunde fehlen: 


Fabeldichter genommen ist.“ — Romulus hat f. 17 den Genetiv di 
(Thiele S. 31). — Die Vermutung, dass die Fabeln des Romulus nicht 
von dem Griechen Aesop stammen, findet sich auch in der französi- 
schen Uebersetzung des 15. Jahrhunderts, welche Hugues Vaganay 
aus dem „Second volume de la mer des histoires“ (Lyon, Jehan du 
Pre, 1491; Georg Keidel, a manual of Aesopic fable literature [Bal- 
timore 1896], erwähnt nur die Ausgabe des Miroir historial von 1479 
[3.12 Nr.297]) in den Melanges offerts & Emile Picot, Tome premier 
(Paris 1913) S.67- 81 herausgegeben hat. Dort heisst es am Schluss 
(S.79): „De cesiny Esopet qui fist ces fables est incerlain s’il fut 
celluy qui l’an premier de Cirus ful occis a Delphis, comme tesmoigne 
Eusebius, ou s’il fut ung aultre.“ — Die Ausgabe Vaganays führt 
den etwas befremdliohen Titel: Vingt fables d’Esope traduction 
frangaise da XVe siecle. Die Sammlung umfasst neunundzwanzig 
Fabeln, die auf Romulus zurückgehen, 


®) 8.243 Oesterley. 


!) In der alten Bedeutung Erlaubnis. Die Dänen gebrauchen 
für Urlaub neben Orlov und Iaandlov auch Permission. 


Pad 


s) S. 339 Oest. — 1442 war Steinhöwel rector artistarum in x 


Padua, 1436 war Poggio in Bologna, aber bereits 1440 wieder in 


seinem Landhause in Valdarno. Versehentlich wird in dem Privat- 
druck der Facezien von Hanns Floerke (1906) S. XVIII 1559 statt 
1459 als Poggios Todesjahr angegeben. 


198 Achelis, Die Fabeln Avians in Steinhöwels Aesop 


Rimicius Aesop Steinhöwel Romulus 
ed. Halm 
1 De aguila etvulpe 5 13 von dem adler und 118!) 
dem fuchs 
4 de philomena?) et 9 45 von der nachtgal- 1115 
accipitre len?) und dem ha- 
bich 
14 de vulpe et larva 4Tb*) 34 von dem bild und 1115 
dem wolff 
26 de ranis regem pe- T6b 21 von den fröschen Ill 


tentibus?) 


37 decalamo et oliva 119b SO von den tannen —°) 
und dem ror 


') Vgl. Kurz zu B. Waldis 159. 


®) So auch im Text: Philomena cum alta quercu sederet... 
At Philomena. — Philomena hat schon Gualtherus Anglicus 45 (S.26 
Draheim, bei Steinhöwel S. 147 Oest.). Es muss natürlich eigentlich 
philomela heissen, Verg. geo. IV 5bll maerens philomela. — Als 
Nachtigall wird Melanchthon in den Synodus Avium des Witten- 
berger Posten Johann Major (1556) verherrlicht (Philomela mit An- 
klang an den abgekürzten Namen Philippus Melanchthon vgl. 
Friedensburg, Geschichte der Universität Wittenberg [1917] S.288 A.2; 
über den Namen Melanchthon vgl. Berliner philologische Wochen- 
schrift 1918 Sp. 686—687.). 


») Vgl. oben S. 195 A.3. 


‘) Dass Halm 47b Vorlage ist, lehrt citharaedi domum = oixiav 
droxptrodö gegenüber 47 nAxstod Zpyaotyjpov. Auch Lorenzo Valla über- 
setzt diese Fabel (IV s. Münch. Mus. II [1914] S.252), dagegen Dati 
(Rh. Mus. LXVII [1912] S.288 fab.7), der von einer pictoris taberna 
spricht, H.47. In den Hss. der recensio Accursiana ist stets f.4Tb 
überliefert: Laur.89, 79 £.11, Laur. conv. soppr.97 f. 11, Riccardianus 27 
f. 11, Paris. 2901 f. 11, Laur. 58, 23 £.10, Vat. gr. 113 f.10, Paris. 2900 
f. 12, ferner in Casinensis 11 Furia, in den Mischeodices Laur. conv. 
soppr. 69, f. 10 und Paris. 2899 f. 10 (der 2. Sammlung). Dagegen 
finden wir f.47 im Augustanus 27 Schneider und den übrigen Misch- 
codices: Laur. 59, 33 f.6, Karlsruh. 507 £.6 (der 2. Sammlung), Laur. 
57, 30 f.12, Paris. 2902 f. 13, Paris. 1310 f.14, Paris. 2494 f. 12, Paris. 
8. gr. 105 f.14, Paris. s. gr. 126 f.15, Paris. s. gr. 504. — Beide Fabeln 
fehlen in Paris. 2077, Paris. 994, Paris. 1685, Harleianus 5543 und 
Paris. 1788. 


5) Vgl. Beiträge 42 (1917) S. 8318 A.8, Kurz zu B. Waldis I1T. 


°) Vgl. E. Grawi, Die Fabel vom Baum und dem Schilfrohr, 
Diss. phil. Rostock 1911. 


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Achelis, Die Fabeln Avians in Steinhöwels Aesop 199 


Rimicius Aesop Steinhöwel Romulus 
ed. Halm 


42 de cervo et leone 128 47 von dem hirs und IIIT'‘) 
| dem jäger 
54 de corvo et vulpe 204 15 von dem rappen 114°) 
mit dem käs und 


fuchsen 
57 de cane carnes 233 b von dem hund und 15°) 
portante stuck flaisch 


59 de leone sene 246 16 von dem löwen, 115*) 
eber, stier und esel 


61 de leone, asino el 260 6 von dem löwen, 16°) 
vulpe rind, gaiß und 
schauf 
64 de lupo et grue 2716b 8 von dem wolff und 18°) 
kranch 
65 de lupo et agno 274 2 von dem wolff und 12) 
dem lamp 


78 de asino et lupo 334 13 vom kranken eselIV 15°) 
und dem wolff 


84 deleone et homine 63 75 von dem mann und IV 17°) 
dem löwen 

85 de vulpe quadam 33 61 von dem fuchs und IV 1'°) 
den truben. 


1) Vgl. Kurz zu B. Waldis I 36. 

s) Vgl. Ewert, Ueber die Fabel Der Rabe und der Fuchs, Diss. 
phil. Rostock 1892. 

°) Vgl. Kurz zu B. Waldis 14. 

*) Vgl. Kurz zu B. Waldis 112. 

5) Vgl. Kurz zu B. Waldis I5; Steinhöwel zitiert diese Rimicius- 
fabel zu Fab,6 (=Rom.I6): die selben fabel seczet R. in der nüwen 
Zranslation uß kriechisch in lalin... (Oesterley S.86). Einen ähn- 
lichen Hinweis hat Steinhöwel zu f.3 (Oesterley S.83) in der Ueber- 
setzung gegeben. 

°) Vgl. Kurz zu B. Waldis 16. 

’) Vgl. Kurz zu B. Waldis 12. 

®) Schon bei Plutarch de frat. am. 19, vgl. die Tabelle bei 
D.Bieber, Studien zur Geschichte der Fabel, Diss. phil. München 1905, 
Nr.20 (wo es aber statt Furia 14 vielmehr 140 bezw. 134 heissen 
muss), Kurz zu B. Waldis Il 90. 

°?) Vgl. unten S. 202—207. 

1) Vgl. unten S.200, 207. 


vv 


200  Achelis, Die Fabeln Avians in Steinhöwels Aesop 


Rimicius oo Steinhöwel Romulus 
ed. Flalm 
89 de salice et securi 123 54 von dem man und 11114') 
der akst 
99 de formicis et ci- 401 77 von der amais und 1V 19°) 
cada den grillen 


Siebzehn Fabeln hat Steinhöwel aus den hundert des 
Rimicius, der umfangreichsten lateinischen Uebersetzung 
äsopischer Fabeln in der Renaissance, die wir kennen, in 
seinen Esop übernommen. Dazu kommen noch, ausser der 
Reihe der Rimiciusfabeln bei Steinhöwel stehend: 


Rimicius Aeso Steinhöwel Romulus 
ed. Haim 
61 de leone, asino et 260 6 von dem löwen, aim 16 
vulpe esel und aim fuchs’) 
85 de vulpe quadam 33 61 von dem fuchs und — 


den truben‘) 

Als Steinhöwel nun an die Fabeln der nova translatio 
Remicii®) den Avian anreihte, war er sich bewusst, hier- 
mit das Gebiet der alten äsopischen Fabel, zu der er, wie 
wir sahen, auch den Romulus rechnet‘), zu verlassen. In 
der Ueberschrift wie in der Schlussschrift dieser Abteilung 
seines Corpus fabularum spricht er ausdrücklich von Avian 
als dem Verfasser dieser Fabeln, ebenso in zwei Promythien‘). 


1) Vgl. Kurz zu B. Waldis I 39. 

2) Bei Steinhöwel wie Romulus ist von einer Ameise die Rede, 
bei Aesop und Rimioius von mehreren. Vgl. über diese Fabel unten 
S. 207—209. — Steinhöwel hat in f. 2 die Singulare de innocente et 
improbo durch den Plural wiedergegeben: von den unschuldigen 
und den böslistigen triegern. 

®) Vgl. S.199 A.5. Der Anfang der Fabel ist bei Steinhöwel 
ausgelassen, seine Uebersetzung beginnt bei den Worten: Leo asino 
mandatl. 

*) Nachgewiesen Beiträge 42 (1917) S.330. Steinhöwels Ueber- 
setzung folgt durchaus seinem lateinischen Text. Wie die Rimicius- 
fabel in das Romulus-Gorpus kam, ist mir noch unklar. 

®) Steinhöwel vor f. 98 (S. 243 Oesterley), nach f. 114 (5.259), 
f.6 (s. oben S.199 A.5) (S.86 Oesterley). Ueber die Namensformen 
vgl. Münch. Mus. III (1917) S.218 A.4. Steinhöwel hat S.4 zweimal 
Remicium, S.243 Remicii, S.259 Rimicio. 

6), Vgl. oben S.194 A.3. 

’) Näheres s. u. S. 218. 


Achelis, Die Fabeln Avians in Steinhöwels Aesop 201 


So hatte Steinhöwel auch nicht in dem gleichen Masse 
wie bei den Faäbeln des Rimicius, die für ihn mit den 
Romulusfabeln für unmittelbare Uebersetzungen von äsopi- 
schen Fabeln galten, Grund, solche Fabeln auszuschliessen, 
die schon in den voraufgegangenen Bestandteilen seines 
Corpus: Romulus, Extravagantes, Rimicius aufgenommen 
waren. Aus diesem Grunde ist es auch nicht zu verwun- 
dern, dass er einen in den Extravagantes vorkommenden 
Fabelstoff: der Wolf und der Bock auch in der Fassung 
Avians aufgenommen hat: 
Steinhöwel 86: Fabula VI de Zupo et hirco') 
; 133: „ XIX deleone et capra') 

Diese Ueberlegung wird bestätigt durch die Tatsachen. 
Von den 42 Fabeln des Avian hat Steinhöwel in seinen 
Esop 27?) aufgenommen. 

Steinhöwel 115 116 117 118 119 120 121 
Avian... 1 2 3 56 6 7 8 


Steinhöwel 122 123 124 125 126 127 128 
Avian... 9 ı 13 14 15 17 18 


Steinhöwel 129 130 131 132 133 134 135 
Avien... 9 20 2 25 26 27 28 


Steinhöwel 136 137 138 139 140 141 
Avian... 293 31 3 35 41 42 


Es fehlen also bei Steinhöwel: Avian 4, 10, 12, 16, 21, 
28, 24, 30, 32, 34, 36-39. Unter diesen 14 Fabeln sind 
nur drei, bei denen sich \die Auslassung Steinhöwels aus 
einer Rücksichtnahme auf\die vorangegangenen Romulus- 
bücher erklären könnte: del. A 7 


!) Caper und hircus werden durchaus synonym gebraucht, vgl. 
Avian f. XIII v.6 caper, v.12 hircus, Gulieimus Hermannus Auijani 
fabulae 13 hat beide Male caper; Belege für caper und hircus: Münch. 
Mus. II (1914) S.265, Beiträge 42 (1917) S. 325. 

s) Lessing spricht in seiner Abhandlung über Romulus und 
Rimicius von 17 Fabeln; er wird versehentlich das unmittelbar vor 
dem Avian in Steinhöwels Aesop stehende Registrum earundem 
(S.260 Oesterley) auf Avian bezogen haben, während es sich auf die 
vorhergehenden Fabeln des Rimicius bezieht; das Register zu Avian 
folgt auf die Fabeln (S. 293 Oesterley) und enthält richtig alle 27 
Fabeln. 


202 Achelis, Die Fabeln Avians in Steinhöwels Aesop 


Avian. . 24. . . de venatore et leone: 
Steinhöwel 75. . . de homine et leone 


Avian. .34. . . de cycada et formica'): 
Steinhöwel 77. . . de formica et cicada 


Avian . . 16. . . de quercu et harundine?): 
Steinhöwel 80. . . de abiete et harundine. 


Wir beginnen unsere Untersuchung mit: 

Steinhöwel 75. Fabula XV de homine et leone?). 
Der lateinische Text Steinhöwels fängt an mit den Worten: 
Virtutis tempus factis aliquid probare (S. 186 Oesterley). 
Für /Zempus hat Romulus £. IV 17%), dem Steinhöwel diese 
Fabel entnommen hat, opus. Bei Steinhöwel fehlt, wie sonst 
nie in den Promythien der Fabeln, welche dem Romulus 
entnominen sind, die Kopula?°); da ferner tempus in der hier 
notwendigen Bedeutung „Aufgabe“ nicht vorkommt, so muss 
es aus einer paläographisch leicht verständlichen Verschrei- 
bung für es! opus entstanden sein®). Und so hat Steinhöwel 


1) So Paris. 5870, de formica et cicada Laur. 68, 24, Regin. 1424 
ebenso bei den Nachahmern, dem Dichter von Asti (Hervieux S. 397) 
und dem Antiavianus (Hervieux S. 473). 

») So Paris. 8093, de robore et coalamo Paris. 5570, Contencio 
querci et harundinis Laur. 68, 24, bei den Nachahmern de quercu et 
alta canna in den Avianicae fabulae (Hervieux S.330), de quercu et 
arundine bei dem Dichter von Asti (Hervieux 8.385). [Der Genetiv 
querci noch Pallad.4, 7, 8, queroorum Cicero fr. F. XII Müll. (opera 
1WV 3, p.340) = IV? p. 994 Orelli).] | 

®) Oesterley führt S.186 A.3 nur Kirchhdf 1, 80 an, Romulus 
IV 17 (£. XCI Thiele) erwähnt er nicht. Reiche Belege gibt Kurz zu 
Burkard Waldis II 8, wo 2. Eur. Med. 424, Novus Avianus 14 (ed. 
Grosse 1868; p.375 Herv.), Hans Sachs, der karg und der mild (vgl. 
W.Abele, die antiken Quellen des Hans Sachs II, Progr. Cannstatt 
1899, S.115) hinzuzufügen sind, ferner Nov. Av. Austr.24 (p.441 Herv.), 
Nov. Av.Paris. flor.24 (p. 477 Herv.), rhythm. mor. 24 (p. 485 Herv.) 
und metr. mor. 24 (p. 497 Herv.). — Vgl. auch 8.204 A.4. 

*) Rom. £. XCI Thiele. 

5) Steinh. 35 (S.127 Oest.) ist nur eine scheinbare Ausnahme: 
De hoc auctoris fabulam; das fehlende audi (von Thiele notiert S. 134) 
hat Steinhöwel gelesen, wie die Uebersetzung lehrt (S. 128 Oest.): 
Dar von hör dise fabel des maisters. 

°®) Umgekehrt ist Ps. Dosith. 5 spem (p.29 ed. Böcking) ver- 
dorben bei Romulus IV 11 (f.LXXXV Thiele) zu opem (S.281 Thiele). 


urn 


—— 


Achelis, Die Fabeln Avians in Steinhöwels Aesop 203 


auch übersetzt: „Wort söllent mit den werken bestätigt 
werden“ (S.187). Sonst stimmen Steinhöwel und Romulus bis 
auf geringfügige Abweichungen?) überein, welche durchweg 
Schlimmbesserungen oder Versehen Steinhöwels sind; so sind 
2.B.S.187 2.1 altricatio und 2.3 impictura keine lateinischen 
Wörter. 

In der Uebersetzung fasst Steinhöwel das monumentum, 
zu dem der Mensch und der Löwe kommen, als „ain grab“ 
(Z.5). In der Tat kann monumentum mit und ohne den Zusatz 
sepulcri Grabdenkmal?) bedeuten: Nepos, Dion 10,3: sepulcri 
monumento donatus est, Atticus 22, 4: sepullus est... in 
monumento Q. Caecili, avunculi sui, bei Horaz Sat.18, 13 
heredes monumentum ne sequereiur ist es der Begräbnis- 
platz. Es entspricht dem griechischen otnAn: (Aesop f.63 H., 
Babrius 194 Cr.) 2v ıf) 686 nerplvn othAn?) Aovıa rviyovrog, WO- 
für die andere Fassung des Aesop (f.63b H.*)) eine eixwv setzt. 


1) Steinhöwel S.186, 1 Zempus, Romulus S. 85, 17 Oesterley = 
S.290, 1 Thiele opus est; St. pro hoc, R. ac per hoc; St.187,1 altri- 
cationis, R. altercationis; St.187, 2 suffocaretur, R. überliefert suffo- 
catur, Thiele coni. suffocabatur; St. ille, R. illi; St.187, 3 impicture 
(von Thiele 9.292 nicht bemerkt), R. in pictura,; St. 187, 4 nosceret, 
R. nosset; St. se (fehlt bei Thiele S. 292), R. szepe; St. 187, 5 /Induxit, 
R. deduxit, in der Hs. des Ademar indurit — in; St.187,7 sed opus, 
R. opus sed; St. 187, 8 factum, R. facta; St. coloribus, R. colore; 
St. 187, 9 probalio certa, R. certa probatio. — Deducere für feierliches 
Geleiten ist stehender Ausdruck, vgl. Georges I’ (1879) Sp. 1823, doch 
hat auch Phaedrus app. 25, 10 Schw. induxit. Ueber altercatio — 
hier: Gegenstand, Anlass des Streites — vgl. Hoffmann zu (ic. ad 
Fam. V 12, 2 (? [1865] S.97). Uebrigens ist trotz der von Thiele S.293 
hervorgehobenen Schwierigkeit des Aic das richtige sicher nicht bei 
Steinhöwel — und ähnlich im Cod. Ashburnhamianus 1555 — über- 
liefert: kic (=hier) colorum testimonia non sunt, sed opus veritate 
factum. opus ist nicht Substantiv, sondern der bekannte unpersön- 
liche Ausdruck der Notwendigkeit, ursprünglich Genetiv = opis, vgl. 
Bergk, kl. philol. Schr. II 734 no. 70, wie Pseudodositheus Notices et 
extrait6 XXIII 2, p. 520: öpparwv paprbpıov Xpsita oöx &otıy, dA dAnYelag 
zeigt, das kic entspricht also dem griechischen ö23e (vgl. unten S. 206). 

») Belege aus Grabinschriften geben Kiessling-Heinze zu Horaz 
c. II 30, 1. — Vgl. auch Thiele, Romulus S. 293. 

») Rinucci da Castiglione hat dies in der Uebersetzung von 
Aesop f.63 H. durch /apideae columnae wiedergegeben (f. 84). 

*) = Aphthonius f. 34, p. 348 Nevelet. 


204  Achelis, Die Fabeln Avians in Steinhöwels Aesop 


Und so hat auch Avian die Situation gefasst: f.XXTV4 
edita conlinuo forte sepulcra vident.‘) Ebenso heisst es 
Phaedrus appendix 25, 3 Schw. ad sepulcrum Tandem 
venerunl.?) 

Im übrigen weisen aber Romulus-Steinhöwel und Avıan 
grosse Verschiedenheiten auf. Gemeinsam ist beiden folgende 
Fassung: 

Ein Löwe und ein Mensch streiten sich,wer der Mächtigste 
sei. Als sie ein Grabmal erblicken°), auf dem ein Mensch F 
dargestellt ist, der einem Löwen die Kehle zuschnürt — 
das ist suffocare, zu faux gehörig, wie nviyw*) zu nviyog®) 
—, glaubt der Mensch, den Löwen von seiner Macht über- 
zeugt zu haben; aber der Löwe weist darauf hin, dass ein 
Löwe, wenn er bildhauern gelernt hätte, darstellen würde, 
wie der Mensch vom Löwen erwürgt wird. 

So erzählt die Fabel Avian, ihm folgend der Novus 
Avianus, Gulielmus Hermannus (Auiani fabulae 25) und 
Burkard Waldis (II 8), in gleicher Weise die griechische 


. u en 


m. - 4 


ı) Ebenso apologus Avianus 24 (S.362 Herv.) und Novus Avianus 
24 (8.441): fuerunt ubi membra sepulli. 


») Nur Burkard Waldis und Lafontaine haben es bei einem Ge- 

mälde bewenden lassen. Waldis sagt II8. 21—22: 

Und führt jn hin zu einer Wandt, 

Da er ein schön Gemälde fandl. 
Und bei Lafontaine beginnt die Fabel III 10: 

On exposait une peinlure. 
Gulielmus Hermannus hat in seiner Wiedergabe der avianıschen 
Fabeln (Nr.25) ein Mausoleum aus den sepulcra gemacht, Camerarius 
S. 152 übersetzt effigiem hominis de saxo expressam. Unter Nach- 
ahmern Avians ist von einer piclura (poet. Astensis nov. Av.4, S.870 
Herv.) und pictio (metricae moralisationes 24, S.497 Herv.) die Rede, 


°*) Erwähnung verdient die natürlichere Einleitung der Fabel 
bei Lafontaine: Ein Löwe erblickt ein Gemälde und sagt dann dem 
stolzen Menschen ... 
*) Dafür 2. Eur. Med. 424 äyxöpevov zu &yyövn, Erhenken. Die 
von O.Crusius zu Babrius 194 (8.177) zitierten Stellen Plut. apophth. 
Lac. var. p. 232 F und Xenophanes fr. 1 scheinen mir in keiner Be- 
ziehung zu der Fabel des Aesop zu stehen. 
°) Lafontaine III 10 sagt Zerrasse, durch italienisch ferrassa 
aus lat. /lerraceus). 


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a 


Achelis, Die Fabeln Avians in Steinhöwels Aessop 205 


Fabel (f. 63 H.Y)) und ihr folgend Rimieius (f. 84) und 
Camerarius (p. 152); so auch unter den Neueren Lafontaine 
in der bekannten Fabel III 10: Ze Zion abattu par !’homme 
mit den sprichwörtlich gewordenen Schlussversen ’?): 
Avec plus de raison nous aurions le dessus, 
Si mes confreres savaient peindre. 
Damit ist aber die Fabel im Phaedrus-Appendix, bei 
Romulus — und also auch bei Steinhöwel — noch nicht 
zu Ende°). Der Löwe will nun dem Menschen das Irrige 


1) Ebenso 2. Eur. Med. 424. 

ı) Vielfach sind die Schlussverse von Lafontaines Fabeln sprich- 
wörtlich geworden: 18 La grenouille qui veut se faire aussi grosse 
que le beuf, 15 le rat de ville et lerat des champs, 116 la mort et 
le bücheron, 118 le renard et la cigogne, I16 l’oiseau blesse d’une 
fleche, I19 le lion et le moucheron, 1115 le cog et le renard, III1 
le meunier, son fils et l’ane, 1114 les grenouilles qui demandent un 
roi, 1115 Ze renard et le bouc, IIL 11 Ze renard el les raisins, 111 18 
le chat et levieux rat, V 3 le petit poisson el le p&cheur, V 20 l’ours 
et les deux compagnons, V 21 l’ane velu de la peau du lion, V113 
le villageois et le serpent, VIL18 le chartier embourbe, VIIL12 Ze 
cochon, la chevre et le mouton, VIII17T Yane et le chien, IX 1 le 
depositaire infidele, IX 9 Phuitre et les plaideurs, IX 17 lesinge et 
le chat, X 1 les deux rats, le renard et l’auf, VII le coche et la 
mouche, XII5 le vieux chat et la jeune souris. Der Anfang ist sprich- 
wörtlich geworden bei folgenden Fabeln: 110 Ze loup et l’agneau, 
II 11 Ze lion et le rat, IV 5 l’ane et le petit chien, IV 20 U’avare qui 
a perdu son tresor, V 13 la poule aux aufs d’or, VI17 le chien qui 
läche sa proie pour P’ombre, VIL10 le lievre et la tortue, VIIL 15 Ze 
rat et l’dlephant, VIIL17T Pane el lechien, 1X 4 le gland et la citro- 
nille, XIT le paysan du Danube. 

») Ebenso dichtet Lafontaine 120 Ze cog et la perle, die bekannte 
Phaedrusfabel III 12, die zuerst Romulus an die Spitze der Samm- 
lungen gestellt hat, weiter: 

Un ignorant herita 

D’un manuscrit, qu’il porta 

Chez son voisin, le libraire. 

„Je crois“, dil-il, „qu’il est bon; 

Mais le moindre ducalon 

Serait bien mieux mon affaire.“ 
In ähnlicher Weise ist die Fabel von der Ameise und der Grille, die 
von Moralpredigern viel getadelt wurde, von Laurant de Jussien und 
von Lachambeaudie fortgesetzt worden (vgl. unten S.208 A.5). Auch 
zu Lafontaines Fabel Ze corbeau et le renard hat Lachambeaudie eine 


5 


MB’. 
9206 Achelis, Die Fabeln Avians in Steinhöwels Aesoj 


seiner Auffassung beweisen, er führt ihn daherin Ai Ampl 
theater, — „uf den fröden ploun, da man des fechtens AR / Q 
gibt Steinhöwel das Fremdwort wieder (f. 75 Z. Mi 
zeigt ihm, wie ein Mensch von einem Löwen erwürg 
Dies ist ein vollgültiger Beweis, dass der Löwe stärk | e | 


als der Mensch, das andere waren nur colorum testimonia 
— „geferbte zügnus“, wie Steinhöwel übersetzt (Z. 11.5 
Wir müssen ke wohl annehmen, dass gerade Tierkämp 
in der Arena stattfinden, als Löwe und Mensch de hi T 
kommen. Anders hat Steinhöwel die Fabel gewandt: „& 
zaigt er im warliche werk, daz er sterker was und würget 
in“ (Z.10, 11). Aber das steht nicht im lateinischen T Toxt 
et ostendit illi vera fide guomodo homo a leone Sa at 
(Romulus S.85, 26 Oest.?)). Dieser Zusatz findet sich schon 
bei Pseudodositheus: Yyayev abtdv eis Aupideatpoy Xal EDeIE 
auTO WG Avdpwrog bb Atovrog Enviyeto xal elnev- „WOE ui Bi 
haprbprov ypela o0x Eotıv, AAI& Aindelas.“ 
Da Steinhöwel die Fabeln der vier Romulus-Bücher ir 
sein Oorpus aufgenommen hatte?°), konnte er, so möchte mar 


I > 
Fortsetzung geliefert (nicht erwähnt bei M. F.Ewert, Ueber die Fabel 
der Rabe und der Fuchs, Diss. phil. Rostock 1892 S.91—102). 
ı) ad spectaculum heisst es Phaedrus app. 25, 9 Schw., Tıyayev 
adrbv eig Angpıdtarpov bei Pseudodositheus (Notices et Extraits XXIM2 
p. 520, vgl. Crusius zu Babrius £. 194, S. 177). 
2) Notices et Extraits XXIII2, 520, vgl. Orusius zu Babrius 18 4 
(S. 177) und Thiele, lat. Aesop des Romulas (1910) S. LXVIII—L2 
°») Es entsprechen 
Rom. I 1—12: Steinhöwel 1—12 | Rom. I 13—19: Steinhöwel 14-2 
„ II1-7: n 21—27 er II 8: # 
„19-21: „» 240) „UMS 5 
„ IV 2-12: - 62—72 „ IV 15-21: > 
Es fehlen also bei Steinhöwel Romulus IV 1, 13, 14, 22 und 23. Die 
Stellung von IL8 nach 112 ist alt, schon in dem Lehrbuch der Metrik 
aus dem 11. Jahrhundert, das Voigt in den Mitteilungen der Gesell- 
schaft für deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte IV 149/58 mit- - 
teilt (vgl. Draheim, Burs. Jahresberichte 84 [1896] S. 245), steht die 
Fabel nach I 12, dann später im Anonymus Neveleti, bei der Marie 
de France, bei Gerhard von Minden usw. — Vielleicht ist es so, gar 
die ursprüngliche Stellung, denn schon Romulus I11 ist Phaedrus 129 
entnommen, Romulus I 15 dem Phaedrus 121, während im 2. Romulus- 
buch sonst von fab.5—11 keine aus Phaedrus I stammt. 


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Achelis, Die Fabeln Avians in Steinhöwels Aesop 207 


folgern, nicht noch die Fabel des Avian gebrauchen, welche 
bis auf die Hinzudichtung des Romulus durchaus das gleiche 
Thema behandelt. Aus dem gleichen Grunde hatte er schon 
vorher die 84.Fabel des Rimicius, welche eine Uebersetzung 
der äsopischen Fabel 63 H. ist, ausschliessen müssen). 
Steinhöwel 77. Fabula XVII de formica et cicada ist, 
wie die eben besprochene Fabel: de khomine et leone, dem 
vierten Buche des Romulus entnommen, in dem die 19. Fabel 
die Ueberschrift trägt: De tardis ac pigris talem auctor 
retulit?) fabulam?). Sehr auffällig ist*), dass Steinhöwel nicht, 
wie er zu tun pflegt, diese Worte zu einem Promythion 
benutzt hat. Sonst haben alle Romulusfabeln, zu denen sich 
in den Handschriften Ueberschriften finden?), in Steinhöwels 
lateinischem Text Promythien mit Ausnahme von Stein- 
höwel 61, wo die von Oesterley angeführte Romulusfabel IV 1 
allerdings die Ueberschrift: Verdis maturet facinus, qui non 
potest viribus, de qua re audi fabulam trägt. Aber wenn man 
den Text der Romulusfabel mit Steinhöwel vergleicht®), so 
erkennt man, dass jene F'abel garnicht den Text des Romulus 
wiedergibt, sondern mit geringen Abweichungen, wie wir sie 
bei ihm gewohnt sind, der 85. Fabel des Rimicius, einer 
Uebersetzung also von Aesop f.33 H. entspricht; auch Stein- 
höwels Uebersetzung entspricht seinem lateinischen Text, 
nicht der Romulusfabel. Diese Fabeln des Rimicius enthalten 
keine Promythien, und so hat auch Steinhöwel bei seiner 
Ausgabe zunächst nur den Text des Rimicius wiedergegeben: 
f.98 und 99, von £. 100 an hat er aus der Moral des Rimicius 
sich Promythien gebildet, bei £.101 nur in der Uebersetzung, 


) Vgl. oben S.19%. 

2) So richtig, denn nur die Simplicia reduplizieren und die Vor- 
silbe heisst hier re-, nicht red-. 

°») Thiele f. XCII, S. 296. Ä 

‘*) Ich habe das schon Beiträge zur Geschichte der deutschen 
Sprache 42 (1917) 8. 323 A.3 hervorgehoben. 

6) Sie fehlen Romulus I1=Steinhöwel 1, R.II1=St. 21, R.IV11 
= St.71, R.IV12=St.72. Bei St.1 und 21 sind sie wegen der vor- 
hergehenden Praefationes unnötig; bei R.I 2 = St.2 ist das Pro- 
mythion sehr kurz ausgefallen. 

°) Beiträge 42 (1917) 8. 330. 


208 Achelis, Die Fabeln Avians in Steinhöwels Aesc 


a 


nicht im lateinischen Teext. Man darf daher nicht a 
dass Steinhöwel in f. 77 absichtlich das Promy Abit 
Romulus!) fortgelassen hat, sondern es hat in sein ar E Hand 
schrift gefehlt, wie es in der Handschrift des Adem ar ur 
dem Kodex 84 der Stadtbibliothek Le Mans nicht st teht 
und wie die Promythien zu den Fabeln IV 11 und 12°C Steir 
höwel 71 und 72) in allen unseren Handschriften fehlang N 
Im übrigen entspricht Steinhöwel 77 mit geringen 4 
weichungen*) Romulus IV 19. Es ist die bekannte Fabel x 
der Ameise und der Grille, den modernen Literaturen nament- 
lich durch die beiden recht dürftigen Wiedergaben zugeführt 
welche im Aesopus Dorpii Adrianus Barlandus (Auiani fabu 
lae 3) und Gulielmus Hermannus (Auiani fabulae 33) de 
34. Fabel Avians, formica et cicada, gegeben haben. Aus 
dem Aesopus Dorpii hat Burkard Waldis seine Fabel Vor 
den Ameyssen und Heuschrecken (184) entnommen, wäh ren 
auf der anderen Seite durch Steinhöwels Vermittlung Romulus 
weiter wirkt5). Im übrigen sind, wie die folgende Tabelle 


ı) Wenn Romulus Promythien hat, so folgt er dem Beispiel de 
Phaedrus: I 2—6, 8—13, 15—21, 23—31; II 2, 5, 6; III 2, 3,5, 710 
16; IV 1, 2,5 (prom.u. epim.), 8, 9, 12, 13, 15, 17 (prom.u. ep: ir N 
19, 22, (24), 8; V 5, 7,8. 

?) Ueberliefert nur im Codex Burneianus 59 (Thiele S. 296), & also 
ist ein Verwandter dieser Hs. nicht Steinhöwels Vorlage gew 3sen. 

») =f. LAXXV und LXXXVI Thiele. 

*) Diese betreffen z.B nur die Wortstellung: Steinhöwel S.1 188, | 
Irahens ex caverna, Romulus S. 86, 12 er caverna Irahens . 296 
Thiele), St. 188, 2-3 esuriens rogabat eam, R. eam rogabat esurie iens, 
St.188, 3 aliguid illi, R. illi aliguid, teils den Gebrauch der Tempora: 
St.188, 3 fecisti, R. faciebas, St.188, 4 vacavit, R. vacabat, St. oberravi, 
R. oberrabam; bedeutender ist die Abweichung St. 188, 7 habuerit 14 
petierit, R. 86, 18 habuerit dum petierit, endlich St. 188,4 Non mihi 
vacavit gegenüber R. 86, 15—16 Dum me vacabat inM. Für vaca 
m. Akkusativ wird sich schwerlich ein Beleg finden, für den Dati 
vgl. Phaedrus III prol. v.12 uxori vaces und die Aesopepistel: uxori 
luxuriosus vaces (p.7 Thiele); vgl.Menge, Repetitorium (?1908) p.41 851: 

s) Aufgezählt sind die Bearbeitung dieser Fabel von K rS' 
Burkard Waldis I 84 und Oesterley zu 1V 19; hinzuzufügen sind 
Aesopus Vindob. hist. Gr. 180 fab. 130 (ed. Fedde 1877, S.26 no. XXX 
Novus Avianus II 12, Antiavianus 9 (E. Grawi S. 80 A.1), die fran- 
zösische Uebersetzung im Second volume de la mer des Bea 


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iD 


Achelis, Die Fabeln Avians in Steinhöwels Aessop 209 


zeigen wird, die antiken Bearbeitungen sich sehr ähnlich, 
nur Avian hat gegenüber Babrius 137, Aesop 401 H., Ro- 
mulus IV 19 etwas ausgemalt. Bei Aesop £.401 H. erscheinen 
stagt einer mehrere Ameisen; f. 401b!) weicht etwas ab. Aus 
der Nebeneinanderstellung ergibt sich auch ohne weiteres, 
dass Bährens nicht berechtigt war, den Anfangsvers des 
Avian zu ändern; dass das überlieferte hiemi zu Recht da 
stehe, lehren Babrius (Xeınövos üpy), Romulus (Hiemis tem- 
pore) und Aesop (Xeynövos Gp«). Die ereptos labores sollen 
die Früchte bezeichnen, welche die Ameise sich geraubt hat. 

Doch nun die Fabeln selber (siehe umstehende Tabelle). 

Nachdem Steinhöwel die vier Fabelbücher des Romulus 
in sein Corpus aufgenommen hatte?), schloss er die in anderen 
Sammlungen erhaltenen Bearbeitungen der gleichen Fabeln 
aus. So fehlt die Fabel von der Grille und der Ameise unter 
seiner Auswahl von Fabeln des Avian wie des Rimicius?). 

Endlich konnte Steinhöwel Avians 16.Fabel de quercu 
et harundine*) nicht aufnehmen, weil er schon am Ende des 


- vierten Romulusbuches als 80.Fabula XX de abiete et harun- 


dine in seiner Sammlung hatte5). Diese Fabel, welche Oester- 
ley in seinem Romulus als Appendix 18 bringt°), kann nicht, 
wie es die Schlussschrift Steinhöwels, welche sich auf alle 


(ed. Hugues Vaganay in den Mölanges Picot I [1913] S.79 [vgl. oben 
S.196 A.7]; es ist fab. 29), Laurent de Jussien und Laohambeaudie, 
La Cigale, la Fourmi et la Colombe (vgl. oben 8.205 A.3). Eine Um- 
bildung ist die Fabel „der Goldfasan“ von Frieda Schanz (Violet, 
Anhang zu Lessings kleineren prosaischen Schriften II [1913] S. 32). 
1) = Aphthonius f. 1, p. 322 Nevelet. Vgl. oben S.200 A.2. 
») Vgl. oben S. 206 A.2. 

.. .®% Rimioius 99 de formicis et oicada. Vgl.oben S.200. Lockwood, 
Harvard studies XXIV (1913) S.62 gibt als Quelle für Rim. 99: ? 401. 
Die Vorlage des Rimicius muss mit w angefangen haben, wie die 
Stellung in den alphabetisch geordneten Fabeln lehrt, in der Tat 
füngt f. 199 Gas. (p.83 Furia = Aesop f.401 Halm) so an, ebenso f. 130 
des Vindob. histr. gr. 130 (Fedde, Progr. Breslau 1877 S.26 Nr. XXXX), 
der von allen bekannten Hss. der Vorlage des Rimicius am nächsten 
steht, vgl. vorläufig Nordisk Tidsskrift for Filologi 1922 S. 13. 

*) So Paris.8093, de robore et calamo Paris. 5570, oontencio querci 
et harundinis Laur. LXVIII, 24. 
6) 8.190 Oesterley. 
°) S. 94 Oesterley. 
Münchener Museum f. Philologie des MA. IV, 2. 14 


210 Achelis, Die Fabeln Avians in Steinhöwels Aesop 


Babrius 137 


Era mn an a 


Avian 34 


Zernivog Gpy oltov &x yuxod | 5b. Solibus ereptos hiemi for- 


odpwv 


Ebvye nbppngE, Ov YEpong geowpen- 
KeL 


wert: d& Todtov Inetevos AuıWr- 
av, Boöval Te KXÖTH TG TPöPTG, 


'önog Kon 


B. „it odv änolerc" anal „eo Yeper 
rodrp;“ 

odxn Eox6öilakov, AAN& Brerelouv 
7410) 


rerdoag 8’6 nöppnk, TOV TE TUpÖV 
EynActwv 


„Aernövog Spxod, gmalv, „el 


- Yepoug Yoag.““ 


mica labores 


distulit et brevibus oondidit 
ante cavis verum ubi can- 
dentes suscepit terra pruinas 
arvaque sub rigido delituere 
gelu, pigra nimis tanto non 
aequans corpore nimbos 

10. in propriis laribus humida 
grana legit 


decolor hanc precibus sup- 
plex alimenta rogabat quae 
quondam querulo ruperat 
arva sono 


se quoque maturas cum {un- 
deret area messes cantibus 
aestivos explicuisse dies. 


15. parvula tum ridens sic 


est adfata cicadam: „nunc 
vitam pariter continuare 
valent? Mi quoniam summo 


substantia parta labore est, 
Frigoribus mediis otia longa 
traho; 


At tibi saltandi nunc ultima 
tempora restant, 

20. cantibus est quoniam vita 
peracta prior.* 


Romulus IV 198 


Hiemis tempore formica fru- 
mentum ex oaverna trahens 
siccabat, 


quod estate colligens ooagu- 
laverat 


Cicada autem eam rogabat 
esuriens, ut daret illi aliquid 
de cibo, ut viveret. 


Cui formica: quid faciebas, 
inquit, in estate? 
At illa: dum me (Steinhöwel: 
mihi) vacabat, per sepes ob- 
errabam cantando. 


Rıdens formica frumentum 
inclusit et dixit: 


„Si estate cantasti, hieme 


salta.* 


Aesop f.401 H. 


Xeubövog pa, Tav alıwv Ppa- 
Xevrwv, 


ol pbppimes Edroxov 


errig dE Ayıarrwv rei AÖTobg 


popiv. 


OL dE pöppnneg elnov abra- „dla 
at Tb YEpog od auväires Tpogpmv;“ 
‘0 82 elnov. „obx &oxöiakov, KAN’ 
Nov pouaäg.“ 


OL 82 yYeldoavreg elnov- 


„ar el Yepovg NÖderg, xXeuBvog 
öpyod.“ 


Achelis, Die Fabeln Avians in Steinhöwels Assop 211 


vorangegangenen Fabeln 1—80 beziehen sollte: Finis quarti 
libri Esopi viri ingeniosi, nec plures eius libri inveniuntur?), 
beweisen würde, aus Romulus stammen, obwohl für Stein- 
höwel Romulus der Verfasser des griechischen Aesop ist, 
ja geradezu Aesop und Romulus identisch sind. So wird 
z. B. Steinhöwel f. 76°): autoris brevis narrat fabula — es 
ist Romulus IV 18, die Fabel vom Floh und dem Kamel’) 
- — von Steinhöwel so übersetzt: dise kurcze fabel Esopi 
bewysett); auf das vierte Romulusbuch wird f. 160 ver- 
wiesen mit den Worten: pertinet ad finem quarti libri Esopi?). 
Trotzdem kann diese Fabel nicht aus Romulus stammen, da 
dieser stets Promythion und eigentliche Fabel selbständig 
hinter einander stellt, nicht beide verbindet, wie es bei 
Steinhöwel f.80 der Fall ist: solet eis evenire sicut arbori 
abietis®). Erna Grawi hat in der Dissertation Die Fabel vom 
Baum und dem Schilfrohr in der Weltliteratur (Rostock 1911) 
dem Fabelstoff eine genauere Untersuchung gewidmet. Sie 
vermutet, dass Steinhöwel die Fabel „aus irgend einem 
anderen lat. Fabelwerke entnommen“ habe’). Sie denkt an 
eine der lateinischen Renaissanceübersetzungen von äsopi- 
schen Fabeln. Besonders „die Aehnlichkeit mit der Fab. 
(Coray 143) x&Aagos xal 2Iala“®) scheint ihr dafür zu sprechen. 
Die Aehnlichkeit mit dieser Aesopfabel, welche ihr ein Beweis 
ist, dass Avians Fabel XV de quercu et harundine nicht die 
Vorlage für Steinhöwel f. 80 en sei, soll „im Gang der 
Handlung“ Pen >). 


1) 8.191 Oesterley. 

2, S.187 Oesterley. 

°») =f. XCII Thiele. Dieser weist S.355 auf das Vorkommen von 
Flohfabeln im griechischen Aesop hin: Kor. 424. 

*) 8.188 Oesterley. 

5) S.350 Oesterley, vgl. Berliner philol. Wochenschr. 1916, Sp. 1376. 
Andere Belege für Steinhöwels Identifikation von Romulus und Aesop 
oben 8,194 A.3. 

°) S.190 Oesterley. 

') 5.1038. Was im Text „immerhin möglich“ ist, ist in der An- 
merkung 2 „sehr wohl möglich“. 

°) Grawi S.104 Anm. 


°%, Grawi 8.104. 
| 14* 


w 


912 Achelis, Die Fabeln Avians in Steinhöwels Aesop 


Von einer solchen „grossen Aehnlichkeit“?) Kann aber 
in Wahrheit keine Rede sein! In der äsopischen Fabel 179b 
H.?) streiten sich Rohr und Oelbaum. Das Rohr wird von 
dem Oelbaum geschmäht, weil es kraftlos ist und leicht 
von allen Winden gebeugt wird. Darauf erwidert das Rohr 
nichts. Nach kurzer Zeit erhebt sich ein heftiger Wind. 
Das Rohr wird von den Winden geschüttelt und zu Boden 
gebeugt, bleibt aber unbeschädigt, der Oelbaum dagegen, 
fest gewurzelt in der Erde?°), leistet den Winden Widerstand 
und wird von ihrer Gewalt zerbrochen. So überführt ihn 
das Rohr, dass er sich vergeblich seiner eigenen Kraft ge- 
rühmt habe‘). 

Bei Steinhöwel handelt es sich zunächst um eine Tanne, 
nicht um einen Oelbaum. Diese will sich nicht vor dem 
Winde beugen, ein daneben stehendes Rohr tut dieses. Da 
sagt die Tanne zu ihr: „Warum stehst du nicht fest?), wie 
ich?“ Das Rohr antwortet: Non est virtus mea, ut tua°). 
Darauf sagt die Tanne: Und daher kannst du merken, dass 
ich stärker bin als du. Ein heftiger Wind kommt und wirft 
die Tanne zu Boden, das Rohr lässt er unversehrt. 


1) 8. 104. 


2) Dort fehlt der Hinweis auf Schneider f. 70, ebenso H. 112 auf 
S.56 (statt 46), H. 247 auf S.145, H. 273 auf S. 159, H. 367 auf S.79 
und H. 424 auf S. 230 (statt F. 230). 


°) Sıkwdelon, dafür Babr. 36, 1 adtöpıekog. 


*) Die Fassung des Casinensis steht bei Grawi S.34, die der 
Accursiana S.35. Der Casinensis hat einen grösseren Zusatz Z.7—9: 
7AeyEev adryv, dt naralug al niarmv Enalperaı aniız olnela dvväner, ferner 
2.12—13 7 St del Tolg xpelttoowv ävrıninzew, Z.7 BiEwsson und 2.10 
odrw xal, die Accursiana nur Z.4 owr&v; die sonstigen Differenzen 
betreffen Wortstellung (Z.1 Cas.: Houxlav xal toydv, A.L.xal, ZT 
Cas. 77) Big rateridotn, A. x. ıä B.), Konstruktion (Z.3 Cas. @düvarös 
&otı, A. dduvarou; Z.3 Oas. Önoxitiverar, A. Önoxiıvonevon; Z.D Oas. @vsou 
loyupod Yevonevov, A. @venog Enveuosv loyup@g; Z.11 Cas.xal tolg Apeittovag, 
A. xal tolg xpelttoov) und Flexion (Z. 11—12 Cas. xpelttovsg eloı, A, 
xpelttoug elot). — Vgl. auch E. Grawi S. 86. 


5) firmiter, vgl. Meusel !’ (1913) zu Cäsar b. G.IV 26, 1. 


°) Steinhöwel S. 190 Oesterley übersetzt: Darumb daz ich nit s0 
kreftig bin, als du bist. Die Uebersetzung verkennt die besondere 
Bedeutung von „virtus“. Vgl. unten 213, 


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Achelis, Die Fabeln Avians in Steinhöwels Aesop 213 


Es ist derselbe Fabelstoffl, aber die Behandlung ist 
durchaus verschieden. Bei Aesop schweigt das Rohr auf 
die Beschimpfung des Oelbaums und widerlegt sie nachher 
durch die Tat, bei Steinhöwel ist es ein Dialog zwischen 
Tanne und Rohr. „Non est virtus mea, ut tua“ sagt bei 
Steinhöwel das Rohr zur Tanne. Der Gebrauch von virtus 
ist auffallend. Das Promythion hierzu lautet: „Qui superbo 
et duro corde sunt, et nolunt se subdere domino suo, solet 
eis evenire sicut arbori abietis“, das Epimythion: „Sic sepe 
elati proiiciuntur, dum humiles maneant erecti“; wir sehen 
hier ein Arbeiten mit kirchlichen Begriffen, wie es in einer 
Renaissanceübersetzung unmöglich wäre. So werden wir 
diese Gestaltung der Fabel bei Steinhöwel als ein mittel- 
alterliches Produkt ansprechen müssen). 


Woher hat Steinhöwel diese Fabel genommen? Er macht 
darüber keine Angaben, und doch liegt, wie ich denke, eine 
Vermutung nahe genug. Zunächst hat er in seine Sammlung 
den Romulus aufgenommen’). In der Romulusüberlieferung 
enthalten die Bücher | 


‚1 19 Fabeln, II 21 Fabeln, III 20 Fabeln, IV 23 Fabeln. 


Steinhöwel hat nun, um die Bücher gleich gross zu be- 
kommen, — die 8. Fabel des II. Buches gehörte wohl in 
seiner Vorlage schon zum ersten Buche?) — im IV. Buch, 
wo die 1., 13., 14,, 22., 23. Fabel ausfielen, die entsprechende 
Rimiciusfabel für IV1 eingesetzt und, um dem Buch 20 Fabeln 
zu geben, die Fabel de abiete et harundina hinzugefügt. Wie 
er eine Fabel des II. Buches in das erste versetzte, um dieses 
aufzufüllen, so hat er auch wohl aus dem folgenden, d.h. 
den Extravagantes, de abiete et harundine an den Schluss 
‘des vierten Romulusbuches gestellt. 


Die 16. Fabel Avians ist eine Erweiterung von Babrius n 


‘) Auch Grawi spricht S.105 von einem theologisch-mönchischen 
Gewande der Fabel und schwankt, ob der Ursprung der Fabel eine 
Renaissanceübersetzung oder ein „älterer Schriftsteller“ (S.105 A.1) 
sei. Nur das letztere kann in Frage kommen. 

s) Vgl.oben S. 206 A.3. 

°») Sicher seit dem 11. Jahrhundert, vgl. oben S. 206 A.3. 


914 Achelis, Die Fabeln Avians in Ste höwe ls 


f.36. Es handelt sich also um eine Eiche!), die v om Sturm 
in den Fluss gestürzt wird und erstaunt, PR. das Schilf 
das Unwetter übersteht. Die Aehnlichkeit der Fabe n ist 
so gross, dass nach dem, was sich uns früher über die Auf- 
nahme der Fabel des Rimicius in Steinhöwels Samml nlung 
ergeben hat?), es uns nicht wundern kann, wenn auch hier 
die Aehnlichkeit zwischen Steinhöwel f. 80 und Aviar 16 
ein hinreichender Grund wäre, die Fabel aus seinem ( rpus, 
welches möglichst verschiedene Fabeln vereinigen sollte: Ns. 
auszuschliessen. E 

Es lässt sich allerdings auch ein anderer Grund für 
die Nichtaufnahme von Avian 16 denken: In der Fabel- 
sammlung Avians ist als Nr.19 eine sehr ähnliche Fabel: 
de abiete et dumis, überliefert. Diese hat Steinhöwel seiner 
Sammlung einverleibt: 129. Fabula de dumo et abiete. Die 
XV fabel von der tannen und dem dorn. Und in der’ "at 
verdient diese durchaus den Vorzug vor Avian 16. Sie ist 
frisch und anschaulich erzählt und hält sich ziemlich genau 
an Babrius f. 64. So ist es durchaus verständlich, dass 
Steinhöwel Avian 19 der ähnlichen, aber matten Fabel 
Avian 16 vorzog. 


Bei der Auswahl, die Steinhöwel aus den Fabeln de 
Rimicius getroffen hat, sind zum Teil sehr geringe Achnı 
lichkeiten, vielleicht nur in den Ueberschriften der Fabe n, 
für die Aurel, massgebend gewesen. 


Z.B. vergleiche Rimicius 4 de philomenat) et aceipi a 


ı) Avian 16, 1 Montibus e summis radicitus erata querous, bei 
Babrius 86, 1 Apdv adröpıkov, 8: adrn d& öoon pyıyag ekepıkwdn. Vgl. über 
öpög — Laubbaum Wilamowitz zu Euripides Herakles v.241. — Bei 
Babrius war von einer gnyög die Rede, d.h. Baum mit essbarer Frucht, 
also eine Eiche, die Gleichung pnyös — fagus hat jetzt vielfach dazu 
verführt, pnyög mit Buche zu übersetzen, vgl. v. Fischer-Benzon, Alt Fr, 
deutsche Gartenflora (1894) S.177 A.3, Wilamowitz, Homer und die 
Ilias (1916) S.187 A.3. 


2) Beiträge 42 (1917) S. 319. 


3) Eine Ausnahme ist (Avian 26 =) Steinhöwel 132 und (xtra- 
vagantes 6 =) Steinhöwel 86. 


*, Vgl. oben S. 198 A. 2. 


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DE 


Achelis, Die Fabeln Avians in Steinhöwels Aesop 215 


mit Romulus 45 de licinia!) et accipitre und Rimioius 78 
de asino et lupo mit Steinhöwel 73 de asina*) egro et lupo. 


3 So könnte man annehmen, dass nach den gleichen Voer- 
: fahren Steinhöwel folgende Fabeln aus seiner Sammlung 
j; ausgeschlossen hätte: 
. Avian 10 de calvo?°) Steinhöwel 32 de calvo et musca 
\ » 4 de vento et sole) ä 7 ig fure malo°) et 
| sole 
„ 12 de invento the- e 114 de viro agricul- 
sauro®) tore. 


| Steinhöwels 32. Fabula XII de calvo et musca, aus 

| Romulus II 13 entnommen, der seinerseits auf Phaedrus V 3°) 
beruht, ist die bekannte Erzählung von dem Kahlkopf, den 
eine Fliege sticht und verhöhnt?), Avian 10 ist eine Be- 
arbeitung der äsopischen Fabel von dem kahlköpfigen Reiter, 
der seine Perücke verliert und sich tröstet mit den Worten: 
Tas 00x Eäs Tplyas ti GEvov pebyeiv pe, al nal TOv EXovra Tabtag, 
ned” oO xal yevveimoav, xattiınov?). 


1) Steinhöwel f. 46 liscinia. Neben luscinia (Horaz, Plinius) und 
luscinius (Phaedr. III 18, Sen. ep. 76, 7 (9]) findet sich schon früh 
lusoiniola (Plaut. Baech. 11, 4 [38], Varro 1.1. V 11 876, Varro r.r. 
III 5, 14). — Romulus sagt IV 15 (f. LXXXIX Thiele) asinum, dann 
respondit asellus, dazu bemerkt Thiele S.289, dass schon Varro.r.r. 
120, 4 asinus und asellus ohne Unterschied gebraucht. 

2) So Oesterley. Aber im Text: Asinum egrum lupus visitavit 
(8.185 Oesterley) ... Respondit asellus (S. 186 Oesterley) und in 
der Uebersetzung vom kranken esel... ainen esel... der esel. Es 
liegt also wohl wieder ein Druckfehler bei Oesterley vor, zumal es 
auch in den Capitula de libro quarto fabularum Esopi (S. 172 Oester- 
ley) heisst: Fabula XIV De asino et lupo. 

®) So Paris. 5570, Laur. 68, 24; de calvo equite Paris. 8093, de 
calvo milite Regin. 1424. 

*) So Paris. 8093, de aquilone et phoebo Laur. 68, 24. 

5) Oesterley interpungiert irrig nach fure. 

°) Paris. 8093, de thesauro Paris. 5570, de rustico et tesauro 
Laur. 68, 24. 

") Oesterley zu Steinhöwel S. 124 A.2 und zu Romulus 8.58 
führt Phaedrus IV 31 an. 

2) Belege gesammelt von H. Kurz zu Burkard Waldis II 9. 

®) Aesop f.410 Halm, übersetzt von Lorenzo Valla f.33 (Münch. 
Mus.II [1914] S.247), bearbeitet von G. Hermann, Auiani fabulae 10, 
Novus Avianus II 9 Grosse. Anderes sammelt Kurz zu Waldis 195. 


216 Achelis, Die Fabeln Avians in Steinhöwels Aesop 


Steinhöwel 7 de fure malo1) et sole ist aus Romulus 16 
entnommen; die Erzählung beruht auf der alten — von 
Phaedrus I 6, 2 ausdrücklich auf Aesop zurückgeführten 
Fabel von den Fröschen bei der Hochzeit des Helios, die 
bei Babrius 24, Aesop f.77b H. vorliegt. 


Aesop 77b, Babrius 24. PhaedrusI6 | RomulusI6 


Die Frösche freuen sich über| Aesop sieht | Ein Weiser 
die Hochzeit des Helios. Einer |die Hochzeit| sieht eine 
von ihnen weist auf die Gefahr [eines benach-| Hochzeit, an 
hin, die ein Sohn des Helios|barten Diebes| der einige 
ihnen dadurch bringen würde, Diebe teil- 
dass er imVerein mit demVater nehmen!), 
n&oav DAnv Amocnpalver. nn ———n en 
und erzählt dieFabel von den 

Fröschen bei derHochzeit des 

Helios (Zwei Sonnen). 


Bei Avian 4 haben Boreas und Phoebus (v. 4, v.15 
wird er Titan genannt) einen Streit vor Juppiter, wer zuerst 
seinen Willen durchsetzen könne; sie beschliessen, einem 
Wanderer seinen Mantel zu entwinden. Boreas versucht es 
mit Gewalt, mit Wind und Regen?), vergebens. Phoebus 
gelingt es mit Güte, nimio igne. So beweist er nullum 
praemissis vincere posseminis. 

Babrius 18 erzählt die gleiche Fabel, es fehlt nur der 
Eingang: der Streit vor Jupiter. Die Fabel bestätigt das 
Sprichwort: rpaornta, rat, CnAod. dvboetg Tı rerdor HAAAoV 7) Bie 
belwv. Bei Aesop f. 82 H. wird die gleiche Fabel erzählt, die 
Sonne wirkt so stark, dass der Mensch seine Kleider ab- 
wirft und im Flusse ein Bad nimmt. Aesop f.82b H. aus 
Plutarch coni. praec. 12 stimmt zu Babrius?). 


1) Oesterley, Steinhöwels Aesop S.87 interpungiert falsch, wie 
der Inhalt der Fabel lehrt, nach fure. 

2) Das ist ein Zusatz des Avian: et gelidus nimias depluit 
imber aquas (v.8). 

3) Darauf beruht Herders Fabel: Der Wettstreit (Lessings Kl. 
pros. Schriften, hrsg. v. F. Violet, II [1913], Anhang S.24). — Vgl. zu 
Plut. praec. coni. 12 D. Bieber, Studien zur Geschichte der Fabel 
(1913) 8. 29. 


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Achelis, Die Fabeln Avians in Steinhöwels Aesop 217 


Steinhöwel 114 Fabula XVII de viro agricultore ist die 
18. Fabel!) des Rimioius?), eine Uebersetzung aus dem 
Griechischen®), die teils dem Casinensis f. 33 Furia, teils 
dem Augustanus 42 Schneider entspricht. Es ist die durch 
Bürgers Gedicht „Der Schatzgräber“, wohl auch durch 
Lafontaines Fab. V 9 le Laboureur et ses Enfants, all- 
bekannte Fabel‘). 
“Bei Avian f. 125) findet ein Bauer beim Pflügen einen 
Schatz und errichtet der Tellus einen Altar aus Dankbar- 
keit für den Fund; Fortuna ist unwillig, dass ihr hierfür 
keine Verehrung zuteil wird und weist den Bauer darauf 
hin, dass er sich unter Tränen an sie wenden wird, wenn 
er das Gold verloren hat. 

Die drei zuletzt besprochenen Fabeln:. Steinhöwel 39 
der Kahlkopf und die Fliege, 7 der Dieb und die Sonne, 


ı) Nicht bemerkt von Oesterley, Steinhöwels Aesop S. 258, vgl. 
Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache 42 (1917) S. 316 A.1, 
8.317 A.1. 

») Die geringfügigen Abweichungen Steinhöwels vom Texte des 
Dorpius sind Beiträge 42 (1917) S. 829 aufgezählt. Hinzuzufügen ist 
Steinhöwel Z. 4 e vita decedo, dafür bei Dorpius: e vita discedo. 
Lateinisch ist ex oder e vita discedere (doch Cic. ad Fam.Il2: a) und 
de vita decedere (Cic. Rab. perd. 30, Cluent. 163), also hat auch 
hier Steinhöwel das Richtige. Ueber ex und de bei Verben der Be- 
wegung s. Meusel zu Cäsar B.G.12, 1 de finibus exirent. 

®) Lockwood, Harvard studies XXIV (1913) S.62 zitiert als Vor- 
lage für Rimicius 18 Aesop f.98 Halm. Dass die Vorlage des Rimicius 
nicht die bei Halm abgedruckte Fassung des Korais ist, lehren schon 
die Worte: 


Illi post patris obitum OL 8: vonlsavreg Imoxupöv Tıva, 

putantes in vinea thesaurum Evraöde Eyxeiv, per& nv Arnoßlaarv 
reperire 

assomptis ligonibus marris bi- Tod narpög aürav, dlxeAdav Övvag TE 
dentibus 


vineam funditus effodiunt 
*) Unter den Bearbeitungen, die H. Kurz zu B. Waldis III 48 
„Vom alten Weingartner‘ aufzählt, fehlt Bürgers Gedicht. Lafontaine 
gestaltet in seiner Weise den Schluss selbständig, que S travail est 
un trösor. 
$) Vgl.die Bearbeitungen bei Kurz zu B. Waldis 197, dazu Novus 
Avianus II 13. Vgl. Babrius 163 Eberh. 


218 Achelis, Die Fabeln Avians in Steinhöwels Aesop 


114 der Schatz im Weinberg sind so völlig verschieden 
von Avian f.10 de calvo, 4 de vento et sole, 12 de invento 
thesauro, dass man sich nicht wohl denken kann, dass die 
geringe äussere Aehnlichkeit in den handelnden Personen 
und daher auch in den Titeln für Steinhöwel ein zureichen- 
der Grund gewesen wäre, sie aus seiner Sammlung auszu- 
schliessen, obwohl bei den Rimiciusfabeln, wie früher gezeigt 
wurde!), solche Gründe in der Tat ausschlaggebend gewesen 
sein mögen. Aber bei den Fabeln des Rimicius war sich 
Steinhöwel doch wohl darüber klar, dass sie letzten Eindes 
ebenso gut auf ÄAesop zurückgehen wie die Fabeln des 
Romulus, von denen er dies, durch Romulus selbst veran- 
lasst?), annahm; die Fabeln Avians dagegen kannte er wohl 
als Eigentum ihres von Aesop wie von Romulus unterschied- 
lichen Verfassers. Ausdrücklich nennt er ihn am Beginn 
(vor f.115, S.261 Oesterley) wie am Schluss (nach f. 141, 
S.292 Oesterley) und zitiert ihn ausserdem in den Ein- 
leitungen der Uebersetzungen von f.128 (8.277 Oesterley): 
Dar von höre ain fabel Aviani des maisters®) und von f. 133 
(S. 283 Oesterley): Dar von ist dise fabel Aviani. 

Dazu kommt, dass von den vierzehn Fabeln Avians, 
welche Steinhöwel nicht seiner Sammlung einverleibt hat, 
zwar bei dreien sich aus den vorangegangenen Romulus- 
fabeln die Ausschliessung erklären lässt: 

Avian 24 — Steinhöwel 75 (vgl. S. 202—207) 
„34 — n TT (,  „ 207—209) 
„16 — " SO („ „ 209—214), 


von den übrigen elf aber könnte nur bei den drei oben | 
genannten Fiabeln 10, 4 und 12 die ähnliche Ueberschrift 


zur Not als Grund für die Nichtaufnahme angenommen 


!) Beiträge 42 (1917), 8.319, oben S. 214—215. = 

?) Romulus, lib. I praef. (p. 38 Oesterley, p.2 Thiele): Id ego 
Romulus transtuli de graeco in latinum. Steinhöwel (p.78 Oesterley): 
Ego Romulus transtuli de greco sermone in latinum. Die selben 
fabeln hab ich Romulus uß kriechischer zungen in latin gebracht. 
Vgl. G. Diestel, Bausteine zur Geschichte der Fabel (1871) S.26 A.** 

°) Sonst bekommt Aesop diese Apposition: Steinhöwel f.19, 33, 
3b, 48, 49, 52, 53, 64, 69. Vgl. auch Berl. phil. Woohensohr. 1916, Sp. 1376 
über philosophus im „speculum humanae vitae“. 


A an De el Zi ee 2 


Achelis, Die Fabeln Aviens in Steinhöwels Aessop 9219 


werden. Es bleiben acht Fabeln übrig, zu denen ein gleicher 
oder ähnlicher Titel sich in den Sammlungen des Romulus 
wie der Extravagantes nicht finden lässt. 

Es gilt also, für alle diese Fabeln einen gemeinsamen 
Grund der Ausschliessung zu finden. Er ergibt sich, wie 
ich glaube, aus dem Inhalte der Fabeln. Es ist, um dieses 
zu erkennen, notwendig, die von Steinhöwel ausgelassenen 
Avianfabeln mit Ausnahme der drei, bei denen die Rück- 
sicht auf den gleichen Stoff im Romuluscorpus die Auf- 
nahme ausschloss, zusammenhängend zu überschauen. Es 


‘sind die folgenden: 


Avian 4 De vento et sole?) 

10 De calvo?) 

12 De invento thesauro?) 

21 De Jove et cupido et invido‘®) 
venditore et mercatore°) 
30 De sue et illius domino®) 

32 De aratro et bobus’) 
36 De vitulo et bove?®) 


sus, sy 4 
&D 
de) 
= 
® 


'ı) Vgl. oben S. 216. 


3) Vgl. oben S.214—215. 

®) Vgl. oben S. 217. 

*) So Paris. 8093, de cupido et invido Paris. 5570, Laur. 68, 24, 
de oupido et avaro Regin. 1424. Bearbeitungen der „Oassita“ bei Kurz 
zu Waldis II4; dazu Novus Avianus (ed. Grosse 1868) II 16. | 

5) Paris. 8093, de Baccho Paris. 5570, Regin. 1424, Fabula de 
venditore bachi Laur. 68, 24. Vgl. Babrius 30 und dazu O. Crusius 
Jahrbücher f. Philologie Bd. 139 (1889) S.653. Sogar G. Hermann hat 
diese Fabel, wie Avian 39, 41, 42, nicht übersetzt. Im Novus Avianus 
steht sie Ill. 

°) Paris. 8093, de apro et quoquo Paris. 5570, Regin. 1424, de 
homine et porco Laur. 68, 24. — Belege gibt Kurz zu Woaldis II 12; 
dazu Novus Avianus II14. Vgl. L. Rochholz, Das Tiermärchen vom 
gegessenen Herzen, Zs.f.deutsche Philologie I (1868) S.181/98, Keidel, 
die Eselherz- (Hirschherz-, Eberherz-) Fabel, Zs. f. vgl. Literatur- 
geschichte VII (1894) S. 2684-267. 

?) Paris. 8093, de pigro tyrintium frustra orante Paris. 5570, de 
homine et plaustra Laur. 68, 24, de rustico et bove Regin. 1424. Be- 
arbeitungen sammelt Kurz zu Waldis Il 14; dazu Novus Avianus Il 2, 

®) Paris. 5570, de vitulo et bove domato Regin. 1424, de vitulo 
resultante Laur. 68, 24. Belege gibt Kurz zu Waldis IL 17, wo Novus 
Avianus I 13 hinzuzufügen ist. 


9920 Achelis, Die Fabeln Avians in Steinhöwels Aesop 


Avian 37 De cane et leone') 
„ 38 De pisce et phoca?) 
»„ 39 De milite arma cremante°) 
»„ 40 De pardo et vulpe‘). 
Ueberblickt man diese Fabeln, welche Steinhöwel nicht 
in seine Sammlung aufgenommen hat, so fällt es auf, dass 
die Fabeln 4, 10, 12, 21, 23, 30, 32 (und 39) keine Tier- 
fabeln sind; und dieses scheint mir der Grund der Aus 
schliessung für Steinhöwel gewesen zu sein. Für die Rabeln 
36 bis 40 ist, wie ich annehme, das Bestreben, mit dem 
Avian fertig zu werden, für Steinhöwel massgebend gewesen; 
in ähnlicher Weise springt er von Rimicius 74 (= Stein- 
höwel 110) zu Rimicius 90 = 111), daran schliessen sich 
dann Rimicius 97 und 100 (= 112—-113), wie bei Avıan 
Fab.41 und 42 (= 140—141) als Abschluss der Sammlung?). 
Bei den zuerst besprochenen Fabeln 24, 34 und 16 ist 
nicht, wie bei den übrigen zwölf Fabeln, ihr Inhalt mass- 
gebend gewesen, sondern die Tatsache, dass sie bereits durch 
die Romulusfabeln IV 17, IV 19 und app. 18 in seiner Samm- 
lung vorhanden waren (Steinhöwel f. 75, 77, 80). Dass dieses 
der wahre Sachverhalt ist, beweist Avian 34 de cycada et 
formica (—Steinhöwel 77), welches eine richtige Tierfabel ist). 


!) So Paris. 8093, Laur. 68, 24, Regin. 1424; de leone et cane 
Paris. 5570. Diese Fabel ist benutzt im Novus Avianus I14 und von 
Burkard Waldis, Esop Il 18. 

2) Paris. 8093, de pisce et focis Paris. 5570, de flumine et pisce 
Regin. 1424, de pisce fune in mare Laur.68, 24. Auch für diese Fabel 
hat B. Waldis den Avian benutzt: II19; auch Novus Avianus III. 

®) Paris. 8093, de milite veterano Paris. 5570, de milite et lituo 
(arma) Laur. 68, 24, Regin. 1424. Bearbeitungen s. Kurz zu B. Waldis 
155 (S.59), wo zu ergänzen ist Novus Avianus Ill. — Vgl. S.219 AD. 

*) So Paris. 8093, Laur. 68, 24, de pardo et leone Regin. 1424. — 
Belege gibt Kurz zu B. Waldis II20, dazu Novus Avianus I17; Waldis 
hat Avian 41 und 42, ebenso wie Guil. Hermann, nicht berücksichtigt. 

°») Zu Rimicius 100 (= Steinhöwel 113) ist dann noch Rimicius 18 
(=114) hinzugefügt, um die Zahl der Rimiciusfabeln den Extravagantes 
anzugleichen, wie auch Steinhöwel durch Verschiebungen und Zu- 
sätze die vorangegangenen Romulusbücher auf gleichen Umfang ge- 
bracht hat. 

°) Steinhöwel hat mehrreine Tierfabeln aufgenommen, als andere. 
Es sind wirkliche Tierfabeln: 116—120, 124—126, 128, 183—184, 137, 


N. Google 


Achelis, Die Fabeln Avians in Steinhöwels Aesop 2 


Es haben sich uns verschiedene Motive ergeben, nach 
denen Steinhöwel die Auswahl der Fabeln des Avian vor- 
nahm. Da es sich um Verse handelt, hat Steinhöwel nicht 
den Text durch kleine Zusätze, wie er es sonst wohl getan 
hat, erweitern können, sondern sie im wesentlichen so, wie 
sie in den Handschriften vorliegt und — abgesehen von 
vielen kleinen Verderbnissen — aus Avians Händen hervor- 
gegangen ist!), herausgegeben. Und seine Ausgabe von 
27 Fabeln des lateinischen Textes mit der deutschen Ueber- 
setzung war die erste, die überhaupt gedruckt wurde’), sieben 
Jahre später folgte die erste vollständige Ausgabe des Dich- 
ters mit dem Titel®): Apologus Aviani civis Romani adoles- 
centulis ad mores et latinum sermonem capescendos utilissi- 
mus, ein schmaler Quartband von dreissig Blatt, dessen 
Titelblatt im Holzschnitt den Esop mit zwei seiner Schüler 
zeigt mit der Banderolen-Inschrift: 


Accipies tanti doctoris dogmata sancta. 
Hadersleben (Nordschleswig). T. O. Achelis. 


189, 141, andere: 115, 121—128, 127, 180—132, 135; 136, 138, 140; 129 
ist eine Pflanzenfabel. — Unter den von Steinhöwel aufgenommenen 
Avianfabeln sind die folgenden auch in der weniger umfangreichen 
Uebersetzung LorenzoVallas aus einem griechischen Codex enthalten: 


‚Steinhöwel: 122 130 136 
Avian: 9 20 29 
Valla: XVII VIII X 


Vgl. Münch, Mus. II (1914) 8. 246247. 


1) Vgl. O. Crusius, Pauly-Wissowa II Sp. 2377. 

*) Vgl.obewS.194 A.2, Keidel, a manual of Aesopic fable literature 
(1896) S.11 Nr.17. Der angebliche Avian Keidel S.11 Nr.16 ist offen- 
bar nur ein Fragment des Steinhöwelschen Aesop. 

®) Hervieux, les fabulistes Latins III (1894) S. 121—123. 


Hermann Paul. 


Am Donnerstag den 29. Dezember abends dreiviertel 
sechs Uhr ist Hermann Paul nach langem Leiden sanft in 
ein besseres Jenseits hinübergeschlummert. Mit ihm ver- 
liert die deutsche Philologie und Sprachwissenschaft einen 
ihrer hervorragendsten Vertreter, dessen Name weit über 
die Grenzen «Deutschlands geehrt und geachtet war. In 
Salbke bei Magdeburg am 7. August 1846 geboren, hat 
Paul schon früh auf dem Gymnasium Freude an alt- 
deutscher Sprache und Dichtung gefunden. Den Ent- 
schluss, der Germanistik die Arbeit seines Lebens zu widmen, 
brachte er schon auf die Universität mit. An der Berliner 
Hochschule, besonders aber an der Leipziger hat Paul die 
fachmässige Ausbildung als Germanist erhalten. Die haupt- 
sächlichsten Anregungen erhielt er von Steinthal, Zarncke 
und Curtius. In Leipzig hat er sich habilitiert. Schon zwei 
Jahre nach seiner Habilitation, 1874, wurde er Nachfolger 
Ernst Martins in Freiburg. Hier wirkte er ausserordentlich 
 segensreich, bis er 1893 an Stelle von Matthias Lexer an 
die Münchener Universität berufen wurde. Bis zu seiner 
1916 erfolgten Emeritierung war er eine der hervorragend- 
sten Leuchten dieser Hochschule. 

Bei wenigen Gelehrten wird sich gleich nach ihrem 
Tode ein so festumrissenes Bild ihrer Stellung in der Ent- 
wicklung der Wissenschaft und ihrer bleibenden Verdienste 
um sie geben lassen, wie bei Hermann Paul. Ein scharfer 
Denker, bewegt und durchdrungen von den philosophischen 
Ideen Herbarts und Steinthals, ist Paul vor allem ein un- 
erbittlicher Logiker gewesen. In der Logik und Kritik lag 
seine Stärke. Zuerst trat die kritische Seite von Pauls Ver- 
anlagung mehr hervor; in seiner Leipziger Doktordissertation 
über Freidanks Bescheidenheit, in seiner Habilitationsschrift 
über Gotfrids Tristan, in seinen Untersuchungen über die 


PO zur DER Bere 


77 
& 
ur eiieber zus, <7 


Wilhelm, Hermann Paul 223 


Handschriftenfragen zu HartmansIwein und zum Nibelungen- 
lied und in seinen Studien zu den älteren Minnesängern. 
Sehr bald zeigte sich aber auch die eminente sprachwissen- 
schaftliche Begabung in einer Anzahl von grundlegenden 
laut- und sprachgeschichtlichen Abhandlungen, von denen 
die Untersuchungen über den germanischen Vokalismus be- 
sonders hervorgehoben sein mögen. Die Frucht dieser Ein- 
zelstudien waren PaulsPrinzipien der Sprachgeschichte (1879), 
ein nach Inhalt und Darstellung klassisches Werk, das Pauls 
Ruhm für immer begründet hat. In ihm fasste er an- 
schliessend an Herbart und Steinthal die Ergebnisse der 
sprachpsychologischen Forschung in der Form prinzipieller 
Abhandlungen zusammen, zugleich die neuesten Resultate 


‚der vergleichenden Sprachforschung und ihrer Methode 


hinein verwebend. Diese Prinzipien sind von massgebendem 
Einfluss auf die grammatische und sprachgeschichtliche Be- 
trachtungsweise der nachfolgenden Zeit geworden. Alszweite 
zusammenfassende Frucht seiner sprächwissenschaftlichen 
Studien erschien Pauls mittelhochdeutscheGrammatik (1881). 
Anfangs von der Kritik nicht durchweg mit Wohlwollen 
aufgenommen, hat sie sich eine beherrschende Stellung an 
allen Universitäten erobert und bis jetzt zwölf Auflagen erlebt. 

Neben der kritisch-logischen Denkweise besass Paul ein 
ungemein reges psychologisches Interesse und feines, man 
möchte sagen zartes, Gefühl für die Mannigfaltigkeiten und 
Verschiedenartigkeiten der Wortbedeutung. Hierin ist Paul 
seit Benecke ein unerreichtes Muster. Anfangs gewillt ein 
mittelhochdeutsches Wörterbuch mit besonderer Berücksich- 
tigung dieser Seite des Wortschatzes zu verfassen, hat es ihn 
immer mehr zum Studium des Wortschatzes unserer zweiten 
klassischen Literaturperiode getrieben und zur Abfassung 
seines Deutschen W’örterbuchs (1896) geführt, einemWerk, das 
in methodischer Hinsicht die ähnlichen Arbeiten Adelungs, 
Campes und Grimms um ein beträchtliches übertrifft und 
überhaupt auf dem Gebiete der Lexikographie einen Grenz- 
stein bezeichnet. Die Bedeutung dieses Werkes wird erst 
künftigen Generationen, die den wissenschaftlichen Tages- 
parteiungen ferner stehen, zu vollem Bewusstsein gelangen. 


2924 Wilhelm, Hermann Paul 


Neben dieser schriftstellerischen Tätigkeit ging eine 
ausgedehnte Lehrtätigkeit. Paul war kein glänzender Redner, 
und wer in sein Kolleg kam, um oratorisch-ästhetische 
Ohrenweide zu empfangen, mag enttäuscht davongegangen 
sein. Aber er war ein Meister des Gedankens und strenger 
Sachlichkeit. Wer zu ihm kam und lernen wollte, kam auf 
seine Rechnung. Was er in seinen Vorlesungen bot, war 
gewissenhaft geprüft und durchdacht. Nie kam ein herab- 
setzendes Wort über seine Gegner im Kolleg über seine 
Lippen. Objektiv behandelte er die Nibelungenfrage, wie 
Walthers Leben. Seine Literaturgeschichte des Mittelalters 
suchte an Vollständigkeit und Sicherheit des Urteils ihres- 
gleichen. Das haben selbst Hörer, die geistig ganz ab- 
weichend orientiert waren, zugegeben. Seine Uebungen und 
besonders die seines Seminars, waren keine Exerzierstunden. 
In ihnen spürte man etwas vom Hauche der Freiheit selb- 
ständigen Forschungseifers bei allen Beteiligten. Manche 
Freundschaft fürs Leben ist hier geschlossen worden. Nie- 
mals machte Paul auch nur den leisesten Versuch, seine 
Meinung und Methode seinen Schülern oder ihren Arbeiten 
aufzuzwingen. Mochte es Althochdeutsch oder Mittelhoch- 
deutsch, Hans Sachs oder Klopstock sein, man lernte bei 
Paul interpretieren und sich hüten vor opportunistischem 
Vorbeischwimmen an Schwierigkeiten. Das liess er nicht 
zu, da griff er ein. Die Handbibliothek des Seminars über- 
liess er seinen Dozenten wie Studenten zur freiesten Be- 
nutzung. Er war der Ansicht, dass es ein viel geringerer 
Schade sei, wenn einmal ein paar Bücher abhanden kämen, 
als wenn alle Bücher hinter Schloss und Riegel stünden, 
um ab und zu einmal ausgeliehen zu werden. 

Pauls Lieblingskolleg war wohl die deutsche historische 
Grammatik, dem er einige Male auch ein Syntaxkolleg folgen 
- liess. In München hat er die deutsche Grammatik fast alle 
zwei Jahre einmal gelesen und dabei weiter reifen lassen. 
Eine strenge Systematik von architektonischer Schönheit 
zeichnete dieses Kolleg aus. Als er dann durch schwere 
Krankheit gezwungen, und noch obendrein fast ganz des 
Augenlichts beraubt, sich veranlasst sah, in den Ruhestand 


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Wilhelm, Hermann Paul 296 


zu treten, war es für ihn ein Glück und ein Trost, sich in 
diese Kolleghefte ganz versenken zu können und das in 
harter jahrzehntelanger Arbeit Errungene zu seinem letzten 
grossen Werk, der, fünfbändigen Deutschen Grammatik zu- 
sammenzufassen. Dieses Werk Pauls ist die einzige voll- 
endete wissenschaftliche Grammatik der deutschen Sprache, 
denn die Werke von Grimm und Wilmanns sind Torso ge- 
blieben. So ist Paul doch wenigstens mitten im Leiden noch 
beschieden gewesen, das, was das Denken und Forschen 
seines Lebens ausfüllte, in der von ihm gewollten Gestalt 
veröffentlicht zu sehen: ein gerechter Lohn für ein Leben 
das Mühe und Arbeit gewesen, aber eben deshalb auch 
köstlich war. | 

Pauls Name ist aber auch noch mit einer Reihe 
grosser buchhändlerischer Unternehmungen verknüpft. Mit 
W. Braune gründete er im Verlag von Max Niemeyer die 
Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache undLLiteratur, 
deren 46. Band vor wenig Wochen zu erscheinen begann. 
Im gleichen Verlag erschien auch Pauls Altdeutsche Text- 
bibliothek, deren einzelne Hefte sich als akademische Unter- 
richtsmittel grosser Beliebtheit erfreuen. Vor allem aber ist 
es der Grundriss für Germanische Philologie, im Verlag 
Trübner erschienen, zu dessen Verwirklichung Paul einen 
grossen Kreis erlesenster Fachgenossen um sich scharte 
und dessen beide Auflagen er leitete. Er selbst verfasste 
darin die Abschnitte über die Geschichte der germanischen 
Philologie und die deutsche Metrik. Besonders eigenartig 
indessen ist der Abschnitt „Methodenlehre“, der Pauls Streben 
nach wissenschaftlicher Objektivität und Gewissenhaftigkeit 
in hellstem Lichte zeigt. Und das war der Hauptzug seines 
Wesens, Gewissenhaftigkeit und Objektivität! Manchem ist 
das unbequem geworden. In der Objektivität gegen sich 
selbst ist Paul vielleicht manchmal im Hinblick auf seine 
offenen und versteckten Gegner zu weit gegangen. Er hat 
jüngere Gelehrte, die wissenschaftlich an ihn nicht heran- 
reichen konnten und ihn ungerecht und herabsetzend in 
der Oeffentlichkeit beurteilten, trotzdem, wenn er bei Be- 
rufungen gefragt wurde, gutachtlich empfohlen, obwohl es 

Münchener Mussum für Philologie des MA. IV, 2. 15 


226 Ochs, Wenn der Mann geht ins Mahd ... 


ihm ein Leichtes gewesen wäre, ihnen hinderlich zu sein. 


Das hat Paul aber auch die Achtung eingetragen, die er " 
in der wissenschaftlichen Welt und bei den staatlichen Be- I 
hörden genoss. Er war Mitglied der Münchener, Wiener, ‘| 


Upsalaer und Budapester Akademien und wissenschaftlichen 
Gesellschaften; und der bayerische Staat hat seine wissen- 
schaftlichen Verdienste durch die Verleihung des hohen 
Maximiliansordens für Kunst und Wissenschaft geehrt. 

So ist mit Paul eine eigenartige und markante Per- 
sönlichkeit dahingegangen, die sich in der Geschichte ihrer 
Wissenschaft einen unverrückbaren Platz in nicht immer 
leichtem Ringen erobert hat und deren segensreiches Wirken 
der bayerische Staat noch nach Jahrzehnten verspüren wird. 
Im Gedächtnis seiner zahlreichen Schüler, die an Hoch- und 
Mittelschulen wirken, wird Paul fortleben, und diese Schüler 
werden das Gute, was er in ihnen gesät hat, zu erhalten 
trachten und in seinem Geiste auszubauen suchen. Möge 
ihm die Erde leicht werden! 


Friedrich Wilhelm. 


Wenn der Mann geht ins Mahd... 


Zweimal macht Hermann von Fischer im Schwäbischen 
Wörterbuch (III 1389, IV 1373) ein Fragezeichen zum Wort 
Mad. Beidemal zitiert er das ost-allgäuer Sprichwort: s Mädle 
iderWiege und der Bue ä der Madgibt [iSt] de beSte Heirat. 
Diese Regel, ausgehoben aus Karl Reiser in seinen Sagen, 
Gebräuchen und Sprichwörtern des Allgäus 2, 574, findet 
sich — durch den Reim mad:bad in sich gebunden — 
schon bei Aventin, Mathesius, C. v. Stieler. Merkwürdiger- 
weise ist Grimm daran gestrauchelt; er erläutert im DWB.1, 
1069 den Aventin: „Der Mann führt ein hartes, die Frau 
ein weiches Leben.“ Das war zu modern. Jenes südost- 
deutsche Sprichwort will nicht die Frau als lady, den Mann 
als ihren Arbeiter bezeichnen, sondern ein Altersverhältnis 
für eine glückliche Ehe feststellen. Die Aventinstelle lautet 
(Lexer 178), im Anschluss an Cäsar bell. Gall.: Wo ainer 


i 


l 


Ochs, Wenn der Mann geht ins Mahd.... 2927 


vor zwainzig jaren mit einem weib zu schaffen het, ward 
er für ain pöswicht und £rlos geacht und von iederman 
gehalten, muest ainer wol zu seinen jaren kommen. Darumb 
noch ein gemain sprichwort ist: „wen der man get ins mdd, 
sol das weib ligen im pad.“ Si mainten, die sich lang vor 
frauen hüetten und sich zu enthalten wisten, wüechsen her, 
nämen vast zue... In Stielers Deutscher Sprache Stamm- 
baum S. 1208 ist das auf die einfache Formel gebracht: 
Wenn der Mann ist im Mad, soll die Frau liegen im Bad, 
i. e. decem vel duodecim annis maritus uxorem antecedit. 
Aehnlich Mathesius'). Die erweiterte Fassung aus dem Allgäu 
bringt überdies statt des Bades die Wiege und macht Stielers 
Auslegung vollends.sicher. 


Für das Wort Mad folgt hieraus, dass es hier nicht 
„Wiese“ bedeutet, auch nicht „Gemähtes“, sondern „Arbeit 
des Mähens, foenisectio“. Nur so wird der Spruch recht 
ausdrucksvoll. Der junge Mann ist nicht auf der Wiese 
und nicht auf den Schwaden (das könnte auch ein Wickel- 
kind), sondern beim Mähen (das kann nur ein Erwachsener). 
Aventin und Mathesius sagen tatsächlich ins mad gehn, 
wie jetzt noch der Thurgauer es geid an d’s mad. Das 
Schwanken im grammatischen Geschlecht dieses Wortes ist 
weit verbreitet und hier ohne Belang. Die Bedeutung ‚Arbeit 
des Mähens‘ ist zwar von Fischer im heutigen Schwäbischen 
nicht nachgewiesen, ist aber weiterhin gestützt durch F. 
C. Fuldas Idiotikensammlung S. 282, Scherz-Oberlin II 971, 
durch Schmeller und das Schweiz. Idiotikon. 


Freiburg i.B., 14. Mai 1920. Ernst Ochs. 


1) Hochzeitspredigten, herausgeg. von Loesche, S. 65 und 70; die 
zweite Stelle scheint inhaltlich ein Zitat aus Aventin, formell der 
Ausgangspunkt für Karl Reisers Prägung. 


Anmerkung zum 1. Satz 2, Abschnitt: Vgl. Elisabeth Müllers 
Marburger Doktorschrift (1921) über das Wort Matte, S. 19-22. 


16* 


Neidhart von Reuenthal ein Oberbayer. 


Friedrich Keinz, der verdiente Neidhartforscher, schreibt in der 
2. Auflage seiner Ausgabe „Die Lieder Neidharts von Reuenthal‘“, 
Leipzig 1910, S.2: „Der Ort (Reuenthal), nach dem sich Neidhart 
benannte, bestehend aus seinem Wohnsitz oder Stammhaus und dem 
dabei liegenden Dorfe 24, 18 (= Haupt 11, 25) 44, 53 (= Haupt 62, 
30), ist bisher nicht aufgefunden. Orte gleichen Namens wurden 
zwar nachgewiesen, aber nur in Gegenden, die für den Dichter nicht 
in Betracht kommen können. (Vgl. hiezu meinen Aufsalz in den 
Sitzungsberichten der k. b. Akademie d. W., phil.-hist. Cl. 1887, Il, 
38ff.) Daß dieser heimatliche Ort in Bayern zu suchen ist, erhellt 
deutlich aus seinen Angaben 25, 27 (= Haupt 14, I) und 49, I! (= 
Haupt. 75, I)“ 

Bei meinen Wörterbucharbeiten bin ich auf den Namen Rewen- 


tal in Oberbayern gestoßen. Er findet sich in einem Urbar des 


Klosters Tegernsee des bayr. Hauptstaatsarchivs zu München (Tegern- 
see. Kl. Lit. Nr. 1.) aus dem I3. Jahrhundert (zirka 1250). Bl. I7vj. 
heißt es daselbst: 

Item . Goezzhilthufen Curia Poheimij feruit . tercoium manipu- 
lum . porcum valentem . III. fol’ . III. Anferef. VI. pullos. CL. 
oua . XV . pifces . XII . denarios pro cutibus . Pro wochengeriht. 
dimidium . modium . tritici . duof modios ordei minus dimidio . I 
modios . leguminum . unum et dimidium rapularum . Pro xeniis . 
domino abbati . dimidium modium tritici . et dimidium . siliginis . 
Conuentuj.. etiam dimidium . modium . tritiei . et dimidium .siliginis. 

Item . Curia wernheri . feruit tantum . vel Magis . 

Item . Gauffo de hüba . I . modios . tritioi . II. siliginis . VI. 
auene . XXXII. denarios . pro poroo . et. VIII. denarios de camera. 

. Item . vidua ibidem feruit . II . modios , tritiei . 11. siliginis . 
X. auene . XX . denarios . 

Item . feodum fabriffe . I. modiunı . tritici . I. siliginis . V. 
auene . X . denarios . de camera . 

Item etiam feodum ibidem . foluit . I ..modium . tritiei . I. 
siliginis . V . auene . XII. denarios de (BL. /8r) camera . et.VI. 
denarios . de graminibus . 

Item . de quadam hüba .I. modium . tritiei . I. siliginis. V. 
auene . X . denarios de camera . 

Item . Dyetriouf ibidem . feruit . II. modios . siliginis . II. 
triticei . VI. auene . XXXII . denariog de porco . VIII . denarios . 
de oamera . | 

Item Rewental ibidem feruit.. I. modium . tritici . I. siliginis - 
Ill . auene . XVI . denarios pro porco . IIII. denarios.. de camera ' 


Wilhelm,-Neidhart von Reuenthal ein Oberbayer 929 


Item . hainricus ibidem . feruit . Il. modios . siliginis . II. 
tritici . VIU . auene . et XXX . denarios . 

Hier steht also unter dem Sammelort Goezzhilthufen der lang 
gesuchte Name. Aus den Angaben geht nicht mit Sicherheit hervor, 
ob es sich um einen Personennamen oder Ortsnamen handelt. Das 
letztere ist aber wahrscheinlicher. Die Örtlichkeiten lassen sich noch 
näher bestimmen. In einem jüngeren Urbar von Tegernsee (Tegern- 
see Kl.Lit. Nr.2) aus dem Anfang des 14. JURTHBRERTE findet sich 
folgende Stelle Bl. 21r.: 

Redditus Ecolesie . in Officio . Goezzeltzhoufen . (rot.) 

Primo . Curia Gözzeltzhaufen . tercium . Maüi . III. fol . dü. 
duos anferes VI. pult . CL . Oua.. 

Etzenhoufen! . II . Modios . tritici . IL. Siliginis.x.M. 
auene . xx. düä.lI.pul. 

Gugler.IT.M.. Silig . vnum . pullum . 

Fridreich ibidem . III . Mod . III . auene .x.dü.I.plim. 

Nydermayr . in Eyfenpach . tercium . Man . Porcum . valdı. 
II .fo.. da. II. anferes. VL. pt. Centum Oua . 

Aus dieser Stelle geht hervor, daß Goezzhilthufen ein Amt des 
Klosters Tegernsee war, und die Lage dieses Ortes wird genauer 
bestimmt durch den Ortsnamen Hetzenhaufen. Beide Orte liegen 
im Landbezirk des Landgerichtes Freising; Hetzenhausen gehört 
zur Gemeinde Massenhausen und Gesseltshausen zur Gemeinde Groß- 
nöhbach. Beide Orte liegen ziemlich nah beieinander und der Name 
Reuenthal ist also in ihrer Nähe zu lokalisieren. Die Heimat Neid- 
harts selzte man bis jetzt wegen der Erwähnung Landshuts (Haupt. 
14, I) nach Niederbayern. Solange kein anderes Reuenthal in Bayern 
nachgewiesen ist, wird man jetzt Neidhart als Oberbayer ansehen 
müssen, um so mehr als Neidhart noch zur Zeit der Abfassung des 
Urbars ‚gelebt haben kann, und alles sehr wohl zu Neidharts An- 
gaben stimmt. 


München, den 26. April 1922. Friedrich Wlihelm. 


Ein urkundliches Zeugnis für Walter v.d. Vogelweide? 


In einer Urkunde Bischof Wolfgers von Passau, dessen Be- 
ziehungen zu Walter v.d. Vogelweide bekannt sind, vom Jahre 1192?) 
erscheint unter den Zeugen aus der Passauer Ministerialität ein 
Walther semiliber. Die Einerleiheit dieses „halbfreien® Walter 
mit dem grossen Dichter sei hiemit — wenn dies nicht schon von 
anderer Seite geschehen — zur Erörterung gestellt. 


München. L. Steinberger. 


ı) Von jüngerer Hand ein H. vorgesetzt, also Hetzenhoufen. 
2) Urkundenbuch des Chorherrenstiftes St. Poelten I, 8.26 Nr.17 


230 Ortner, Der Name Walters von der Vogelweide 


Der Name Walters von der Vogelweide, 


Betrachtet man die wenigen urkundlichen oder einer Urkunde 
gleichwertigen Zeugnisse über Walters Namen mit nüchternem ge- 


sunden Menschenverstande, so ergibt sich daraus klar, dass das von 


der Vogelweide nur ein Dichterepitheton ist: 


1. Die Stelle aus den Reiserechnungen Wolfgers von Bllen- 
brechtskirchen (Germ, 21 [1876] 193 und Zingerle, Die Reiherech- 
nungen ... . Heilbronn 1877) lautet: 

Sequenti die aput Zeizenmurum Walthero cantori de 
Vogelweide pro pellicio V sol. longos. 

Wäre de Vogelweide hier ein wirkliches Adelsprädikat, also 
ein organischer Bestandteil des Namens Walters, so müsste es doch 
wohl heissen: Walthero d. V. cantori oder cantori W.d.V. 
Unser Wortlaut besagt hingegen klärlich: als cantor, als Sänger, 
führte Walter das Epitheton de Vogelweide. 


2. Der poetische Nekrolog Ulrichs von Singenberg (Lachmann, 
Walther 108), den man natürlich erst recht vom Todesdatum Walters 
abrücken darf, lautet: 

Uns ist unsers sanges meister an die vart, 

Den man 6 von der Vogelweide nande,... 
Hier ist wieder Walters Beiname ganz unverkennbar als blosser 
Dichtername gekennzeichnet: den man € von der Vogelweide 
nande. So könnte Ulrich v. S. unmöglich sich ausgedrückt haben, 
wenn Walter aus einem wirklichen adeligen Geschlechte v.d.V. 
gewesen wäre. 


3. Dasselbe besagt auch die spätere lateinische Aufzeichnung 
der Würzburger Hschr. (Uhland, W. v.d.V. 1822, S.155 Anm. u.6.): 
De milite Walthero dicto von der Vogelweide. — 

Meine Auffassung, die ich für ganz gesichert halte, ist nicht 
neu; aber nach einer erneuten, natürlich-nüchternen Betrachtung 
erscheint sie nun über allen Zweifel erhaben (vgl. Burdach ADB.41, 
46f.).. War Walter ritterlicher Abkunft? 

Auch hier wussten und wissen wir eigentlich nichts; wir können 
eher nein, als ja antworten. Er war ein Bürgerlicher, den nur seine 
Begabung, seine Kunst, seine geistige Bedeutung soviel erhöht haben. 
Dem Ritterstande stellt er sich selbst deutlich entgegen. Die Be- 
zeichnung her beweist gar nichts. Denn auch her Gerhard Atze 
und her Wicman sind so genannt, von W. selbst. — Keine der 
weiteren auf W. bezüglichen literarischen Stellen (Gottfried, Marner, 
Hermann der Damen, Reimar von Brennenberg, Rubin, Frauenlob 
und Regenbogen, Hornburg, Hugo von Trimberg, Wartburgkrieg) 
widerspricht meiner Auffassung. Also ist aus dem Beinamen von 
der Vogelweide gar nichts für Walters Herkunft und Stand zu ge- 


Si Google 


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Rest, Z. Verzeichnis d. Drucke d. Historia Sept. Sapient. Rome 231 


winnen; höchstens soviel, dass er irgend einem Orte nahestand, der 
eine „Vogelweide“ besass. Und deren gabs bekanntlich im Mittel- 
alter genug. 

Klagenfurt. Max Ortner. 


Zum Verzeichnis der Drucke der Historia Septem 
Sapientum Rome. 


Im 3. Bande dieser Zeitschrift hat Moldenhauer die ihm bekannt 
gewordenen Drucke der lateinischen Ausgaben der Historia Septem 
Sapientum zusammengestellt. Dieses Verzeichnis hätte in mancher 
Hinsicht noch ergänzt werden können. Vor allem ist es zu bedauern, 
dass M,, dem die verschiedenen Ausgaben vorgelegen haben, es unter- 
lassen hat, neben den typographischen Beschreibungen auch solche 
der Illustrationen, deren Verwandtschaft und den Wandel der Druck- 
stöoke aufzuzeigen, so wie eg Schreiber! für die Kölner Ausgabe des 
Jahres 1490 getan hat. . 

Andere leicht zugängliche Hilfsmittel hätten es M. auch er- 
möglicht, die Anzahl der bekannten Ex. der an sich seltenen Drucke 
zu vermehren. Durch eine Anfrage bei der Kommission für den 
Gesamtkatalog der Wiegendrucke hätte sich das Verzeichnis allein 
schon um 19 Ex. vermehren lassen.?) 

Nachstehend gabe ich eine Reihe von Ergänzungen und Ver- 
besserungen zu Moldenhauers Verzeichnis, ohne damit meinerseits 
Vollständigkeit beanspruchen zu wollen. 

Zu Moldenhauer 
Nr. 1: Weitere Ex. in Maihingen, Bamberg und Mainz. Auch Voulliöme 

setzt den Druck um das Jahr 1473. In der Beschreibung scheint 
M. ein Versehen unterlaufen zu sein: Bl. 70b muss es heissen: 
sapietu statt sapientu.? 

Nr.2: Weitere Ex. in Edinburgh und Brüssel KB. 

Nr.5: Weitere Ex. in Evora, Bibl. publica und Palma de Mallorca, 
Bibl. prov. 

Nr.6: Weitere Ex. in Dresden KB., Wien HB., Wernigerode, Wolfen- 
büttel und Hamburg. 

Nr. 7: Weitere Ex. in Grimma, Rom Bibl. Angelica, Nürnberg Germ. 
Museum, Leipzig und Berlin (2 Ex.), Kopenhagen und Nikols- 
burg. Genauer beschrieben bei Voullißfme, Der Buchdruck 
Kölns Nr.687. Die entsprechende Nr. bei Voulliöme: Die In- 
kunabeln der kgl. Bibliothek Berlin ist 797. Ausserdem genaue 
Beschreibung der Holzschnitte bei Schreiber, Manuel Nr.5139. 

Nr.8: Weitere Ex. in Leipzig und Wesel Gymn, 

Nr. 9: Ein weiteres unvollständiges Ex. in der Universitäts-Bibliothek 
Freiburg i. B.; das Schlussblatt fehlt. Bezüglich der Titel- 
aufnahme dieser Ausgabe möchte ich bemerken: 


= 


232 Rest, Z. Verzeichnis :.. oria S 


1. Bei Moldenhauers Ueberlegungen fehlen übe eral all die Angaber 
der vorhandenen (einfachen) Divisen; es mu ss also hei 
quo-|dam, para-|bolis, eru-Iditum, oble Ki 


2. Die Hilfstype im ausgesparten Raume vor un Werte E or 


tianus auf Bl. 2a ist eine Minuskel, keine Majuskel; es mu. 
also heissen: (p) Ontianus. 4 x 
Freiburg i.B. J- Rest. 
Anmerkungen. 


! Schreiber, W.L.: Manuel de l’amateur de la gr 'vure L 
bois et sur m6tal au XVe sidcle, tome 5, 2 (Lpz. 1911) Nr. 5189 
®? Ich bin für freundliche Auskunft Herrn Prof. Voullime 
grossem Danke verpflichtet. 
® Siehe die genaue Beschreibung des Druckes bei Vou li 
E.: Der Buchdruck Kölns bis zum Ende des 15. Jahrh. (Publika ati ione 
der Gesellschaft für rhein. Geschichtskunde Bd. 24) Bonn 1903 N | 


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405 
Ma 
4° 


Aus Capri und Amalfi. 


Der Sermo de virtute und der Sermo de transito s. Constantii 
und der Sarazenenzug von 991. 


Die am 1. August 1174 im Severinuskloster in Neapel 
durch den Mönch Marinus vollendete Handschrift lat. 739 
der ehemaligen Wiener Hofbibliothek, deren Bedeutung vom 
kulturgeschichtlichen Standpunkte und deren sonstigen In- 
halt ich an anderer Stelle näher würdige'), enthält fol. 151ff. 
zwei bisher ungedruckte Predigten über den heiligen Con- 
stantius, die über einen dunkeln Abschnitt der Sarazenen- 
zeit an der unteritalischen Westküste wichtige Nachrichten 
bringen. Trotzdem Denis bereits 1799 auf diese hinwies?), 
sind sie meines Wissens völlig unbeachtet geblieben, sowohl 
von der Forschung über die Geschichte Italiens wie von 
denen, die sich mit der Hagiographie als solcher beschäf- 
tigten, bis 1913 P. Michael Huber sie aufs neue hervorzog, 


ı) Vgl. einstweilen meine Ausführungen über den Sermo de 
inventione Kataldi (zur Geschichte Tarents am Ende des 11. Jahr- 
hunderts) im Münchener Museum für Philologie des Mittelalters IV, 
1. Heft, 8. 101ff. — Die Hs. gehört zu den Neapolitaner Hss., die einst 
von Karl VI. erworben, 1918 aber von den Italienern aus Wien fort- 
geführt wurden. — Folgende, ständig abgekürzt angeführte 
Werke seien schon hier genannt: Arch. st. Nap. = Archivio storico 
per le province napoletane. Neapel 1876ff. — Camera = M. Camera, 
Memorie storico-diplomatiche dell’ antica citt& e ducato di Amalfi. 
1. II. Salerno 1876. 1881. — Capasso Mon. = B.Capasso, Monumenta 
ad Neapolitani ducatus historiam pertinentia. I. II1.2. Neapel 1881, 
1885. 1892 (Societä Napoletana di storia patria).— Di Meo=A.diMeo, 
Annali critico-diplomatici del regno di Napoli della mezzana etä. 
12 Bände. Neapel 1795—1819. — Muratori Ant. It.=L. A. Muratori, 
Antiquitates Italicae medii aevi. 6 Bände. Mailand 1738—42. — 
R.Neap. Arch. Mon. = Regii Neapolitani Archivi Monumenta edita 
ac illustrata. 6 Bände. Neapel 1845—1861. 

3) Michael Denis, Codices manusoripti theologici bibliothecae 
palatinae Vindobonensis Latini aliarumque oceidentis linguarum. 
Vol.II. Pars I. Vindobonae 1799, Sp. 1041 — 1044. 

Münchener Museum für Philologie des MA. IV, 3. 16 


per 


934 Hofmeister, Aus Capri und Amalfi 


aber ohne ihre wirkliche Bedeutung und den historischen 
Zusammenhang zu erklären‘). Da auch er zudem sich auf 
wenige unzureichende Auszüge beschränkte, erscheint es 
lohnend, hier mit einer genaueren Würdigung der neuen 
daraus zu gewinnenden Erkenntnisse und ihrer Einordnung 
in den sonst bekannten Verlauf der Ereignisse die Mitteilung 
der beiden neuen Texte zu verbinden. 

Ueber den heiligen Constantius, einen angeblichen Bi- 
schof von Konstantinopel, dessen Tag am 14. Mai bis heute 
auf Capri als Volksfest begangen wird, ist den Bollandisten 
nach Ausweis der Bibliotheca hagiographica bis 1911 keine 
mittelalterliche Lebens- oder Wunderbeschreibung bekannt 


gewesen. Auch Capasso-Mastrojanni oder Furchheim führen 


keine solche unter den Quellen zur Geschichte von Capri, 
Sorrent oder Amalfi auf?). Aber die beiden Schriften, die 
wir im folgenden zum ersten Male veröffentlichen, verdienen 
unter diesen eine besondere Hervorhebung; denn sie, und 
namentlich der Sermo de virtute s. Constantii, machen uns 
genaue und anderweitig nicht überlieferte Angaben aus der 
dunkelsten Zeit der Sarazenennot vom Ende des, von ur- 
kundlichen Zeugnissen abgesehen, nachrichtenarmen 10. Jahr- 
hunderts. 

ı), P. Michael Huber O.S.B., Johannes Monachus, Liber de 
miraoulis. Ein neuer Beitrag zur mittelalterlichen Mönchsliteratur. 
Heidelberg 1913 (Sammlung mittellateinischer Texte von Alfons 
Hilka 7), S. XV—XVIl. Vgl. dazu meine Bemerkungen im Litera- 
rischen Zentralblatt 1916, Nr.38 (23. September), Sp. 995-997. 

2) Bart. Capasso, Le fonti della storia delle provincie Napo- 
letane dal 568 al 1500, con note del Dr. E. Oreste Mastrojanni. 
Napoli 1902, bes. S.26, 36f., 49. — F. Furchheim, Bibliographie der 
Insel Capri und der Sorrentiner Halbinsel sowie von Amalfi, Salerno 
und Paestum. Nach den Originalausgaben bearbeitet und mit kri- 
tischen und antiquarischen Anmerkungen versehen. 2,., umgearbeitete 
und vermehrte Auflage. Leipzig 1916. Die grosse Masse der bei 
Furchheim verzeichneten, bis ins Kleinste gehenden und zum Teil 
aus kleinen Privatdrucken bestehenden Spezialliteratur ist mir frei- 
lich nioht zugänglich. Wesentliche Aufschlüsse für meine Zweoke 
waren aber daraus nicht zu erwarten. Dass ich auch NormanDouglas, 
Siren Land, London 1911, I. M. Dent and Sons, nicht einsehen konnte, 
bedaure ich wegen des aus einem Privatdruck von 1906 wiederholten 
Abschnitts „Saracens and Öorsairs in Capri“. 


f fe BE -— a ng 


Hofmeister, Aus Capri und Amalfi 235 


Der Sarazenenzug von 991, dessen Verlauf uns hier bis 
ins Einzelne geschildert wird, war der Geschichtschreibung 
bisher ganz unbekannt, obwohl 1799 Denis (und neuerdings 
dann Huber, aber einmal mit dem falschen Datum 901)') 
aus der Wiener Handschrift darüber berichtet hatte. Ja, 
schon 1613 hat Philippus Ferrarius in seinem Catalogus 
Sanctorum Italiae zum 14. Mai eine kurze Geschichte von 
dem heiligen Constantius, die sich im wesentlichen als ein 
allerdings anders geordneter Auszug aus einer ausführlichen 
Erzählung darstellt, wie sie teils im Sermo de transito, teils 
im Sermo de virtute s. Constantii vorliegt. Nur das Jahr hat 
auch er falsch, und zwar als 891, angegeben?): 


‘De S. Constantio Caprearum patrono. 

Constantius ex clarissimo imperatorum stemmate pro-. 
creatus°), cum doctrina et vitae sanctitate praestaret, Con- 
stantinopolitanae ecclesiae praeficitur, quo tempore ecclesia 
occidentalis ab haereticis afflietabatur: quibus S. episcopus 
sese opponens, multos ad sanitatem reduxitt). Is et vivens 
et mortuus miraculis claruit?). Quidam poenitentiae causa 
ob gravissima delicta ferro constricti ab eo divinitus soluti 
feruntur ferreis vinculis in morem cerae resolutis®). Cum 
mortem obiisset, corpus Capreas (insula est apud Promon- 
torium Minervae in ore Crateris sinus) delatum’), multa ei 
civitati beneficia praestitit. Nam cum Agareni vastata ÜOa- 


') Ein zweites Mal richtig 991. Ihm ist dabei noch ein weiteres 
Missgeschick zugestossen. Er gibt den Inhalt im wesentlichen im 
Anschluss an Denis wieder und hält dabei eine kritische Zwischen- 
bemerkung von Denis, dass, unter Berufung auf Ferrarius, die Bol- 
landisten und Ughelli, ausser Capri auch Massalubrense auf dem 
gegenüberliegenden F'estlande den Leib des hl. Constantius besitzen 
wolle und auch Benevent ihn verehre, für eine „mit einem gewissen 
Anflug von Humor“ gemachte Bemerkung der alten Quelle selber. 

2) Phil. Ferrarius, Catalogus Sanetorum Italiae in menses 
duodecim distributus. Mediolani 1613, 8. 281. 

°) Nur bei Ferr. 

*) Vgl.S. de trans. c. 1. 2. 

5) S. de trans. c.3 nur von den Wundern nach dem Tode. 

°) Vgl.8S. de trans. c.8. 

’) Nach S. de trans. c.3 stirbt Constantius auf Capri, 

16* 


» 


236 Hofmeister, Aus Capri und Amalfiı 
labria classe Campaniam peterent!), et Capreas applieuissent, 
civesque in antra metu perterriti refugissent, anus quedam 
quae fugere cum aliis nequiverat, a S. Constantio insulae 
patrono ope implorata, liberationem impetravit”). Cum enim 
vir S.eam consolatus disparuisset, mox orta tempestas horri- 
bilis hostes discedere coegit®). Quod An. sal. 891. contigisse 
ferunt?). Ex monum. Eccles. Beneuent. el Capreen.’ 

Ferrarius fügt dann hinzu: ‘Annotatio. Quando hic 
S.episcopus vixerit, et guomodo eius corpus Capreas delatum 
fuerit, haud apparet ex eo M.S. Eccl. Beneuent., a quo haec 
accepimus.' 

Ferrarius sagt ausdrücklich, dass seine Quelle über 
die Uebertragung der Gebeine des Oonstantius nach Capri 
schweige; der Sermo de transito lässt aber seinen Heiligen 
noch bei Lebzeiten dorthin kommen. So ist doch wohl 
anzunehmen, dass ihm nicht nur ein am Anfang vollstän- 
digerer, sondern überhaupt ein anderer Text vorlag, als 
uns in den beiden Sermones, denen er freilich meist auch 
sachlich entsprach. Die Handschrift der Kirche von Be- 
nevent, aus der Ferrarius schöpfte, ist meines Wissens nicht 
wieder ans Licht gekommen. Wir sind also für unseren 
Druck ganz auf die Wiener Hs. angewiesen, in der beide 
Erzählungen, der Sermo de virtute am Anfang und der Sermo 
de transito am Schluss, verstümmelt sind. Der Titel ‘Sermo 
de transito sancti Oonstantii’ ist in der Hs. überliefert, der 
Titel ‘Sermo de virtute sancti Oonstantii’ von mir in An- 
lehnung an c. 12 Anfang gewählt worden. 

In beiden Schriften übereinstimmend wird der Sara- 
zenenzug von 991 berichtet, nur ist der Sermo de virtute 
(c. 10—12) hier viel ausführlicher gegenüber dem Sermo 
de transito (c. 9). In diesem fehlen besonders alle Orts- 
namen bis auf Amalfi, die insula Gallus, Stabi, die Rubiliana 
insula, Neapel, Ischia mit Giro, Capri. Die Vorgänge in 

ı) Vgl. S. de trans. c.9. 

2) Vgl.S.de trans. c.9; S. de virt. c. 11. 12. 

®) Vgl.S. de trans. e.9; S. de virt. c. 11. 

*) Das Datum 991 bringt S. de trans. c.9 Anfang, S. de virt 
c. 12 ganz am Schluss. 


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Hofmeister, Aus Capri und Amalfi 237 


Amalfi und an dem benachbarten Küstenstrich von Maiori 
bis Positano sind nur ganz kurz angedeutet. Erst von der 
Landung der Sarazenen auf der insula Gallus an erzählt 
der S. de trans. gleich ausführlich wie der S. de virt. und 
mit weitgehender wörtlicher Uebereinstimmung. Wie viel 
von dem Vorausgehenden, das wir heute nur im S. de trans. 
lesen (c..1—8: Leben des Constantius, kurz, c.1.2; Tod 
auf Capri c.3; grammatischer Exkurs über den Numerus 
des Namens ‘Capreae’ und über Telon, Ebalus und den 
Fluss Sebethus c. 4—6; Bestrafung des meineidigen Jüng- 
lings aus Ischia c. 7; der wunderbare Ersatz der von den 
Sarazenen geraubten Kirchentür auf Capri, Kettenwunder 
c.8), ursprünglich auch im S. de virt. gestanden hat, ist 
nicht zu sagen, weil der S. de virt. (c. 10) heute erst mitten 
im Satz in der Erzählung des Sarazenenüberfalls auf Amalfi 
991 einsetzt. 

Ganz verschieden ist in beiden Fällen der Schluss. 
Während der S. de virt. noch längere erbauliche Ausfüh- 
rungen und Ermahnungen im Predigtstil (c. 13) und Jdann 
das genaue Datum des Ueberfalls von Amalfi (22. Juli 991, 
c. 14) bringt, folgt im S. de trans. (c.10) ein Abschnitt über 
zwei Jünger des Constantius, Sergius und Georgius, und 
den Versuch eines Beneventaners, den Leib des hl. Con- 
stantius in Capri zu stehlen. Ueber den Erfolg dieses Ver- 
suches erfahren wir nichts, da der Bericht an der ent- 
scheidenden Stelle mitten im Satz abbricht. 

Entstanden sind beide Schriften wohl nicht allzu lange 
nach 991. Jedenfalls muss der S. de virt. auf sehr guten 
gleichzeitigen Aufzeichnungen beruhen, während der S. de 
trans. ausdrücklich die Ereignisse von 991 im Gegensatz zu 
den früheren als „nostris temporibus facta“ erzählen will?). 
In dem Schluss des Sermo de trans. über den Anschlag des 
Beneventaners könnte man freilich einen gewissen zeitlichen 
Abstand erkennen: „Quodam vero tempore, cum miracula, 
que Dominus ostenderat per sanctum servum suum Üon- 

1) S. de trans. c.3 Ende: ‘Sed quia tam hec quam et plurima 


alia satis populis recognita sunt, nunc ad ea narranda veniamus, que 
nostris temporibus faota cognoscuntur.’ 


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238 Hofmeister, Aus Capri und Amalfi 


stantium episcopum, ab hominibus divulgarentur per orbem 
terrarum ... .“ heisst es hier ausdrücklich. Dieses Schluss- 
kapitel des S. de trans., das in seinem ersten Teil weit 
zurückgreifend wieder Constantius als lebend einführt, ist 
aber wohl erst nachträglich der mit dem Zuge von 991, 
und auch heute noch im S. de trans. selber mit einem 
„Amen“ (c. 9), schliessenden Erzählung angefügt. Diese An- 
fügung ist am Schluss von c.9 in einer bemerkenswerten 
Abweichung von dem S. de virt. vorbereitet. Während der 
Bericht über die Errettung Oapris 991 im S. de virt. c. 12 
Ende ganz sachgemäss mit den Worten schliesst: „Unde 
credimus beati Constantii adesse patrocinium ad expellendas 
gentes iniquas de sua parrochia“, lautet die entsprechende 
Stelle im S. de trans. c.9 Ende: “Unde nemo dubitet, quia 
per sancti Constantii protectionem sepe Üaprea insula a 
varlis pestilentiis liberata est. Et non solum ipsa, verum 
etiam et alie partes regionum, que eius sollempnia 
colunt, omnimodo defenduntur et eius tultione pro- 
teguntur. Amen.’ 


Dass hier der S. de virt. das Ursprünglichere hat, kann 
nicht zweifelhaft sein. Der Sermo de virtute ist offenbar 
in Amalfi, zu dessen Gebiet ausser den nur im S. de virt. 
genannten Orten die auch im S. de trans. noch stark hervor- 
tretenden Inseln Oapri!) und Li Galli gehören, oder doch auf 
Grund einer von hier stammenden Erzählung abgefasst. Der 
S. de trans. dagegen lässt diese Beziehungen auf Amalfi ganz 
auffällig in den Hintergrund treten und ist sicher weder 
dort noch auf Capri in seine uns vorliegende Form gebracht. 
Vielleicht weist schon der Titel „de transito“ darauf hin, 
dass das eigentliche Ziel dieser Erzählung der uns nicht 


!) Dass Kaiser Ludwig II. die Insel Capri an Amalfi schenkte, 
wie F. Pansa, Istoria dell’ antica Repubblica d’ Amalfi, Neapel 1724, 
11 148 (zu 9251) und Camera I 109f., II672 (gegen 980!) angeben, 
entbehrt jedes Grundes, M. Schipa, Arch. stor. Napol. XVII (1892) 
791 A.2. Tatsache ist nur, dass Ludwig II. engere Beziehungen zu 
Amalfi unterhielt, wohin er selbst 866 kam (Chr. $. Bened. Cassin. 
0.4), Schipa ebd. S.783. Doch ist völlig unbekannt, wann und wie 
Capri an Amalfi kam. 


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R ee 


Hofmeister, Aus Capri und Amalfi 239 


erhaltene Schluss mit einer Uebertragung der Reliquien an 
einen anderen Ort war, und mit diesem ist dann natürlich 
der S. de trans. in Verbindung zu bringen. Man wird des- 
halb auch bei der Schlusswendung von c. 9 weniger an 


Ischia, dessen Constantiuskirche in c.7 Ende und dessen 


erfolgreiche Verteidigung gegen die Sarazenen 991 c. 9 
S. 268 (wie im S. de virt. c. 11) erwähnt wird, als an Bene- 
vent denken, wo Ferrarius eine verwandte Ueberlieferung 
benutzte. Diese Ueberlieferung des Ferrarius dürfte auch 
im Wortlaut dem S. de trans. näher stehen als dem S. de 
virt.(Quedam anus, que fuge subsidium habere non valens...’ 
S. de trans. c.9 S. 269; “anus quedam quae fugere cum 
aliis nequiverat’ Ferr.; ‘quaedam vetula.., que fugere non 
poterat’ S. de virt. c.12 S.255). Wie der S. de trans. die 
Darstellung des Sarazenenzuges 991 sehr stark gekürzt hat, 
so hat er auch früher seine Absicht ausgesprochen, nur 
weniges von den zahlreichen Wundern des Constantius zu 
berichten?). 


Sachlich wertvoller ist für uns bei weitem der S. de 
virt., aber auch der S.de trans. bringt doch einiges wenige, 
was in jenem fehlt, wie die Constantiuskirche auf Ischia 
(c.7 Ende) und ein früheres Erscheinen der Sarazenen auf 
Capri (c.8)?). Dass der Sarazenenführer „Boalim“®) im S. 
de virt. nur beiläufig nach dem Angriff auf Li Galli erwähnt 


‘wird (c. 11), während ihn der S. de trans. ganz richtig bereits 


an früherer Stelle bei Beginn dieses Unternehmens einführt, 


) 0.4: Ex quibus plurimis pauca decerpere non est incon- 
gruum, ne larga dicendi profunditas auditoribus gignat obstaoula’. 


») Bestimmte Nachrichten über die Sarazenen auf Capri aus 


älterer Zeit gibt es anscheinend nicht. — Auf Ischia waren sie früher 
sicher 812 August 18.—21. und um 845, Brief Leos III. vom 26. Aug. 
812, MG. Epist. V 96f.,, und Mirac. s. Antonini, MG. SS. rer. Lang. 
S.584; G.Lokys, Die Kämpfe der Araber mit den Karolingern bis 
zum Tode Ludwigs II., Heidelberg 1906,.S. 15, 47. Ferner 925/26 oder 
928/29, s. unten S. 254 A.d. 

°, Ob man an „Abu-Ali“ zu denken hat? Michele Amari, 
Storia dei Musulmani di Sicilia I—III, Firenze 1854-1872, kennt 


freilich in der fraglichen Zeit keinen sarazenischen Führer dieses 


Namens. 


m— nun tn 


240 Hofmeister, Aus Capri und Amalfi 


hängt wohl damit zusammen, dass dieser Name im S. de 
virt. in dem verlorenen Anfang der ausführlichen, im S. 
de trans. aufs äusserste gekürzten Darstellung der Ereignisse 
bei Amalfi genannt war. 

Beide Erzählungen sind Predigten am Feste des Con- 
stantius, die, von dem Beneventaner Zusatz im S. de trans. 
c. 101) abgesehen, ein und dieselbe Unterlage variieren, 
unmittelbar aber nicht von einander abhängig sind. Beide 
Stücke sind in italienischem Vulgärlatein geschrieben; nur 
hin und wieder ist nachträglich, aber viel weniger als in 
anderen Stücken der Hs., etwas verbessert?); auch die Recht- 
schreibung zeigt durchaus die bekannten italienischen, im 
besonderen süditalienischen Eigentümlichkeiten. 

Weder über den gelungenen älteren (zeitlich nicht näher 
bestimmbaren) Ueberfall der Sarazenen auf Capri (S. de 
trans. c. 8) noch über den Zug von 991 ist bisher ander- 
weitig irgend etwas bekannt geworden. Der Zug von 991 
ging von Sizilien aus (S. de trans. c. 9), wo die von den 
seit 969 auch in Aegypten herrschenden fatimidischen 
Khalifen abhängige arabische Herrschaft damals unter dem 
Emir Jussuf (989—998) aus dem Hause der Kelbiten ihren 
Höhepunkt erreichte.: An der Richtigkeit der in unseren 
neuen Quellen berichteten Tatsachen ist keinerlei Zweifel 
berechtigt. Wir kennen aus demselben Jahre 991 unglück- 
liche Kämpfe mit den Sarazenen vor Tarent, während sie 
in den vorhergehenden Jahren in Kalabrien (986 Plünderung 
von Gerace, 988 Einnahme von Üosenza) auftreten?) und elf 
Jahre später nicht nur am 3. August 1002 Benevent heim- 
suchen, sondern sogar bis Capua und Neapel vordringen‘). 


!) Und wohl auch der grammatisch-antiquarischen Gelehrsam- 
keit 0.4—6. 

2) Vgl.die Verbesserungen in dam Sermo de obitu beati Nikolai 
in derselben Hs., von dem die Bollandisten eine andere, niohtkorri- 
gierte Ueberlieferung mitgeteilt haben. 

®, Amari, Storia dei Musulmani di Sicilia II 339f.; J. Gay, 
L’Italie möridionale et l’empire byzantin (387—1071), Paris 1904, S.368. 

*) Ann. Benevent. 1002, MG. SS. III 177: teruia die intrantis 
mensis Augusti venerunt Saraceni in Beneventum, et nocte tran- 
sierunt ad Oapuam et ad Neapolim; Romuald, Salern., MG.SS. XIX 


Hofmeister, Aus Capri und Amalfi 241 


Die schwere Heimsuchung Amalfis um diese Zeit ist auch 
durch eine inhaltreiche Urkunde des Herzogs Sergius III. 
vom 28. März 1009 aus Amalfi bezeugt, die neuerdings von 
neuem verbessert abgedruckt und in ihrer Bedeutung für 
die Verfassungsgeschichte von Amalfi eingehend gewürdigt 
worden ist?!). Der Herzog spricht darin von dem drückenden 
Tribut, der ihm und seiner Stadt von den Sarazenen auf- 
erlegt worden ist. Er hat deswegen eine fiskalische Wasser- 
mühle in Amalfi unter Beirat seiner Angehörigen für 300 
Goldsolidi verkaufen müssen, um die Ausgaben zum Nutzen 
und zur Befreiung der Stadt aufbringen zu können; denn 
er ist damals zusammen mit seinem Vater und Grossvater 
seligen Angedenkens in die Gefangenschaft der Sarazenen 
geraten; ihr ganzer Besitz ist geplündert worden, und sie 
selbst sind nur mit dem nackten Leben wieder losgekommen. 


402, 14: Cuius imperii anno secundo (Heinrichs II., d.h. 1002) Sarra- 
ceni Campaniam ingressi CGapuam obsederunt. Nach der Darstellung 
der Ann. Benevent. scheinen sie diesmal nicht von der Westküste, 
sondern von Südosten über Land gekommen zu sein. 

ı) L. M. Hartmann, Eine Episode aus der Geschichte von 
Amalfi, Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte VII 
(1909) S.486—494. Das Stück war bereits früher von Camera II 
226f. veröffentlicht: „Nos denique Sergius Domini providentia dux 
Amalfitanorum. Cum pro peccatis multum nos opprimeret gens 
Saracenorum et nimium superponeret nobis in oensum tollere et 
multa necessaria nostre civitatis nos undique constringerent et non 
haberemus unde talia complere, quoniam bone memorie noster abus 
et genitor et nos pariter cum ipsis fuimus compreensi et omnia 
nostra depredata sunt et exivimus nudi et vacui, nunc autom, sieut 
diximus, propter nimiam necessitatem nostre civitatis et expendium, 
quod habemus in omnibus gentibus pro utilitate eivitatis istius . . .* 
Er hat daher „cum consilio parentum nostrorum“ dem Erzbischof 
Leo von Amalfi und seinem Nonnenkloster St. Simeon in Atrani 
sowie dem Abt Peter des Klosters St. Benedikt in ipso monte de 
Scala (etwas landeinwärts; der Berg heisst nach Hartmann heute 
Tavernata) eine Wassermühle „huius publici nostri hic in Amalfi 
posita subtus ipse cammare qui dieitur ospitario de ipso monasterio 
de Pasitano“ verkauft für „aureos solidos tricentos ana tari quattuor 
per solidum“, davon 100 von dem Erzbischof für das Kloster St. Simeon 
und 200 von Abt Peter, von den letzteren wieder 190 de Musco tio 
nostro filio domini habii nostri und nur 10 aus dem Vermögen des 
Klosters, so dass also die Mühle zu !/s an das Kloster St. Simeon, 


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242 Hofmeister, Aus Capri und Amalfi 


Während Camera (S.225f£.) dieses Erscheinen der Sara- 
zenen in Amalfi gegen 1002 ansetzte, denkt Hartmann 
(S. 490) an die durch das erste Auftreten normannischer 
Ritter auf christlicher Seite bekannte Belagerung von Salerno, 
die er statt zu 1016 vielmehr nach Amatus von Monte 
Cassino gegen 1000 ansetzen möchte!). Aber Bresslau hat 
demgegenüber neuerdings gezeigt, dass das von den ver- 
lorenen Bareser Annalen (erhalten bei Lupus prostospa- 
tarius?) und dem Anonymus Barensis°®)) gebotene Jahr 1016 
durchaus vorzuziehen ist*!). Da im Jahre 1002 die Sara- 
zenen nach Oapua und Neapel über Benevent, also wohl 
zu Lande von Südosten kamen’), bleibt, wenn wir nicht 
eine neue, ebenso gründliche Heimsuchung bald danach 
annehmen wollen, nur die Beziehung auf den Ueberfall 


vom 22. Juli 991, bei dem tatsächlich der Herzog die Feinde =: 
durch grosse Geschenke und Lieferung von Lebensmitteln yt 
zu ?/s an das Kloster St. Benedikt kommt; .... „et nos totos ipsos 


solidi expendimus in utilitate et salvatione istius nostre civitatis in 
omnem deliverationem et in omnem decesitionem.*“ Dass bei den 
‘gentes’, von denen der Herzog spricht (“expendium, quod habemus \ 
in omnibus gentibus’), „vielleicht an irgendwelche Bundesgenossen“ \ 
zu denken sei, glaube ich kaum. Mir scheint nur eine Beziehung ) 
entweder auf die Sarazenen (und andere fremde Nationen, mit denen N 
Amalfi sich seines Handels wegen gut stellen musste) oder auf die 
amalfitanischen Geschlechter (wobei aber das ‘in’ Sehwierigkeiten 
macht) möglich; zur zweiten Bedeutung vgl. Chron. Amalph. c.9 \ 
Anfang, Muratori Ant. Italicae I 109: ‘Denique post multas Amal- 
phitanorum gentes iuraverunt omnes Amalphitani et Atranenses 
domino Marino filio domini Luciani filii domini Pulchari praefecti.' 

) So z.B. auch M. Schipa, Arch. stor. Nap. XII (1887) 255 f. 
Anders Amari, St. d. Musulm. di Sicilia II 340ff.; Ferd. Hirsch, 
Forsch. zur deutschen Gesch. VIII (1868) S. 236ff.; H. Bresslau, in 
den Jahrb. des deutschen Reichs unter Heinrich II., Bd. III (1875) 
S.322ff.; F.Chalandon, Histoire de la domination normande en 
Italie et en Sicile I 491. 

®) MG. SS. V 57: *1016 ... Et civitas Salerni obsessa est a Sarra- 
cenis per mare et per terram.’ 

®) Muratori, SS. rer. Ital. V 148: ‘1016. Ind, XIV. Obsederunt 
Saraceni Salerno per mare et terra.’ 

*) H. Bresslau, Neues Archiv XXXV (1910) S. 641f. Nr. 345. 

°») S. oben S.240 A.4. 


Hofmeister, Aus Capri und Amalfi 243 


zum Abzug von der eigentlichen Stadt bewog!). Da Herzog 
Manso]., der Grossyater des Sergius, zwischen 20. März 1004 
und 6. März 1005 und Johannes I., sein Vater (seit 977 
Mitregent Mansos), zwischen 20. Oktober 1007 und 5. Febr. 
1008 gestorben ist”), die Urkundung also in jedem Falle 
erst Jahre nach dem Ereignis erfolgt ist, trage ich kein 
Bedenken, diese Verbindung vorzunehmen. Dass Sergius Ill. 
erst Ende Juni 1002 zum Mitregenten von Grossvater und 
Vater erhoben wurde, spricht nicht dagegen, da er 1009 
nichts darüber sagt, ob er bei seiner Gefangennahme bereits 
Mitherzog gewesen sei. Nur gelebt haben muss er dann 
bereits 991, und das anzunehmen, besteht keinerlei Schwie- 
rigkeit, ja, war aus seiner selbständigen Regierung seit 
1007/8 und der Nennung seines älteren Sohnes Johannes II. 
als Mitherzogs seit 1014 und besonders dann wieder dessen 
Sohnes Sergius IV. als Mitherzogs seit 1030/31?) auch sonst 
schon so gut wie sicher abzuleiten. 

Sonstige Spuren des Einfalls von 991 sind mir nicht 
bekannt geworden. Erwähnt mag werden, dass im Jahre 993 
ein Inventar der beweglichen Habe der Klosterkirche 
S. Lucia in dem 991 besonders schwer heimgesuchten Minori 
(21/2 km östlich von Amalfi) aufgenommen wurde, nach dem 
doch noch einiges die zweitägige Verwüstung „aller Kirchen 
und Altäre“ (S. de virt. c.10 S.251f.) überdauert haben wird); 
sehr reichhaltig war die Ausstattung freilich nicht. 


!) S. de virt. c. 10. 

2) Manso I., zuletzt genannt 20. März 1004, Camera I 188f. = 
II 657. = Annot. Nr. XX S. XXXIII. Tot 6. März 1005, da damals 
Johann I. und Sergius III. als alleinige Herzoge erscheinen, Di Meo 
VI 373. — Johannes I. zuletzt 20. Okt. 1007, Camera I 190f. Am 
d. Febr. 1008 Sergius III. allein, Camera I 224. 

°») Johannes II. Mitherzog zwischen 27. Aug. und 17. Sept. 1014, 
vgl. Di Meo VII 42 und Camera I 241f. = II 665. 

*) Camera I 1ödlf.: ‘Inventarium rerum mobilium ecclesiae 
sanotao Luciae virginis et martyris, quae est dedicata in Reginnis 
minoribus, factum sub Mansone duce in anno 993, indictione VI, 
Amalfi...’ Ausdrücklich werden bei den Gewändern und Vorhängen 
‘vetuste’ oder ‘veteres’ von ‘nobe’ unterschieden. Dagegen mag mit 
dem Besuch der Sarazenen zusammenhängen, dass nur ein einziger 
silberner Kelch und daneben ein zinnerner Kelch, sowie erzene und 


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244 Hofmeister. Aus Capri und Amalfi 


Der magister militum (S. de virt. c. I1 3.254; Ss a. 
trans. c.9 S.268) ist der Herzog von Neapel). Dieser Ti ee Ei 
geht hier auf das 6. und 7. Jahrhundert zurück und ı mus 
stets lebendig geblieben sein. Spuren seines Gebrauchs 
finden sich auch im 9. und 10. Jahrhundert mehrfach?) 
wo sich die Herzoge in der Regel, falls ihnen nicht, wi 
Marinus II. 9753), ein höherer griechischer Titel zusteht, 
selber nur ‘(eminentissimus) consul et dux’ nennen. Ein = 
fester Bestandteil ihres offiziellen Titels ist die Bezeichnung 
‘magister militum’ wieder im 11. Jahrhundert geworden. 
Zuerst ist sie in dieser Weise bei Johannes VI. und seinem 


Mil 
Sohn Sergius V. am 9. März 1050*), dann bei Sergius V.am =; 
eiserne Leuchter und Kreuze aufgeführt werden (darunter “cruce E 
ferrea una nova’). Es handelt sich um ein Benediktiner - Nonnen- 2 
kloster. — Dass die Schenkung des Strandes von Minori durch den 4 
Patricius Mastalus (I.) von Amalfi (900—953, imperialis patricius seit eg 
920/22) an das Bistum Minori (Kirche der hl. Trofimena) durch die iM 
Herzoge Johannes II. und Sergius IV. 15. August 1055 dem Bischof a 


Ursus wegen Verlustes der Urkunde erneuert wurde (Camera 113% 
1I 413, Di Meo VII 365 nach Ughelli, Italia sacra VII?” 2927.) 
gehört nicht hierher; denn die verlorene Urkunde wird ausdrücklich | 
als eine Bestätigung der Herzoge Sergius (Ill.) und Johannes (IL) N 
selber (also zwischen 1014 und 1028) für den Bischof Sergius be- ir: 
zeichnet und war diesem verloren gegangen, „quando illum appre- 
hensit ipse princeps Salernitanus“, also wohl im Zusammenhang mit 
der Einnahme Amalfis durch Waimar V. (IV.) von Salerno 1039. 

1) Vgl, F. Ciecaglione, Le istituzioni politiche e sociali dei u ®: 
ducati Napolitani, Neapel 1892, S.88; E. Mayor, Italienische Ver- 
fassungsgeschichte, Leipzig 1909, I 388 Anm.; besonders die Samm- 
lung der Herzogsurkunden bei Capasso Mon. II2S.1ff.; für die 
Grundlagen L. M. Hartmann, Untersuchungen z. Gesch. d. byzan- 
tinischen Verwaltung in Italien, Taeipzig 1889, bes. S.5öfl. und 1ö3f. 

2) Für Theoctistus (818/19) Joh. Gest. ep. Neap. 0.50, MG. SS. rer. 
Lang. S. 428; für Gregor III. (850— 870) Chron. Salern. c. 90, MG. SS: 
Ill 513, und Chron. Amalph. c.8, Muratori Ant. It. I 209. Kür das 
10. Jahrhundert ausser dem späteren Petrus Damiani (s. unten S. 246) 
jetzt der S. de virt. und der S. de trans. 

®) Unten 8. 246. 

‘) Capasso Mon. II 2 S.85f.: ‘dominus Johannes et dominus 
Sergius in Dei nomine etminentissimi consulibus et ducibus atque 
magister militum genitore et filio’ (aber nur in einem Auszug in 
einer Urkunds von 1128). Der Auszug bei Capasso Il 2 S.99f. (in 


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Hofmeister, Aus Capri und Amalfi 245 


27T. April 1053 belegt'); sie ist seitdem ständig bis zum Ende 
= geblieben (daneben weiter, zuerst 12. Januar 10972), ‘proto- 
 seyasto’ bei Sergius VI. und dann bei Johannes VII., zuletzt 
ol. Dez. 11203); nicht bei dem letzten Herzog Sergius VII.). 
Sergius V. nennt 1053 nicht nur seinen Vater Johann VI., 
sondern auch seinen Grossvater Sergius IV. mit diesem 
Titel: ‘Sergius in Dei nomine magniximus consul et dux 
atque magister militum, filius vero quondam domini Johannis 
gloriosi consuli et duci seu magister militum, qui fuit filius 
quondam bone recordationis domini Sergii abii mei consuli 
et ducis atque magistri militum postmodum vero monachi.’ 
Aber Sergius IV. hat, solange er regierte, in seinen Ur- 
kunden nur den althergebrachten Titel ‘consul et dux’ ge- 
braucht, der auch nach der Aufnahme des ‘magister militum’ 
in die Intitulatio noch lange allein in der Unterschrift der 
Herzoge erscheint (bei Sergius VI. und Johann VII. vermehrt 
um ‘protosevasto’). Erst der letzte Herzog Sergius VII. fügt 
es auch hier hinzu: ‘“FSergius consul et dux et BELLE 
milittum subscripsi’ (1127, 1131)?). 

Herzog von Neapel war im Jahre 991 vermutlich 
Sergius III., von dem sonst sehr wenig bekannt ist. Schipa 
weiss aus seiner Zeit nur den Aufenthalt Kaiser Ottos II. 
in Neapel (Anfang November 981)?) und die Erwerbung 
der Hälfte des früher ganz den Langobarden von Capua 
gehörigen Sees von Patria (zwischen 986 und 998) zu be- 
richten, und bei beiden Vorgängen ist es nicht unbedingt 
sicher, ob sie in die Regierung Sergius’ Ill. fallen. Schipa 
betont gerade bei diesem Herzog, wie sehr damals Neapel 
hinter Amalfi zurücktrat®). Weder Anfang noch Ende seines 


tempore imp. Constantini’ und ‘Sergius consul et dux atque magister 
militum’ kann nicht zu 1044 gehören, wenn man nicht Auslassung 
Johanns VI. durch den Exzerptor annehmen will. 

!) Capasso Mon. Il2 S. 34—38. 

?) CGapasso Mon. 112 8. 61—63. 

») Capasso Mon. Il2 S. 71—73. 

*) Capasso Mon. II2 S. 74—78, 79—84. 

°») DO. II. 265 (4. Nov. 981, Neapel), MG. Dipl. II 307; KR. Uhlirz, 
Jahrbücher des deutschen Reiches unter Otto UI. (Leipzig 1902), S.172. 

°) M.Schipa, Il ducato di Napoli, Arch. st. Nap. XVIII 472. 


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N 


EN 


246 Hofmeister, Aus Capri und Amalfi 


Herzogtums sind genau bekannt. Schipa möchte annehmen, 
dass er der Sohn seines Vorgängers MarinusII. sei, obwohl 
die Ueberlieferung versage. Aber weder dies, noch ob über- 
haupt Marinus II. sein unmittelbarer Vorgänger war, ist 
sicher. Ich möchte beides bestreiten. 

Wenn der allerdings über ein halbes Jahrhundert jüngere 
Petrus Damiani Recht hat, dessen Zeugnis Schipa nicht 
heranzieht, war im Jahre 981 ein Johannes ‘magister militum 
Neapolitanae civitatis’, d.h. Herzog von Neapel, der ungefähr 
gleichzeitig mit Pandulf (Eisenkopf) von Capua (und Bene- 
vent, 7 März 981)!) nicht lange vor der Ankunft Ottos IL 
in Unteritalien innerhalb von 14 Tagen starb?). Ich sehe 
keinen Grund, aus dem man diese bestimmte und in gut 
gesicherter Umgebung auftretende Angabe abweisen könnte. 
Auch eine Namensverwechslung (Johannes statt Marinus) 
anzunehmen, liegt kein Anlass vor. In keinem Falle aber 
kann danach Sergius IIl. vor 981 Herzog oder wenigstens 
alleiniger Herzog von Neapel geworden sein, wie Schipa 
annimmt. Marinus II., der bereits seit 944 Mitregent seines 
Vaters Johanns III. (928-968) war°) und, soviel ich sehe, 
als einziger der Regenten von Neapel die hohen griechischen 
Titel eines imperialis antipatus patrieius trug, urkundet zu- 
letzt am 20. Noveniber 975*) und verschwindet seitdem spur- 
los. Das erste sichere Zeugnis für Sergius Ill., der stets 
nur eminentissimus consul et dux ohne einen höheren 
byzantinischen Titel heisst, ist vom 6. Aug. 9925). Es gibt 


Y) Uhlirz, Otto II. S.163. 
») Petr. Dam. Epist.19 (= De abdicat. episcopatus 0.9, Ad Nioo- 
laum II. Rom. pont.), Opera ed. Caetani I 16. Uhlirz S.172 über- 
sieht, dass der magister militum nur der Herzog von Neapel sein 
kann. Die Kritik von Capasso Mon.I115f. hält nicht stand, sobald 
man Damianis Angabe nicht mehr auf den allerdings Ende 968 oder 
Anfang 969 } Herzog Johann IIL., sondern auf einen neuen Johann IV. 
bezieht. 
®) Schipa, Arch. st. Nap. XVIII 264 ff. 
“) Capasso Mon.I12, 15f. (für das Kloster S. Severin und Sossius 
in Neapel, Abt Peter); Schipa, Arch. st. Nap. XVIII 469. 
5) Capasso Mon. II1, 171 Nr. 277: 5. Ind., 32. und 29. Jahr der 
Kaiser Basilius und Konstantin; betr. das Kloster S. Sergius und 
Bacchus in Neapel. 


meet. Bi Er 


Hofmeister, Aus Capri und Amalfi 247 


aber auch einen Auszug aus einer Urkunde von ihm aus 
der Zeit des Kaisers Basilius (II.) vom 20. Juni der 5.In- 
diktion (977, 992, 1007, 1022), in der er in seinem und 
seines ungenannten Sohnes Namen dem Abt Peter des 
Klosters S. Salvatoris in insula maris Besitz bestätigt'). 
Schipa entscheidet sich für 977, weil im 32. Jahr des 
Kaisers Basilius (= 1. Sept. 991—992 nach der neapolitani- 
schen Berechnung)?) ein anderer Abt Maio genannt werde. 
Da aber in diesem ebenfalls nur auszugsweise überlieferten 
Stück Kaiserjahr und Indiktion, wie Capasso bemerkt, nicht 
zusammen stimmen und ausserdem beide Angaben neben- 
einander bestehen können, ist kein Grund zur Ausschliessung 
des Jahres 992 vorhanden®). Ja, es bleibt noch weiter 
fraglich, ob die Urkunde überhaupt von Sergius III. und 
nicht vielmehr von Sergius IV. herrührt; dann würde sie 
zu 1007 oder gar 1022 gehören. Dafür, und dann wohl 
für den spätesten Ansatz, spricht, dass neben Herzog Sergius 
ein minderjähriger Sohn, offenbar als Mitherzog, erwähnt 
wird, Sergius III. aber noch 998 allein urkundet*). Für 
Sergius III. und 992 liesse sich auf den Abt Peter von 


!) Capasso Mon. II2, Yf. (vgl.I 128f.), ‘ex Catasto di S. Pietro 
a Castello n.201’: ‘Instrumentum unum curialiscum sceriptum con- 
tinens, quomodo Sergius in Dei nomine consul et dux pro vice sua 
et pro vice filii sui, qui infra etate esse videtur, concessionem dedit 
et firmavit domino Petro abbati dicti monasterii... Quod istrumentum 
factum est in tempore Basilii magni imperatoris in die XX Junii 
indictionis V.’ 

2) Oapasso Mon.I Praef.S.5. Basilius II. war am 22. April 960 
bei Lebzeiten seines Vaters Romanus II. gekrönt worden, 


”) So Oapasso Mon. II 2, 96 A.1, während er I 128f., wie 
Schipa Arch. st. Nap. XVII 472 A.2, für 977 eingetreten war. — 
Maio tritt dann sehr viel später, 26. Juni der 4.Ind. (= 1086), 2. Jahr 
Kaiser Michaels (Capasso Mon. II 2 S.30-33), als ‘dudum abbas 
monasterii nostri vocabulo domini et salvatoris nostri Jesu Christi 
qui est in insule maris’ auf. 

*) Capasso Mon. 112 S.18£.: 17. Januar 998, für das Kloster 
S. Severin und Sossius, Abt Roccio. Sergius IV. urkundet allein 1009 
und 1016, 1033 dann zusammen mit seinem Sohn Johannes (VI.). — 
Unentschieden muss auch bleiben, ob Capasso Mon. II 2 S. 96. 
(Sergius et Johannes in Dei nomine consules et duces für Abt Sico 


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u > A 5 aa de ru WE Pr 


248 Hofmeister, Aus Capri und Amalfi 


S.Salvator de Insula maris 985 und 988 hinweisen). Jeden- 
falls darf man diese Urkunde nicht gegen Petrus Damiani 
verwerten; dessen Zeugnis schliesst vielmehr endgültig ihre 
Beziehung auf 977 aus. Die Drosa gloriosa senatrix von 
996°?) mag wohl mit der 1019 bereits verstorbenen Dame 
gleichen Namens und Titels, der Frau eines Urso und 
Tochter eines ebenfalls bereits verstorbenen Herzogs Johan- 
nes°), identisch sein. Diese ist dann aber sicherlich keine 
Enkelin Sergius’ III., wie Schipa meint, sondern eine Tochter 
entweder Johanns Ill. (928—968) oder des 981 } Johannes, 
den wir als Johann IV. in die Reihe der Herzoge von Neapel 
zwischen Marinus II. und Sergius III. wieder einfügen müssen. 

Sergius III. ist also frühestens um Mitte 981 und spä- 
testens in der ersten Hälfte 992 zum Herzogtum gelangt; 
ob er der unmittelbare Nachfolger Johanns IV. war, muss 
dahingestellt bleiben. Er urkundet zuletzt am 17. Januar 
998%), am 29. März 999 ist bereits sein Sohn Johann V. 
(bei Capasso und Schipa IV.) alleiniger Herzog?). 


von S. Salvator in Insula maris, ohne anderes Datum als ‘in tempore 
Basilii’ zu Sergius Ill. und Johann V. oder zu Sergius IV. und 
Johann VI. gehört. 

!) Capasso Mon. Il 1 S.155 Nr.248 und S.159f. Nr.254: 13.Nov. 
985 und 29. April 988; das zweite Mal ‘Petrum humilem iuniorem 
abbatem’ usw. — Dass in dem ‘Catasto di S. Pietro a Castello’ ein 
andermal ebenfalls von einem Abt Peter iunior von S. Salvator in 
Insula maris die Rede ist (tempore Basilii magni imperatoris, 15. Dez., 
1. Ind, von Capasso 112 S.98 auf 1002 und die Herzoge Johannes 
[V.] und Sergius [IV.] bezogen), beweist bei der Ungenauigkeit dieser 
Auszüge nicht, dass ein Peter schlechthin ein älterer Abt sein müsse. 
Am 9. Dez. 1017 war ein Stephan Abt von S. Salvator, Capasso 
Mon. II 1 S.232f. Nr. 375. 

*) Capasso Mon. II1 178 Nr.290: 19. April der 9.Ind. (= 996), 
36.und 33. Jahr der Kaiser Basilius und Konstantin; genannter Besitz 
grenzt cum terra d. Drose gloriose senaoris (l). 

®) Gapasso Mon. Il1 8.238 Nr.381: 1. Okt., 3. Ind. (= 1019), 
60. und 57. Jahr der Kaiser Basilius und Konstantin; eine Tausch- 
urkunde der q.d. Drosu gloriosa senatrix filia q. d. Johanni gloriosi 
consuli et duci cum voluntate d. Ursi viri sui erwähnt. 

*) Capasso Mon. IL2, 18f. 

») Capasso Mon. II 2, 20 (für das Kloster S. Sergius und 
Bacchus). Im selben Jahr wird er gefangen nach Deutschland ab- 


Hofmeister, Aus Capri und Amalfi 249 


Der Verlauf des Zuges von 991 stellt sich also folgen- 
dermassen dar: Nach der Heimsuchung Kalabriens be- 
schlossen die Sarazenen auch Kampanien und die zuge- 
hörigen Inseln heimzusuchen. Eine starke Flotte fuhr von 
Sizilien aus, wurde aber durch einen gewaltigen Sturm auf 
dem Meere zwischen Sizilien und Sardinien zerstreut!). Da 
wandte sich ein Teil von ihnen gegen Amalfi?), das sie am 
22. Juli®) 991 überfielen. Der Herzog selber (Manso 1.) mit 
seinem Sohn (und Mitregenten Johannes I.) und seinem 
Enkel (dem späteren Sergius III.) gerieten in Gefangen- 
schaft und konnten sich und ihre Stadt nur durch grosse 
Zahlungen freikaufen‘). Es gelang dann, die Feinde von 
der Stadt in die Umgegend nach Reginna-Majori und -Minori 
abzulenken, wo sie schrecklich hausten und es, wie auch 
anderwärts, besonders auf die Kirchen abgesehen hatten. 
Landeinwärts kamen sie bis „Malitus“ (Marito im Gebiet 
von Majori?). Eine gewaltsame Abwehr durch die Amal- 
fitaner verhinderte der Herzog aus Furcht vor noch Schlim- 
merem. Durch reiche Geschenke und Lieferung von Lebens- 
mitteln suchte er den Feind bei guter Laune zu erhalten. 
Dieser zog nach zwei Tagen nach Positano und suchte die 
dortige Kirche (wohl das bekannte Kloster S. Mariae de 
Positano) heiim, wurde aber von den Lauritanern ver- 


geführt, von wo er im Dezember 1002 sicher zurück ist. Einige 
Jahre später ist sein Sohu, wieder ein Sergius (IV.), alleiniger Herzog, 
der vom Herbst 1027 bis Ende 1029 oder 1030 vor Pandulf IV. (IIL.) 
von Capua aus Neapel weichen muss. Der Sohn Sergius’ IV. ist 
nunmehr als Johann VI. (statt V.) zu zählen, der Vater des letzten 
Herzogs Sergius VII. als Johann VII. (statt VI.; zuletzt 1120). Vgl. 
Schipa, Arch. st. Nap. XVII 478ff., 488ff. XIX 239 ff. 


!) Aehnlich z.B. im Juni 813, wie Papst Leo III. Karl dem 
Grossen meldete, MG. Epist. V 98. 

2) Soweit nur S. de trans. 0.9 Anf. 

») Der Tag nur S. de virt. 0.14. 

4) Urk. des Herzogs Sergius Ill. vom 28. März 1009, oben S.241f, 
Leistungen der Amalfitaner an die Sarazenen werden auch im S.de 
virt. 06.10 Anf, versprochen, und nach der Verwüstung von Majori 


und Minori schickt ihnen der Herzog „plurima dona et cibaria 
multa“, obd. 


Münchener Museum für Philologie des MA. IV, 3. 17 


250 Hofmeister, Aus Capri und Amalfi 


scheucht!). Nun wandte sich der Sarazenenführer Boalim 
nach den Sireneninseln, wo auf der grössten (Gallus) der 
Mönch Arsenius nach tapferer Gegenwehr erschlagen, zwei 
andere Mönche und ein Laie gefangen wurden; von den 
Gefangenen wurde die Gelegenheit zu einem Angriff auf 
Capri erkundet. Zunächst aber fuhr Boalim um das Pro- 
munturium Minervae (das nicht genannt wird) herum in 
den Golf von Neapel, fand aber in Stabiae (Castellammare) 
den Herzog (Sergius ILl.) von Neapel mit seinem Heere 
und wagte deshalb nicht zu landen. Er verwüstete dafür 
das Kloster auf der Insel Revigliano (an der Sarno-Mündung). 
Auch eine Landung bei Neapel erwies sich als unausführbar. 
Von der Insel Ischia mussten die Sarazenen nach einem 
vergeblichen Angriff auf „Giron“ wieder abziehen. Der 
Versuch, nunmehr Capri zu erreichen, wo man sich schon 
in grösster Angst befand, wurde durch ein nächtliches Un- 
wetter verhindert. Widrige Winde machten es den Sarazenen 
unmöglich, nach der Insel zu gelangen, so dass sie nach 
Lukanien?) abzogen. 

In dem folgenden Abdruck der beiden Erzählungen 
habe ich in dem sachlich wichtigsten Stück, das heisst dem 
Bericht über 991 (S. de virt. c.10, il und 14; S.de trans. 
c.9), alles, was sich nur in einer von beiden findet, durch 
Sperrdruck hervorgehoben °). 


!) Bis hierher die Einzelheiten nur im S. de virt. 0.10. Das 
Folgende in beiden Quellen. 

”) Nur im S. de virt. c.11 Ende. 

») S. S. 271. 


Hofmeister, Aus Capri und Amalfi 951 


_ 


SERMONIS DEVIRTUIESANCTICONSTANTII 
FRAGMENTUM. 


[X.] .... dux*) Amalfitanorum!) volens eos?) 
ad bonum converti, misit ad eos nuntium dicens: 
‘Nolite perturbare vos’), quia vestrum®) timuit po- 
pulus, propterea comprehendit arma. Sed ite, ap- 
plicate Reginniculis°®); et quicquid vobis neces- 
sarium fuerit, dabimus libenter.’ Illi autem euntes 
cum sua nequitia®), descenderunt in terram et dissemina- 
verunt se per montana et conscenderunt usque 
Malitum°)). Et comprehenderunt unum hominem 
lıppis oculis et duos puerulos atque tres feminas. 
Et descendentes in Reginnam maiorem, contami- 
naverunt ibidem‘°) cunctas ecclesias. Venientes ita- 
que in Reginniculis minoribus, similiter destruxe- 
runt cunctas ecclesias atque altaria®). Heu°) pro‘) 
dolor, pudor est dicere et nefas audire talem con- 
taminationem. Nam altaria Domini suffoderunt et 
reliquias sanctas disperserunt. Oumque hec nefan- 
dissima opera populus audisset Amalfitanus, voluit 
insurgere super eos. Sed magnificentissimus dux 
prohibuit fieri, potius volens eos ad bonum con- 


2) so beginnt der Text f. 151l® oben mitten im Zusammenhang; 
vorher fehlen Blätter c. 

b) ob ‘nos’ und ‘nostrum’ zu lesen ist? 

c) *malitum’ oder ‘in alitum’ c. 

d) *ibfdem’ c. 

e) ‘Heu’ c. 

£) ‘nro’ c. 

!) Manso I. 958 (zunächst bis 966/67 als Mitregent seines Vaters 
Sergius I., seit 977 zusammen mit seinem Sohn Johannes I.) bis 
984. 986—1004/5. 

2) Die Sarazenen. 

») Rheginna maior (= Majori) östlich von Amalfi am Ausgang 
des Tramonti-Tals an der Küste, Rheginna minor (= Minori) am 
Ausfluss des Reginolo-Baches zwischen Majori und Amalfi gelegen 

*) Vgl. S. de trans. c.9 8.267. 

°) Eine Oertlichkeit Marito im Gebiet von Reginna-Maiori er- 
wähnt Camera II 480. 


®), Vgl. oben S, 243. 
rk. 


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3 


952 Hofmeister, Aus Capri und Amalfi‘ 

verti quam ad malum irritare®), secundum aposto- 
licum dietum: Noli vinci a malo, sed vince inbono 
malum!). Unde transmisit eis plurima dona et ci- 
barıia multa. Sed illi perdurantes in sua nequitia, 
biduo permanserunt in Reginniculis. Exeuntes 
autem inde, venerunt Pausitano?)?). Descendentes 
autem ibidem‘), quidam ex eis contaminaverunt 
eandem gceclesiam. Sed ascendentes ex adverso‘) 
Lauritani homines?®) et vociferantes et adversus 
eos desuper lapides mittentes, tremebundi discese- 
runt‘). Deinde venerunt Tribus Serenis?) et con- 
taminaverunt eandem ecclesiam. In insula°) vero que 
Gallus dicitur quidam monachus erat Arsenius nomine et 
tres alii monachi et unus laycus. Cumque voluissent ibidem 
conscendere, propter eos non potuerunt. Sed cum insidiantes 
conspexissent huc atque illuc, descenderunt ex adverso‘) 


°) mit ‘—ritare’ beginnt f.15lb c. 

b) davor zwei Buchstaben ausradiert c. 
°) “ibidem’ c. 

d) <-d-’ über der Zeile c. 

e) 800. 

f) *-d-” über der Zeile c. 


ı) Rom. 12, 21. 
2) Positano, etwa 16 km westlich von Amalfi. Hier bestand 
bereits 994 das Mönchskloster S. Mariae de Positano, Camera II 583. 
®) Laurito, ein kleiner Flecken bei Positano, gesondert auf einer 
Berghöhe gelegen; die Kirche ist dem Apostel Petrus geweiht. Vgl. 
Camera Il 583.591. Die Marina di Laurito liegt südöstlich von 
Positano, knapp halbwegs nach dem etwa 7 km entfernten Prajano. 
‘*) Die Isolette delle Sirenuse, dette de’ Galli. Die drei kleinen 
Inseln heissen La Castelluccia (il Castelletto), La Rotonda und die 
grösste La Proja (S. Pietro, La Lunga). — Bei Errico Talamo, Mono- 
grafia della cittä di Positano, Neapel 18%, S. 324f., ist, ohne Quellen- 
angabe, eine Urkunde Kaiser Friedrichs IIl., Foggia 25. August 1225, 
gedruckt, die ich sonst nirgends erwähnt gefunden habe und die 
noch näherer Prüfung bedarf (das Datum stimmt nicht zum Itinerar), 
Darin schenkt oder bestätigt (concedimus... et firmamus) der Kaiser 
dem Kloster S. Maria de Positano ‘tres insulettas in mari vel Tres 
Sirenas quae dicuntur Gallus cum piscationibus.’ Die Inseln gehörten 
später sicher zu Positano, Camera II 612, Talamo S. 355. 
®) Von hier an entspricht S. de trans. 0.9 S. 268. 


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Per 
EG = 


Hofmeister, Aus Capri und Amalfi . 253 


tres velociores Ethiopes!), et unus super alium ascendentes, 
proiecerunt funem et ex inproviso loco super 608 irruerunt. 
Statimque predictum Arsenium monachum oceciderunt, et 
unus ex eis abscondit se. Alios vero duos monachos et 
unum laycum secum®)portaverunt. Et diripientes altaria beati 
Bartholomei apostoli?) et omnia exinde auferentes abierunt. 

XI.) Tunc?) iniquus et perfidus Boalim fecit ante se 
venire monachos ipsos et cepit eos explorare de insula 
Capritana. Sed mox simulata*) nequitia noluit tunc ibidem°) 
pergere, ut securos eos redderet et postea subito super- 
venirent eis“) occulte. Cum utique convenissent in Stauim°), 


&) mit secum beginnt f. 15l’a o. 

db) <Xl’ am Rande c. 

e) *ibfdem’ o. 

d) verb. o. 

1) = Sohwarze. 

2) Die Gebeine des Apostels Bartholomeus waren im August 838 
durch amalfitanische Schiffer von Lipari nach Salerno und von da 
nach Benevent gebracht worden. Camera I 82; R. A. Lipsius, 
Die apokryphen Apostelgeschiohten und Apostellegenden 112 (Braun- 
schweig 1884), S. 106f. 

°s) Vgl. S. de trans. 0.9 S.268. Der Name ‘Boalim’ wird dort 
schon etwas früher genannt. 

*) = dissimulata, s. S. de transito s. Const. c.9 8. 268. 

®) Das alte Stabiae, heute Castsllammare (di Stabia). Es ge- 
hörte zu dem Gebiet von Sorrent, das im 11. Jahrhundert als eigenes 
Herzogtum erscheint. Auch kirchlich stand der Bischof von Castell- 
ammare unter dem Erzbischof von Sorrent, während der Bischof 
von Lettere mit Minori, Scala und Capri (1813 mit Sorrent vereinigt, 
Camera I 157 A.4, gleichzeitig J,ettere mit Castellammare und 
Scala, Minori und das früher exemte Ravello als Kollegiatkirchen 
an Amalfi angegliedert) zum Erzbistum Amalfi gehörte; M. Tangl, 
Die päpstlichen Kanzleiordnungen von 1200—1500, Innsbruck 1894. 
S.9. Diese kirchliche Organisation wurde gerade gegen Ende des 
10. Jahrhunderts voll ausgebaut. Der erste Erzbischof von Amalfi 
Leo kommt urkundlich zuerst am 3. Sept. 993 vor, Camera I 144, 
Gay, L’Italie m6rid. et l’emp. byz. S.854 A.2. Besitz von Amalfi- 
tanern im Gebiet von Stabiae, das heisst wohl wesentlich in dem 
zu Lettere gehörigen Teil desselben (wiederholt in ipso castello de 
Litteris de territorio Stauiano) wird sehr oft erwähnt, z. B. R. Neap. 
Arch. Mon. I Nr.33 (939), Camera I 188f. (1004), 217 (1007: Aurano- 
südöstlich von Gragnano, während Lettere ?/. Std. nordöstl. von Grag- 
nano liegt), 224 (1606?), 241 (1033), IL 663 (1008), 665 (1031: in Stabia) 


954 Hofmeister, Aus Capri und Amalfi 


non ausi sunt ibi ingredi propter magistrum militum!), qui 
latitabat ibi*) cum suo exercitu. Sed applicuerunt in Ru- 
bilianam insulam®), et dextruxerunt?) exinde ecclesias et 
proiecerunt altaria in terra et totum monasterium?) dissi- 
paverunt. Deinde venerunt Neapolim, sed minime potuerunt 
ibi descendere. Tunc moribundi°) pervenerunt in insula que 
Maior appellatur‘), et pugnaverunt fortiter contra ipsum 
Gironem®)°) et, cum non prevalerent expugnare eum, con- 


a, 6 Mn _ er AS 


a) ‘ibi’ über der Zeile 0. P) so co. 

°) wohl verschrieben für “furibundi’, vgl. unten 9.255, 2. 4. 

d) ‘Girönem’ c. 

1) Der Herzog von Neapel, s. oben S. 244 ff. 

2) Robilianum vor der Sarno-Mündung, nordwestlich von Stabiae, 
auf der Karte Capassos (Tabula chorographica Neapolitani duoatus 
saeoulo XI cum regiomibus eiusdem sociis vel conterminis) in seinen 
Monumenta ad Neapolitani ducatus historiam pertinentia II 2. Heute 
Revigliano, unbewohnt. — Ausser an den Anm. 3 erwähnten Stellen 
wird die insula Rubiliana z.B. auch in einer Salernitaner Urkunde 
vom Oktober 994 genannt, R. Neap. Arch. Mon. III 138f. Nr. 237. 

°) Dor Abt Johannes monasterii insule Ruviliane tritt am 
24. April 938 auf, R. Neap. Arch. Mon. I Nr.30 S.106ff. = Capasso, 
Reg. Neap. Nr. 40 (Monum. II 1, 43). Das monasterium S. Angeli de 
Robeliana wird 1087 erwähnt, R. Neap. Arch. Mon. V 119 Nr.445; es 
bestand noch 1384, ebd. I S.108, Anm. 4 zu S. 107. 

*) Ischia. Auch Edrisi spricht von der schönen Stadt ‘M. yar 
auf Ischia; die ganze Insel heisst auch bei ihm ‘S. klah M. yur’ (= 
Iscla maior). Amari, Bibl. Arabo-Sic, I 49. 

5) Das ‘Castrum Gironis’ auf Ischia, im Besitz des comes Ma- 
rinus und seiner Gemahlin Theodora am 12. Mai 1086, R, Neap. Arch. 
Mon. IV Nr. 867 S. 271 = Capasso, Reg. Neap. Nr. 458 (Mon. II 1, 
283). Als ‘Gerone’ in dem Vertrag des Herzogs Sergius VII. von 
Neapel mit dem Volk von Gaeta, April 1128, erwähnt, Capasso, 
Mon. II 2, 159, vgl. 187. Es ist offenbar derselbe Ort, der bei den 
Arabern ‘Girä&n’ (‘Al Girän’) heisst und von dessen Eroberung durch 
das Heer von Sizilien und das Heer des Mahdi Ibn al Atir (1160 bis 
71233) z. J. 313 (29. März 925 bis 18. März 926) und das Kitäb Al 
Bayän al Mugrib des Ibn Adärf nach der Chronik des ‘Artb (973/76) 
2. J.316 (25. Februar 428 bis 13. Februar 929) berichten, Amari, Bibl. 
Arabo-Sio. I 4llf. II 28. Nach ersterem wandten sich damals die 
Sarazenen darauf nach Kalabrien und gegen Tarent, nach letzterem 
gegen Salerno und gegen Neapel. Es wurden also etwa dieselben 
Gegenden heimgesucht wie 991. — Heute einfach Castello, das Kastell 
auf einer kleinen Felseninsel, mit der Stadt Ischia aueh einen Stein- 
damm verbunden. 


Hofmeister, Aus Capri und Amalfi 2bb 


fusi persequi?) cessaverunt. Sed multi sunt ex eis a 
lapidibus vulnerati. Tunc navicula Neapolitanorum, 
que a Sardinia?) veniebat, comprehenderunt eam. 
Deinde!) ceperunt furibundi per noctem transfretare in Capri- 
tanam insulam. Sed cum esset magna cgli serenitas, subito 
facta est perturbatio magna et procella maxima, et venerunt 
pluvie et grandines velut lapides. Exiit ventus vehemens 
et perterriti sunt Agareni, et nequaquam potuerunt Caprim 
adtingere, sed eiecti sunt in partes Lucanie. 

XII.°) Pensate, fratres karissimi, quanta est virtus 
beatissimi Constantii?). Ecce languentibus prebet cotidie 
sanitatern, penitentibus ostendit criminum remissionem pa- 
riter et absolutionem. Peregrini quoque Capritani meruerunt 
ipsum habere protectorem et defensorem®). Nam“) cum omnes 
habitatores ipsius insule pre timore Sarracenorum confugerent 

et hac illac se absconderent, remansit quaedam vetula 
in sua domuncula , qug fugere non poterat. Cumque pavida 
sederet et timida, audivit quasi sonitum pedum venire. Tunc 
tremebunda®) et perterrita, Sarracenos venire super se esti- 
mans, Dei favente clementia duos precintos®) seniores ange- 
licos ad hostium sue domumcule‘!) conspexit, dicentes sibi: 
‘Ne timeas, vetula, quoniam non veniunt hic Sarraceni.’ 
Quibus cum mulier tremebunda diceret: ‘Qui vos estis, do- 
mini mei? responderunt dicentes: ‘Nos sumus Constantius 
et Severinus habitatores istius insule. Et nunc adversus 
inimicos vestros in mare decertavimus, et eis resistimus, 
ut non prevalerent hic venire’. Hoc autem dicentes recesse- 
runt. Alius quidam homo manebat absconditus in eadem 


&) ‘persequi’ c. 

d) mit ‘-dinia’ beginnt f.151’b o. 

e) <X11.’ am Rande c. 

d) mit ‘tremebunda’ beginnt f.102a c. 
e) 80 0. 

f) so 0. 


1) Vgl. S. de trans. c.9 S. 269. 

2) Des Hauptpatrons der Kirche von Capri. Vgl. unten S.266 A.1. 

°*) Auch dieser erste Satz von c.12 hat im S. de trans- keine 
Entsprechung. 

*) Siehe S. de trans. c.9 S. 269. 


F 


256 Hofmeister, Aus Capri und A malfi 


insula, qui audivit sonitum subtilissime tube et quasi t ırbas 
populorum egredientes de ecclesia sancti Constantiit). Dune 
estimavit circumdatam esse insulam a Sarracenis. Cum 
autem diligenter audire voluisset tam dulcissimam tubam, 
audivit iterum vocem dicentium: ‘“Eiecti sunt hinc Sarra- 
ceni.’ Unde credimus beati Oonstantii adesse patrocinium 
ad expellendas gentes iniquas de sua parrochia°). 

[XII.]P) Nos?) ergo, dilectissimi fratres, laudantes et 
benedicentes Deum, concurramus omnes ad beati Constantiüi 
preclaram festivitatem°), ut ipsius patrocinio protecti libe- 
remur a cunctis adversis et a vinculis peccatorum mereamur 
absolvi. Congratulemur omnes in hac die sacratissima, 
fratres, in qua beatissimus pater noster Constantius angelicis 
manibus est“) deportatus in celum. Exultemus iugiter et 
semper memoriam eius recolamus. Quia, sicut in presenti 
psalmi versiculo decantavimus, “in memoria eterna erit 
iustus, ab auditu malo non timehit’*). Digne enim ac con- 
grue in memoriam vertitur hominum, qui ad gaudia transiit 
angelorum. Qui gratia Christi clarificatus _invenit, quia 
mundi huius gloriam non quesivit. Nunc igitur condecet*) 
beatissimum patrem nostrum Constantium in Domino lau- 
dare, benedicere et predicare, quia cuncta sua opera et 
beata merita in eterna patria collocavit. Nempe dicit sermo 
divinus: ‘Ne laudes hominem in vita sua’5), tamquam si 
diceret: ‘Lauda post vitam, et magnifica post mortem vel 


a 2 2 ——— [er ae een 


°\) mit parrochia beginnt f.152b c, 

b) keine neue Kapitelzahl und kein Absatz c. 
°) ‘et’ c. 

d) *eöndecet’ c. 


') Die Kirche S. Oostanzo, die als eine der ältesten Süditaliens 
gilt, liegt als einer der wenigen Reste der später infolge der Heim- 
suchung durch die Korsaren verlassenen alten Stadt an der Fahr- 
strasse, die von der Marina grande auf der Nordseite der Insel zu 
dem heutigen Städtchen Capri führt. Vgl. Camera II 680. 

») Das Folgende hat nichts Entsprechendes in dem Sermo de 
transitu sancti Oonstantii. 

8). 14. Mai. 

*% Ps. 111, 7 (‘auditione mala’). 

°) Eccli. 11, 30: ‘Ante mortem ne laudes hominem quemquam”. 


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3 
WW 


Hofmeister, Aus Capri und Amalfi 257 


post consumationem*)’. Dupplici*) etenim ex causa utilius 
est hominum magis memoriam laudare”) quam vitam, quando 
nec laudantem adulatio nocet nec laudatum temptat elatio. 
Lauda ergo post periculum, predica securum. Lauda navi- 
gantibus felicitatem, sed cum pervenerint ad portum. Lauda 
dueis virtutem, sed cum perductus fuerit ad triumphum. 
Quis autem vivens tute possit sine trepidatione laudari? 
Qui et de preterito meminit se habere quod doleat, et de 
futuro videt sibi superesse quod timeat? Nos ergo, fratres, 
beati Constantii merita iam in tuto posita cum sereni- 
tate magnificemus; qui gubernaculum fidei viriliter tenens, 
anchoram spei tranquillam iam in stationem composuit et 
plenam celestibus desideriis navem optato in littore°) col- 
locavit. Qui contra omnes adversarios scutum timoris Dei 
tam diu infatigabiliter tenuit, donec ad victoriam perveniret. 
Quid enim fuit totus vite illius cursus‘®), nisi unitus®) cum 
vigili hoste conflictus? Habuimus in eo medicum sanitatis, 
cum quo etiam in finibus nostris auctor medicamenti in- 
travit. His magis temporibus Dei famulus Constantius fuit 
necessarius, quibus tanta iniquitas cottidie‘) deficiente iustitia 
sumptis viribus convalescebat. Sed hic beatissimus vir sui 
nominis vocabulum implens, in Dei famulatu constantissime 
permanebat. Et quidem in hac peregrinatione confessor 
Domini Constantius solo corpore constitutus, cogitatione et 
aviditate in illa eterna patria conversabat®). Et huic mundo 
crucifixus!) ac mortuus, quicquid in hoc seculo laboravit, 
ad vitam regni celestis feliciter transtulit. Et quasi bonus 
rationator velud ad centuplum manum porrigens, semper de 
sinistra transtulit ad dexteram, et in celo reposuit") sudores 

2) so c. 

b) mit ‘re’ beginnt f. 152’a c. 

c) das erste ‘-t-’ über der Zeile c. 

d) dahinter etwa ein Buchstabe ausradiert, -s verb. c. 

e) ‘unitus’ c, 

f) das erste ‘-t-" über der Zeile c.; mit „-die“ beginnt f. 152'b c- 

8) dann etwa zwei Buchstaben ausradiert c. 

h) dann eiwa sechs (bis sieben) Buchstaben ausradiert c. 

ı) Vgl. Gal. 6, 14: ‘Mihi autem absit gloriari, nisi in cruce domini 
nostri Jesu Christi, per quem mihi mundus crucifixus est, et ego 
mundo.’ 


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258 Hofmeister, Aus Capri und Amalil 


suos. Nam etsi hic opera, signa et prodigia gloriosi patris 
nostri Constantii videntur, fratres, illuc operum merita tran- 
sierunt, ubi cum sanctis angelis in domino Jesu Christo 
sine fine congaudet. Istius ergo, in quantum possumus, 
vestigiis insistamus, karissimi, quibus nimis artam viam ad 
cgli ampla festinans, qua eum sequeremur, ostendit. Ideo 
enim nos ad illius exemplum informemus et animarum nostra- 
rum facies ad eum respicientes tanquam ad*) speculum com- 
ponamus, et quasi boni filii similitudinem boni patris ex- 
colamus in nobis, ut iste Domini confessor, videns nos vel 
eterni tremore iudicii vel de futura beatitudine cogitantes, 
illam euangelicam Christi vocem possit assumere: ‘Rogo, 
pater, ut, ubi ego sum, et isti sint mecum’!). Si ergo 
volumus, fratres, cum beatissimo patre nostro Constantio 
partem abere’) et cum ipso pariter in celestibus regnis 
gaudere ,‚ declinemus celeriter ab omni mala operatione 
et, quantum possumus, iugiter faciamus bene. Sed quia 
propter nostram fragilitatem nullam valemus facere boni- 
tatem, rogemus omnes istum Domini confessorem, ut ipsum 
habeamus adiutorem et defensorem apud Deum patrem omni- 
potentem et Jesum Christum filium eius unicum dominum 
nostrum, qui cum eo vivit et regnat in unitate spiritus 
sancti Deus per infinita secula seculorum. Amen. 

[X1II1.]) Anno“) videlicet dominice incarnationis nun- 
gentesimo nonagesimo primo?), die vicesima secunda 
mensis Julii, indictione quarta, venerunt Amalfiam 
navidia Sarracenorum predicta. 


s) mit ‘ad’. beginnt f.153a c. 

b) davor ‘h’ über der Zeile co. 

°) keine Kapitelzahl o. 

4) grosse rot und gelb verzierte Initiale c. 


ı) Joh. 17, 24: ‘Pater, quos dedisti mihi, volo, ut, ubi ego sum, 
et illi sint meoum, ut videant olaritatem meam’ usw. 
2) Das Jahr auch im $. de trans. 0.9 Anf, 


Hofmeister, Aus Oapri und Amalfi 259 


SERMO DE*) TRANSITO®P) SANCTI CONSTANTI. 


I.) Sanctissimus pater noster Constantius, dum in 
orientali plaga fungeretur presulatus officio et aura illius 
nominis ob insigne claritatis meritum longe lateque sonaret 
per populum et tam salutiferis quam machademicis*) 
esset prefartus characteribus, in occiduas est propter durissi- 
mam destinatus heresim partes. Qui diu illorum sochordiam 
comprimens, diras acies telo Christi et clipeo euangelii 
dogmatis reprimens, passim destruxit. 

II.) Et paulatim frumenta dominici orrei, vepres unde 
excusserat, conserens’), eorum rigida pectora lappis referta 
et tribulis vertit in arva germinantia purpureas violas et 
candida lilia.e. Et cum cunctas mentes prospiceret sponte 
se subdi Ohristo Jesu domino Deo, dimissas occasus partes, 
quibus inerat, torridum, unde venerat, inhiabat scandere 
caput®?). Sed cum Deus dignum illum posse previderet?) 
esse alicui‘) genti solacium, exercuit, ut Caprea insula omni 
iuvamine spreta hoc diadema suo vertici stringeret totum. 

UI.) Peragrante denique!') illo maritimum callem, pre- 
fatam occidentem devertit casu in insulam. Ibique languore 
correptus, ad extremum usque perductus, animam, quam a 
suo conditore acceperat, integram atque inlesam restituit. 
Tunc eiusdem loci accole”), tam insigne munimen a Deo 
se accepisse dum cernerent, eius in honore construentes 
basilicam!), sacrum corpusculum illius condiderunt”). Quod 


a) mit ‘de’ beginnt f. 153b ce. 

b) das rote ‘0’ schwarz verb. zu ‘U’ c. 
e) I’ am Rande c. 

d) ‘machademicis’ c. 

e) ‘II’ am Rande c. 

f) cönserens c. 

8) ‘-t’ verb.c. 

h) ‘previderet’ c. 

i) ‘alfeui’ c. 

k) ‘III.’ am Rande c. 

1) «dönique’ c.; mit ‘d.’ beginnt f.153’a c. 
m) ‘ccole’ c. 

n) das zweite ‘-d-” über der Zeile c. 


1) S.oben S.256 A,1. 


Q « 


” 4 Digitized by Google 


ä 


960 Hofmeister, Aus Capri unı | Amal: j 


usque ad resurrectionis gloriam, Jesu operante dc mino, | 10n 
desinit innumera*) exercere miracula. Zu 
III?) Ex quibus plurimis pauca decerpere non est 
incongruum, ne larga dicendi profunditas auditoribus gignat 
obstacula. Sed priusquam eius proferamus miracula, ne a 
quoquam censeamur, quod singulari sub numero prefatam 
constrinximus insulam, paulisper respondeamus. Scimus 
nempe, quia secundum antiquorum exemplaria pluraliter 
profertur et eius origo taliter indicatur: ‘Capree insule, que 
sunt contra Neapolim site, a Capreo, qui in regionibus his 
potens fuit, vocabula sumpsere®°)’t). | 
V.2) In his sequenti tempore Telonam°) Martis?) filium, 
cuius monumentum‘) ostenditur?), regnasse dicunt®). Cuius 
fillus Ebalus®) nomine, non contemptus*) patris imperio, 
egressus in continenti Latio imperavit®). Hunc Virgilius®) 


ei, Pe —-— ut [= 77 


a) ‘innümera’ c. 

b) <IIII.’ am Rande c, 

°) ‘sumpsere’ c. 

d) «V.’ am Rande c. 

e) ‘Telönam’ c. 

f) mit ‘'monumentum’ beginnt f. 153'b ce. 
8) ‘6balus’ c. 

h) so c.; = contentus. 


ı) Aus Servius, comm. iin Vergil. Aen, VII 735, rec. G. Thilo II 
(Leipzig 1883) S.189: ‘quidam dicunt Capreas a Capreo, qui in illis 
regionibus potens fuit, nominatas’ (aus cod. Turon. des 9. Jahrh. in 
der Ausg. des Petrus Daniel v. 1600); vgl. zu Vers 734, Anm. 3. 

?) Nicht bei Servius. 

°) Aus Servius in Verg. Aen. VII 734, S.189: ‘Oebalus filius est 
Telonis et nymphae Sebethidis. Haec autem est iuxta Neapolim. 
Sed Telo diu regnavit apud Oapreas, insulam contra Neapolim sitam. 
Filius vero eius, patriis non contentus imperiis (patris non contentus 
imperio haben cod. Sangall. 861 und Vat. reg. 1674, beide aus dem 
10. Jahrh. und Mythogr. II 187, SS. rerum mythicarum latini tres, 
ed. G. H. Bode I, Oelle 1834, S. 137, wo diese ganze Stelle des Servius 
wörtlich ausgeschrieben ist), transiit ad Campaniam et multis populis 
subiugatis suum dilatavit imperium.’ 

*) Vergil. Aen. VlI 733f.: ‘Nec tu carminibus nostris indiotus 
abibis, | Oebale, quem generasse Telon Sebethide nympha | Tertur, 
Teleboum Capreas cum regna teneret, | iam senior; patriis sed non et 
filius arvis |contentus lateiam tum dicione premebat| Sarrastis populos 
et quae rigat aequora Sarnus’ usw. Dazu Servius, s. Anm. 1,3. 


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Hofmeister, Aus Capri und Amalfi 261 


= "nutritum a fluminis ipsius nimpha dicit, quod in his locis, 
hoc est iuxta Neapolim, currit et Sebethus®) dicitur!). Dicitur 
et alio nomine Rubeolus®)?). 

VI.) At tamen nos non custodes regule, sed fidei decet 
esse omnino, quemammodum cunctis spirituales et antiqui 
extitere@) patres. Nam et David citharedorum sagacissimus 
in sui carmine libri, quodam in loco agens contra regulam, 
ita dixit: ‘Libera me de sanguinibus’®), et alio loco: ‘Viri 
sanguinum et dolosi’*), similiter quoque et in alio loco: ‘Viri 
sanguinum declinate a me’’), cum sanguis singulariter et 
non pluraliter dici possit. Sed nunc ut redeamus, unde 
digressi sumus, quisquis qualisve°) apud Deum iste sanctus 
extiterit, sumpta materia proferamus. 

V11.) Igitur®) dum incole") insule Maioris®), que marinis 
undique!) eque ut Oapree circumvolvitur fluctibus, sanctis- 
simi Oonstantii in sollempnitate’) ad eius tumbam more 
solito*) recurrerent®), quidam ardore succensus femineo pro- 

a) *Sebethus’ c. 

b) *Rube£olus’ c. 

c) ‘VI’ am Rande c. 

d) ‘extitere’ c. 

e) ‘qualisve’ c. 

f) <VIL’ am Rande c. 

#) ‘U’ grosse Initiale (rot, gelb, blau) c. 

h) “incole’ c. 

1) “ündique’ c. 

k) mit ‘solito’ beginnt f. 154a c. 

1) Heute Fiume della Maddalena. Auch der Name Sebeto kommt 
vor. Am ÖOstrande der Stadt Neapel. Diese Stelle zeigt, dass der 
Name Sebethus und seine Bedeutung auch im früheren Mittelalter 
nicht unbekannt war und niolıt erst seit Boocaccio und besonders 
seit dem 15. Jahrhundert wieder hervorgezogen wurde, wie Gapasso 
Mon. Il 2, 177 A.12 meinte. 

2) Dieser Name findet sich z. B. 1083 und 1094 bei Capasso, 
Reg. Neap. Nr. 532, 564, Mon.II 1, S. 323, 344, vgl, IL 2, S.178 (danach 
1340 ‘Rivolus’). Die obige Stelle zeigt gegenüber dem leisen Zweifel 
von Capasso, dass Sebethus und Rubeolus gleichbedeutend sind. 

») Ps. 50, 16. 

*) Ps. 54, 24. 

s) Ps. 138, 19. 

°) Ischia. 

) 14. Mai. 

®) Ueber die Kirche S. Costanzo auf Capri s. oben S.256 A.1. 


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262 Hofmeister, Aus Capri und Amalfi 


2 
suum ei assensum tribueret. Insuper pollicitus est ei, quod, 
si in hoc ei consentiret, uxor illi postea esset affutura. Ad 
quem illa: ‘Si vera sunt,’ inquit, ‘que tuo ore profaris, jura 
mihi per sancti huius virtutem, quod nullo me pacto abicias, 

sed in coniugio cito accipias ; et ea, ad®) que nunc inhias, 

inpetrabis absque molestia.” Tunc ille face amoris suc- 
census, ad explendam sui corporis contagionem vile ducens 
per sancti aulam facere promissionem, clam edem ingressus, 
prout puella petierat, tribuit fidem. Quid multa? Peracto 
nequitie scelere sanctique finita sollempnitate cunctus 
populus cum letitia repedarunt ad propria . Inter hec 
venter puelle cepit tumescere et nefarium , quod ante 
celaverat, exercitium non sponte omnibus prodere „ Pro- 
tinus parentes eius adversus eam ceperunt insurgere et, 
quis tam deforme commisisset piaculum, ut panderet, com- 
moti sunt suadere‘). At illa necessitate compulsa, quo 
ordine quave deceptione factum fuerat, ex ordine prompsit. 
Tune prephati consanguinei dolore stimulati provocant‘) ad 
se®) puelle coniugium hominem. Et, si nollet, corrupte 
sumerent virginitatis vindietam. At ille amaritudinum felle 
septus pro nichilo duxit, in presulis aula quam commiserat, 
fidenı, sed detestabatur eminentioribus iuramentis, quod con- 
scius ammissi pudoris nunquam ullatenus foret. Cumque 
utraque in parte longeva duceretur intentio, ait puella, 
nullum‘) ex hac sententia se velle iudiecium hominis, sed 
sumptis navigiis sancti antistitis, in quo olim illi sacra- 
mentum prebuerat, templum repetere, ut illic, quod falso®) 
denegabat, cum iuramento proferret liberque abscederet?). 
Asserebat autem: ‘Credo equidem in sancti virtute Con- 
stantiiı, quod eius fallacia ibi dinoscatur, Et ille, cui me 


curavit quandam suadere*) puellam, ut in nefario opere 


a) ‘suadere’ c. 

b) ‘ad’ über der Zeile c. 

°) mit ‘dere’ beginnt f.154b c. 
d) ‘prövocant’ c. 

®e) so c. 

f) ‘nullam’ c. 

8) ‘falsö’ c. 

h) o-” über der Zeile c. 


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Hofmeister, Aus Capri und Amalfl 263 


2 eredidi, absque ultione esse nullatenus desinat®).” Tali nam- 
"que finito placito, ambarum omnis parentela partium tam 
= ad sublime concurrerunt spectaculum, ut, Dominus quid 
exerceret, placida mente viderent. Euntibus autem eis 
almum puella templum repetens, sufusa®) oculos cum luctu®) 
ingenti sic sancto aiebat potenti: 
‘Respice desursum, sanctissime presul, et audi, 
Que tua, me misera, munia posco dolens. 
Iste malıgnus homo, prefartus felle colubrı, 
Lusit et ad miserum me revocavit opus. 
Et quodcunque mihi per tua promisit®) sacra 
Limina, non timuit spernere corde malo. 
Sed, venerande pater, cunctorum mente colende, 
Qui pietate micas, vulnera cerne mea. 
Obsecro, cerne dolum luxoris°®) protinus huius, 
Ut percussus eat, sanus et haud maneat. 
Nam si salvus it iste malus nec cuspide divo 
Perfossus iaceat, nemo malum timeat. 
Tale sed exemplum nunc da, sanctissime presul, 
Ut cuncti paveant, talia ne faciant.’ 
Hec dum puella lacrimans ore proferret, statim illius in- 
tegritatis corruptor ad aulam impudenter accessit, quatenus 
sacramento firmaret, quia, quod puella assereret, nullatenus 
seciret. Qui cum templi limen attingeret pede, igneo pro- 
tinus fulmine tactus, ita concrematus est, ut nec cinis eius 
ex miserabili corpore remaneret. Nam quo infelix pedibus 
astitit, sic combustionis ardor solidatus est, ut usque hodie 
intuentibus fidem attribuat, quod celesti vindicatione per- 
actum est. At omnes tam cum terribile aspicerent signum, 
territi timore‘) mirabili glorificabant tonantis potentiam, qui 
per presulem suum Constantium ostendit potenter tale 
miraculum , pro quo euncti paventes nec quidem in minimis 
se auderent inquinare piaculis. Oremati vero affines homi- 
a) ‘dösinat’ c, 
b) 80 c. 
°) mit ‘luotu’ beginnt f.154’a c. 
d) ‘prömisit’ c. 
e) so ce. 
f) mit ‘timore’ beginnt f. 154b c. 


u tem, 2 ET ef u 2 u Mei en ee ii ei ei ee ee ee 


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& 
264 Hofmeister, Aus Capri und A malfi 


nis pudore confusi et opprobrio, quod dira tam pestis ei 
aceiderit, protinus cum merore maximo recesserunt al 
hostio. Puelle vero consanguinei odax*) Christo reddentes 
sanctique magnalia presulis referentes, maxima cum gloria 

repedarunt ad propria . Sed sunt nonnulli, qui in dilueulo 
huius nostri operis, quasi sub pietatis quadam compassione, 
emittentes aiunt eloquium, quod sanctus vir nunquam fri- 
buerat pestem. Alioquin®) plus impietatis quam pietatis 
causa extitit. Nescientes, quia, quod iniustum nos esse 
estimamus, iusto iudicio Deo permittente patratur. Nam in 
lıbris Regum legitur, quod principem quinquagenarium 
primum et quinquaginta qui erant cum eo, similiter et 
principem quinquagenarium secundum et quinquaginta qui 
erant cum eo celestis ignis consumpserit!), et in Actibus 
apostolorum, Anania et Saphira mentientes®) ante pedes 
apostolorum iusto Dei iudicio corruisse?). Etiam et ın 
ecclesiasticis hystoriis legitur?), quod apostolus Thomas, dum 
in regis convivio resideret et puellam cantatricem Hebream, 
quod Dei facta canerot“), intenderet‘) eibumque iam 

a) ‘x’ verh. später ‘-s’, und darüber jünger: ‘i. laudes’ c. 

b) «Aliöquin’ c. 

°c) mit ‘-tiontes’ beginnt f. ldba c. 

d) ‘cäneret’ c. 

1) 4. Reg. 1, 9—12. 

2) Act. 5. 

®; Passio s. Thomae apostoli bei Mombritius, Sanctuarium seu 
Vitae sanctorum, Neudruck Paris 1910, II 606 f.; neue Ausgabe von 
M. Bonnet, Supplementum oodicis apooryphi I, Leipzig 1883, S. 
1585 ff, Die Uebereinstimmungen mit diesem Text sind oben in Petit 
gegeben. Der als ‘De miraculis b. Thomae apostoli’ bezeichnete 
Text bei Bonnet S. 98 f. weicht trotz näherer Uebereinstimmung 
in 2 Ausdrücken im Ganzen erheblich mehr ab. Die griechischen 
Acta Thomae Bonnet S. 5 ff. stimmen mehr mit der Passio. 

*) Diese beiden Ausdrücke De mirao. S. 99: ‘sed et ille intel- 
ligens Hebraeam esse mulierem libentissime aspiciebat ad eam. Haec 
videns pincerna convivii zelo ductus dedit alapam sancto apostolo 
dicens: „Ut quid tu sic intendis in mulierem ?“’ — Die Passio S. 136 
schildert den Thomas ‘non manducantem negque bibentem, sed ad 
caelos oculos fixos habentem’, der die Sängerin bittet (“attentius... 
admonebat’), ihre Worte zu wiederholen; ‘“tunc pincerna increpans 


apostolum, quod neque manducaret neque biberet, dedit palmam in 
faciem eius’. 


a ver m BE 3 U 


Hofmeister, Aus Capri und Amalfi 265 


nullatenus sumeret, pincernam pro hac re illi alapam!') 
tribuentem Dei iudicio perculit dicens: ‘Melius?) est tibi, ut 
in illo seculo detur indulgentia, ubi plage finis nullus occurrit. Hic 
autem plaga transitoria est. Manus ergo, qua me percussisti, 
huc a canibus comesta°) deportetur’ Quod et factum est. 


Et sic, ut ille in futuro non sustineret tanti penam peccati 
et hic rex cunctique convive intuentes culturasque demo- 
num deserentes ad verum Deum pervenirent*). Unde iste 
sanctus duo operatus est in eo homine miracula. Unum:?) 
pro eternali eum momento perculit; alterum,‘) quod cunctis 
videntibus et audientibus timorem dedit et emendationem 
perpetuam. Quia unius correctio multorum sepe solet esse 
profectii.._ Sed prephata puella non inmemor‘) almi pre- 
sulis beneficiorum, funditus a suo corpore coniugium pellens, 
adhesit extunc perpetue°) castimonie, Christumque sibi spon- 
sum adoptans, confessori sancto templum in Maiore insula 
cum parentibus suis construxit*). Donaque plurima optulit 
et illic usque ad finem vite sug fideliter serviendo permansit. 

[VIIL.] Quoniam?) vero tempore, cum Agarenorum 
agmina ad desolandam Christianorum catervam carinas con- 
scenderent et longa equoris?) spatia peragrarent, casu 
verterunt Capream insulam. Quam, ut mos est, feralibus 
eorum mentibus eundo?) undique‘) dum subriperent, tem- 
plum adeuntes sancti Constantii?), unam devellentes ex 


®) ‘pervenirent’ c. 

b) Interpunktion (.‘) nachträglich c. 

°) Interpunktion (.‘) nachträglich c. 

d) ‘inmemor’ c. 

e) mit ‘perpetue’ beginnt f. 15bb c. 

f) grosse Initiale c.; Kapitel werden von hier an nicht mehr 
gezählt. — Die Worte ‘Quoniam vero tempore’ geben so keinen Sinn. 
Es ist etwa zu verbessern ’Quodam vero tempore’, wenn nicht mehr 
ausgefallen ist. 

8) ‘Equoris’ C. 

h) ‘eundo’ c. 

i) “ündique’ c. 

ı) Siehe vorstehende Anmerkung 4, 

2) Im folgenden weicht die Fassung in De mir. S. 99 stark ab. 

®) ‘rosa’ Passio S. 136,15, aber in der Folge S. 137,6: ‘comestam’. 

*) Also eine Constantiuskirche auf Ischia. 

°) S. oben S. 256 A, 1. 


Münchener Museum für Philologie des MA. IV, 3. 18 


266 Hofmeister, Aus Capri und Amalfi 


ianuis secum advexere*). At custos templi nimium tristis 
dum adesset, quod fores, unde templum clauderetur, non 
haberet, et intimo ex corde Dei potentiam et sancti pre- 
sulis clementiam obsecraret, arreptus est sopore. Tunc 
sanctus adveniens ei post dulcia famina promsit, quo in 
loco littoris?) ianuam aptam templi inveniret°). Qui cum 
surgeret et visum, ut cognoverat, fidelibus panderet, illi 
protinus emergentes et, ut sanctus promiserat, ianuam 
invenientes, cum magna cordis alacritate deportando, in 
loco, unde evulsa alia fuerat, defixerunt. Mira Dei cle- 
mentia et valde Dei potentia , qui in minimis etiam rebus‘) 
non sinit declarari altius sanctorum suorum miracula.. Nam 
predicta ianua ita eque per omnia alig coniuncta est, ac si 
ad eius mensuram, que superius deportata fuerat, operata 
estitisset®). Quo in loco ad laudem Dei et honorem sanc- 
tissimi presulis usque in hodiernum diem perseverat. 
Sedf) tamen, quid necesse est cuncta eius prodigia litteris 
exarare, cum visu oculorum eius acta clarissima ita sint 
populis recognita, ut multo®) plus possint corde retineri®) 
quam nostris scriptis ordinari? Nam ut plurimi, qui!) ob 
scelerum acta cervicem insanientis superbie penitentig vin- 
culo maneiparunt, committentes videlicet undique*) corpus 
circumstrictum artissimis vinculis ferri et collum catenis 
ante et retro pendentibus mamoreisque!) ponderibus , cum 
quibus varias orbis partes circumierant, aulam sancti Con- 
stantii ingredientes, quomodo celitus disruptis nexibus cir- 
culisque confractis a penali sunt vinculo erepti, si cupimus 
proferre, plus fastidium quam suavitatem infundimus. Sed 


°) 80 c.; der Sinn verlangt etwa “‘abvexere’. 
b) Das 2.‘t’ über der Zeile c. 
°) “invenfret’ c. 

d) mit ‘rebus’ beginnt f. 1bh’a co. 

6) so c. 

N ‘S6d’, kein Absatz c, 

8) ‘mult6’ c. 

bh) ‘retin6ri’ c. 

1) 80 0. 

k) *ündique’ c. 

I) 80 c. 


Hofmeiszter, Aus Oapri und Amalfi 267 


;  quia tam hec quam et plurima alia satis populis recognita 
‘ sunt, nunc ad ea narranda veniamus, que nostris temporibus 
facta®) cognoscuntur. 

[IX.] Anno?) ab incarnatione domini nostri Jesu Christi 
nungentesimo nonagesimo primo!), cum Hismahelitarum 
cuneus ob fidelium strages equoreum‘°) iter sumeret 

et tota®) undique‘) Calabrie regiones comprime- 
ret, estuare cepit, ut Campanie terminos et insu- 
larum ceircumquaque adiacentium funditus perde- 
ret. Sed cum dictus navalis exercitus valida manu 
missus esset a Sicilia, utrapidi‘) cursu quacunque®) 
telluris partem perimeret, adveniensinter Siciliam 
et Sardiniam, coro?) flante terribiliter dispersus est 
undique®). Sed pars quedam dispersionis a Lucanig 
finibus rediens, Amalfitanorum urbem aggredi') 
cupiebat°). Sed populi“) nequitia eorum cognita*), im- 
munis recessit®). At!) tamen passim per vicina loca®) cur- 
sıtans, altaria diruens, templa conculcans, sanctorum re- 
liquias reiciens, pene”) cuncta prostravit. Dehinc Boa- 

») mit ‘facta’ beginnt f. 155‘b c. 

b) grosse Initiale c. 

e) ‘equöreum’ c. 

d) 80 c, 

e) “ündique’ c, 

f) 50 c. 

E) 80 0. 

h) *“indique’ c, 

i) fäggredi’ c. 

k) ‘popif’, ‘ verb. aus ‘i’ c. 

1) <Ät’ c. 

m) ‘nene’ c. 

1) S. de virt. c. 14. 

2) ‘caurus’ = Nordwestwind. 

®) Nach der Notiz am Schluss des Fragm. de virtute sancti 
Constantii kamen die Sarazenen am 22. Juli 991 nach Amallfi. 

*) Matth. 22, 18: ‘Cognita autem Jesus nequitia eorum’. 

°») Das folgende wird, zum grossen Teil mit fast denselben 
Worten, aber mehrfach ausführlicher in dem hier beginnenden Frag- 
mentum de virtute sancti Constantii c. 10, 11, 12 erzählt. 

°) ‘Malitus’, ‘Reginna maior’ und ‘minor’, ‘Pausitano’, Laurito 
und ‘Tribus Serenis’ werden in dem Fragm. de virt. s. Constantii 


c. 10 genannt. 
18* 


n 1 — "@\ Ye A '®/ 
LDIGIIZEA DY NIX, 0g le 


268 Hofmeister, Aus Capri und Amalfi . 


lim®) dux nefandi exercitus), cernens Gallum insulam®), 
quo Arsenius monachus tribus cum monachis et uno tunc 
layco habitabat, cepitexplorarelocum, unde cum suis Conscen- 
deret. Sed illis astantibus?) cum non valeret, iterum huc 
atque illuc conspiciens, tres velociores Ethiopes ex averso°) 
descendere iussit. Qui unus per“) alium ascendentes pro- 
iecerunt funem, et ex inproviso loco super eos irruentes, 
Arsenium occiderunt; unus ex eis latuit. Duos vero mo- 
nachos laycumque unum deportarunt. Simulque altaria beati 
Bartholomei®) commaculantes, quicquid invenerunt, sustule- 
runt secum. Tunc*) iniquus et perfidus Boalim accersitis 
monachis cepit diligenter de Caprea insula explorare, sed 
tunc dissimulavit se velle illuc pergere, quatenus securos 
eiusdem loci incolas faceret, ut subito super eos post- 
modum irrueret®). Dehinc peragrans in Stabi°) descendere 
cupiit, sed non ausus est propter magistrum militum®), qui 
ibi cum suo latitabat exercitu. At retorquens iter in Ru- 
bililanam insulam’?) monasterium®) totum comminuit, altarıa 
scilicet evellens omniaque conquassans. Deinde Neapolim 
venit; sed cum descendere illuc‘) non valeret, in insulam 
devertit Maiorem°), ibique in oppido, quod Giro asseritur 10), 
dira prelia concitans absque lucro recessit. Inter hec die 

») ‘Boalim’ c. 

b) mit ‘astantibus’ beginnt f. 156a c. 

°) Bo C. 

d) p, das f nachträglich c. 

e) ‘irrüeret’ c. 

f) lluo’ c. 

1) Boalim wird im Fragm. de virt. s. Constantii erst etwas 
weiter unten (c. 11, S.253) genannt, 'aber der Sermo de transitu =. 
Constantii führt ihn richtig schon hier ein. 

») Von hier an stimmt S. de virt. c. 10 S. 252 f. überein, 

®) S. oben S. 253 A, 2. 

*) Das folgende in S. de virt. c. 11. 

®) 8. oben S. 253 A.5. 

*) Herzog Sergius III. von Neapel, s. oben S. 244 ff. 

) Revigliano vor der Sarno-Mündung zwischen Castellammare 
und Torre dell’ Annunziata. S. oben S. 254 A.2., 

®») S. oben S. 254 A.3. 

°) Ischia. 

*) 8. oben S. 254 A.b, 


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»! 


Hofmeister, Aus Capri und Amalfi 269 


abscedente et nocte*) adveniente cepit transfretare contra 
Capream insulam. Et cum summa esset celi serenitas, ita 
obnubilata sunt omnia sidera, ut nulla pars celi se visuiP) 
tribueret. Sed grandines velud lapides emergentes, impetus 
quoque vehemens ventorum ita illum cum suo ferali depulit 
exercitu, ut illuc appropinquare nullatenus valeret. T'unc!) 
omnes habitatores ipsius insule pre timore eorum fugerunt 

et in abditis locis se contutaverunt. Quedam anus, que 
fuge subsidium habere non valens, in sua se taberna con- 
strinxerat, et cum pavida sederet valde et timida, audivit 
quasi sonitum pedum advenientium. Tunc tremebunda et 
territa cepit de propria salute desperare, eo quod Sarracenos 
sibi imminere estimaret. Sed Dei favente clementia duos 
precintos°) seniores angelicos ad hostium domus intendit, 
illi clementi vultu talia proferentes: ‘Scias nos esse Üon- 
stantium et Severinum huius insule custodes, et per nostrum 
certamen hinc funditus eiectum Sarracenorum agmen. Et 
ne iam amplius timeas, quia huc venire non possunt.’ Hoc 
autem dicto, protinus absesserunt‘.. Sed tamen dum ob 
hunc metum quidam homo in eadem*®) insula absconsus 
maneret, audivit quasi vocem subtilissime tube. Cumque 
diutius intenderet, ut‘) tam delectabilem sonum audiret, 

et estimaret Sarracenorum esse?) exercitum, audivit 
tumultum hominum ab ecclesia sancti Constantii proce- 
dentium et inter se simul dicentium : ‘Abierunt hinc 
Sarraceni.’. Unde nemo dubitet, quia per sancti Constant 
protectionem sepe ÜOaprea insula a variis pestilentiis liberata 
est. Et non solum ipsa, verum etiam et alie partes 
regionum, que eius sollempnia colunt, omnimodo 
defenduntur et eius tuitione proteguntur. Amen. 


&) mit ‘-te’ beginnt f. 156b c. 

b) “visui’ c. 

°) 80 0. 

d) so c, 

e) ‘eädem’ c, 

f) ‘ut’ verwischt c; mit ‘ut’ beginnt f. 156’a c. 
s) dahinter ein Buchstabe augradiert c. 


ı) Das folgende im S. de virt. c. 12. 


IIILUZEO Dy WU) ogle 


= a Ar Ku Aa a 


270 Hofmeister, Aus Capri und Amalfi 


[X.] Denique*)t!) adiuvante nos misericordia conditoris 
nostri Dei, et gratanter loqui desideramus de amabiliore 
presule et patre nostro Constantio, quem?) in istis nostris 
partibus a Deo nobis donatum credimus. Tempore namque 
vitg sug duos discipulos habuit, quorum nomina hec sunt. 
Unus vocatus est Sergius, alius vero Georgius. Isti enim 
beati discipuli exemplum imitabant‘) magistri, qui cotidie 
illos confortabat‘) ad salutem illorum animarum, ut plus 
corda eorum in eterna secula crescerent, quam in hoc 
mundo divitias possiderent. Quod et factum est. Nam 
iam diecti discipuli sic observabant monita sancta et pre- 
cepta sua, ut non solum hominibus perfecti viderentur, sed 
etiam omnipotenti Deo placerent. Tunc ipse sanctus Con- 
stantius dilexit eos nimis, ita ut preciperet‘) ministris suis 
ac diceret : ‘Obsecro vos, karissimi fili, ut ista mea col- 
loquia abscultatis‘), id est?) post finem meum, ubi me sepe- 
lieritis, ibi post migrationem horum amborum meorum dis- 
cipulorum in sepulchro meo, ubi et ego requiesco, sepelite 
et ipsos, ut veniat mihi unus ad dexteram et alius ad si- 
nistram partem. Me äutem intermedium illorum dimittite.' 
Ita factum est, ut ipse sanctus preceperat in eo ordine. 

(uodam vero tempore, cum*) miracula, que Dominus 
ostenderat per sanctum servum suum ÜConstantium ®pisco- 
pum, ab hominibus divulgarentur per orbem terrarum, 

homo quidam habitator civitatis Beneventane nobilis 
et dives fuit, qui‘), cum esset ardentissimus et desideran- 
tissimus de corpore beati Constantii, et cogitaret, quo- 
modo illum de ipsa insula Caprea raperet. Tunc finxit se 


a) grosse Initiale c. 

b) ‘quem’ auf Rasur c. 

°) 80 c. 

d) auf Rasur c, 

e) mit ‘-peret’ beginnt f. 156’b c. 

f) so c.; = auscultetis,. 

&) “i.. auf Rasur. c. 

h) ‘sum’ über der Zeile von derselben Hand c. 

1) ‘q’ über der Zeile und das folgende ‘Oum’ mit grossem An- 
fangsbuchstaben c. 


ı) Das folgende steht in keiner Beziehung mehr zu dem Fragm. 
de virtute s. Constantii. 


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Hofmeister, Aus Capri und Amalfi >71 


venire ad orationem in ipsam insulam ad basilicam sancti 
Constantii. Attulit enim ibidem incensum et dona, sicut 
mos est Christianis hominibus, qui ad orationem vadunt. 
Et petierunt custodem aule illius, ut ibi manerent nocte 
eadem‘*) intus basiliceP) eius. Quod et factum est. Tunc 
intempesta*) noctis silentio!) surrexerunt et aperuerunt tu- 
mulum, ubi corpus sanctissimi Oonstantii requiescebat cum 
ipsis duobus discipulis®)...... 


a) ‘eädem’ c. 

b) 80 c. 

°) dahinter ein Buchstabe ausradiert c. 

d) damit endet f. 156°. Der Schluss ist verloren. Es hat schon 
eine ältere Hand bemerkt: ‘Deficiunt non pauca’ c. 


1) 3. Reg. 3,20: “Et consurgens intempestae noctis silentio... 

Anmerkung 3 zu S. 250: 

®) Die vielen Verstösse gegen Grammatik und Syntax sind 
natürlich nicht verbessert worden, obwohl an manchen Stellen 
auch der Text verderbt sein kann. Z.B. würde dem Sinn mehr 
entsprechen S. 257 Z. 16 ‘unicus’ statt ‘unitus’, S. 263 Z.1 ‘sinat 
oder ‘me sinat’ statt ‘desinat’, S. 262 2.20 ist ‘se’ vielleicht zu 
streichen. Zu ‘prefartus’ S. 259 2.6 und S. 263 Z.9 vgl. Forcellini 
De Vit, Totius Latinitatis Lexicon IV (1868) 792 s. v. praefertus. — 
S.270 Z.22 kein Absatz bei ‘Quodam’ c. — Die griechischen Acta 
Thomae (S. 264 A.3 Ende) sind neu herausgegeben von Bonnet in 
Acta apostolorum apocrypha, denuo ed. R. A. Lipsius et M. Bonnet 
I 1, Leipzig 1903, die Stelle steht dort S. 105 fe — Hingewiesen 
sei noch auf eine Anzahl Bibelstellen: zu S. 251 2.13 f. u. öfter: 
contaminare nicht selten in der Vulg., z. B. 1.Mach. 1,39, 3,bl, 4,46, 
64, 14,36; S.251 2. 1df. u. 254 2. 3£.: 2. Par. 30,14: ‘destruxerunt 
altaria, quae erant in Jerusalem, atque universa .. . subvertentes, 
proiecerunt in torrentem Cedron’, auch 31,1 u. 3. Reg. 19,10.14 u. ö,; 
251 Z.18: Rom. 11,3: ‘Domine, ... altaria tua suffoderunt’; 251 
2.21: Ps. 85,14: “iniqui insurrexerunt super me’; 252 2.8: Ezech. 
13,5: ‘Non ascendistis ex adverso’; 252 Z.9: Jos. 8,16: ‘At illi vo- 
ciferantes pariter ... Cumgque recessissent a civitate ...’; 255 2.6: 
Marc. 4,37: ‘Et facta est procella magna venti’; 255 Z. 18 u. 269 
2.10 f.: 3. Reg. 14,6: ‘audivit Ahias sonitum pedum eius introeuntis 
per ostium’, auch 4. Reg. 6,32; 255 Z.19 u. 269 Z. 11: Hebr. 12,21: 
‘Moyses dixit: Exterritus sum et tremebundus’; 256 Z.1 u. 269 
Z.21: Dan. 3,7: ‘audierunt omnes populi sonitum tubae’; 262 2. 15: 
Ps. 3,2: ‘multi insurgunt adversum me’; 262 Z. 19: Deut. 19,6: ‘ne 
forsitan proximus eius . . . dolore stimulatus persequatur .. .'; 


, 


262 2.21: Act. 8,23: ‘In felle enim amaritudinis . . .; 264 Z.1 £.: 


u 


272 Hofmeister, Aus Capri und Amalfi 


Exod. 5,3: ‘ne forte acoidat nobis pestis aut gladius’; 264 2.7: Ps. 
147,15: ‘Qui emittet elogquium suum terrae’; 266 Z. 21: 4. Reg. 19, 
28: “Insanisti in me, et superbia tua ascendit in aures meas’; 267 
Z.18: 1. Mach. 3,51: ‘et sancta tua conculcata sunt’; 268 Z. 22: 1. 
Esdr. 4, 19: ‘et proelia concitantur in ea’ (so. in civitate Jerusalem); 
270 2.19 £.: Maro. 10,37: ‘Da nobis, ut unus ad dexteram tuam et 
alius ad sinistram tuam sodeamus in gloria tua’. — Den Codice di- 
plomatico Amalfitano von R. Filangieri di Candida (1918) habe ich 
erst bei der Korrektur dieser vor Jahren fertig gestellten Arbeit im 
März 1923 und nur dem Titel nach kennen gelernt (vgl. Neues Ar- 
chiv d. Ges. für ält. deutsche Gesch. 44 8. 420 Nr. 447). Auch die 
neueren Bände des Arch. stor. Nap. habe ich noch nicht gesehen. 
Eine ausführliche Beschreibung der Wiener Hs. lat. 739 habe ich m- 
zwischen im Münchener Museum IV 2 S. 129 ff. veröffentlicht. Zu 
S. 243 vgl. jetzt Byzantinisch-Neugriechische Jahrbücher I (1920) 
S.113 fl. | 


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Greifswald. Adolf Hofmeister. 


Bemerkungen 
zu späteren lateinischen Schriftwerken. 


Meinen Gönnern, Freunden und Schülern aus dem 
Orden des hl. Benedictus in Verehrung, Dankbar- 
keit und Treue gewidmet. 


Zar a ai a 


I. Zur Schrift von den dreierlei Früchten des ehristliehen 
Lebens. 


In der von R. Reitzenstein aus einer Münchener und 
einer Würzburger Handschrift herausgegebenen frühchrist- 
lichen — aber doch wohl nachcyprianischen — Schrift von 
den dreierlei Früchten des christlichen Lebens (vgl. über 
sie Jetzt Hans v. Soden bei Schanz-Krüger, Gesch. d. röm. 
Lit. III® S. 383 ff.) findet sich S. 80, 162 f. (Zeitschr. f.d. 
neutestamentl. Wissensch. XV, 1914) folgende Stelle: zarzz 
et Christus, patri,<cum> placeret, ut passionem perficeret, 
sanguinem effudit, sed sanctificalum, et semet ipsum in 
testimonium perditum. Statt des korrupten letzten Wortes 
vermutet Reitzenstein pro nobis dedit, E. Schwartz nur 
dedit. Sollte der unbekannte Verfasser nicht vielmehr s.2. 2. £. 
impendit geschrieben haben? Das vorausgehende Wort 
festimonium lässt sowohl den Ausfall der ersten Silbe als 
die unrichtige Hinzufügung der Endung urz begreiflich er- 
scheinen. Für se impendere vgl. Prud. peristeph. II 17 fi. 
armala pugnavit fidess...nam morte mortem diruit ac 
semet inpendit sibi. 


II. Ausonius und das Christentum. 
In den ziemlich lebhaften Verhandlungen über die 
Stellung des Dichters Ausonius zum Christentum (vgl. die 
Literaturangaben bei Schanz, Gesch. d. röm. Lit. IV 1? 
S. 42) ist m. W. das erste Epigramm auf die Kuh des Myron 
(56 p. 211 Schenkl = 68 p. 337 Peiper) nicht berücksichtigt 
worden. Es beginnt folgendermassen: 
Bucula sum, caelo genitoris facla Myronis 
aerea: nec factam me puto, sed genitam 
und berührt sich im zweiten Verse, wie längst festgestellt 
worden ist, sehr nahe mit dem durch die Pfälzer Anthologie 
IX 726 erhaltenen Epigramm des Antipatros von Sidon: 
"A Boös & tixtouo” and yaorepog Eniaoe töy Boüv. 
& ö& Müpwvog xelp ob mAdoEv, KA) Erexev. 


Digtized d, (SOOGIE Be 


Weyman, Bemerkungen zu spät. lat. Schriftwerken 275 


Aber trotz des engen Anschlusses an das griechische 
Vorbild, mag dieses nun gerade das angeführte Gedichtchen 
(kombiniert mit dem Eingang von IX 713 ‚BolöLöv ein: 
Möpwvos’) oder ein diesem stark ähnliches und die gleiche 
Pointe enthaltendes gewesen sein, wahrt Ausonius seine 
Selbständigkeit. Er gibt nigrreıv mit facere wieder, obwohl 
ihm das metrisch gleichwertige fingere zu (Gebote stand, 
er ersetzt den Begriff des Gebärens durch den des Zeugens 
und er lässt die beiden Verba im Part. perf. pass. als 
Prädikatsakkusative zu einem Verbum des Glaubens treten. 
Hat er damit eine bestimmte Absicht verfolgt? So oft ich 
den Vers lese, kommt mir das genitum, non factum 
aus dem Uredo der römischen Messe d.h. aus der lateinischen 
Uebersetzung des Symbolum Nicaeno-Constantinopolitanum 
in den Sinn und ich möchte glauben, dass sich auch die 
zeitgenössischen christlichen Leser des Ausonius an den 
entsprechenden Artikel eines älteren, etwa des nizänischen 
Symbols erinnert fühlten!) und dass es bewusste Absicht 
des Dichters war, diese Erinnerung wachzurufen. Freilich 
wird in den zahlreichen lateinischen Uebersetzungen des 
nizänischen Glaubensbekenntnisses (©. H.Turner, Eecl. occid. 
monum. iur. antiquiss. I p. 174 f. und 283 ff.; vgl. auch den 
Text der Collectanea Antiariana Parisina im Wiener Hilarius 
IV p. 150) fast ausnahmslos das griechische yevvndevra, oü 
romdevr« mit nalum, non factum wiedergegeben — nur in 
zwei Handschriften des ‚Symbolum Nic. e fide concilii Chal- 
cedonensis ad fidem actionis quintae proposita teste sylloge 
Rustici’ bei Turner a. a. O. p. 316 und in der Epistula Jo- 
hannis (Antiocheni) ad Proclum (ÜCollectio Oasinensis pars II 
287 ed. Ed. Schwartz, Acta conecil. oecumen. tom. I vol. IV 
p- 209, 32) steht genitum, non facltum —, aber das bildet kein 
ernstliches Hindernis für meine Annahme, denn bei Ausonius 
dürften schon metrische Erwägungen — sed nalam wäre 
als Pentameterschluss unmöglich?) — für die Bildung der 


ı) Im sogen. Symbolum Athanasianum heisst es: ‚non faotus, 
nec creatus, sed genitus’. 

2) Als elegant galt freilich auch schliessendes Trisyllabum nicht. 
Vgl. Christ, Metrik S. 209°; Birt, Philol. Wochenschr. 1923, 124. 


276 Weyman, Bemerkungen zu spät. lat. Schriftwerke n 


Antithese mit facius und genitus massgebend gewesen sein. 

Dass die Anspielung auf die christologische Lehre in einem 
Epigramm auf die Myronische Kuh so unpassend wie mög- 
lich ist, wird man nicht bezweifeln wollen. Aber ich erblicke 
in ihr keine Bosheit des Dichters, sondern nur eine Ge- 
schmacklosigkeit, die sich der Art und Weise, wie er am 
Schlusse seines Griphus ternarii numeri (v. 88 p. 132 Sch. — 
p. 205 P.) auf das Trinitätsdogma Bezug nimmt (Zer bibe, 
tris numerus super omnia, tris deus unus) würdig an die 
Seite stellt. 


III. Claudianus über den Tod des Rufinus. 


Rufinus, der lange Zeit allmächtige Minister Ostroms, 
fällt einer Militärverschwörung zum Opfer. Ein Soldat ver- 
setzt ihm einen tödlichen Stich, dann fallen die andern über 
ihn her: 

hi vultus avidos et adhuc spiranlia vellunt 
lumina, truncatos alii rapuere lacertos. 

So Claudianus in seiner poetischen Inyective gegen 
Rufinus II 410 f. Der erste dieser beiden Verse ist mehrfach 
beanstandet worden. Schrader schlug für spirantia spectantia 
vor, offenbar weil ihm spirantia als Epitheton zu /umina 
anstössig erschien. Birt liess zwar spirantia lumina, zu dem 
er Einnius ann. 5lO M. semianimesque micant oculi ver- 
glich, unangetastet, vermutete aber für valius avidos, wenn 
er es auch im Texte beibehielt, vivos vulius oder vullus 
vivos, wahrscheinlich weil es ihn befremdete, dass der Dichter 
zu dem ersten der beiden durch eZ verbundenen nomina 
'ein dem ethischen, zu dem zweiten ein dem physischen 
Gebiete entnommenes Beiwort gesetzt haben sollte. Man 
könnte daran denken, jeden Anstoss dadurch zu beseitigen, 
dass man spirantia zu sperantia änderte bezw. als sperantia 
deutete?), aber es hiesse doch den Dichter in einen zu starken 
Widerspruch mit sich selbst verwickeln, wenn man ihn die 
Augen des schon mit dem Tode ringenden Rufinus als 
adhuc sperantia bezeichnen liesse, nachdem er wenige Verse 
zuvor (391) von dem noch unverletzten gesagt hatte: 


!) sperans als Epitheton eines Körperteils z. B. bei Lucan V 355 
speranlis omnia dextras. 


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Weyman, Bemerkungen zu spät. lat. Schriftwerken 977 


deriguit. spes nulla fugae. Da dürfte die Annahme mehr 
für sich haben, dass der Alexandriner Olaudianus zur An- 
wendung des Ausdrucks spirantia lumina, der tatsächlich 
eine leichte Katachrese enthält, dadurch veranlasst worden 
sel, dass ihm — möglicherweise neben der oben erwähnten 
Enniusstelle — der Vers eines älteren Dichters in der Er- 
innerung haftete, in dem das in der Verbindung mit /umina 
etwas auffällige Partizipium vollkommen am Platze war. 
Man denke z.B. an Statius Theb. IV 466 f., wo es von der 
ihrem Vater Teiresias beim Opfer behilflichen Manto heisst: 
semineces fibras et adhuc spirantia reddit viscera.*) 
Allerdings bringt uns gerade diese Stelle, in der sich sernineces 
und adhuc spirantia aufs beste entsprechen (vgl. VI 220f.), so 
recht die wenn ich so sagen darfinnere Inconzinnität der bei- 
den Epitheta in unserem Olaudianverse zum Bewusstsein, aber 
das erste (avidos)?) darf nach dem ganzen "Tenor des Ge- 
dichtes — Rufinus erscheint ja als Verkörperung der Hab- 
sucht — ebensowenig, ja noch weniger angetastet werden, 
als das zweite. 


IV. Das Gedicht des Severus Sanctus Endelechius De 
mortibus boum. 

‚Anlehnung an dichterische Vorbilder ist gering‘. So 
G. Krüger in dem seine Darstellung der christlich-lateinischen 
Poesie bei Schanz, Gesch. d. röm. Lit. IV2 S. 360 f. er- 
öffnenden Abschnitt über das carmen de mortibus boum des 
Severus Sanctus Endelechius (folgen ein paar Stellen aus 
Vergil und Ovid, die mit einer Ausnahme schon von Manitius, 
Gesch. d. christl.-lat. Poesie S. 260 Anm. 3 angeführt sind). 
Ich hatte mich mit dem gar nicht üblen, zuletzt m. W. in 
der zweiten Bearbeitung von Rieses Anthologia Latina als 
Nr. 893 abgedruckten Gedichte?) nicht näher beschäftigt, 

1) spirantia exta schon bei Vergil. Kühner bereits Lucan III 732 
spirantes artus. Vgl. Sil. I 121. 

2) Die Lesart der Exzerpte ravidos (bezw. rabidos) vultus 
kommt nicht in Betracht. — Ungenau ist die Uebersetzung von 
M. Platnauer in der Claudianausgabe der Loeb Classical Library 
vol. I (1922) p. 89 ‚They stamp on that face of greed and white yet 
he lives, pluck out his eyes‘. 

®) Die Spezialausgabe von Piper, Göttingen 1835, war mir nicht 
zugänglich. 


RE LOOgle 


_ 


278 Weyman, Bemerkungen zu spät. lat. Schriftwerken 


als ich eine Korrektur von Krügers Abriss las, und habe den 
Satz unbeanstandet passieren lassen. Eine eingehende Ver- 
gleichung des Gedichtes hauptsächlich mit Vergil, dessen 
erste Ekloge, wie längst erkannt, dem christlichen Bukoliker 
den Rahmen geliefert hat (der Hirt Bukolus, dessen Herde 
der Seuche zum Opfer gefallen, entspricht dem zur Aus- 
wanderung genötigten Meliboeus, Tityrus, dessen Herde 
durch das Zeichen des in den grossen Städten verehrten 
Christus geschützt worden, dem gleichnamigen Hirten bei 
Vergil, dem der ‚Gott‘ im grossen Rom das Verbleiben in 
der Heimat gestattet hat), und mit Horaz, dem die metrische 
Form entlehnt ist (3 Asklepiadeen + Glykoneus wie bei 
Hor. carm. 16, I15, I24u.ö.) hat mich inzwischen eines 
anderen belehrt. 

Carm. de mort. 1 f. guidnam solivagus, Bucole, tristia 
demissis graviter luminibus gemis? Mit einer 
ähnlichen Frage beginnt die 4. Ekloge des Calpurnius: guid 
tacitus, Corydon, vultuque subinde minaci — insueta statione 
sedes? (nachgeahmt vom Dichter der Bucolica Einsidlensia 
II1 bei Riese, Anthol. Lat. 726). — Verg. Georg III 226; 
Aen. 1465; V 869; XII886 multa gemens, Aen. XI865 
extrema gementem; Ovid her. VIII 107 acerba gemen- 
tem. — Aen. XII 220 demisso lumine, vgl. Ovid. her. 
XV 225 /Zumina demitto. — Aen. 11223 graviter 
gemitus imo de pectore ducens,; Culex 386 graviter 
regementem (ÖOptat. Porf. carm. 23, 1 ed. L. Müller 
ingemui graviter). 

Oarm.3 cur manantlacrimislargifluis genaet 
96 keu cur»Hor. carm. IV 1,33 f. sed cur, heu Ligurine, 
cur manat rara meas lacrima per genas? \el.C. 
Hosius zur Octavia 692. — Zargifluus schon bei Lucret. 
V 598. 

Oarm. 5 f. Aegon, quaeso, sinas alta silentia aegris 
me penitus (vgl. 17; 41) condere sensibus on Verg. 
Aen. X 63 (Ovid met. 1349; Calp. II 17) alia silentia.— 
Hor. carm. I 13,8 peniztus an gleicher Versstelle. — Verg. 
ecl. III 54 sensidus haec imis-reponas, dazu Hosius 
und Wochenschr. f. klass. Philol. 1917 Sp. 870. 


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Weyman, Bemerkungen zu spät. lat. Schriftwerken 279 


Carm. 11 ef guicequid tegitur, saeviusincoquit« 
Seneca Agam. 664 fi. /Jacrimas lacrimis miscere iuvat: magis 
exurunt quos secretae lacerant curae. Zu incoqguit 
(wofür Baehrens id coguit schreiben wollte) vgl. z. B. Ovid 
Ibis 186 Zertia (furia) fumantes incoquet igne genas und 

- dazu Ellis p. 113. 


Carm. 13 fi. scis, Aegon, gregibus quam fuerim 
potens, uttolis pecudes fluminibusvagaecomple- 
rent eliamconcavavallium, campos et iuga mon- 
tium«Üalp. 1II65 fl. scis, optima Phylli, guam numerosa 
meis siccelur bucula mulctris etc.; Verg. ecl. 1I20 guam 
dives pecoris (Hor.epod. 15, 19 pecore-dives). — Hor. carm, 
III 13,12 pecori vago; Verg. Aen. X1273 fluminibus- 
que vaganlur aves; ÜOulex 48 ff. (capellae) iam silvis du- 
misque vagae, iam vallibus abdunt corpora iamque 
omni celeres e parte vagantes tondebant etc. — Verg. 
Georg. II 891 complentur vallesque cavae;, II 186 
cava monlis convalle; Ovid met. VIII 334 concava 
vallis erat. — Lucret. V 1375 per tumulos etconvallis 
camposque profusa. — Verg. ecl. V 76; Ovid met. X 172 
zuga montis. 

Carm. 17 ff. nunc lapsae penitus spes et opes meae 
ef longus peperit quae labor-perdita biduo » Belege 
für die seit Plautus nicht seltene Verbindung von spes und 
opes bei Wölfflin in seinem Archiv I (1884) S. 387 und III 
(1886) S. 457. — Verg. Georg. 1293 Zlongum-laborem 
(Ovid met. VI 340). 

Carm. 21 dira lues serpere dicitur & Ovid met. VII 523 
dira lues (incidit); XV 626 (Val. Fl. II 291; Sil. V 623). 

Carm. 24 cursu nos quoque nunc petit (lues) » 
Verg. Aen. III 253 /Zaliam cursu petitis. 

Carm. 25 ff. sed fu, qui solilus nosse salubribus su- 
cis perniciem pellere noxiam, cur non — admosti me- 
dicas manus? «& Verg. Aen. XII418f. salubris am- 
brosiae sucos. — Verg. Georg. II 455 medicas adhibere 
manus (Aen. XII 402 manus medica); Tibull IV 4,4 me- 
dicas applicuisse manus; Ovid met. XV 218 arlifices 
nalura manus admovilt. 


c Is 
: : } L_-(NINOIC 
| igitized by KL IU) 2 IC 


280 Weyman, Bemerkungen zu spät. lat. Scohrifty erken 


Carm. 30 f. quod corripit, id morbus et opprimit: 
nec languere sinit nec patitur morasw \erg. Georg. III 
AT1£. nec singula morbi corpora corripiunt. — Seneca 
Herc. (fur.) 588 nec palitur moras (ebenfalls zweite Hälfte 
des Asclepiadeus); vgl. Hosius zur Octavia 365. 

Carm. 33 ff. plaustris subdideram fortia corpora lec- 
torum — boum, queis mentes geminae, consona Ein- 
nulo concentu crepitacula, aelas consimilis saelague 
concolor, mansuetudo eadem, robur idem fuit et fatum: 
medio nam ruit aggere par victum parili nece » Verg. 
Aen.I 101; VIII 539; XII 328 fortia corpora; Ovid met. 
V1322f. lectos— boves; Verg. Aen. II18 delecta vi- 
rum — corpora; Georg. III 369 corpora magna boum 
(Aen. XI 197). — Ovid met. VII 538 f. concidere infelix va- 
lidos miratur arator inter opus tauros me dioqgue recum- 
bere sulco. — Ueber die beliebte Häufung der Begriffe der 
Gleichheit oder Aehnlichkeit vgl. Landgraf zu Cicero pro 
Rosc. Am, 118 S. 222 f.? und Lit. Centralbl. 1914 Sp. 664. 
Speziell zu v. 37 vgl. Priap. 37, 12 conpar consimilisgue 
concolorgue. 

Oarm. 42 largis pulris erat glaeba liquoribus“o 
Verg. Georg. 143 f. cum montibus umor liquitur ef ze- 
phyro putris se glaeba resolvit. 

Carm. 45 ff. /aevus bos subito labilur impetu, aes- 
las quem domitum viderat altera. tristem continuo 
disiugo coniugem .... dicto sed cilius consequilur 
necem .... tunc longis qualiens ilia pulsibus victum 
deposuit caput » Verg. Georg. III 5l5 ff. ecce auten duro 
fumans sub vomere taurus concidit — extremosque ciet ge- 
milus. it tristis arator maerentem abiungens [raterna 
morte iuvencum (folgt die Schilderung der Erkrankung und 
des Todes des zweiten Stieres).. — Lucret. VI334 celeri 
volat impete labens (Min. Fel. Oct. 3,6). — Verg. Aen.I 
265 Zertia dum Latio regnantem viderit aestas. — 
Aen. 1142 u. ö. (Otto, Sprichw. S. 112) dicto citius. — 
Georg. III 506 f. imaque longo ilia singultu tenduni 
(equi); Aen. IX 415 Zongis singultibus ilia pulsat. 

Carm. 54 f. damnis quippe luis non secus ac meis 


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Weyman, Bemerkungen zu spät. lat. Schriftwerken 281 


u” pectus conficitur «n Verg. Georg. III 346 u.ö. non secus 


s 


ac; Hor. carm. III 25,8 non secus in iugis als zweite 
Hälfte des Asklepiadeus. 

Carm. 58 nam solamen erat vel minimum maliw 
Verg. Aen. III 661 so/amengue mali; vgl. Hosius zur 
Octavia 69. 

Carm. 62 vidi ego cernuam (iunicem) » Hor. carm. 
IH 5,21 vidi ego civium (bracchia) als zweite Hälfte des 
alkäischen Elfsilblers. 

Carm. 63 f. vidi animas duas unoincorpore per- 
ditas “n Ovid fast. IV 666 dei sacris animas una iu- 
venca duas; met. II 609 duo nunc moriemur in uno 
(Worte der von Apollo schwangeren Koronis); her. XI 60 
vive nec unius corpore perde duos. 

Carm. 65 ff. kic fontis renuens, graminis im- 
memor erral succiduo bucula poplite, nec longum re- 
fugit, sed graviter ruitw Verg. Georg. III 498 t. Zabitur 
infelix studiorum alque immemor herbae victor equos 
fonlisque avertitur (ecl. V 25f. nulla neque amnem 
libavit quadrupes nec graminis atligit herbam; Nemes. II 
29 f. nulla meae Lrinis teligerunt gramina vaccae luciferis, 
nullo libarunt amne liquores) ; Hor. carm. 115,30 graminis 
immemor an gleicher Versstelle. — Ovid met. X 458 (at 
illi) poplite succiduo genua intremuere; vg]. her. XII 
24 succiduo—genu. — Verg. Aen. V 447f. (Entellus) 
gravitergue ad terram pondere vasto concidit (Lucret. 
VI 758; Ovid ex Pont. IT, 49). 

Carm. 69 f. at parte ex alia, qui vitulus modo las- 
civas saliens texuerat (nexuerat Ziehen) vias«n Verg. 
Aen. X 362 (Catull LXIV 251; Stat. Theb. IV 345 u. ö.; 
vgl. A. Cramer, Dissert. philol. Argentorat. VII [1882] p.112) 
at parte ex alia. — Aen. V 593 (von den die Reiter- 
quadrille aufführenden jungen Trojanern) Zeruntgue fu- 
gas et proelia ludo. — Ovid met. VII 321 (von einem zum 
Lamm verjüngten Bock) Zasciviique fuga. 

Oarm. 73 f. mater tristificovulnere saucia, ut vidil 
vituli condita lumina » Sen. Herc. (fur.) 564 effugit 
tenui vulnere saucius (Verg. Aen. XII5D saucius üle 

Münchener Museum für Philologie des MA. IV,3. 19 


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982 Weyman, Bemerkungen zu spät. lat. Sohriftwerk an 
gravi venantum volnere). — Verg. Georg. IV 496 condit- 
que naltantia lumina somnus; Aen. XI 310 iz zeternam 
conduntur lumina noctem; Prop. IV 11,64 condita sunt 
vestro Jumina nostra sinu. 

Oarm. 77 ff. Zunc tamguam metuens, ne sitis aridas 
fauces opprimeret, ....admovit;<moriens> ubera mortuo 
n Verg. Aen. II 358 faucibus expectant siccis (IX 64 sx- 
cum sanguine gultur); Hor. epod. 14,4 arente fauce. — 
Verg. Aen. IV 367 FAyrcanaeque admorunt ubera tigres. 

Carm. 81 ff. hinc taurus solidi vir gregisetpater, 
cervicis validae frontis et arduae, laetus dum Si- 
bimet plus nimio placet, prato concidit herbido » Ovid 
ars am. 1522 virque paterqgue gregis; Verg. ecl. VIIT 
vir gregis ipse pater (Lydia 28 felix faure, pater 
magni gregis et decus). — Georg. IIl52 cui plurima 
cervix;, III 79 illi ardua cervix; Aen. V 567 fröntemgue 
ostentans arduus altam. — Hor. carm, I 33,1 plus nimio 
an gleicher Versstelle. — Prudentius cathem. V 121 prata 
per herbida. 

Carm. 85 ff. uam multis foliis silva cadenti- 
busnudatur gelidistacta agutlonibus, tam crebrae 
pecudum neces » Verg. Aen. VI 309f. guam multa in 
silvis autumni frigore primo lapsa cadunt folia; Hor. 
carm. Il 9,6 ff. auf aguilonibus querqueia Gargani la- 
borant et foliis viduantur orni (Ovid ars am. III 161. 
raptique aetate capilli ut borea frondes excutiente 
cadunt). Mit anderem Vergleiche Ovid met. VII 584 fi. gu0 
se cumque acies oculorum flexerat, illic vulgus eraf Stra- 
ium, veluti cum putria motis poma cadunt ramıs agılata- 
que ilice glandes. — Ovid met. X 77 pulsumqgue agui- 
lonibus Haemum. — Ovid fast. IV 643 gelidis agui- 
lonibus. 

Carm. 93 fl. iam circum volitant agmina tristium di 
rarumque avium iamque canum greges insistunt laceris 
visceribus frui. Anders Ovid met, VII 549f. mira loguar, 
non illa (corpora) canes avidaeque volucres, non cant Ie- 
tigere lupi. 

Carm. 1O1f. dic age, Tityre: quis te subripuif cla 


ai 
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Weyman, Bemerkungen z. spät. lat. Schriftwerken 9283 


dibus his deus » Hor. carm. II 11,22 und III 41 dic age 
am Beginn der zweiten Hälfte des alkäischen Elfsilblers 
(sonst gern im Hexametereingang). — Verg. ecl. I18 sed 
Zamen iste deus qui sit da, Tityre, nobis. 

Carm. 107 f. Christus perpetui gloria numinis, cuius 
filius unicus » Prud. cathem. V 157 ff. per Christum 
genilum, summe pater, iuum, in quo visibilis stat Libi 
gloria, qui noster dominus, qui fuus unicus. 

OCarm. 109. hoc signum (crucis) mediis frontibus ad- 
delum cunclarum pecudum certa salus fuit » Ennodius 
CDLXX (carm. 2,7) 3 f. p. 326 Vogel ei guod supplicii spe- 
cies etmorlis imago iam fuerat miseris,est mihiccerta salus. 

Carm. 117 f. non ullis madida est ara cruoribus nec 
morbus pecudum caede repellitur »& Hor. carm. II 1,5 
bildet cruoribus den Schluss des alkäischen Elfsilblers. 
— Hor. carm, III 23,14 multa caede bidentium. 

Carm. 126 guin age, Bucole » \erg. ecl. III 52; 
Georg. IV 329 u.s.w. quin age im Hexametereingang. 
Vgl. Wochenschr. f. klass. Philol. 1917 Sp. 870. 

OCarm, 129 ef me consiliis iungite prosperis »\ erg. 
Aen. V T12 hunc cape constiliis socium et coniunge 
volentem. 

Carm. 131f. signum prosit idem perpete saeculo, 
quo vis morbida vincitur n Optat. Porf. 15,12 perpe£uis- 
saeculis; Prud. cathem. V 164 Zerens perpetuis saecula 
saeculis — vis morbida bezw. morbida vis bei Lu- 
eret. VI 1092; 1152; 1224 (Pestschilderung). 

Diese Zusammenstellung, in die auch etliche nur als 
Parallelen, nicht als Vorbilder in Betracht kommende Stellen 
(z. B. aus dem zeitlich späteren Ennodius) aufgenommen 
wurden, dürfte die Benützung von Vergil, Horaz (Oden), 
Ovid und Seneca (Tragödien) durch den christlichen Bu- 
koliker erwiesen haben. Zweifelhaft ıst seine Bekannt- 
schaft mit Lucrez, noch zweifelhafter die mit Prudentius. 
Denn erstens sind die (wie es scheint auf Cathemerinon V be- 
schränkten; s.aber u.S.305) Anklänge an sich nicht sonderlich 
stark, zweitens maclıt die Chronologie Schwierigkeiten, Denn 
wenn es auch als äusserst wahrscheinlich — um nicht mehr zu 


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284 Weyman, Bemerkungen zu spät. lat. Schriftwer en 


sagen — gelten darf, dass der Gesamtausgabe der Pru- 
dentianischen Dichtungen vom Jahre405 Einzelpublikationen 
vorhergegangen sind (vgl. Schanz, Gesch. d. röm. Lit. TV 1? 
S. 236), so ist es doch sehr fraglich, ob schon um 386 ein- 
zelne Lieder des Cathemerinon verbreitet waren. Um diese 
Zeit aber muss Severus Sanctus Endelechius gedichtet 
haben, wenn, wie man mit gutem Grunde annimmt, die 
von ihm geschilderte Seuche die nämliche ist, wie die von 
Ambrosius in seiner Auslegung des Lukasevangeliums X 
10 p. 458,23 f. Schenkl und vom Verfasser der Schrift De 
similitudine carnis peccati!) (G. Morin, Etudes, Textes, 
Decouvertes I p. 104 f.; 107) erwähnte. 


V. Zu Paulinus von Nola und Cyprian. 


Paulinus von Nola schildert in seinem 24, Gedichte, 
wie das Schiff, auf dem sein Freund Martinianus fuhr, bei 
Windstille und heiterem Wetter und ohne auf ein Riff zu 
stossen), leck wurde: 

caelum serenis enitebat nubibus, 

astris renidebat mare (v. 105 £.). 
Die serenae nubes haben das Befremden einiger Heraus- 
geber erregt. Rosweyd vermutete vullibus für nubibus, 
Hartel dachte an caelum serenum sine nitebat nubibus. Es 
zeigt sich auch hier wieder, dass der Einfluss Vergils auf 
die spätere Poesie nicht hoch genug eingeschätzt werden 
kann. Paulinus hatte in den Georgika I 461 fi. gelesen: 
denique quid vesper serus vehat, unde serenas ventus agat 
nubes, quid cogitet umidus auster, sol libi signa dabit 
und es ist eine Frage für sich, ob hier das überlieferte°) 
und von Nonius mit siccas erklärte serenas die echte, ur- 
sprüngliche Lesart ist oder ob sich in ihm das (von Reiske 
vermutete) Partizipium serenans verbirgt (vgl. Ribbecks 
adnotatio in der 2, Aufl. der grossen Ausgabe und Prole- 

1) Nach Morins Ansicht Pacianus von Barcellona, wogegen sich 
eine (leider noch nicht gedruckte) Münchener Dissertation wendet. 

2) non venlis acla, non saxis inpulsa, wie Tacitus ann. XIV6 
von dem für die Beseitigung der Agrippina konstruierten Schiffe sagt. 


») Nur im Bernensis 165 steht von erster Hand serenus, was 
auch Schrader vermutete. 


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Weyman, Bemerkungen zu spät. lat. Schriftwerken 285 


gomena p. 453). Auch Hrotsvitha von Gandersheim mag 
sich dieser Stelle erinnert haben, als sie in ihrem Gedichte 
De ascensione domini 96 p. 32 v. Winterfeld den Oelberg 
subito cum nube sereno (sic!)*) sich bedecken liess. Mir 
selbst war leider die Vergilstelle nicht gegenwärtig, als ich 
im Neophilologus 1921 bei Cyprian de mort. 8 p. 301,22 H. 
in dem Satze guando imbrem nubila serena suspendunt, 
omnibus siccitas una est für n.s. innubila serena vor- 
schlug, aber ich glaube auch, nachdem ich auf sie auf- 
merksam geworden bin, an meinem Vorschlag festhalten 
zu dürfen, ja zu müssen. Die Herstellung von innubila 
wird hier gefordert durch den Gedanken (man weist auf 
den wolkenlosen Himmel hin, wenn man die Ursache langer 
Trockenheit angeben will, nicht auf „trockene“, d. h. regen- 
lose (arida nubila Verg. Georg. III 197 f.) oder lichte Wol- 
ken), durch den Sprachgebrauch Oyprians, der doch schwer- 
lich Ad Demetr. 2 p. 352,9 guodque imbres et pluvias se- 
rena longa suspendant ‚serena’ als Substantivum und an 
der anderen Stelle als Adjektivum gebraucht haben wird, 
endlich durch den feststehenden Gegensatz von nubilus 
(um) und serenus(um), für den ich ausser den a. a. O. bei- 
gebrachten Belegen noch anführen kann Manilius I 819 
nubila cum longo cessent depulsa sereno; Seneca Oedip. 
45 f. Zristisgue mundus nubilo pallet die, nullum sere- 
nis noctibus sidus micat; Plin. epist. II 17,7 qui (venti) 
nubilum inducunt et serenum .... eripiunt;, Pacatus 
paneg. 25,4 p. 111,17 f. Baehrens iun. serenos ergo nu- 
bilis mentibus vultus induebamus; Prudentius peristeph.V 
125 ff. at ille (der Martyrer Vincentius) Zanto laetior omni 
vacantem nubilo frontem serenam luminat; Petrus Chry- 
sol. sermo 158 bei MSL. LII 618 f. (Gegensatz von Judaicae 
perfidiae nubila und christianae fidei serenum); Enno- 
dius ODLII 24 p. 315,13 f. Vog. nec mentis nubilum tecto 
sereni sermonis operitur. Venantius Fort. carm, IV 26,18 


1) Hier = /ucidus (vgl. Matth. 17,5). Der auffahrende Christus 
ist bei Hrotsvitha odseguio nubis circumsaeptus rulilantis (115 
p- 83), während im Bericht der Apostelgeschichte 1,9 die zudes kein 
Epitheton erhält. 


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286 Weyman, Bemerkungen zu spät. lat. Sch iftwerken 


nubila fronte fugans corde serena fuit‘). Dass Cyprian 
sonst an zahlreichen Stellen die Einwirkung der Sprache 
Vergils verrät (vgl. darüber G. Bürner, Vergils Einfluss bei 
den Kirchenschriftstellern der vornikänischen Periode [Er- 
langen 1902] S. 18 ff.), kann an diesem Sachverhalt nichts 
ändern. 
VI. Sobria ebrietas. 
Im M.M.III 181 ff. ist von der Wiederkehr des von 
Ambrosius nach griechisch-neuplatonischem Vorbild gepräg- 
ten Oxymoron sodria ebrietas bei Augustinus und Pau- 
linus von Nola die Rede gewesen. Augustinus gebraucht 
es nicht nur an der direkt auf den ambrosianischen Hym- 
nus „Zur Morgenröthe“*) bezugnehmenden Stelle seiner 
Bekenntnisse, sondern auch z. B. in der Schrift De agone 
christiano 9, 10 p. 112,14 Zycha desideremus ipsum vitae 
fontem, ubi sobria ebrietate inundemur et inrigemur. 
Aus Ambrosius oder Augustinus haben es dann noch Pe- 
trus Chrysologus von Ravenna sermo 137 (MSL. LIT569B) 
und Ruricius von Limoges epist. II 34,2 (Apoll. Sidon. p. 
331,8 ff. Luetjoh.—= Faust. Reiens. p.418, 10ff. Engelbr.) auf- 
gelesen. Jener sagt vom Vater des verlorenen Sohnes: 


1) Vgl. noch Germanici rell. 133 f. p. 54 Breysig? nulla sere- 
nato capricornus nubila caelo (Ovid met. V 286 fusca repur- 
gato fugiebant n.c.) comparat; Stat. Theb. II 56 f. infernaqgue nu- 
bila vultu discultit et vivis adflatibus ora serenat. — Ovid ex 
Pont. IL 1,5 f. Zandem aliquid pulsa curarum nube serenum vidi; 
Germ. rell. 87 p. 5l alterna variabit nube serena. — Mamert.grat. 
Jul. 28,5 p. 153,14 f. B. nubes fugari, nitentia per orbem serena 
reffundi; Ennod. CGCCLXXX (carm. 1,4) 45 f. p. 277 (von der Venus) 
proditum risit sine nube corpus, carcere inrupto niluit serenum, 
CCOCLXXIX (carm. 2,149 auf ein Baptisterium) 1 p. 271 er sine 
nube pluit sub teclis imbre sereno(!); Ven. Fort. Vit. Mart. II 40 
serena dies detersa nube refulsit. — Anthol. Lat. 719f., 2 ne ma- 
culent niveum nubila corda diem tritt niveus offensichtlich metri 
causa an die Stelle von serenus. 

*) Vgl. zu den betreffenden Versen des Hymnus jetzt auch A. 
S. Walpole, Early Latin Hymns, Cambridge 1922, p.38. Im römı- 
schen Brevier steht statt sobriam ebrietatem spirilus s. profusi- 
onem sp. Das ist allerdings eine „nüchterne Spende“ (A. Schulte, 
Die Hymnen des Breviers, Paderborn 1920, S. 41*) des Geistes, aber 
nicht des heiligen! 


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Weyman, Bemerkungen zu spät, lat. Schriftwerken 987 


= aguas paenitentiae graliae converlit in vinum, ut convivium 
gratiae iam pocula mera satiarent, quatenus conscientiae 
dolores.... sobria dominici calicis aboleret ebrietas 
dicente propheta: et calix tuus inebrians quam praeclarus 
est (Ps. 22,5); dieser erläutert Ps. 142,6 anima mea sicut 
terra sine agua tibi mit den Worten: illa nimirum aqua 
ariditatem corporis sui restinguere sobria ebrietale de- 
siderans (psalmista), de qua dominus noster in evangelio 
clamare dignatur: si quis sitit, veniat et bibat (Joh.7,37)'). 


YIL Augustins Tischepigramm. 


Augustinus hat nach dem Bericht seines Biographen 
Possidius cap. 22 (p. 94 der Ausgabe von H. T'. Weiskotten, 
Princeton 1919) auf oder über dem Tische seines Kleriker- 
Klosters in Hippo das Distichon anbringen lassen: 

quisquis amat diclis absenlum rodere vitam, 

hac mensa indignam noverit esse suam?). 
Dass der erste Vers an eine der bekanntesten Horazstellen 
anklingt, ist natürlich schon längst bemerkt worden. Da- 
gegen scheint man noch nicht beachtet zu haben, dass das 
ganze Epigramm sich an eine feste amtlich-juristische Aus- 
drucksweise anlehnt, wodurch die in ihm ausgesprochene 
freundschaftliche Warnung einerseits noch eindringlicher, 
andrerseits — wenn mich meine Empfindung nicht täuscht 
— etwas scherzhaft wirkt. „Die Einleitung einer allgemeinen 
Strafregel durch einen verallgemeinernden Bedingungs- 
oder Relativsatz (si quis... guicumgue... quisque ..) ist 
eine sehr häufige Erscheinung in den römischen Rechts- 

1) Ineinem Münchener Briefe von Peter Cornelius (26. Jan. 1829) 
findet sich folgende Stelle: „Ich stehe auf dem Sinai und sehe das 
neue Jerusalem, ich bin trunken und docl besonnen“ (Hochland, 
19. Jahrg, 11. Heft, August 1922, S. 550) und Hegel schreibt, worauf 
mich mein Kollege Emil Wolff (Hamburg) hingewiesen hat, in der 
Vorrede zur Phänomenologie des Geistes: „Das Wahre ist so der 
bacchantisch oe Taumel, an dem kein Glied nicht trunken ist, 
und weil jedes, indem es sich absondert, ebenso unmittelbar sich 
auflöst, — ist er ebenso die durchsichtige und einfache Ruhe“ (S.36 
f. der Gesamtausg. von O. Weiss, Bd. II [Leipzig 1909]). 


2) Vgl. über den Text des zweiten Verses meine Bemerkung 
im Histor. Jahrb. XL (1920) S. 232. 


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urkunden. Die Einführung eines Rechtssatzes durch sciat 
se ist typisch amtlicher Sprachgebrauch.“ So lese ich in 
der interessanten Tübinger Dissertation von H. Getzeny, 
Stil und Form der ältesten Papstbriefe bis auf Leo d. Gr. 
Ein Beitrag zur Geschichte des römischen Primats, Günz- 
burg 1922, S. 12 und ich entnehme der nämlichen Arbeit 
S. 32 u. 34, dass für sciaf bisweilen zoverit!) (vgl. hiefür 
auch das praeceptum des Papstes Felix Ill., zuletzt bei 
Schwartz, Act. coneil. oecum. t. IV vol. II p. 97,21) oder 
intelligat gesetzt wurde. 


988 Weyman, Bemerkungen zu spät. lat. 


VII. Zu Augustins Korrespondenz. 


In dem Briefe des Abtes Valentinus von Hadrumetum 
an Augustinus (Aug. epist, 216 in Goldbachers Ausgabe 
vol. IV) findet sich 6 p. 402,8 ff. folgende Stelle: ora, do- 
mine..., uf fugiat diabolus de congregatione nostra et 
amota omni alienarum quaestionum procella navis pro- 
positi nostri epibalis quietis onusta inira stationem tulis- 
simi portus secura consistat, dum navigat per hoc mare 
magnum el inmensum, et in illo portu, intra quem iam 
non erit meluendum vitlae navigium, mercium indiscrepans 
accipiat pretium placitarum. Für navigium muss wohl 
naufragium hergestellt werden. ‚Im Hafen Schiffbruch 
leiden“ (in porlu, ut dicitur, naufragium Hieronymus) war 
eine sprichwörtliche Redensart (Otto, Sprichw. S. 284f.; 
Archiv £. lat. Lexikogr, VIII [1893] S. 408; XIII [1904] S. 
395) und wenn im Archetypus die Form zavifragium 
stand (vgl. Hieron, epist. 3, 4,2 p. 15, 18 Hilb. wo drei alte 
Hss. navifragam bieten, und den elften der von Morin aus 
dem Wolfenbüttler Homiliar edierten Traktate Augustins, 
in dem sich p. 41, 93 f. saxra navifraga und vorago navi 
vora entsprechen), so würde sich die Korruptel durch glatten 
Silbenausfall besonders leicht erklären. Wie bei Valentinus 
vom vitae naufragium (vgl. die mittelalterliche Sequenz 
De sancto confessore bei Blume, Anal. hymn. LV [1922] 


ı) Ebenso cognoscat z.B. im ersten Briefe des Papstes Pe- 
lagius II. ad episcopos Histriae 14 bei Schwartz, Act. concil.t. IV 
vol. II p. 106, 28. 


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Weyman, Bemerkungen zu spät. lat. Schriftwerken 289 


Nr. 20,7 f. S.26 uf post istius anxiae vitae viaeque deviae 
procellosa naufragia resolvamur laelitia), so ist bei Petrus 
Chrysologus sermo 41 (MSL. LII 315 A) vom mortis nau- 
fragium die Rede. 


IX. Sedulius über Judas. 


Ein Seitenstück zu der preisenden Apostrophierung 
der heiligen Maria im Paschale carmen des Sedulius II 63 
ff. (vgl. Münchener Museum £. Philol. des Mittelalt. III [1917] 
S.183 fi.) bilden die Verse V 59 ff. des nämlichen Werkes, 
in denen der Dichter seiner flammenden Entrüstung über 
den Verräter Judas Luft macht und einen wahren Hagel 
von Scheltwörtern auf ihn niederprasseln lässt: 

fune cruente, ferox, audax, insane, rebellis, 

perfide, crudelis, fallax, venalis, inique, 

traditor inmiltis, fere proditor, impie latro, 

praevius horribiles comitaris signifer enses ?') 
Für die Häufung der An- oder Ausrufungen beim oyeritxondg 
liegen bekannte Beispiele aus den alten Rednern vor (vgl. 
Volkmann, Rhetorik S. 498 f.2), auf die Häufungen von 
Vorwürfen gegen ein Laster in der popularphilosophischen 
Literatur und in der christlichen Vulgärpoesie hat A. Bretz, 
Studien und Texte zu Asterios von Amasea, Leipzig 1914 
(Texte und Untersuch. XL 1), S. 67 hingewiesen. Sedulius 
kleidet seine indignatio in eine rhetorische Frage und zollt 
zugleich der in der späteren römischen Poesie stark ent- 
wickelten Neigung zum vielgliedrigen, womöglich ganze 
Verse füllenden Asyndeton seinen Tribut (vgl. Th. Mayr, 
Studien zu dem Pasch. carm. des christl. Dichters Sedulius, 
Augsburg 1916, S. 82 u. 85; Blätter f. d. [bayer.] Gymn.- 
Schulw. XXXI [1895] S. 544 zu Carm, epigr. 584,1; L. Bel- 
langer, Le poeme d’Orientius, Paris u. Toulouse 1903, p. 
190 ff.)?). Auch diese Verse des Sedulius haben ihre Wir- 
kung auf die späteren nicht verfehlt. Sie tritt, worauf 
schon im M.M. III S. 203 hingewiesen wurde, unverkenn- 
bar zu Tage in dem Rhythmus bei Strecker, Poet. Lat. 


1) In Prosa aufgelöst im Paschale opus V 3 p. 276, 11 ff. H. 
2) Für das Griechische Einiges bei LaR.oche zu B 412; Fritzsche 
zu Theokr. XXII 24; 136. 


— ZU cn 


290 Weyman, Bemerkungen zu spät. lat. Schriftw verker 


med. aevi IV pars II1 p. 582 Judas impie, crudelis, 
lalro dire, lupe rapax elinmitis, inimice; ferner ın den 
Versen, mit denen bei Liudprand Antapodosis II22 p. 48,7 fi. 
der Ausg. von J. Becker (Hannover u. Leipzig 1915) Kö- 
nig Heinrich I. den Herzog Arnulf von Bayern empfängt 
(v.8 ff. Zune superbe, reus, perfide, dure, ferox... 
corpora chrislicolum perdere valde sitis?), und in denen 
an einer späteren Stelle des Werkes (IV 19 p. 114, 26 ff.) 
Heinrich, der Sohn Heinrichs I., vor der Erhebung gegen 
seinen Bruder, König Otto I., gewarnt wird (v. 9 conflic- 
tare cupis, fallax, crudelis, inique?); in Odos von 
Clugny Occupatio I 145 ff. p. 7 Swoboda (Apostrophierung 
des gefallenen Lucifer durch die guten Engel) Zune deo 
similis, mendax, vesane,rebellis, morlis origo, caput Sce- 
lerum, fraudisque repertor, tune? Auch ist es möglicher- 
weise der Einfluss des Sedulius gewesen, unter dem bereits 
Venantius Fortunatus die Aufforderung des hl. Martinus 
an den Dämon, die in seiner Quelle, Sulpicius Severus dial. 
II 9,3 p. 191,6 Halm, discede, funeste, de pecude et inno- 
xium animal agitare desiste lautet, zu den zwei Hexametern 
perge ferox, fuge saeve, redi male, cede cruente, 
innocuam pecudem desiste agitare, nocive 
hat anschwellen lassen (Vit. Mart. III 310 £.). Ein bisher 
übersehenes testimonium zu Sedulius v. 59 (aus einigen 
Hss. des Oommentum in artem Donati minorem des Re- 
migius von Auxerre p. 65 Fox) ist in der Festgabe für H. 
Grauert, Freiburg i. B. 1910, S. 15 beigebracht worden. 
Den Bericht über den Selbstmord des Judas schliesst 
Sedulius V 138 mit dem Verse 
func vir apostolicus, nunc vilis apostala factus, 
den er im prosaischen Paschale opus V 10 p. 283,4 H. mit 
nuper apostolus, nunc apostata nominatus est!) paraphra- 
siert. Das Wortspiel apostolicus -— apostaticus findet sich 


') In dem Hieronymus(?)-Fragment aus cod. Cassin. 384 bei A. 
Ambelli, Miscellanea Geronimiana, Rom 1920, p. 169 wird der Gegen- 
satz durch die Worte zpostolus und traditor zum Ausdruck gebracht, 
bei Petrus Chrysologus sermo 27 {MSL. LII 275C) durch apostolus 
und proditor. 


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Weyman, Bemerkungen zu spät. lat. Schriftwerken 291 


schon bei Tertullian adv. Marc. IV 5 (IIIp. 430,26 ff. Kroym.), 
wo es vom Lukasevangelium des Marcion heisst: habet 
plane et illud ecclesias....guarum si censum requiras, 
j/acilius apostalicum invenias quam apostolicum, Marcione 
scilicel conditore (vgl. Optat. Milev. IV 5 p. 108,12 f. Ziwsa 
Marcion qui ex episcopo apostata factus) und behauptet 
sich noch in der mittelalterlichen Literatur. Vgl. Du Cange- 
Favre 1 318°, die Texte bei P. Scheffer-Boichorst, Die Neu- 
ordnung der Papstwahl durch Nikolaus II. (Strassburg 1879), 
S.29 ($ 5), 55, 56 und H. Walther in den Quellen und 
Untersuchungen zur lat. Philol.d. Mittelalt. V 2(1920)S. 1792). 
Der Verfasser der metrischen Vita S. Oassiani verwendet 
den Seduliusvers mit Aenderung des ersten Hemistichs für 
eine Apostrophierung Julians des Abtrünnigen: 

baccharis, Caesar, baccharis, perfide, frustra, 

pridem discipulus, nunc vilis apostata factus 
(v. 98 f. bei Harster, Novem vitae ss. metr. p. 67 £.). 


X. Zur neuen Ausgabe der 
Acta eonceiliorum .oecumenicorum. 


Im libellus fidei des Johannes Maxentius (des Wort- 
führers der skythischen Mönche im theopaschitischen Streite) 
25 bei Schwartz, Acta concil. oecum. t. IV vol. Il p. 8,30 £. 
heisst es nach einem Zitate aus einem Briefe des Papstes 
Leo des Grossen: Ais congruenter etiam beatus Cyrillus 
contra Nestorium: si quis, inquit, non confitelur etc. con- 
gruenter etiam hat Schwartz für das im (einzigen) co- 
dex Laudianus überlieferte congruentiam hergestellt. 
Sollte nicht cozgruentia (mit Ergänzung von dicit) ge- 
nügen? Dass bei dieser Textgestaltung das folgende iz- 
quit Schwierigkeiten verursache, wird man wohl nicht ein- 
wenden. Vgl. aber zum Ueberfluss E. Kieckers, Glotta X 
(1919/20) S. 200 ff., woselbst weitere Literatur angegeben ist. 
— Im zweiten Dialog des nämlichen Autors gegen die 


!) Dass in dem Zitat aus Klemens von Alexandria in einer 
Katene zu Röm. 8,38 ‚nootatıxd‘ (nvebpare) für ‚@nootoiıxa‘ zu lesen 
ist, hat OÖ. Stählin zu Klem. Strom. IV 14 S. 290, 17—19 (Quellen- 
apparat) festgestellt. 


292 Weyman, Bemerkungen zu spät. lat. Schriftwerken 


Nestorianer ’<XI> p. 34,20 ff. lautet der Text von Schwartz: 
ecce auctor salutis,.... sicut alio loco idem docet apostolus 
(d. h. Paulus), sp/endor gloriae..., fit eliam ipse melior 
angelis etc. docet ist von Cochlaeus für das überlieferte 
doctor eingesetzt worden, m. E. ohne Grund. Es ist auch 
hier zu sicut idem doctor apostolus ein verbum dicendi zu 
ergänzen. doctor apostolus wird Paulus auch von Pru- 
dentius Hamartig. 506 und von Papst Vigilius in seiner 
epistula gegen die drei Kapitel 167 p. 168,25 f. Schw. ge- 
nannt. Die von Schwartz an letzterer Stelle vorgenom- 
mene Einschiebung von gentium hinter doctoris ist un- 
nötig. — In des Johannes Maxentius Responsio adversus 
Hormisdae epistulam 36 p. 55,10 f. nam ita haec se habere 
eliam ex ipsius istius verbis facile edocemur dürfte ipsius, 
mag es auf Ueberlieferung oder nur auf einem Druckver- 
sehen beruhen, in Zpsis zu ändern sein. — Nr. 40 des 
zweiten Teiles der Oollectio Casinensis (lateinische Ueber- 
setzung eines Briefes des Isidor von Pelusion) bei Schwartz 
t. I vol. IV p. 22, 33 f. schliesst mit den Worten cedunt enim 
facile his quibus taliter leniuntur. Da im Spätlatein sehr 
häufig das Praesens im futuralen Sinne gebraucht wird 
(vgl. z. B. Löfstedts Kommentar zu Peregrinatio Aetheriae 
S.212f£. und B. Linderbauers Kommentar zur Regula S. 
Benedicti S. 344), so kann man davon absehen, für das 
von den beiden in Betracht kommenden Handschriften 
gebotene cedunt auf Grund des griechischen Originals 
cedent zu schreiben. — In Nr. 171 der Collect. Oas. p. 
118,2 £. schreibt Bischof Andreas von Samosata an seinen 
Amtsbruder Alexander von Hierapolis: freguenter desideravi 
ob hoc in solitario loco alicubi devacanli tuae collogui 
sanctitati. Sollte in dem m. W. anderweitig nicht nach- 
weisbaren devacanli nicht deo vacanti stecken? Epi- 
theta wie deo amicissimus, deocolentissimus, fua deoama- 
bilitas u. s. w. begegnen in diesen aus dem Griechischen 
übersetzten Texten sehr häufig. Vgl. den 7. Index von 
Schwartz (z. t. I vol. IV) p. 268 £. 

Ich habe diese geringfügigen Notizen mitgeteilt nicht 
um ihrer selbst willen, sondern um im Anschluss an sie 


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Weyman, Bemerkungen zu spät. lat. Schriftwerken 293 


die Leser dieser Zeitschrift zu bitten, der monumentalen 
Publikation von Schwartz, deren Fortführung im Interesse 
der Wissenschaft bezw. einer Reihe von Wissenschaften 
auf das dringendste zu wünschen ist, alle in ihrem Ver- 
mögen liegende Förderung zu Teil werden zu lassen. 


XI. Zur Regula 8. Benedicti. 


Im zweiten Kapitel wird der Abt ermahnt: anie omnia 
ne... parvipendens salutem animarum sibi commissarum 
ne plus gerat sollicitudinem de rebus transitoriis et 
Zerrenis atque caducis. Wölfflin, Archiv f. lat. Lexi- 
kogr. IX (1896) S. 520 meint: „de rebus t. et £. ist wohl 
beabsichtigt, aber jedenfalls Kirchenlatein“. B. Linderbauer 
in seiner kommentierten Ausgabe S. 182 stimmt dem zu, 
fügt aber bei: „die Quelle für diese Verbindung ist indes 
noch nicht gefunden“. Um diese zu finden oder ihr we- 
nigstens näher zu kommen, darf man die beiden alliterie- 
renden Wörter nicht vom unmittelbar folgenden trennen, 
sondern muss den ganzen dreigliedrigen Ausdruck, dessen 
sich S. Benedikt bedient, ins Auge fassen. Etwas diesem 
Enntsprechendes finde ich auf lateinischem Gebiete in dem 
nach Caspari aus Gallien stammenden und ins fünfte Jahr- 
hundert zu setzenden „Ermahnungsschreiben an einen jüngst 
zum asketischen Leben Bekehrten“. Caspari hat die be- 
treffende Stelle folgendermassen ediert: non respiciamus 
venitatem et insanias falsas neque in dilectionem mundi 
huius, quae caduca et temporaria atqgue transeun- 
fiana non perpelua esse noscitur (Theologisk Tidsskrift 
for den evangelisk-lutherske Kirke i Norge. Ny Raekke X 
[1885] p. 226 = Briefe, Abhandl. u. Predigten, Christiania 
1890, 8. 176). Da aber in der (einzigen) Münchener Hand- 
schrift nicht /ranseuntiana, sondern Zranseunlianä steht, 
so muss, worauf ich schon vor einer Reihe von Jahren 
hingewiesen habe), Zranseuntia nam (nam adversativ: 
Linderbauer S. 174) non perpetua e. n. hergestellt und 
quae auf die drei Substantiva bezogen werden. Noch näher 
indessen berührt sich mit Benedikts Wortlaut eine Stelle 


1) Zeitschr. f. d. österreich. Gymnasien XLVI. (1895) S. 298. 


3 a % ( a‘ ( % (> 
IC | Izeaü DY IN, 9, \ Le 


294 Weyman, Bemerkungen zu spät. lat. Schriftwerken ‚ 
im Danielkommentar des Hippolytus von Rom?), an der 
aufgefordert wird, Christus mit reinem Leibe und reiner 
Seele zu empfangen, {va wn—pnellove T& npöoxaıpe xal 
Entyeıa nal eüptapra vonlsavres ı@v dAıöluv xal Apiapruv 
Kal ANpatwv LYad@Vv, ATOVOOTKERVTES EXTTEOWHEV TTS KLölou Lig 
(IV 60 S. 338,16 ff. Bonwetsch; x«t söpdapra und z@y alölov 
— Ayadav fehlen in der Athoshandschrift und in der Vor- 
lage der altslavischen Uebersetzung). 
Benedikt mag die Zusammenstellung der drei Begriffe, 
wie wir sie bei dem griechischen Autor lesen, schon in 
einer lateinischen Quelle vorgefunden haben, er kann aber 
auch ebenso verfahren sein, wie an der alsbald zu bespre- 
chenden Stelle d. h. er kann die (längst beigebrachte) Stelle 
des Oassianus, die ihm die Verbindung von caducus atgue 
ierrenus darbot (collat. XVI9 p. 447,7 Petschenig) aus der 
eines anderen Schriftstellers ergänzt bezw. erweitert haben. 
Aus der Regula S. Benedicti ist dann die Verbindung 
von Zransitorius und Zerrenus auf Gregor den Grossen (8. 
Linderbauer a. a. OÖ.) und auf den Verfasser des Pruden- 
tiuskommentars (Remigius von Auxerre?) im codex 413 
von Valenciennes (zu contra Symm. II 125 p. 154 ed. 
Burnam, Paris 1910) übergegangen. 
Im 5. Kapitel schreibt der Ordensstifter von der 050 
dientia, dass sie Zunc acceplabilis erit deo et dulcis ho- 
minibus, si quod iubelur non trepide, non tarde, non 
tepide— efficiatur. So die Mehrzahl der Textzeugen; über 
die abweichende Wortstellung in der Tegernseeer Hand- 
schrift und im Sangallensis 916 s. Linderbauers Kom- 
mentar S. 205. Man hat erkannt, dass sich der Ordens- 
stifter hier von zwei Schriftstellern beeinflusst zeigt, denen 
er häufig Gedanken und Wendungen entlehnt, von Augu- 
stinus und Oassianuss. Aus jenem (De cons. evang. I 13 
p. 14,2 Weihrich) stammt die alliterierende und reimende 
Verbindung von Zrepidus und Zepidus, aus diesem (Collat. 
XXIII 7,2 p. 651,16 P.) der Zusatz von Zarde. Die Zusam- 


2) Ich habe auf sie bereits in der Lit. Rundschau 1914 Sp. 118 
anlässlich meines Referates über Butlers Ausgabe der Regula Bened. 
kurz hingewiesen. 


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Weyman, Bemerkungen zu spät. lat. Schriftwerken 9295 


menstellung von Zrepidus und Zepidus ist nun so charak- 
teristisch für den wortspielfrohen Augustinus, dass man 
wohl auch in ihrer Verwendung an einer m. W. noch nicht 
berücksichtigten Stelle eines dem hl. Benedikt zeitlich vor- 
angehenden Autors augustinische Reminiszenz erblicken 
darf. Papst Leo der Grosse schreibt an den Bischof Ba- 
silius von Antiochia: haec scripta direxi, quibus dileclionem 
vestram credidi commonendam, ut sceleralis ausibus sancta 
constantia resistatis, ne in quoquam nostrum communis 
fides aut trepida inveniatur auf tepida (epist. 149,1 bei 
MSL. LIV 1119 B.; zitiert von Papst Pelagius II. im 3. 
Briefe ad episcopos Histriae 40 bei Schwartz, Acta concil. 
oecum. tom. IV vol. II p. 116, 26 ff.). Findet sich bei ihm 
auch sonst augustinisches Sprach- oder Gedankengut? Eine 
Untersuchung darüber ist mir nicht bekannt. Sie wäre 
wünschenswert und würde vielleicht auch Kriterien zur 
Scheidung der aus der eigenen Feder des Papstes geflos- 
senen und der aus seiner Kanzlei hervorgegangenen Briefe 
liefern. 

Im Kommentar zu reg. 17,8 S. 254 bemerkt Linder- 
bauer: „Wahrscheinlich ist auch 60,9 missas tenere von 
der Feier des Messopfers zu verstehen, nicht, wie andere 
meinen, vom Sprechen der Schlussformeln der Tagzeiten 
mit der Collecta, was dem Priester vorbehalten gewesen 
sel, wenn ein solcher im Kloster vorhanden war“. Ich füge 
zu den beiden von Linderbauer angeführten Belegen zwei 
weitere, an denen der Gebrauch von missas fenere im Sinne 
von missas celebrare über jeden Zweifel erhaben ist. Der 
eine steht in dem Schreiben der edessenischen Kleriker, 
das Papst Vigilius in seiner epistula adversus tria capitula 
nach einer lateinischen Uebersetzung der Akten des Kon- 
zils von Chalzedon zitiert, zuletzt bei Schwartz a.a.0. p. 
153,1f. u. 161,34 ff. si enim, aliquo tali dicto, passi fuis- 
semus communicare ei qui dixit — d.h. dem Ibas —, aul 
missas cum eo tenere!), ullimo supplicio fuissemus ob- 
noxii (im griechischen Original bei Mansi VII 249 D oul- 


1) In der bei Mansi dem griechischen Texte an die Seite ge- 
stellten lateinischen Version comministrare in sacrificio. 


A 34 u u 


996 Weyman, Bemerkungen zu spät. lat. Schriftwerken 


Aerroupyfjoaı abrh), der andere in der Suggestio Germani 
episcopi, Felicis et Dioscori diaconorum et Blandi presby- 
teri vom Jahre 519, zuletzt Collect. Avell. 225 p. 688,12 fi. 
Guenther erat famen constitutum — unum ex nobis ad ip- 
sum — d.h. den Bischof Dorotheus von Thessalonike — 
dirigere, — ut unus ex nobis...cum ipso missas tene- 
ref!). In beiden Fällen handelt es sich um Konzelebration 
zum Ausdruck der bestehenden kirchlichen Gemeinschaft. 

Für nascentia als Substantivum in der Bedeutung „Ge- 
wächse“, die Linderbauer $S. 306 f. in cap. 39 poma auf 
nascentia leguminum anzunehmen geneigt ist, führen die 
Lexika, wie es scheint, nur Belege aus Vitruvius an. Um 
die gewaltige zeitliche Kluft zwischen dem augusteischen 
Baumeister und dem Verfasser der Regula wenigstens not- 
dürftig auszufüllen, mache ich auf eine Stelle des Paulinus 
von Nola aufmerksam, an der mit (hiems) nuda nascen- 
tium (epist. 9,3 p. 54,18 Hartel) die bekannte Wendung 
des Sallust (Zoca) nuda gignentium (Jug. 79,6) para- 
phrasiert und verdeutlicht wird (vgl. Bayerische Bl. f. d. 
Gymn.-Schulw. LVIII [1922] S. 100). 


XI. Gregor der Grosse über den hl. Benedikt. 


Die Aeusserung des Papstes Gregor des Grossen über den 
hl. Benedictus recessit igitur scienter nescius et Sa- 
pienter indoctus (dial. Il pr. bei MSL. LXVI 126 A) hat 
Bruno Albers zum Gegenstand einer besonderen kleinen 
Abhandlung gewählt (Stud. u. Mitteil. z. Gesch. d. Bene- 
diktinerordens XXXVI [N. F.V], 1915, S. 535—542). Er 
lehnt die Ansicht Wölfflins, der in diesen Worten ein Zeugnis 
für die „Halbbildung“ Benedikts erblicken zu dürfen glaubte, 
mit Recht ab, ist aber auch mit seiner eigenen Interpre- 
tation: „er zog sich also zurück wissentlich unwissend und 
weise ungelehrt“ der Stelle nicht ganz gerecht geworden. 
Ich möchte zunächst die Frage aufwerfen: Bestimmen die 
beiden Adverbia scienier und sapienier die Adjektiva, vor 
denen sie stehen, näher oder ist hier die Verbindung von 


| ı) Die zweite Stelle verdanke ich dem Index von Guenther u. 
missa. 


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Weyman, Bemerkungen zu spät. lat. Schriftwerken 9297 


Adjektivum und Adverbium der Koordinierung zweier 
Adjektiva gleich zu setzen, also scienfer nescius im Sinne 
von sSciens et nescius, sapienter indoclus im Sinne von 
sapiens et indoctus aufzufassen? Ich gebe der zweiten 
Auffassung den Vorzug, für die mir, abgesehen von dem 
Umstand, dass durch die Deutung von scienter als wis- 
sentlich der Parallelismus der Stelle gestört würde (scien- 
ter als Korrelat von sapienter kann doch keine andere 
Bedeutung besitzen als das Substantivum scientia neben 
sapientia in der bekannten biblischen Verbindung) ein zu- 
fällig aufgelesener Vers eines späten Dichters zu sprechen 
scheint. Erzbischof Eugenius von Toledo (646—657) hat 
ein Epitaph auf seinen Onkel, den Bischof Johannes von 
Saragossa, verfasst (carm. 21 p. 248 Vollmer) und charak- 
terisiert ihn im 8. Verse als prudenter simplex, simpliciter 
sapiens. Damit will er doch nichts anderes sagen, als dass 
der Verstorbene der Forderung des Evangeliums (Matth. 
10,16) estote prudentes sicut serpentes et simplices sicut 
columbae entsprochen und Klugheit und Einfalt in sich 
vereinigt habe. Der Dichter bringt das mittelst einer sog. 
&vrıueraßoin zum Ausdruck, ist aber genötigt, im Schluss- 
wort prudens durch sapiens zu ersetzen, um nicht gegen 
ein Grundgesetz des Pentameters zu verstossen. Auch Gre- 
gors Worte wollen und können m. E. nur besagen, dass 
Benedikt, als er sich von den römischen Studien bezw. der 
rein weltlichen Kultur römischer Laienkreise (so G.H. 
Hörle, Frühmittelalterliche Mönchs- und Klerikerbildung 
in Italien, Freiburg i. B. 1914, S. 47) zurückzog, Eigen- 
schaften besass, die sich eigentlich ebenso gegenseitig 
ausschliessen wie die Taubeneinfalt und die Schlangen- 
klugheit, dass er wissend (in Wahrheit oder in dem, was 
er für sein Heil und seine Aufgabe als notwendig erach- 
tete?) und unwissend, weise (in Wahrheit oder vor Gott?) 
und unweise war. „Unweise“ nicht „ungelehrt*. Denn 
indoctus — und damit berühre ich den zweiten Punkt, in 
dem ich von Albers’ Uebersetzung abweiche — muss, wenn 
es nicht als eine unnötige Wiederholung des bereits durch 
nescius ausgedrückten Begriffes empfunden werden soll, in 
Münchener Museum für Philologie des MA. IV,3., 20 


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298 Weyman, Bemerkungen zu spät. lat. Sch ‚iftwer ken 


= 


ebenso scharfem Gegensatze zu sapienter stehen wie nes 
cius zu scienler: es muss im Sinne von insipiens gebraucht 
sein und der griechische Uebersetzer, der im übrigen mit 
der Stelle nicht recht fertig geworden ist‘), hat es richtig 
mit &oopos wiedergegeben, nicht mit &padng, das bei Plato 
Sympos. p: 202 A, oder mit dratöeurog, das bei Sirach 6,21 
(Vulg. indoctus) als Gegensatz zu oopög bezw. oopla erscheint. 
Gregor hat aber, wie ich glauben möchte, insipiens, dem 
ja öfters eine noch über die Negierung von sapiens hinaus- 
gehende Bedeutungsstärke eignet, auch in diesem jedes 
Missverständnis ausschliessendem Zusammenhange nicht 
auf den Heiligen anwenden wollen und lieber, indem er 
indoctus dafür setzte, die äussere Wirkung der Antithese 
etwas abgeschwächt. Dass indocius die Stelle von znszpiens 
vertreten kann, zeigt z. B. Ovid Ibis 559f., wo von dem 
Anyti doctissimus reus die Rede ist, d. h. von dem 
Manne, den die Pythia als den weisesten erklärt hatte. 
Die von Albers herangezogene Stelle aus Gregors Moralia 
XXVI 79 (MSL. LXXVI 444D) relinguamus noxiam 
sapientiam, discamus laudabilem fatuitatem liefert 
einen neuen Beleg für die in der Spätzeit verbreitete Nei- 
gung zu derartigen pointierten Wendungen, trägt aber für 
die Erklärung der uns beschäftigenden Worte nichts aus. 
Dagegen möchte ich nicht in Abrede stellen, dass in Gre- 
gors sapienter indoctus, wie ich es auffasse, das Paulinische 
sapientia enim huius mundi stullitia est apud deum (I 
Kor. 3,19) gewissermassen als Unterton an- und mitklingt. 
Für die Verbindung von Adjektiven mit Adverbien haben 
2. B. Lorenz zu Plaut. Pseud. 1000 und der Schreiber dieser 
Blätter in der Festschrift für S. Merkle, Düsseldorf 1922, 
3.390 Belege angeführt. Bei einigen empfiehlt sich die 
erste, bei andern die zweite der oben erwähnten Auffas- 
sungsmöglichkeiten, in manchen Fällen ist es schwer, eine 
bestimmte Entscheidung zu treffen. 


ı) Er übersetzt: änsom rolvov Tiis TÖy ypapıarwy nardsbosug, 
YıYWOXWV Ög AN YıyWorWv Xal aopög WE Koopog. 


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Weyman, Bemerkungen zu spät. lat. Schriftwerken 299 


XIII. Zu den Versen über Gregor den Grossen. 


Karl Strecker kommt in der interessanten Abhandlung, 
in der er es sehr wahrscheinlich zu machen weiss, dass in 
Tegernsee die Werke Aldhelms vorhanden waren (Archiv 
f. d. Studium d. neueren Sprachen und Literaturen CXLIII 
[1922] S. 177 fi), auf die beiden Verse zu sprechen, die 
wiederholt an der Spitze von Introitus-Tropen (d.h. In- 
troitus-Einleitungen) und von metrischen Introduktionen 
zum Graduale und Antiphonale begegnen (Blume, Analecta 
hymnica medii aevi XLIX [1906] S. 19 ff.) und folgender- 
massen lauten: 

Gregorius praesul meritis et nomine dignus, 

unde genus ducit, summum conscendit honorem. 
Strecker bemerkt dazu S. 180 Anm. 2: „Wenn diese Worte 
Sinn haben sollen, so kann man wohl nur verstehen: Gre- 
gorius, der durch seine merita auch des Namens (nämlich 
praesul, nicht etwa Gregor) würdig ist. Das ist höchst 
gezwungen, und was heisst im folgenden Verse Unde genus 
ducit?“ Ich übersetze: „Papst Gregorius, würdig (seines 
Amtes) durch seine Verdienste und (schon) durch seinen 
Namen (Gregorius — der Wachsame)!), ist (dort) woher er 
stammt (d.h. in Rom), zur höchsten Ehrenstelle empor- 
gestiegen“. Praesul vom Papste schon z. B. in den pseudo- 
damasianischen Epigrammen 83, 13 und 92, 1 Ihm (an letz- 
terer Stelle p. apostolicae sedis). — merilis et nomine?) 
und ähnliche Wendungen sind so häufig — Strecker selbst 
hat in dem mir freundlich zugesendeten Abzug Stellen 
aus Sedulius und Corippus handschriftlich vermerkt —, 


1) Diese Verwertung der Eigennamen war in den Elogien der 
Spätzeit so beliebt (vgl. die Literaturangaben in der Festgabe für 
A. Knöpfler, Freiburg i. B. 1917, S. 389), dass man sich fast wundern 
muss, wenn zuweilen darauf verzichtet wird. Eugenius Tolet. carm. 
21,18 p. 248 Vollm. faclis egregius, nomine Gregorius beabsichtigt 
vielleicht, wie P. Benno Linderbauer meint, ein Wortspiel mit Ad- 
jektiv und Eigennamen. 

2) Bisweilen treten die 80 oft koordinierten Begriffe in Gegen- 
satz; vgl. tit. Gall. 23,6 (Alcim. Avit. p. 195 P.); Hincmar carm. 8, 1 
(Poet. Carol. IL p. 420); Vita S. Gisleni 238 (Harster, Novem vitae 
88. metr, p. 158) nomine, non merito. 

20* 


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300 Weyman, Bemerkungen zu spät. lat. Scl iftwerken 


dass Nachahmung bestimmter Verse des Paulinus von Nola 
nicht angenommen zu werden braucht; vgl. Hist. Jahrb.d. 
Görresgesellsch. XV (1894) S. 96 Anm. 1; Bl. f.d. (bayer.) 
Gymn.-Schulw. XXXI (1895) S. 548; Revue d’hist. et de lit. 
relig. I (1896) p. 69. — Zu unde genus ducit vgl. Vere. 
Aen. V 801 unde genus ducis (Versanfang) und 568 aller 
Atys, genus unde Ati duxere Latini. — summum honorem 
natürlich = sedis apostolicae . . honorem wie es bei Da- 
Damasus 57, 4 und Ps.-Damasus 72,5 (nach Brewer, Zeitschr. 
f. kath. Theol. XLV [1922] S. 165 ff. von Arator) heisst. 


XIV. Zu den Zitaten Julians von Toledo. 


In der den Anhang zur Grammatik bildenden Kom- 
pilation des Erzbischofs Julianus von Toledo (680-690) 
über Barbarismus, Soloecismus, die übrigen vitia, Meta- 
plasmus, Figuren und Tropen, deren erste kritische Aus- 
gabe wir W.M. Lindsay verdanken (Julian of Toledo ‚de 
vitiis et figuris‘, Oxford, Univ. Press 1922, St. Andrews 
Univ. Publications Nr. XV), wird IV 10 p. 17 (= Hagen, 
Anecdota Helvetica p. COXXXV) als Beispiel der Syncope 
angeführt: Zerno mense suis redeunt stata tempora melis 
pro statuta. Das ist der 11. Vers des pseudoambrosianischen 
Gedichtes über die Dreizahl, über dasim M. M. III S. 1678. 
gehandelt wurde. Die Lesart meiis verdient ohne 
Zweifel den Vorzug vor dem von den sonstigen Textquellen 
gebotenen membris. — V 10 p.20 (= Hagen p. COXXXVD 
erscheinen als Belege für eine bestimmte Art des Zeugma 
die spielerischen Verse anguis pressa perit, fera telo virgue 
veneno und anguis, aper, iuvenis pereunf vi, pondere, morsu. 
Für pondere steht in den von Riese, Anthol. Lat. T? p. 
148 (zu Nr. 160) benützten Hss. das wohl richtigere 
vulnere. pondere dürfte die Korrektur oder Konjektur 
eines Liesers sein, der die Todesart der Schlange — durch 
Zertreten — deutlicher bezeichnet wissen wollte. — VW 1il 
p- 20 stammt das Prosabeispiel für die Hypozeuxis viro- 
lentia invital — rapacitas aus Cyprian ad Donatum 3 p. 
5,18 fi. H. (daselbst Konjunktive an Stelle der Indikatiye) 
und die Julianhss. E (Erfurt Amplon, 10 s. IX) und F 


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Weyman, Bemerkungen zu spät. lat. Schriftwerken 301 


(Floriacensis Bern. 207 s. IX) sowie die beiden von Lind- 
say benützten Hss. des Liber glossarum (zu dessen Quellen 
Julians Schrift gehört) zeigen engeren Anschluss an die 
Cyprianhss. als L (Laurissensis, jetzt Vat. Palat. 1746 s. IX), 
die Grundlage der Ausgabe von Lorenzana, Rom 1797. — 
V 32 p.23 (= Hagen p. CCXXXVID): Dass in dem zweiten 
Beispiel für die Schesis onomaton nubila, nix, grando, 
procellae, flumina, venti (Lindsay denkt wegen der Länge 
der ersten Silbe von procellae an einen archaischen Dich- 
ter) für /{umina fulmina zu schreiben ist, zeigt nicht 
nur das Zitat bei Isidor (P. Wessner in der Anzeige von 
Lindsays Ausgabe, Philol. Wochenschr. 1922 Nr. 52), son- 
dern auch der ganz ähnliche Vers des Lucretius V 1192 
nubila, ros, imbres, nix, venti, fulmina, grando (vgl.Ovid 
met. XIV 471). — Das dritte Beispiel (= Hagen a. a. 0.) 
imber, aestus, nix, pruina!), silva el aura, nox, dies ist 
kein Tragikerfragment, sondern aus Prudentius cathem. IX 
113 entnommen. Damit erledigt sich auch Lindsays (aller- 
dings nur sehr zweifelnd geäusserte) Vermutung so/ ei für 
silva et. — In dem mit ilem angereihten Verse (= Hagen 
a.a. 0.) providula, larga, sollers, facunda, decora scheint 
mir die asyndetische Häufung der epitheta ornantia auf 
den späteren Epitaphienstil hinzuweisen; vgl. z. B. Carm. 
epigr. 782, 2; 843; 1561,4; Auson. parent. 19,3 p. 41 Peip.; 
Tit. Gallie. 19,1 in Peipers Aleimus Avitus p. 193. Uebrigens 
ist mir das anderweitig nicht nachweisbare providula (so 
Lindsay nach der Erfurter Hs. und den zwei Hss. des Liber 
glossarum; provida der Floriacensis) vor Zarga (!) sehr ver- 
dächtig und ich ziehe es vor, mit Hagen und Baehrens, 
Fragm. poet. Rom. p. 389 provida zu lesen und mit letz- 
terem nach /arga den Ausfall eines zweisilbigen Adjektivs 
— etwa pudens — anzunehmen. Provida als erster Dak- 
tylus auch bei Prud. Psychom. 125; Paul. Nol. XXVI 144. 
Dracont. Romul. VIII 159. — VI33 p.29: Die Charakteristik 
der drei kanonischen Vertreter der alten Komödie audax 
Cratinus, iracundus Eupolis, grandis Aristophanes, die 


1) imber, nik, pruina, glacies beginnt der „Hexameter“ Anthol. 
Lat. 481, 353. 


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302 Weyman, Bemerkungen zu spät. lat. Schriftwerker 


Lindsay an ein „rhetorisches Fragment“ denken lässt, geht 
in letzter Instanz auf Persius I 123 f. audaci guicumque 
afflate Cralino iratum Eupolidem praegrandi cum sene 
palles zurück. 


XV. Zu Analecta hymnica Bd. LYV. 


Einige kurze Randnotizen zum 55., liturgische Prosen 
oder Sequenzen zweiter Epoche (d.h. aus der Zeit vom 
ausgehenden 11. bis zum beginnenden 16. Jahrhundert) auf 
Feste der Heiligen nebst einem Anhange: Hymnodie des 
Gelderlandes und des Haarlemer Gebietes enthaltenden 
Bande der von Clemens Blume herausgegebenen Analecta 
hymnica medii aevi (Leipzig 1922), Randnotizen, die unter 
anderen Verhältnissen ihren Platz in einer ausführlichen 
Besprechung des Buches gefunden hätten?), mögen den 
Abschluss dieser Bemerkungen bilden. 

Sequenz de sancto martyre Nr. 11,10,3f. S. 17 duxit 
fuso sanguine dulce mori (vgl. Nr. 109,6, 3f. S. 127 und 
Nr. 310, 15,2 S. 341) wohl nach Prud. Hamartig, 154 dulce 
mori est (vgl. Keller zu Hor. carm, III 2,13). — S. des. 
confessore Nr. 19,2,1 S. 25 fide canora nach Hor.carm, 
I 12,11 fidibus canoris. — S. de s. confessore Nr. 20, 
7,38.26 viaeque deviae. Vgl. Verg. Aen. 1Il 383 via — in- 
via (Prud. Apoth. praef. 16 zier— devium). — S. in dedi- 
catione ecclesiae Nr. 30,3 S. 33 qguae (aedificia) non mo- 
vent, immo fovent ventus, flumen, pluvia dürfte nach einer 
Handschrift des 15. Jahrhunderts /ulmen für flumen zu 
schreiben sein. Vgl. oben S. 301. Nr. 34, 11 S. 42 venti ru- 
ant, aquae fluant, muri stant in ordine kann, wie die 
folgende Strophe zonr Zerrentur nec moventur pluvia vel 
turbine zeigt, nicht zum Schutze der Lesart fZumen angeführt 
werden. — S. de s. Achatio et sociis Nr. 42,8 S. 52 Arvr- 
cere sic tortores, quod passorum dici flores iure sibi 
vendicant. Nach der pseudoaugustinischen, in das Brevier 
des Festes der unschuldigen Kinder aufgenommenen Ho- 
milie, in der es mit Bezugnahme auf die berühmte Pru- 


!) Ueber Bd. LIV s. mein Referat in der Theol. Revue 1915 
Sp. 289 ff. 


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Pt 
Bu: 


Weyman, Bemerkungen zu spät. lat. Schriftwerken 303 


dentiusstelle heisst: qui iure dicunluı martiyrum flo- 
res. Vgl. Hist. Jahrb. XXXVI (1915) S. 802. — S. de s. 
Bonifatio Moguntino et sociis Nr. 99,4 S. 117 (s. auch Nr. 
274,3,1 8.304) guorum exstat mors vitalis, dum de morle 
fit nalalis in caelesli gloria. \Vel. Paul. Nol. carm. XXI 


138 fl. hinc ergo sanclhıs ... dies sacratos, in quibus functi 
diem mortalis aevi morte vitali suum... transierunt ad 
deum, populi fideles ... excolunt und 170 ff. ei merito 


sanctis iste natalis dies notatur, in quo lege funcli carnea 
morlalitatis exuunlur vinculis et in superna regna nas- 
cuntur deo. S. auch T'heol. Revue 1915 Sp. 293. — S. de s. 
Cyriaco diacono Nr. 111, 17,2 S. 128 ave, sidus aureum. 
Bei Hor. epod. 17,40 f. ironisch /x pudica, iu proba per- 
ambulabis astra sidus aureum. — S. de s, Cyriaco dia- 
cono Nr. 112, 11, 1f. S. 129 graves ictus foris passa, So- 
lis aestu salis assa (pellis). Zur Verbreitung dieses Reimes 
mag Augustins Erklärung piscis assus Christus es! pas- 
sus (tract.inevang. Joh. 123,2 bei MSL. XXXV 1966) bei- 
getragen haben. Vgl. Nr. 219,10, 1f. und Hist.Jahrb. X X XII 
(1911) S. 571. — S. de ss. Felice et Regula Nr. 129, 4, 2 
5.150 ex re certe nomen habent. \Vgl. Duid am. 18,3 
ex re nomen habet (anus). — S. de s. Friderico Tra- 
iectensi Nr. 141, 1,3 58.164 von Ludwig dem Frommen 
Pius mandat impia. Schon Tertullian hat über den 
Gnostiker Marcion gewitzelt sub Pio (d.h. Antoninus Pius) 
impius (adv. Marc. 119 p. 314,12 Kroym.). — S. de s. 
Monica Nr. 262, 10,2f. S. 294 nubit landem haec genltili 
nobili patricio. Vielmehr Pafricio. Vgl. Theol. Revue 
1915 Sp. 292. — S. de s, Nicolao Myrensi Nr. 265,13 S. 
296 vocalur in tempestate, fessis nautis quassa rate. 
Vgl. Hor. carm. I 1,17 f. mox reficit rates quassas und 
dazu Keller. — S. de s. Severo episcopo Ravennate Nr. 
303,3 8. 335 nec fonte Pierio nec Parnassi somnio fit ma- 
gisier subitu. Nach dem sogen. Prolog des Persius zec 
fonte labra prolui caballino nec in bicipiti somniasse Par- 
naso memini, ut repente sic poeta prodirem. — S. de s. 
Simperto Augustano Nr. 307,1,1 8.338 splendor glo- 
riae paternae nach Ambros. hymn. 2,1 splendor 


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304 


paternae gloriae. — S.des. Thoma apostolo Nr. 321 10 
S. 353 mox attulit, qua pertulit, manum canis et intulit 
ibi coram omnibus. Vielmehr perculit (scil. pincerna 


Thomam). 


Stellen- bezw. Autorenverzeichnis. 


Acta concil. Chalcedon.: S. 295 f. 

Acta coneil. oecum. ed. Schwartz 
tom, I vol. IV; tom. IV vol. II: 
S. 291 ff. 

Ambrosius hymn. 2,1: S. 303f. 

n„ 2,28f.: S. 286 

a RronnE) Verse über die Drei- 
zahl 11: S. 300 

Analecta hymnica LV: S. 302. 

Andreas von Samosata s. u. Acta 
conc. oec. 

Anonymus über die drei Früchte 
des christl. Lebens: S. 274 
Anonymus Brief an einen Neu- 

bekehrten: S. 243 
Anthologia Latina 160: S. 300 
; „ 119f,2:8.286 A.1 
»„ 8%: 8. 277. 
Anthologia Palatina IX 726: S. 274 
Augustinus tract. in evang. Joh. 
123,2: S. 303 
Augustinus de agone christ. 9, 
10: S. 286 
Augustinus de oonsensu evang. 
I 13: S. 294 
Augüstinus epist. 216,6 (Valen- 
tinus ad Aug.): S. 288. 
Augustinus Epigramm: 8. 287 £. 
(Augustinus) Homilie auf das Fest 
der Unschuld. Kinder: S. 302 f. 
Ausonius epigr.88 Peiper: S. 274ff, 
Benedictus regula cap. 2: S. 293 £. 


; 3» 5: 82948. 

3 > „ 39: S. 296 

. »  „ 60: 8.296£. 
Bibel Sirach 6,21: S. 298 


Calpurnius eclog. IV 1 ff.: S. 278 
Claudianus in Rufinum II 410 £.: 
8. 276 f. 


Weyman, Bemerkungen zu spät. lat. Schrift werker 


Cornelius (Peter) Brief: S.287 A.1 
Cyprianus ad Donatum 3: 8. 300f. 
»„ de mortalit. 8: S. 285 

= ad Demetr. 2: S. 285 
Endelechius (Severus Sanctus) de 
mortibus boum: S, 277E. 
Eugenius v. Toledo carm. 21,8: 
S. 297 
Eugenius v. Toledo carm, 21,18: 
S. 299 A.1 
Fortunatus (Venantius) Vita Mar- 
tini III 310 £.: S. 290 
Gregorius Magnus dialogi I pr.: 
S. 296 ff. 
Gregorius Magnus (Verss über): 
S. 299 f. 
Hegel, Vorrede zur Phänomeno- 
logie: S. 287 A.1 
Hippolytus von Rom, Kommentar 
zu Daniel IV 60: S. 294 
Horatius (lyrica) benützt von 
Severus Sanctus Endelechius: 
S. 278 fl. 
Horatius (lyrica) benützt von den 
Sequenzendichtern: S. 3021. 
Hrothsvitha de ascensione dom. 
96: S. 285 
Johannes Maxentils s. u. Acta 
CONC. 080. 
Isidorus von Pelusium s. u, Acta 
conc. 08C. 
Julianus von Toledo ‚de vitiis &t 
figuris‘: S. 300 ff. 
Leo I. epist. 149,1: S. 295 
LiudprandAntapodosis 1122: 3.290 _ 
Liudprand Antapodosis IV 19: 
S. 290 
Lucretius benützt von Severus 
Sanctus Endel&chius?: S. 283 


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Odo von Clugny Occupatio I 
145 fi.: S. 290 

Ovidius benützt von Severus 
Sanctus Endelechius: S. 278 ff. 

Ovidius am. I 8,3: S, 303 

2 Ibis 559 f.: S. 298 - 

Paulinus von Nola carm. XXI 
138 fl.: S. 303 

Paulinus von Nola carm. XXIV 
105: S. 284 

Paulinusvon Nola epist.9,3: S.296 

Persius ‚Prolog‘ von einem Se- 
quenzendichter benützt: S. 303 

Petrus Ohrysologus sermo 137: 
S. 286f. 

Plato Sympos. p. 202 A: S. 298 

Prudentius und Severus Sanctus 
Endelechius: S. 283 f. 

Prudentius benützt von den Se- 
quenzendichtern: S. 302 £. 

Remigius von Auxerre(?), Kom- 


Sprachliches 


Adverbia bei Adiectiven: S.296f. 

Asyndeton(vielgliedriges): S. 289 

deo vacans: S. 292 

doctissimus — sapientissimus: 
S. 298 

doctor apostolus von Paulus: 
S. 292 

dulce mori: S. 302 

ex r6 nomen habere: S. 303 

fides canora: S. 302 

flumen unrichtig für fulmen: 
8. 301; 302 

genitus(natus),non factus:S.274ff, 

Häufung von Schmähworten: 
S. 289f. 

Häufung von lobenden Beiwör- 
tern: S. 301 

honor summus, apostolicae 8e- 
dis: S. 300 

indoctus = insipiens: S. 297 f. 

meritis et nomine und Aehn- 
liches: S. 299 


Weyman, Bemerkungen zu spät. lat. Schriftwerken 


305 


mentar zu Prudentius c. Symm. 
II 125: S. 294 

Ruricius von Limoges epist. II 
34,2: S. 286 f. 

Sallustius Jug. 79,6: S. 296 

Sedulius V 59 fl.: S. 289. 

- V 138: S. 260f. 

Seneca (Tragödien) benützt von 
Severus Sanctus Endelechius: 
S. 280 f. 

Statius Theb. IV 466 £.: S. 277 

Symbolum Nicaenum: S. 275 

Tertullianus adv. Marc. 119: S. 303 

- - „ 1V 5: 8.290£. 

Valentinus (Abt) s.u. Augustinus 

Vergilius benützt von Severus 
Sanctus Endelechius: S. 278 fl. 

Vergilius Georg. 1461 f.: S. 284f. 

Vigilius (Papst) s. u. Act. conc. 
Chale. 

Vita Cassiani metrica 98 f.: S. 291 

Register.!) 

missas tenere: S. 295f. 

mors vitalis; S. 303 

nascentia: S. 296 

naufragium vitae, mortis: S. 2881. 

navifragus: S. 288 

niveus für serenus: S. 286 A.1 

Praesens = Futurum: S. 292 

praesul vom Papste: S. 299 

provida im Hexametereingang: 
S. 301 

providula (?): S. 301 

quassa rates: S. 303 

quisquis (quicumque, siquis) — 
sciat (noverit): S. 287f, 

Reim assus — passus: S. 303 

sapienter indoctus: S. 296 ff. 

scienter nescius: S. 296 ff. 

se impendere: S. 274 

serena nubes: S. 284 f. 

serenus (-um) und nubilus (-um) 
als Gegensätze: S. 285 f. 

sidus aureum: $. 303 


!) Nr. IV ist nicht berücksichtigt. 


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306 Weyman, Bemerkungen zu spät. lat. S chriftwerken 
sobria ebrietas: S. 286 f. Wortspiel Pius — impius: 
spirare von den Augen: S.276f, S. 303 
transeuntianus(?): S. 293 Wortspiel trepidus — tepidus: 
transitorius et terrenus atque S. 294 f. 

caducus: S. 293f. Wortspiel mit Eigennamen: 


trisyllabum im Pentameter- S. 299 A. 1 
schluss: S. 275 A.2 “uadıng Gegensatz zu oopög: S. 298 
via devia (invia): S. 302 analdsurog „5 „ oopla: S. 298 
Wortspiel apostolicus -- aposta- | npöoxzıpog xal äniysiogxaleptaprog: 
ticus: S. 290 f. S. 294 
München. Carl Weyman. 
Nachträge. 


Zu II. Die Antithese von faclus und nalus schon bei Ovid ex 
Pont. II 3,71 et quod eras alis faclus, mihi nalus amicus. 

Zu IV. Einer meiner Zuhörer, Herr Simon Gruber, bringt in einer 
Prüfungsarbeit noch folgende Koinzidenzen bei: Carm. 7 gaui 
tacitum (vulnus) premit » Verg. Aen. IV 67 facitum vivik 
sub pectore vulnus, Carm. 33f. fortia corpora — boum& 
Ovid ex Pont. 14,12 fortia taurorum corpora;, Qarm. 40 
parili necew Ovid met. V 418f. parilique irata colonos 
ruricolasque boves leto dedit (Ceres); Oarm. 56 salvos esse 
greges tibiwn Verg. ecl. VII9caper tibi salvos et haedi; 
Carm. Tiff. ut vidit viluli condita lumina, — voluit mori®o 
Ovid met. X 131f. zZ! saevo morientem vulnerevidit, velle mori 
slatuil; Carm, 8 tam crebrae pecudum neces » Verg. 
Georg. III 471 guam multae pecudum 'pestes, Carm. 9 
laceris visceribus«@ Prud. perist. XI 136 visceribus laceris, 
Carm. 110 certa salus n Verg. Georg. IV 294 certam — 
salulem; Carm. 123 errorem veterem » Prud. cathem. VIIT3 
velerum — errorum. Au meiner Beurteilung der Beziehungen 
zwischen Endelechius und Prudentius (oben S. 283f.) halte ich 
trotzdem fest. — Vgl. ferner noch zu Carm. 11 Ovid trist. V 1,63f 
strangulat inclusus dolor atque exaestuat intus cogitur et vires 
multiplicare suas,; zu Carm. 3lf. nec languere sinit nec palitur 
moras (morbus). sic mors ante luem venit Lucan VI 99f. nec 
medii dirimunt morbi vitamque necemque, sed languor cum morte 
venit,; zu Carm. Öl longis qualtiens ilia pulsibus LucanIV 757 
defecta gravislongetrahitilia pulsus,zum Vergleiche Carm. 85T. 
Manil. V 732 quot decliva cadant foliorum milia silvis, zu 
Carm. 94 dirarumgque avium Stat. Theb. II 522 dirae — 
volucres (III 510). 

Zu V.S. 284. siccis in nubibus Lucan IV 331. 

Zu IX. Vgl. die Charakteristik des Numidiers Guntarith bei Corippus 
Joh. IV 222fl. perversa mente malignus, perfidus, infelix, alrox, in- 
sulsus, adulter, praedo, homicida, rapax, bellorum pessimus auctor. 

Zu XII. S. 298. In den Tristia des Ovid V 12, 15 heisst Sokrates 
ille senex, dictus sapiens ab Apolline. 

Zu XV. S. 803. Ueber er re nomen habere vgl, Wochenschr. f. 
klass. Philol. 1914 Sp. 405. 


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Wolfram von Eschenbach und die Markgräfin 
vom Heitstein. 


M. Haupt hat das Verdienst in der ZfdA. 11 (1859) 
43 f. darauf hingewiesen zu haben, dass die Markgräfin vom 
Heitstein, deren Wolfram von Eschenbach ın seinem Parzival 
403, 29 f. in so liebenswürdiger Weise gedenkt, die Gemahlin 
des Markgrafen Bertold II. von Vohburg, Elisabeth, eine 
geborene Wittelsbacherin war. So wie im Text der kritischen 
Ausgabe Karl Lachmanns zu lesen ist, muss man annehmen, 
dass Elisabeth, als Wolfram ihrer gedachte, noch am Leben 
war; und da das 8. Buch des Parzival, in dem sie erwähnt 
wird, dem vermutlich 1204/05 geschriebenen 7. Buche folgt, 
so stellle man sich die Markgräfin bereits als Witwe vor. 
Denn ihr Gemahl war 1204 nach einem tapferen Ritter- 
leben in die Ewigkeit eingegangen. Aber die Verhältnisse 
liegen nicht so einfach, und der Fall hat ein gewisses 
methodologisches Interesse. Sicher eindeutig ist er gegen- 
wärtig kaum zu entscheiden. 

Was vorerst Elisabeths Persönlichkeit anlangt, so stützte 
sich Haupt auf die bei A. F. Oefele Rer. boic. script. I 402 
gedruckte Chronik des Stiftes Reichenbach und auf eine 
Angabe bei Anselm Meiller in seiner Chronik von Ensdorf, 
Mundi miraculum 1739 S. 340. Nach beiden Nachrichten 
war Rlisabeth die Schwester Herzog LudwigsI. von Wittels- 
bach. Auf welche Quellen diese beiden vermutlich unter- 
einander zusammenhängenden Angaben zurückgehen, lässt 
sich mit dem gegenwärtig bekannten archivalischen Material 
nicht melır feststellen, aber dieses reicht aus, um die An- 
gaben selbst als glaubwürdig anzusehen. Dass die Gemahlin 
des Markgrafen Beriold Elisabeth hiess, geht aus der am 
Schluss dieses Aufsatzes unter Nr. I mitgeteilten, leider 
undatierten Schenkung an Stift Reichenbach hervor und 
dass sie eine Wittelsbacherin war, wird durch andere Tat- 
sachen gestützt. 1204 erscheint nach dem Toode des Mark- 


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308 Wilhelm, Wolfram von Eschenbach 


grafen Bertold Herzog Ludwig I. von Bayern als Vogt 
von Reichenbach und verspricht sein Amt nach den 
Ueberlieferungen der Vohburger Markgrafen zu verwalten 
(s. M. Doeberl, Regesten u. Urkunden zur Geschichte def 
Dipoldinger Markgrafen auf dem Nordgau, Progr. des Lud- 
wigsgymnasiums München 1893 Nr. 149) und Herman von 
Niederaltaich berichtet ausdrücklich, dass Ludwig I. den 
Vohburger beerbt habe (MG. SS. XV 377, 35; Doeberl 
Reg. Nr. 148). Tatsächlich führt auch das zwischen 1224 
und 1228 verfasste Urbarium antiquissimum ducatus Bawarie 
fast alle ehemaligen Besitzungen Markgraf Bertolds als 
herzogliche auf. Darüber freilich, dass Elisabeth die Tochter 
Herzog Otto I. von Wittelsbach war, findet sich in den 
übrigen Quellen nichts. Die Genealogie Herzog Ottos U. 
und seiner Gemahlin Agnes bei Herman von Niederaltaich 
kennt Elisabeth nicht (vgl. MG. SS. XVII 376, 15 f£.). Aber 
die eben besprochenen älteren Quellenzeugnisse machen 
sonst die Angaben der Reichenbacher Chronik und Meillers 
nicht unglaubwürdig, und so hat denn wohl Chr. Häutle 
mit Recht im Morgenblatt zur Bayrischen Zeitung Nr. 228 
vom 4. September 1862 und in seiner Genealogie des ör- 
lauchten Stammhauses Wittelsbach, München 1870 8. 2 
Elisabeth unter die Töchter Herzog Ottos I. von Wittelsbach 
eingereiht. Seine Vermutung über die Zeit ihrer Geburt 
— er denkt an 1178/79 — dürfte indessen sehr unsicher sein. 

Nun ist Allen, die sich mit Elisabeth beschäftigt haben, 
mit Ausnahme E. v. Oefeles eine Stelle im ältesten Biburger 
Traditionsbuch (s. u. Nr. II) entgangen und diese ist von 
grosser Wichtigkeit für die uns beschäftigende Frage. In 
E. v. Oefeles Arbeit „Traditionsnotizen des Klosters Biburg* 
MSB. phil.-hist. Ol. 1896 S. 403 hat sie niemand vermutet 
und beachtet. Weder E. Martin in der Einleitung und im 
Kommentar zu Wolframs Parzival (Halle 1903) noch J.B. 
Kurz (61. Jahresbericht des histor. Vereins für Mittelfranken 
Ansbach 1916 S. 21) und A. Schreiber (Neue Bausteine zu 
einer Lebensgeschichte Wolframs von Eschenbach, Frank- 
furt a. M. 1922) sind auf sie gestossen. Nach dieser Notiz 
übergab Markgraf Bertold zu Gisemuntsteten einen Hof 


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und die Markgräfin vom Heitstein 309 


zu Sigenburg dem Abt Johann von Biburg und seinem 
Convent aus Anlass seiner bevorstehenden Beteiligung am 
Kreuzzuge, eine Uebergabe, die ein zweitesmal am eigent- 
lichen Aufbruchstag zu Regensburg stattfand. Bei der ersten 
Gelegenheit vertraute der Markgraf seine in der Tradition 
leider nicht mit Namen genannte Gemahlin der Obhut des 
Abtes Johann und seines Conventes an, und diese haben, 
wie das Traditionsbuch bemerkt, ihre übernommene Pflicht 
getreulich bis zum Tode der Markgräfin erfüllt. Abt Johanns 
Period lief nach den gründlichen Erörterungen G.Leidingers 
(MSB. phil.-hist. Ol. 1913 Abh. 6 S. 51£.) von 1188 bis 1199. 
Innerhalb dieser Jahre muss demnach die Abt Johann an- 
vertrautes Gemahlin Bertolds gestorben sein. 

Um welche Zeit man diesen Todesfall ansetzt, hängt 
nun davon ab, welchen Kreuzzug man unter dem in der 
Biburger Tradition erwähnten versteht. E. v. Oefele und 
ihm folgend G. Leidinger denken an Friedrich Rotbarts 
tragischen Zug und setzen daher die Tradition des Biburger 
Kodex in das Jahr 1189 und dieser Ansatz ist entschieden 
sehr wahrscheinlich. Denn am 29. V. 1189 ist Markgraf 
Bertold im Kreuzheer zu Pressburg und am 27. bis 31. VLI. 
desselben Jahres bei Nissanachweisbar (Doeberl. Reg. 133 ab.). 
Am 26. VI. 1193 tritt der Markgraf wieder in heimischer 
Umgebung, in einer Urkunde für Bischof Konrad Ill. von 
Regensburg auf (Doeberl Reg. 134). Somit fiele der Tod 
der Markgräfin etwa zwischen Mai 1189 und Mai 119. 

Allerdings muss auch mit einer anderen Möglichkeit 
gerechnet werden: dass der in der Biburger Tradition er- 
wähnte Kreuzzug das geplante Unternehmen Heinrich V1. 
meint, welches durch Heinrichs unerwarteten Tod ein so 
schwächliches Ende fand. Unmittelbar vor dem dritten 
Zuge Heinrichs VI. nach Italien machte Herzog Ludwig I. 
eine Schenkung an Stift Scheyern eo tenore et forma, quod 
si ab itinere, quod in Apuliam cum gloriofo Domino meo 
Romanorum Imperatore inceperam rever/us non fuero, i/ta 
traditio rata et inconvul/a habeatur (MB. 10, 460; Doeberl 
Reg. 136). Unter den zahlreichen Zeugen fungiert Markgraf 
Bertold an zweiter Stelle. Dass Bertold auch an diesem 


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ll 45. Zu Zu 


310 Wilhelm, Wolfram von Eschenbach 


Zug sich beteiligte, geht aus der unten unter Nr. IN mi 
geteilten Urkunde hervor. Er wird sich vermutlich mi 
Herzog Ludwig nach Italien begeben haben, vielleicht in 
der Absicht, den Kreuzzug mitzumachen (vgl. F. Böhmer, 
Wittelsbacher Reg. S. 4 zum Jahr 1197 und P. de Ludewig, 
Reliquiae manuscriptorum omnis aevi diplomatum etc. Halae 
Salicae 1737 XI 600 £.; 603 f; = Th. Toeche, Jahrbücher 
der deutschen Geschichte, Kaiser Heinrich VI. Reg. Nr. 475; 
478) oder wenigstens beim Truppentransport behilflich zu 
sein. Wahrscheinlich ist er baldnach dem Tode Heinrichs VI. 
mit Herzog Ludwig nach Deutschland heimgeeilt. Am 6. II. 
1198 befindet sich der bayerische Herzog in Arnstadt bei 
der Königswahl Philipps von Schwaben (Ficker-Böhmer 
Reg. imp. V 1 Nr. 15a) und am 28. V. 1199 zeigt er mit 
anderen Grossen des Reiches, unter ihnen auch sein Schwager 
Bertold von Vohburg, von Speyer aus dem Papst die Wahl 
Philipps von Schwaben an (Ficker-Böhmer Nr. 28). Der 
Tod von Bertolds Gemahlin fiele dann zwischen die Jahre 
1196 und 1199. 

E. v. Oefele, der nur die erste Möglichkeit in Betracht 
zieht, folgert mit Recht, dass wenn Markgräfin Elisabeth 
vor der Rückkehr ihres Gemahls 1189 oder 1190 gestorben ° 
ist, sie nicht erst 1178/79 geboren sein kann, „wie Häutle 
angibt, oder Bertold II. (III.) hatte mehrere Frauen und 
die zu Biburg gestorbene war nicht die Wittelsbacherin“ 

Hier haben wir den Kernpunkt der ganzen Frage. Setzt 
man den Tod der in der Biburger Tradition erwähnten 
Gemahlin Bertolds zwischen 1196 und 1199, so kommt man 
mit Häutles Ansatz von Elisabeths Geburt 1178/79 aus. 
Markgraf Bertold wäre dann fünf bis acht Jahre Witwer 
gewesen. Setzt man den Tod Elisabeths 1189/90 an und 
will man nicht eine zweimalige Verehelichung Markgraf 
Bertolds annehmen, so ist Häutles Ansatz von Blisabeths 
Geburt entschieden zu spät. 

Häutle folgt in seiner Anordnung der Töchter Herzog 
Ottos I. der Genealogie Herzog Ottos II. bei Herman von 
Niederaltaich und darin wird, wie schon erwähnt, Elisabeth 
nicht genannt. Elisabeth kommt daher bei Häutle erst nach 


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ii 


und die Markgräfin vom Heitstein 3ll 


den fünf bei Herman erwähnten Töchtern Ottos I. zu stehen 
und wird deshalb auch als jünger angesetzt. Aber die 
Genealogie ist, wie das Fehlen Elisabeths und einiger anderer 
Kinder Ottos I. zeigt, lückenhaft und auch sonst nicht in 
allen ihren Angaben richtig. Sie weist mehrfach Irrtümer 
auf, die von Ph. Jaffe in den Anmerkungen zur Ausgabe 
der Genealogie berichtigt sind. Unter anderem macht sie ° 
die Gräfin Agnes von Loos zur Mutter Herzog Ottos I. 
von Wittelsbach, während sie seine Gemahlin war und seine 
Mutter Heilica Gräfin von Lengefeld hiess (vgl. S. Riezler 
ADB. 24, 643 f). Leider ist das Datum der Vermählung 
Ottos I. mit Agnes von Loos nicht feststellbar, es fällt aber 
unter allen Umständen früher als 1173, wie O. Behaghel 
in der Einleitung zu Veldekes Eneide S. CLXXI nach Böhmer 
angibt. Man setzt die Geburt Ottos I. um 1120 an. Bei 
der grossen Zahl von Kindern, welche seiner Ehe mit Agnes 
von Loos entsprungen, dürfte es wohl als ausgeschlossen 
gelten, dass Otto erst um 1170 mit fünfzig Jahren geheiratet 
hat. Da nun weiter eine Gewähr nicht gegeben ist, dass 
die Genealogie die von ihr aufgezählten Töchter Herzog 
Ottos I. nach dem Alter verzeichnet, sondern die Annahme 
weit gerechtfertigter erscheint, dass dies nach dem Rang 
der Ehegatten geschieht, so ist die Wahrscheinlichkeit einer 
früheren Geburtszeit als 1178/79 für Elisabeth, — etwa 
zwischen 1160 und 1170 —, nicht von der Hand zu weisen. 
Mit dieser Annahme wären die chronologischen Schwierig- 
keiten aus dem Weg geräumt, die E. v. Oefele andeutet: 
die in Biburg verstorbene Gemahlin Markgraf Bertolds von 
Vohburg kann sehr wohl Elisabeth von Wittelsbach ge- 
wesen sein. 

Es fragt sich nun, sind in den Quellen Anzeichen vor- 
handen, dass Markgraf Bertold zweimal verheiratet war? 
Mit allgemeinen Redensarten wie „die Leute der damaligen 
Zeit sind nicht gern allein geblieben“ lässt sich nicht argu- 
mentieren. Denn ob ein Mann Witwer bleibt oder nicht, 
hängt von so vielen Umständen persönlicher und wirtschaft- 
lich-gesellschaftlicher Art, nicht zuletzt auch von sittlich- 
religiösen Motiven ab, dass sich darüber in unserem Fall 


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312 Wilhelm, Wolfram von Eschenbach 


gar nichts sagen lässt. Prüft man das für Markgraf Bertold 
einschlägige Material nach dieser Richtung, so spricht & 
eher gegen eine zweite Ehe als dafür. | 

Als Markgraf Bertold aus Apulien zurückkehrte, fühlte 
er sich in gedrückter körperlicher und seelischer Stimmung. 
Er hielt es für nötig seinem Stift Reichenbach seine Rechte 
gegenüber seinen Erben im Sinne seiner Vorfahren zu 
sichern und es weiter auszustatten. Da, wie aus der Reichen- 
bacher Chronik und Herman von Niederaltaich hervorgeht, 
Kinder als Erben nicht in Betracht kamen, so konnte die 
Sicherung Reichenbachs gegenüber Bertolds Erben sich nur 
auf dessen Frau oder auf die sonstigen nächsten Erben be- 
ziehen. Immerhin sollte man meinen, dass in der zwecks 
dieser Sicherung ausgestellten Urkunde (s. unter Nr. II) 
Elisabeth ausdrücklich erwähnt würde. Das ist aber nicht 
der Fall. In der einzigen Urkunde, in der Elisabeths Name 
überliefert ist (s. unter Nr. I), erscheint sie nicht nur als 
Veranlasserin der darin durch Bertold betätigten Zuwendung, 
sondern zugleich auch neben ihrem Gemahl als Zeugin 
dafür. In der weit feierlicheren Sicherungsurkunde, bei 
deren Handlung offenbar der Vohburgische Hofdienst ziem- 
lich vollständig zugegen war, wäre ein solcher Hinweis sehr 
wohl am Platze gewesen. 

Das Datum dieser Sicherungsurkunde kann übrigens 
so, wie es im Reichenbacher Codex steht, verschieden auf 
gelöst werden. Gewöhnlich deutet man es auf den 29. X. 1200, 
aber es kann auch 1. XI. 1204 gelesen werden. Für die 
erstere Deutung hat man sich wohl deshalb entschieden, 
weil die Reichenbacher Chronik und Meiller als Todestag 
Bertolds den 25. V. 1209 angeben und der 29. X. 1200 der 
Rückkehr aus Apulien näher steht, als der 1. XT. 1204. 
Andererseits ist aber die Angabe des Todesjahres der 
Reichenbacher Chronik nach den bestimmten Worten der 
Schäftlarer Annalen eo anno (1204) odiit Marchio Voh- 
burgensis (MG. SS. XVII 337, 45) nicht glaubhaft und somit ° 
auch die Tagesangabe nicht über jeden Zweifel erhaben. 
Markgraf Bertold befand sich, wie bemerkt, schon am 
28. VI. 1199 in Deutschland und konnte deshalb ebensowohl 


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und die Markgräfin vom Heitstein 313 


am 29. X. 1200 wie am 1. XI. 1204 von sich sagen: reuer/us 
de Apulia temporibus Heinrici Imperatoris (+ 28. IX. 1197) 
et corporis molestia grauatus. Löst man das Datum von 
Nr. DI als 1. XI. 1204 auf, dann muss die Urkunde als eine 
letzte Willenserklärung gegenüber Bertolds Erben und Stift 
Reichenbach angesehen werden — und diesen Eindruck 
. macht sie auch in mancher Hinsicht — und man muss an- 
nehmen, dass der Markgraf wenige Tage danach gestorben 
ist. Für die Urkunde Herzog Ludwigs I. von 1204 (Doeberl 
Reg. Nr. 149), in der er sich als Vogt des Klosters Reichen- 
bach bekennt, bliebe dann immer noch selbst unter Berück- 
sichtigung des Jahresanfangs zum 25. XII. ein Zeitraum 
von ungefähr sechs Wochen. 

‚Aber es verhalte sich mit der Datierung, wie es sich 
wolle: Widergekeret von Pülle ze den ziten des keiferes 
Heinriches unde von des libes betruobnisse beswerel sagt 
schwerlich ein Mann von sich, der eine junge Herzogstochter 
von 22 bis 26 Jahren zur Frau und somit alle Hoffnung 
auf Nachkommenschaft hat, wohl aber ein Witwer, dem 
mit dem Ehgemahl auch alles Lebensglück ins Grab sank 
und der sich deshalb nicht zu einer zweiten Ehe entschliessen 
konnte und Witwer blieb. So sprechen die wenigen Zeug- 
nisse über Bertold eher dafür, dass er als Witwer starb 
als eine Witwe hinterliess. 

Wir kommen jetzt zur Erwähnung der Markgräfin bei 
Wolfram von Eschenbach. Sie ist uns in zwei Fassungen 
überliefert: auf der einen Seite steht die älteste Hs. D, auf 
der anderen alle übrigen. Ich stelle beide Fassungen ein- 
ander gegenüber und verweise für Einzelheiten auf Nr. IV 
unten, wo der Text nach sämtlichen Hess. in Parallel- 
druck gegeben ist. 

D: Die übrigen FHss. 
So daz ir fite und ir fin fo daz ir fite vü ir fin 


Waz gelich der marogravin - waf gelich der margrauin 
Div diche vonme heitftein div dicche von dem heitftein 
Über al di marche scein vber al di marche erfchein 
Wol im derz heinlichbe an ir wol im derz heimliche an ir 
Solde prfuen des gelöbet mir fol prüuen daz geloubet mir 
Der vant churzwile da der vindet churze wile da 
Bezzer denne anderswa bezzer danne anderfwa 


Münchener Museum für Philologie des MA. IV, 3. 21 


514 Wilhelm, Wolfram von Eschenbach 


Die Hs. D. stimmt mit der Biburger Notiz überein. 
Die Markgräfin lebte danach um 1204 nicht mehr. Abe, 2 
sämtliche übrigen Hss. stimmen dagegen. Nach ihnen lebte 
um 1204 Elisabeth noch. Lachmann, der die Biburger 
Notiz nicht kannte, aber D für die beste Ueberlieferung des 
Parzival hielt, liess sich durch die Uebereinstimmung sämt- 
licher Hss. gegen D zur Aufnahme der Präsenslesarten be- 
wegen. Bartsch und Martin folgten ihm, obwohl Martın 
findet, es sei „das Richtige, sich an die gute alte, mehrfach 
allein richtige Hs. D zu halten, so lange nicht innere Gründe 
deren Lesarten verwerflich erscheinen lassen“. Die Autori- 
tät Lachmanns und Haupts liess beiden Männern Zweifel 
an Lachmanns Wahl nicht aufkommen. Nur Leitzmann 
entschied sich für D, wohl mehr in Konsequenz seiner An- 
nahme, dass die Sangallner Hs. den besten Text biete, als 
aus sonstiger Erwägung, denn er kannte ja die Biburger 
Traditionsnotiz auch nicht. Der Fall liegt daher philologisch 
wie historisch so merkwürdig, dass gegenüber der Wolfram- 
stelle, die bis jetzt für so sicher in ihrem Inhalt galt, vol- 
kommene Unsicherheit eintreten muss, sowohl für den 
Philologen wie für den Historiker. 

Leider ist von germanistischer Seite seit 1833 nichts 
geschehen, um in grosszügiger Weise, Lachmanns Arbeit 
am Parzival nachzuprüfen d. h. die gesamte Parzivalüber- 
lieferung von neuem durchzuarbeiten und die Frage des 
Handschriftenverhältnisses zu klären. Weder E. Stadlers 
Arbeit „Ueber das Verhältnis der Hss. D und G von Wolframs 
Parzival“, Strassburger Dissertation 1906 noch F. Kittel- 
manns QF 109 (1910) „Einige Mischhandschriften von 
Wolframs Parzival“ genügen. Was Kittelmann zu beweisen 
suchte, muss auf viel breiterer Grundlage ausgeführt werden, 
und ob sich da die Dinge nicht doch ganz anders darstellen, 
ist noch sehr die Frage. Merkwürdigerweise ist Stadler 
aber auf unsere Stelle gar nicht eingegangen, obwohl er 
S. 94f. und 144 f. Gelegenheit dazu gehabt hätte. 

Immerhin ist die Uebereinstimmung zwischen D und 
der Biburger Traditionsnotiz so auffällig, dass ich es nicht 
unterlassen kann, einiges anzuführen, was für die Lesarten 


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we 


En &ı Gere 


und die Markgräßn vom Heitstein 315 


von D spricht, Nach den Präsenslesarten erschiene die 
Markgräfin denn doch als lustige Witwe, die kaum ein Jahr 
nach dem Tode ihres Gemahls sieh sehon den Freuden dieser 
Welt wieder hingibt. Das entspricht weder den Auschau- 
ungen des Mittelalters über den Witwenstand noch dem ' 
strengen Sinn Wolframs, der in den Gestalten der Herzeloy.de 
und der Sigune Frauentrauer um den dahingeschiedenen 
Mann und Verlobten mit Worten von Zartgefühl und Seelen- 
tiefe wie wenige Dichter der Weltliteratur geschildert hat 


.(vgl. aueh San-Marte, Parziyalstudien 2, 134£.). Auch wäre 
‚schwer zu begreifen, weshalb Wolfram die unverheiratete 


Antikonie mit einer eben erst zur Witwe gewordenen Frau 
vergleicht. Feinfühlig wäre das sicher nicht gewesen, und 
das widerspricht dem, was wir sonst von Wolfram wissen. 
Wohl aber lässt es sich bagreifen, wenn die zaum Vergleich 
mit Antikonie herangezogene Frau schon länger tot und 
nicht im Witwenstand verstorben war. So/ wiplich ere 


‚sin gewin, des koufes het sie vil gepflegen und alles volsches 


sich bewegen: da mite ir kiusche pris erwarp. ouwe daz so 
fruo erssarp von Veldeke der wise man: der kunde se baz 
gelobet han. Diese Worte beziehen sich zunächst auf Anti- 
konie, aber sie stehen doch noch ganz unter dem Einfluss 
der Anspielung auf die Markgräfin vom Heitstein. Mir 
scheint daher der Hinweis auf den verstorbenen Veldeke 
in diesem Zusammenhang nicht ohne tieferen Sinn. Elisabeth 
von Vohburg war die Enkelin der Gräfin Agnes von Loos, 
der Gönnerin des Dichters der Eneide. Er mag sie von 
Kindesbeinen an gekannt, vielleicht auf den Armen der 
Grossmutter gesehen haben. Wies Antikonie all die Vor- 
züge der verstorbenen Markgräfin vom Heitstein auf,. dann 
wäre in der Tat niemand geeigneter gewesen sie zu loben 
als Heinrich von Veldeke, wenn er noch am Leben gewesen 
wäre. So erinnerte Wolfram in sinniger Weise an. zwei 
Tote, deren Lebensschicksale in dem Kreise, in dem sein 
Parzifal freundliche Aufnahme fand, in teilnehmendem An- 
denken waren. Seine Worte mussten den Landgrafen Herman 
von Thüringen erinnern an den dahingeschiedenen Eneide- 
dichter, dem er selbst die Vollendung seines Hauptwerkes 
21* 


316 Wilhelm, Wolfram von Eschenbach 


ermöglicht hatte, und zugleich aber mit ihm auch seine 
Gemahlin Sophie von Wittelsbach an die zu früh heimge- 
gangene Schwester. Der Tod Markgraf Bertolds mag diese 
Erinnerungen von neuem ausgelöst haben. Die Erwähnung 
Veldekes an dieser Stelle erschiene dann nicht nur als 
literarisches Kompliment. 

Jedenfalls zeigt die ganze Untersuchung, auf einem 
wie luftigem Unterbau Schreibers für Elisabeth von Vohburg 
wenig schmeichelhafte Vermutungen beruhen. Ich muss sie, 
wie vieles andere in seinem Buch, auch wenn die in der 
Biburger Tradition erwähnte Gemahlin Markgraf Bertolds 
nicht Elisabeth gewesen sein sollte, ablehnen. 


I. 
Ohne Jahr und Tag. 


Ego Pertholdus Marchio de Voheburch petitione vxoris mee 
Elyfabeth pro remedio animarum noftrarum Remifi fratri Matholfo 
Sacrifte in Reychenbach omnia Jura mea fue obedienoie fuiique 
fuocefforibus idem Offioium habentibus in perpetuum Vnde conftituo 
et precipio vt nullus prepofitorum aut quifquam meorum hoc factum 
infringat Et ut ratum et fanum confiftat litteris et Sigillo meo 
confirmo. Teftes funt Ipfe dominus Marchio | Domina Marchioniffa 
Elifabeth Gotpoldus Dietrious frater eius de Kambe Hertwicus paganus 
Hugo foriba eius Engelmarus ditpenfator Pertholdus Camerarius. 

München Hauptstaatsarchiv Reichenbach Kl. Lit. '|: Bl. 198v. 


II. 
Notum fit omnibus tam futuris quam prefentibus quod Bertol- 
dus marohio de Voheburch - in expeditione ierofolimitana que 
uniuerfalif in gente xpianorum habebatur - quam et ipfe pro xpo 
beata fpe animatus arripuit - curiam quandam in Sigenburch per 
manum legatarii fui Geroldi de Tanne - deo et domino Johanni abbati 
fratribusque fuif in Biburch commorantibus - aput uillam Gifemunt- 
fteten - coram minifterialibus cum omnibus appendiciis fuif feilicet 
agrii - pratif - oultif et inoultif - quefitif et non quefitis - in ivs pro- 
prietatis pro remedio anime fue tradidit - tum et pro conferuatione 
domng Marohioniflg uxoris fue quam eidem abbati tempore pere- 
grinationif fue oonferuandam conmifit - quam dominus abbas cum 
fratribus fuif in fide fufceptam - cum multa diligentia in omni 
honeftatif ao feruicii ufque ad obitum eius conforuabant - Teftes huius 
rei sunt per aurem traoti - quos notatof fubforipfimuf - Ödalricus de 
curia - Marquardus de Grünahc - Hartradus et Eticho prepofitus de 
voheburoh - Otto de Tyrenbüch - et ruftioi plures eiusdem uille. 
ltem eandem ouriam die profeotionif fug per manus predicti 
legatarii fui domino abbati et fratribus fuif in Ratifpona feoundario 


re N EN 


und die Markgräfin vom Heitstein 317 


omni iure proprietatif delegauit et tradidit coram liberif hominibus 
et minifterialibvs - quos per aurem traotof notauimus et fubforipfi- 
mus - Purchardus de Lapide - Wernherus de Labere -Eberhardus de 
abenfberch - Heinrious de Dolenze - Ödalrious de ouria - Gotfridvs 
de Lengenowe - Reginboto fenior et iunior de voheburch - Rrdegervs 
pincerna - Marquardus de Grünahc - Hartradus fenior et filius eius 
Hartradus - Eticho prepofitus - Otto de Tyrenbüch et alii plurimi 

München Hauptstaalsarchiv, Biburg Kl. Lit. Nr. 2! Bl. 45rv. 

IIL 


IN nomine - S. et Indiuidue Trinitatis - Rerum temporalium 
mutabilitas - bonorum malorumque contraria voluntas neceflario 
exigit ut que a bonis bene et recte difponuntur / modis omnibus 
ne iniquorum ingenia preualeant confirmentur - Nouerit itaque fide- 
lium Vniuerfitas / qualiter ego Bertholdus Marchio de Voheburch 
reuerfus de Apulia temporibus Heinrici Imperatoris et oorporis moleftia 
grauatus quicquid | Auus uel pater meus pie memorie in honore 
dei et beatiffime [dei]! genitricis fue Marie et omnium fanctorum 
ecolefie deo militanti in Reichenbach diuinitus infpirati in prediis 
uel mancipüs contulerunt uel minifterialibus fuis conferentibus uel 
collaturis liberam poteftatem conceflerunt proprii „ris atteftatione 
roborare et foripto mandare neceflarium exiftimaui Infuper Aduoca- 
ciam in predio quod dicitur Lengeuelt / nullum ego decetero uel 
heredes mei inde exacturi feruicium in rebus uel in hofpiciis deo et 
ocolefie refignaui duaf quogue Curias iuxta Chambe diotas Alten- 
marchit et Göwenha fimili modo ab omni Iure et feruicio meo ab 
folui / Si quis hanc poteftatiuam meam tradicionem annullare Voluerit 
tradimus eum fathane in interitum carnis ita tamen ut fpiritus eius 
fi refipuerit faluus fiat iu die domini - Huius rei teftes funt Engel- 


‚hardus de Adelnburch Heinrious de Tolezn - Heinrious de Randekke - 


Rudegerus Marfchalous Bertholdus pincerna et fratres fui - Fridericus 
et Heinriocus de Voheburch - Kuno et Rupertus / Hartrat Junior - 
Eberhart de Ilmerdorf - Omnes de Voheburch - De chambe Gote- 
boldus et fratres fui - Wicmannus et Dietrious - Otto de Welfinigen - 
Gotfridus de Lingenowe - Adelrammus de Warmundefdorf - Kunradus 
et frater eius de Waltingen - de Napurch Büman et frater eius 
Wichnandus - Et omnes minifteriales fui - Acta funt heo - Anno ab 
incarnacione domini Millefimo Ducentefimo - IIII - Kalef - Nouembris. 


MB. 27, 40; München Hauptstaatsarchiv, Reichenbach 
Kl. Lit. 'Js BL. 160rv. 


IV. 
D Cod. S Gall. 857. S.116Sp.2: m Cod. Vindob. 2914 Bl. 26lr: 
So daz in fite und ir fin So das ir fitte vnd ir fin 
Waf gelich der marcogravin Was gelioh der margreffin 
Div diohe vonme heitftein Die dioke vonne heit? ftein 
Über al die machre fcein Vber alle die marcoke fchein 


ı Rot durchstrichen. *? Oder aber: hert, Jellinek. 


318 
Wol im derz heinliche an ir 
Solde prusen des gelöbet mir 
Der vant ohurzwils da 

Bezzer denne anderfwa 

o Dresden Mser. M. 66 Bl. 284r: 
fo das ir fite und ir fm 

was glich der Margrafirt 

die dick von dem Hertftein 

über alle die marcke {ehem 

wel ym der es heimelich am ir 
fol prüfen dafs gleubent mir 
der findet kurezwile da 

beffer dann anderfwsa 


g- Cod. pal. germ. 364 Bl. 54rb: 
So daz ir fite vnd ir fin 

Was gelich der margrefin 

Die dicke von me heit ftsine 
Vber al die marck fcheine 

Wol im der heimliche an ir 

Sol prufen des geloubet mir 
Der vindet kurtzeweile da 
Bezzer danhe anderfwa 


8. Cod. Vindob. 2773 Bl. Bra: 
30 daz ir fite vad ir fin 

Was gellch der märgrarin 

Dis dicke von Heitftein 

Vber al die marke erfohein 
Wol im der iz heinliche an ir 
Sol prüwen daz geleibet mir 
Det vindet kürzewils da 
Bezzer dan andorfwa 


g. Hamburg cod. germ. 6 S. 177: 
fo daz ir fitte vä fin 
waz gelich der margravin 
die dicke von den beitftein 
vber al die maroke erfchein 
wol im derz heinliche an ir 
fol prüfen das gelovbet mir 
der vindet kurtzwile da 
beffer danne anderfwa 


G. Cgm. 19 Bl. 30 ve 
fo daz it fite vi ir fin. 
wai gelich der Märgtauin. 


Wilhelm, Wolfrem von Eschenbach 


Wol ym der es heinliche an ir 
Do brieffent des geloubent miir 
Der vindet kurcze wile da 
Vifer danne anderfwa 


n Cod. pal. 339 Bl. 298°: 
80 des ir Atte vnd ir fin 
Was glich der margreflin 
Die dicke von dem heit ftein 
Vber alle die marcke fchein 
Wel jıme der es heimelich an ir 
Sol prüffen des gloubent mir 
Der vindet kurtzwile do 
Beffer denne anderiwo 


g. Cod. Vindob. 2708 Bl. 8Orb: 


fo do ir fite väi ir fin 

waf glich der margravin 
div dicke von Heitftein 
vber aldıe marke erfcein 
wol im derz heinliche an ir 
fol prveven daz gelobet mir 
der vindet kvrzewile da 
bezzer danne ander(wa 


g. Schweriner Hs. Bl. lö5r. 
Bo dafz ir fite vond ir {yn 
wafz glich der marggrefin 
dy dioke vö ds heititeyn 
vbir aldy marke if fcheyn 
Wol ym der ifz beymiliche an ir 
fol prüßn defs geleübit myr 
der findet kürtze wile da 
bozzer danfi atıdirfwa 


g. Cem. 18 Bl. SIrb. 
So daz ir fit vü ir fin. 
War gelioh der märgravin. 


Div diohe waf von dem aitfteine. 


Vber at di marohö erfcheine. 
Wol im derz heimlich an ir. 
Sol brifen daz gelavbet mir. 
Der vindet kvrzwile da. 
Bezer danne ander (wa. 


g. Cem. 61 Bl. 58rb. 
fo daz ir fit vnd ir fin. 
gelich waf der margreuin. 


| 
’ 
j 


und die Markgräfin vom Heitstein 319 


div dicche vome heitftein. Diu diche von d’m haitftain. 
vbor al de! marke liehte fchein. vber all diu march liehter fhain. 
wol in derz heinliche an ir. wol im der ez haimlich an ir. 
fol pröven daz gelöbet mir. fol brüuen daz gelaubet mir. 
der vindet churzewile da. der vind’t ohurzewile da. 
bezere vil dane anderfwa. bezzer dann ander[wa. 

g. Rappolsteiner Parz Bl.65vb. Druck von 1477Bl.8Ira(Hain® 6684) 
So daz ir fitte vü ir fin So das ir fitte vü ir fin 
waz gelich der marggrevin Was gleich der marckgreuin 
Die diche vöme hertftain Die dick von dem hertftein 
wbar aldie marke grfohein Vber alle die marcke erfohein 
wol im ders heimlich an ir Wol im ders haimliche an ix 
Sol prüven daz geläbent mir Sol prüffen des gelaubent mir 
Der vindet kvrzewile da Der vindet kurtzweile do 


Beiler danne anderfwa Beffer dan anderfwo.') 


ı) Die Möglichkeit nach jeder einzelnen Hs. die Stelle mitteilen 
zu können, verdanke ich für die Wiener Ess. der Güte M. H. Jel- 
lineks, die Heidelberger F. Panaers, die Dresdner Ohr. Janentzkya, 
die Hamburger und die Schweriner den betreffenden Bibliotheksver- 
waltungen. Die Münchener Hss. und die Donaueschinger, sowie den 
Druck habe ich selbat eingesehen. Dabei stellte sich haraus, dass 
in der Donaueschinger Papierhs, (Nr. 70) der Passus fehlt: In der- 
selben Spalta schliesst sich an Parz. 370,12 gleich 412,13 an, es fehlen 
also 370,13—412,12, wie die Ha. überhaupt sehr lückenhaft zu sein 
scheint. Allen Helfern sage ich öffentlich meinen herzlichsten Dank. 
Die S. Galler Stelle teilte mir Stiftsarobivar Dr. Jos. Müller mit, so 
dasa sie nach S.818 f. berücksichtigt werden konnte. Auch ihm 
meinen besten Dank! 


München. Friedrich Wilhelm. 


Dye siben seulein.’) 


Der gross maister hwgo begeret lang von gott das er im solt 
weysü ein menschen der in leret den weg zu dem ewigen leben. 
Do hört er eines mals ein stym dye sprach zu Im. Gee hin zu der 
kirchen do würstu finden ein menschen der zayget dir den weg 
der warheyt. Also gieng er In dye kirchen vnd vand do einen 
armen elenden menschen Vbel geklaydt vnd geschucht den gruset 
der maister vnd sprach, Got geb dir ein guetten morgen. Do sprach 
“der arm Ich het nye bösen morgen. Do sprach der mayster das 
dir got gelück geb wye antwurstu mir also. Do antwurtet der arm 
Ich gewan nyoe vngelück. Do sprach der mayster das dich got selig 
mach wye redestu also vnd der arm Ich ward nye vnselig Do 
sprach der mayster lieber bruder leg mir deine wort aus wan ich 
verstee dich nit. Also sprach der bruder mayster ir wunschet mir 
ein guettn morgen do antwurt ich ich het nye bösen morgen das 
ist war dann wenn ich hab gehabt hunger durst hytz oder kelt 
oder sunst mangel notturftiger dinge so hab ioh alozeit got gelobt 
darumb so gewan ioh nye pösen morgen. Darnach spracht ir das 
mir got gelück geb do antwort ich Ich gewan nye vngelück das 
ist auch war dann was got ye vber mich verhengt hat ez wer lieb 
oder layd suess oder sawer das hab ich alczeyt Im pestü von Im 
auffgenumen darvmb hett ich nye vngellick. Zum letzsten spracht 
ir zu mir das dich got selig mach. Do antwurtet ich Ich ward 
nye vnselig das ist wär wann ich hab mein willen al so gesetzt 
in gottes willen waoz er wil das will ioh auch darvmb ward ich 
nye vnselig wann ich wil alzeyt den willen vnd dye ere gotz. Dar 
Vber sprach der mayster Liber bruder wolt dich gott in dye helle 
werfen was wolstu darzu thwen oder sagen. Do antwurt der bru- 
der wolt mich gott in dye hell werffen so hab ich zwen arme mit 
den wolt ich In wmpfahen der erst arm ist miltikeit der ander 
demütikeyt vnd wolt In mit mir zyhen vud wolt lieber mit Im 
sein in der hell dann on In sein in dem hymel. Also sprach der 
maister O bruder wiltu mit mir anpeysen. Neyn sprach der bruder 
ich muess geen zu der kirchweycoh vnd als er sein tagzeyt wolt 
sprechen do begegent im vnser herr Jhüs xP3 in ayner gestalt eines 
aussetzigen vnd sprach bruder wo wiltu hyn. Der bruder sprach 
Ich wil geen zu einer kirchweich. Der herr sprach was tregstu 
mit dir zu der kirwey. Do antwurtet der bruder vnd sprach Es ist 


*) Aus Stift Lambach 8° Msor. oart. 247. 


wu UNE WEN 


Newald, Dye siben seulein 321 


nit not das ich euch das sag. vnser herr sprach Als lieb dir got 
sey sag mir was tregstu mit dir zu der kirwey. Do sprach der 
bruder Ich trag syben seulein vnd do sprach der her Sag mir durch 
got was tregstu in dem ersten seulein. Do sprach der bruder In 
dem ersten seulein trag ich willig armuet vnd smacheyt dye ich 
geren leyd durch gottes willen. Do sprach der herr das ist gar ein 
guetz seulein. Was hastu in dem andern seulein sewfezen vnd 
wainen sprach der bruder vmb mein sündt wenn ichs mag gehaben- 
An dem dritten hab ich wachen vnd vasten mit aynem raynen 
lawtern lebeü. Do sprach der herr das sein gar guette seulein 
was hastu in dem vierden seulein. Der bruder antwurtet In dem 
vierden hab ich das lawtter gepett mit aynem lawttern herozen- 
In dem fuften hab ich ein ware lieb zu gott. In dem sechsten hab 
ich ein waren gantzen crislichen gelawben den ich vestlich hab 
gehalten pis auff disen hewtigen tag. In dem sibenden hab ich ein 
reyne lawtere sel dye ich vnserm herrn wil auffgebü wenn er wil. 
Also sprach vnser her Das sind gar guette seulein wiltu sye ver- 
kauffen. Nein sprach der bruder. Do sprach der herr wolstu sye 
aber geben wmb dyse gantze welt, wmb dise gantze welt sprach 
der bruder lies ich meine seulein nit ansehen. Der herr sprach 
wolstu sye aber geben vmb all heyligen vnd junckfrawen. Der 
bruder sprach vmb all heyligen vnd juncokfrawen lies ich meine 
seulein nit auff pintten. vnd der herr wolstu sye aber geben vmb dye 
junckfraw maria dye mueter ihu. Der bruder sprach Hett ich dye 
mueter ich hoffet ich hett auch den sun vnd auch das kint. Also 
sprach der bruder herr geett vnd last mich mein gepett sprechen 
vnd sagt mir wer ir seyt Do sprach der herr Ich bin der den du 
so gar lieb hast vnd verschwandt vor seinen augen do verstund 
der bruder im gaist wol das er was vnser herr ihus xpus vnd sprach 
mit oleglicher stym. OÖ herr wye gar kuth ist ecoz das ioh bin ein 
grosser sunder dastu mir wolst vergunnen das ich mit dir hett ge- 
redt von meiner armen seel hayl wegen. Nun hab ich dich ver- 
loren vnd wayss nit was ich sol thwen vnd Im solchen olagen vnd 
engsten eylet er zu der kirwey vnd fand aber vnsern herren in 
ayner gestalt aynes krancken aussetzigen menschen der sprach zu 
Im bruder wo wiltu hin zu der kirwey sprach der bruder. Der 
herr sprach Nym mich mit dir Der bruder sprach Du magst doch 
weder geen noch steen, wye sol ich dich dann mit mir nemen 
Der arme herr sprach Trag mich mit dir als lieb dir got sey vnd 
also wickelt in der bruder in sein mantel vnd trug in mit Im auff 
seinem ruck zu der kirwey aynes closters. Von dem gieng ein 
bruder vnd do er disen bruder sah do kört er pald wider vmb zu 
dem oloster vnd sprach zu den bruderen Eylent pald mit dem 
crewtz vnd mit den heylten wann es kumpt dort ein bruder der 
tregt got selben auff seinem ruck vnd also giengen sy Im entgegen 


1 


329 Newald, Dye ziben apwlein 


mit ayn eerliohenm pxocession mit grosser andacht vnd do sye Im 
naheten do fyelent sye krewtzweys vor Im nyder do erschrack der 
bruder vnd knyet auch nyder vwnd sprach was thwet ir oder was 
maynet ir domit wann ich doeh bin ein armer elender sunder vnd 
trag ein armen elenden menschen auff meinem rück. Do sprachen 
dye bruder des olostess Mit niohten nit du tregst got selben auf 
deinem zruck. Also wolt In der bruder von Im setzen vnd wolt In 
auch sehen. Do verschwant er In vor iren hantten. Do gaben sye 
dem. brueder daa helige sacrament vnd sein seel fuer zu got in das 
ewig leben vnd das wöl vna auch gat geben vnser her ibus xpus. 
AMEN. 


München. R. Newald. 


Berichtigung zu Bd. 4, S. 77 ff. 


'Da der erste Teil meines Aufsätnzohens leider auch ein un- 
sohuldiges Opfer der Räterepublik geworden ist, indem der Setzer 
die bei der zweiten Korrekturlesung sich ergebenden zahlreichen 
Fehler mit einigen unbedeutenden Ausnahmen nicht mehr zu bes- 
sern für gut befunden hat,’ so muss ich den Leser noch nachträg- 
lich bitten, dies wenigstens bei den sinnentstellenden selbst tun zu 
wollen, nämlich 

S. 78, 2.12 eins, 
Z. 82 förterhkiin in -hin; 
S. 79, 2. 7 (an 2.Stelle), 2. 11, 2.27 und 2.82 ü in dessen 
| (von der Druckerei offenbar typograpbisch nicht 
wiederzugebenden) Umlaut, 
2.19 und 2.34 das & bei 4 und eü in dasselbe Zeichen 
mit Striohen, 
2.84 steil in sieur; 
S. 80, 2.22 ihrer in jhrer. 


München, den 12. Nov. 1920. 
V. Moser. 


Studien zu Publilius Optatianus Porlyrius. 


| L. 
Leben und Nachleben des Dichters. 


Zur Zeit der Alexandriner stand eine besondere Art 
von Poesie in hoher Blüte, die sogemannten earmina figu- 
rata (cf. Haeberlin carm. fig. Hannover? 1887). Diese Rich- 
tung lebte nach Jahrhunderten wieder auf in den Werken 
des Publilius Optetianus Porfyrius zur Zeit Constantin des 
Grossen, wenn &uch in etwas anderer Hinsicht, da hier fast 
durchweg bestimmte Buchstaben hervorgehoben sind, die 
für sich zusammengestellt: ebenfalls Worte und zusammen- 
hängenden Sinn ergeben. 

Ausser gelegentlichen Erwähnungen bei seinen Nach- 
ahmern und der Bemerkung des Hieronymus über seine 
Verbannung haben wir von dem Diohter keine Nachricht. 
Wir können nur versuchen, uns aus seinen Gedichten ein 
Bild seines Lebens herzustellen (vgl. u. S. 336 ff.). Die schon 
mehrfach geäusserte Vermutung (siehe besonders Seeck 
Rh. M. 68,269), Porfyrius sei aus Afrika gebürtig, möchte 
ich aufrecht erhalten, ja man kann sogar wohl schliessen, 
dass er Karthager war. Dann erklärt sich das auffallende 
Interesse, das er Afrika und speziell Karthago c. XVI ent- 
gegenbringt, obwohl Afrika in der Geschichte Constantins 
nie eine Rolle gespielt hat, und auch der Sidonius -in c. 
XX]l, unter dem man sich sonst nichts vorstellen könnte, 
findet eine glatte Deutung. Bücheler führt noch Rh. M. 
48,88 als Beweis seiner afrikanischen Abstammung an, dass 
besonders in Afrika Künsteleien nach Art des Porf. heimisch 
waren; vor allem zeugt das Auftreten des anacyclischen 
Gedichtes XXVIII im Codex Salmasianus, der doch fast 
nur afrikanische Dichter der grossen Nation enthält, für 
diese Ansetzung. Auch kommt der Name Optatian sehr 
häufig in Afrıka vor; cf. C. J. L. VIII 629, 631, 673, 2398 
und 4198. — Wie die Verhältnisse des Dichters in seinen 


324 Kluge, Publilius Optatianus Porfyrius 


früheren Jahren waren, wissen wir nicht. Klarer tritt uns 
seine Gestalt erst durch den Brief des Kaisers entgegen, 
in dem er mit frater carissime angeredet wird (cf. Kluge, 
Hist. Jb. 1922 Ba. 42 H. 1 p. 91). Porfyrius stand also an- 
scheinend bei Constantin in hoher Gunst, und es ist klar, 
dass dies schon seit längerer Zeit der Fall gewesen sein 
muss. Hätte Porf. dem Kaiser nicht persönlich nahe ge- 
standen, so wäre kaum zu erwarten, dass der Brief einen 
so wenig offiziellen, der Kanzlei ungewohnten Ton trüge. 
Es waren ja die Privatsekretäre der Kaiser oft sehr gebil- 
dete und gewandte Leute, jedoch bei Kaiser Constantin liegt 
die Vermutung nicht ferne, das Schreiben könne von seiner 
eigenen Hand stammen. Eusebius berichtet vita Uonst. 
II47 von dem Edikt an die ÖOrientalen ypapıv iöLöypapov 
odoav aötoö und IV 8 von einem Brief an den Perserkönig 
Sapor Ylperar . . . al roüro Baolikus löldypapov Ypaypa. 
Nimmt man dazu die allgemeine Bemerkung IV 29: oyoXig 
öL Aoyoypaplv auvexeis &noreito Tag napddous und BB: @s abriis 
pexpı Teleurfig ouvhdwg p&v Aoyoypapeiv, so ist die Annahme 
auf ziemlich feste Grundlagen gestellt. Sicherlich haben 
auch die Stellen des Briefes an den Kaiser darauf Bezug: 
8 6: Musis tibi familiaribus plaudis und ut huius etiam 
studii in te micet splendor egregius. Auch die Worte des 
Kaisers $ 6: saeculo meo scribentes ... benigne auditus ... 
seguitur sind dann besser zu verstehen. Somitist daszunächst 
Gegebene, dass der Brief aus der Kanzlei stammt, wohl abzu- 
lebnen und derselbe als Autogramm zu betrachten. — Zu 
damaliger Zeit lebte der Dichter in sehr glücklichen Ver- 
hältnissen, wenigstens beklagt er ihren Verlust in der Ver- 
bannung (c. I. und XXII) und bittet den Kaiser ihm zafum 
laremque reddere. Auch der ihm befreundete Consul soll 
ihm das alte Glück wieder verschaffen: c. XXII. 25: nzitor 
ociter eius conditur abstrusa pauperie censum generosum 
cogere. So konnte Porf. auch in den Zeiten vor seiner 
Verbannung seine Carmina in Prachthss. an den Herrscher 
senden, wie c. I. kundtut. Das obenerwähnte nalum 
laremque lässt durch die Erwähnung des Sohnes darauf 
schliessen, dass Porf. Familie besass; aus dem Umstand, 


Kluge, Publilius Optatianus Porfyrius 325 


dass die Gattin nirgends erwähnt wird, liesse sich evt. der 
Schluss ziehen, dass er sie sehon durch den Tod verloren 
hatte. 

Wann Porf. mit seinen Dichtungen hervortrat, können 
wir nach c. X annähernd bestimmen. Dieses Gedicht fallt 
nämlich in das Jahr 319/20 nach Vs. 26: paras nunc omine 
Crispi Oceani intactas oras: der Hauptschlag ist geführt, 
das Frankenreich ist erobert und die Eroberung bis an die 
Küste wird durch Unterfeldherrn vollendet worden sein. 
Danach sagte "Optation von sich (13 f£.): sic parva locuto 
amplius en... tol munera tantaque summa concedis und | 
anschliessend: Zu mentem dicere donis invitas laudis cum 
munere. Sic vaga primus haud audita ligas. Der Brief- 
wechsel zwischen dem Kaiser und Porf. ist wohl eng mit 
diesem Carmen zu verbinden, denn Constantin sprach in 
diesem Brief seine Anerkennung über das Gesandte aus, 
und ein Geschenk scheint die Widmung belohnt zu haben. 
Welches Gedicht allerdings ihm Porf. überreicht hat, lässt 
sich nicht feststellen, vielleicht c. XV, da er sich dort noch 
als ruris vatis bezeichnet, von dem anscheinend andere 
Dichtungen noch nicht bekannt waren. Der Dichter betont 
aber in dem Brief in gleicher Weise wie in c. X, dass er 
noch so wenig geleistet habe und dass ihm die Anerken- 
nung, die er bei dem Herrscher finde, beglücke und ansporne. 
Mehreres war also schon von Porf. geschaffen, allein wenig 
noch an die Oeffentlichkeit gekommen. Das ruris vatis in 
c. XV lässt den Schluss zu, dass ein Teil — uns ver- 
lorener — Dichtungen einen anderen Charakter hatte als 
das erhaltene. Ihrer Art nach kann man c. XXVI und 
XVII aus dieser Zeit vermuten und eine Aehnlichkeit 
z. B. mit Theocrit darin sehen, der solche Technopaignia 
verfasste und auch als Bukoliker bekannt ist. Im Ausdruck 
schliesst sich c. XX V Ilauch eng an Vergils zweite Ekloge an. 

Bis zum Sarmatenkrieg 322 blieb das gute Verhältnis 
zwischen Porf. und dem Kaiser bestehen, denn den Feld- 
zug hat der Dichter offenbar im Lager Constantins mitge- 
macht, wenigstens nennt er sich c. VI17: factorum grarum 
und 33: Zestis. Nicht lange danach verlor aber der Günst- 


326 Kluge, Publilius Optatianus Porfyrius 


ling die kaiserliche Gnade, Schon c. VI entsiand ir 
Verbannung nach Vs. 35: placarint fala ee 
deutlich auf sein Exil anspielt, und die panegyrischen G = 
dichte hatten vor allem den Zweck, die Rückbarufung x 
erwirken. Was der Grund dieser Strafe war, lässt sieh mit 
Sicherheit nicht mehr feststellen. In II 31 sagt der Dichte i 
nur, auf ein falsum crimen hin sei er verurteilt worden. 
Seecks Vermutung (Rh. M. 63, 273 £.), es handle ch ur m 
religiöse Dinge, ist an sich nicht ohne weiteres von der 
Hand zu weisen. Die Begründung jedoch, die er dann gibt, 
stimmt nicht zu dem Bestand in den Gedichten: in sein 
Panegyricus betone nämlich der Dichter so häufig seinen 
christlichen Standpunkt, um sicherer Begnadigung zu er- 
langen. Die Carmina, in demen dieses christliche Element 
etwas stärker hervortritt, gehören aber ausser e. XIX gar 
nicht zu dem sogenannten Panegyricus. Eine Stütze findet 
diese Vermutung aber in zwei Versen Milos (s. u.). 
Der Ort seiner Verbannung ist unbekannt, nur ist nicht 

zu bezweifeln, dass es dem Dichter dort schlecht erging. 
In ce. I klagt er, er könne nicht das Material zu einer besseren 
Ausstattung der Hs. bekommen; in der Zristia cura ©.D5 
spiegelt sich seine gedrückte Stimmung und in c. XXI 
nennt er unumwunden seine paupertas. Zu wörtlich darf 
man wohl diese Angaben nicht nehmen, denn seine Lage 
braucht nicht so sehr drückend gewesen zu sein, um einen 
schroffen Gegensatz zu seinem früheren Leben zu bilden, 
indem er anscheinend gewohnt war, ziemlichen Aufwand 
um sich zu sehen. Malt doch auch Ovid in den Tristien 
und in den Briefen aus dem Pontus grau in grau, nur weil 
er nicht mehr in der Hauptstadt weilen darf. 
Eine Nachricht über des Dichters Befreiung aus dem 
Exil findet sich in der Chronik des Hieronymus zum 
Jahre 333, zum 23. Jahre Constantins (diese letzte Bestim- 
mung führt aber auf das Jahr 329), die angibt: Porfyrius 
misso ad Constanlinum insigni volumine exilio liberalur. 
| Das Faktum an sich, sowie die Begründung sind nicht zu- 
| rückzuweisen, die Jahresangabe aber ist mit Vorsicht auf- 


zunehmen. Es wäre etwas verwunderlich, wenn der Dichter 


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Kluge, Publilius Optatisnus Porfyrius 327 


7 bezw. 4 Jabre, nachdem die panegyrischen Gedichte an 
den Kaiser gelangt sind, erst begnadigt wurde, und dies 
dann noch auf jene Widmung zurückgeführt würde. Wobl 
eher, vielleicht schon 325/6, ward ihm die Rückkehr in die 
Heimat gestattet, wenn wirklich die Begnadigung auf Grund 
der Oarmina erfolgte. Und noch eins spricht gegen wine 
spätere Ansetzung der Befreiung: Der Chronograph des 
Jahres 8354 gibt zum Jahre 329 die Nachricht: Publ. Optahanas 
proef. urbi VII idus Sept.,; dess ein anderer aber als unser 
Porfyrius gemeint ist, ist doch nicht anzunehmen. Jedoch 
dürfte wohl einige Zeit vergangen sein, bis der Wieder- 
aufgenommene zu einer solch hohen Stellung gelangte. — 
Von dem weiteren Schicksal des Dichters wissen wir nichts 
mehr, ausser dass er 332 noch lebte, deam aus diesem Jahr 
stammt c. XVIH, und dass er 333 VII idus Aprilis noch- 
mals Stadtpräfekt war nach dem gleichen Chronikon. Ver- 
mutlich ist sein Tod zwischen 333 und 335 anzusetzen, 
denn zu den kaiserlichen Tricennalien 335 liegt uns kein 
Carmen von seiner Hand vor, und doch versprach er in 
c. XIX schon ein solches zu den dis vicennia. Allerdings 
kann auch dieses Gedicht uns verloren sein. 

Was die Ausstattung der Gedichte anlangt, so boten 
die Gedichte, die Porf. aus der Verbannung an den Kaiser 
schickte, kaum ein anderes Bild als unsere Hss., nämlich 
schwarz mit Minium durchzogen. Verschieden dagegen 
waren die Carmina, die vor dieser Zeit und wohl auch 
nachher an Oonstantin gingen. Denn in seiner Praefatio c. I 
sagt der Dichter, seine Muse trete jetzt weniger strahland 
vor den Kaiser denn einst, da er noch nicht im Exil war: 

Pallida nunc atro chartam suffusa colore 

paupere vix minio carmina dissocians. 
Früher jedoch kam sie daher 

ostro tola nitens, argento auroque coruscis 

scripta notis picto limite dicta notans. 
Diese Prachths. wird sich aber bei den damaligen unruhigen 
Zeiten nicht allzulange erhalten haben, wenn sie auch sicher- 
lich im kaiserlichen Archiv lag. 

Manche Dichter fanden sich in den späteren Jahr- 


328 Kluge, Publilius Optatianus Porfyrius 


hunderten, die an den Spielereien Optatians Gefallen fanden 
und sie nachzuahmen trachteten, wenn auch keiner von 
ihnen die Mannigfaltigkeit und Kunstfertigkeit des Porfyrius 
erreicht hat. 
Hierony- Um 400 muss sein Werk ziemlich bekannt gewesen 
muß sein, denn auf es beziehen sich ja die Worte des Hiero- 
nymus, die oben erwähnt wurden. Auf das Wort insignis, 
das er braucht, ist kein besonderer Wert zu legen, etwa 
in dem Sinne, dass damit eine Prachthandschrift bezeichnet 
werde, denn Hieronymus verwendet den Ausdruck zu oft. 
Auch ist ja nach Stolz: Histor. Gramm. der latein. Sprache 
Ip. 403 insignis keine Zusammensetzung aus in-signum, 
also nicht zu erklären: in quo signa sunt, quod signis 
ceteris praestat, sondern nur eine Rückbildung nach insignio : 
mit einem Zeichen versehen. Man kann demnach nur ver- 
muten, dass der Kirchenvater selbst ein Exemplar der 
carmina figurala — denn diese müssen gemeint sein, da 
die Gedichte aus der Verbannung der Art sind — ge- 
kannt hat. 
Ful- Am Ausgang des 4. oder Anfang des 5. Js. lebte der 
gentius afrikanische Schriftsteller Fabius Planciades Fulgentius, der 
zweimal den Porf. citiert; mythol. lib. IL 1 (p. 4020 ed. Helm): 
hanc (Venorem) efiam in mari natantem pingunt, quod 
omnis libido verum patiatur naufragia, unde et Porphyrius 
in epigrammate ait, nudus, egens, Veneris naufragus in 
pelago. Die 2. Stelle steht de continentia Vergiliana 
(p. 1001» sqq ed. Helm); exaltatus quis in superbiam duplum 
eliditur; unde et Porphyrius in epigrammate ait: pauxillum 
e. q. Ss. (cf. Porf. c. XXX): Da diese Citate aber nicht aus 
einem carmen figaratum stammen, muss Fulgentius wohl 
ein anderes Werk in Händen gehabt haben. 
Venan- Ob Venantius Fortunatus (Frdr. Leo), der in die Mitte 
re und das Ende des 6. Jh. zu setzen ist, den Porf. kannte, 
natus lässt sich nicht feststellen; wenigstens erwähnt er ihn 
nirgends namentlich. Doch da wir von ihm als dem ersten 
wieder Figurengedichte haben, von denen zwei sogar die 
gleiche Quadratform von je fünfunddreissig Buchstaben 
aufweisen wie die Carmina des Porf. zumeist — das 2. Ge- 


Kluge, Publilius Optatianus Porfyrius 329 


dicht des Venantius hat allerdings nur die 6 ersten Verse 
vollständig, sodass das Gerippe der Figur stehen bleibt — 
kann dies auf eine Abhängigkeit hindeuten. Die sprach- 
liche Uebereinstimmung an einzelnen Stellen lässt keine zu 
grossen Schlüsse zu, da der Stoff, die Verherrlichung Christi 
oder irgend einer weltlichen Standesperson, einen gewissen 
festen Sprachgebrauch ausgebildet hatte. 

Genannt wird Porf. erst wieder von Beda, 672/3 ge- 
boren, der in seiner ars metrica (Gram. lat. VII 25820) aus- 
führt: praeterea sunt metra alia perplura, quae in libris 
centimeirorum simplicibus monstrata exemplis quisque cupit 
reperiel. Reperiuntur quaedam et in insigni illo volumine 
Porphyri poetae, quo ad Constanlinum Augustum misso 
meruit de exilio liberari, quae quia pagana erant, nos 
tangere non libuit. (Man beachte das Zusammentreffen 
mit Hieronymus in dem Ausdruck illo insigni volumine, 
obschon daraus kein Schluss zu ziehen ist, da die Worte 
mehr eine stehende Formel geworden zu sein scheinen). 
Die letzten Worte lassen es unentschieden, ob Beda selbst 
eine Hs. der Carmina besass. In dem sogenannten Pane- 
gyricus finden sich ja häufig Anrufungen der Musen und 
Apolls; sollten dies aber die für Beda anstössigen Stellen 
gewesen sein? Andrerseits sind doch auch verschiedene 
Stellen da, die rein christliche Anschauungen verraten wie 
ec. XIX, 

Bonifatius, zu gleicher Zeit geboren wie Beda, bildet 
in seinem einem Figurengedicht Duddo missi (sc. versus) 
ein Quadrat von 38 Buchstaben, in das rechtwinklig ein 
zweites eingezeichnet ist, während die Mitte eine Kreuzfigur 
bringt (M. G. P. lat. med. aevi I 17) Acrosticha finden sich 
mehrere bei ihm, doch sind diese zu jener Zeit so oft 
nachweisbar, dass man daraus keinen Schluss ziehen darf, 
ist doch auch schliesslich solche Art von Spielerei leicht 
ohne Vorbilder zu schaffen. Aus den Worten, die er ver- 
wendet, lässt sich eine direkte Anlehnung an Optation nicht 
erweisen. 

In der Karolingerzeit, in der ein starkes Interesse für 
die Literatur früherer Jahrhunderte erwachte, merken wir 
Münchener Museum für Philologie des MA. IV, 3. 22 


Beda 


Bonifa- 
tius 


Alouin 


Teudulf 


330 Kluge, Publilius Optatianus Porfyrius® 


häufiger den Einfluss des Porf., auch wird des öfteren seit 
Name erwähnt. Bei Alchwin, geb. um 730, finden wir zwei 
in der Art des Porf. gebaute Gedichte. So stellt das carmen 
de sancta cruce ad Carolum (P.M. A.I., 225) ein Quadeeg 
mit Diagonalen dar, in das ein anderes Quadrat rechtw 24 
eingezeichnet ist. Die versus ad Carolum regem erzei n 
durch die Miniumzeichen folgendes Bild: BEE. 
Sprachlich scheint Alcuin ausserdem auch ab- BEE 
hängig von Porf. zu sein, wenigstens finden Er 
sich in den Gedichten an den Kaiser vielfach 1 
wörtliche Uebereinstimmungen. Alle aufzu- NET 
führen würde zu weit führen, nur ein paar besonders deut- 
liche möchte ich herausgreifen. Z. B. VI 6 inclite, sancta 
salus 19 rector in orbe 26 vera salus.. fu lux pia, c. 1 
nähert sich in seiner ganzen Diction der Ausdrucksweise 
des Publilius: 7 o Zur Ausonidum (Porf. XVI 38) milis 
pater inclite mundi 21 o decus omne Luis, vitae lux maxima 
nostrae 24 en tu laudantes vincis, sed rex bone versus | 
virtutum meritis mundo tu praecipe solus | magna Solus 
hominum. Die eingeschriebenen Verse des zweiten Gedichtes 
erinnern sehr an c. XXI des Porf.: Ducite nunc regi pronis 
nova munera Musis | Puplius Albinus Carlo haec inclyta 
Zusit. | Dicite laeta bono mecum modo carmina regi. Hier 
gibt also der Dichter in gleicher Weise wie Porf. c. XXT 
an, wer er ist und für wen das Gedicht bestimmt ist. — 
Die Spielereien des Poeten stehen auch in der Haupthand- 
schrift des Porfyrius, im Bern. 212 (Hagen catal. codicum 
Bernensium p. 210), ausserdem noch andere von Teudulf 
und Scottus. 
Von Theodulfus, um 760 geb., einem Goten aus Spanien, 
findet sich nur ein Carmen figuratum (MS. PL. 482), nd 
zwar hat es die gleiche Form wie das erste Gedicht des 
Alcuin, Der Stil ist hier wieder in der gleichen Hymnen- 
art gehalten wie bei den vorhergenannten Gedichten und 
wie bei Porfyrius, nur dass für die Musen entsprechend 
der bischöflichen Stellung des Verfassers der Dominus 
eintritt und seine Hilfe für das Gelingen des Werkes ange- 
rufen wird. 


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Kluge, Publilius Optatianus Porfyrius sol 


Bei Josephus Scottus, der um 791 starb, haben wir 
vier Figurengedichte von folgender Form: 


EDS Ein 


Zu c. II und III verfasste Josephus selbst ein kurzes 
metrisches Scholion für den Kaiser, das aber ganz in seinem 
Stil gehalten ist, und vor allem bedient er sich der ersten 
Person und empfiehlt sich und sein Werk dem Wohlwollen 
des Kaisers. Er gibt z. B. kurz den Hauptinhalt an, der 
natürlich auf eine Verherrlichung Christi und seines Stell- 
vertreters auf Erden, Karls d. Gr., hinausläuft (MG. PL, 
152 ff... Auch hier weist der Sprachgebrauch starke An- 
lehnung an ÖOptatian auf, wenn man nicht eben diese Aus- 
drucksforrm — und das wird wohl das Richtige sein — 
als feststehende T'erminologie für Gedichte der Art nehmen 
will. Auf jeden Fall erwähnt Scottus den Namen des 
Publilius nirgends. 


Scottus 


Hrabanus Maurus, Diacon von Fulda und späterer Maurus 


Erzbischof von Mainz, geb. um 784, der sich auch in den 
Künsteleien des Porf. versuchte, ist der erste, der ihn als 
seinen Meister nennt im Prolog zu seinem Carmen de 
Jaudibus sanclae crucis; die ganze Dichtung besteht aus 
Figurengedichten, bei denen die farbig eingetragenen Bil- 
der wieder Verse ergeben. Das Opus steht in dem gleichen 
Parisinus 2421] wie der ‚Panegyricus’ des Porf. und die be- 
treffende Stelle lautet: non recordor alicubi me fecisse in 
ipsis versibus punctos nisi ubi ‚quae‘ pronomen vel ‚que‘ 
conlunctio fuit vel ‚us‘ finalis syllaba dictionis, quod idem 
et Porfyrius fecit, secundum cuius exemplar litteras spargere 
didici. (MG.Pl. 154, MSL. CVI 146.) Zu jedem Gedicht 
schrieb er selbst eine Prosaerklärung in sehr didaktischem 


Ton. 
22* 


mr I | ( = '@ Y f a \ '@} 'e] 
Digitized by N II JUN IE 
y 


332 Kluge, Publilius Optatianus Porfyrius® 
} Carm. Unter den carmina Sangallensia (9. Jh.) kehrt in den 


Sangall. „weiten ad St. Gallum das gleiche Bild wieder wie Porfyrius 

c. X (MG. P1.11 478/9). Sprachlich ist jedoch kein Zusam- 

menhang festzustellen. 

Dicuil Bei dem Iren Dicuil, der zur Zeit Karls des Grosser 
ins Frankenreich kam, soll sich nach Traube (MG.PL. HI 

407 Anm. 6) ein Gedicht finden, das in der gleichen Art 

wie c. XXV des Porf. die Worte von 4 Hexametern durch 

Umstellung auf 72 Verse bringt (cf. Manitius, Geschichte 

der lat. Literatur des Mittelalters I 649). Dieser ‚corspec- 

Zus‘, in dem die vier Verse stehen, ist ein Ziber asitrono- 

micus, der in dem noch unveröffentlichten Codex Valen- 

tinianensis 386 f. 73® und 76 enthalten ist. 

In seiner bibliotheca latina bringt Fabricius unter dem 

Stichwort Optatianus zwei Stellen, an denen der Dichter 

Porfyrius mit dem Philosophen gleichen Namens verwech- 

Jeremias 8elt wird. Ein gewisser Jeremias, um 809 Bischof von Trier, 
| von Sensfragt in einem Brief den Erzbischof Jeremias von Sens, 
wie er den Namen Jesus schreiben solle. Darauf antwor- 
| tete der Erzbischof (MG. Ep. V 289): Porphirius philosophus 
nomen Jhesu in anacrostica sua latine scripsit (cf. c. VII) 
hoc modo ‚Jesus‘, gquem novimus utriusque linguae perilum 
fuisse. Dieses peritum bezieht sich darauf, dass die her- 
vorgehobenen Buchstaben in drei Gedichten Verse mit 
griechischen Buchstaben und Worten ergeben. Dass der 
Philosoph Porphyrius Anacrostichen geschrieben hätte, ist 

nicht bekannt. i 

Milo Ferner schreibt Milo von St. Amand (nach 809 gebo- 
ren) in einem Gedicht, verfertigt glorioso regi Carolo (ge- 

meint ist König Karl der Kahle) vs. 7 (PM. A. H 612): 
Porphirium variis quae pinxit metra tabellis 

solvere exilio biathanalton, ore putentem 

(Christicolis vomuit quia plurima probra nefandus 

conqueror auxilium vos huic tribuisse, Camenae). 

Es scheinen demnach die christlichen Gedichte des Porf. 

nicht sehr bekannt gewesen zu sein, vielleicht deshalb, 

weil im ‚Panegyricus‘ nur eins davon aufgenommen ist und 

dieser am verbreitetsten war; hörten wir doch auch von 


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Kluge, Publilius Optatianus Porfyrius 333 


Beda, dass er die Gedichte des Poeten nicht lesen wollte, 
guia pagana erant. Milo musste nach seinen Worten eigent- 
lich noch andere carmina zur Verfügung gehabt haben ala 
die, die wir kennen, denn von einer Verachtung und An- 
feindung der Ohristen ist doch darin keine Rede. — An 
die Spitze der zweiten Ausgabe seiner Vifz Armandi stellte 
er zwei Figurengedichte in specie sanctae crucis editae ad 
gloriosum regem Carolum. Die sich ergebenden Verse sind 
in der Hs. zusammengestellt vor den Gedichten. Das eine 
carmen weist die Figur auf wie c. II des Porf. ohne dessen 
in die Quadrate noch eingezeichneten Buchstaben, das an- 
dere die Gestalt eines Quadrats, das in vier kleinere Qua- 
drate geteilt ist. Die Ausdrucksweise ist ganz im üblichen 
Stil gehalten. 


In der vita et passio S. Eulogii (Erzbischof von Toledo Eulogius 


+ 859) III 9 schreibt, Albarus von Cordova: auf einer Reise 
durch das Frankenreich fand Eulogius in Pampelona und 
den benachbarten Gegenden multa volumina librorum ab- 
sirusa et paene a multis remota und diese brachte er nach 
Cordova mit; darunter befanden sich auch Porfirü depicta 
opuscula (MGL. CXV 719, Traube MS. PL. III 124). Also 
selbst in Spanien wurden Hss. dieses Dichters angefertigt. 

Die angehängte Zirplanalio zu dem Gedicht Hincmars 
von Reims (806 geboren) /erculum Salamonis, dessen In- 
halt in der Hauptsache eine Verherrlichung der Dreieinig- 
keit ist, erweist, dass die Carmina nach Art der Porfyri- 
anischen Figuren hatten, denn es gibt zu diesen eine Be- 
schreibung: prima columna tribus et triginta constat ca- 
pitulis etc. Ausserdem verfasste Hincmar noch einen me- 
trischen Kommentar dazu. Wahrscheinlich wird er auch 
eine Porfyriusausgabe gekannt oder besessen haben, da 
sich so viele Spuren der Benutzung in dieser Zeit nach- 
weisen lassen. Das heisst, mit Sicherheit können wir die 
Bekanntschaft mit dem Werk feststellen, denn Girmondus, 
der 1645 eine Gesamtausgabe der Schriften Hincmars ver- 
anstaltete, bringt II 547 (Traube MG. PL III 408 Anm.) 
einen Brief des Dichters an seinen Neffen Hincmar, Bi- 
schof von Laon, in dem er die üble Gewohnheit der Zeit 


Hincmar 


Anom. 
Augi- 
ENSE8 


Mico 


334 Kluge, Publilius Optatianus Po Es. 


tadelt zu schreiben, was man selbst nicht verstehe. Er 
fährt dann fort: kunc namque morem etiam a puerilia 
habuisti in his, quae te dictare rogabam, maxime autem 
in versibus et praecipue in figuris Porphyriacis, in guibus 
verba linguae alienae atque obstrusae impropria et ulil- 
late sensus carenlia, quae nec ipse intellegebas. studiose 
ponebas. Aus dem Schreiben geht also ausserdem noch 
hervor, dass auch Hincmar von Laon den ÖOptatian gut 
kannte und ihn in Figurengedichten nachahmte; erhalten 
hat sich allerdings keine dieser Künsteleien. 
Walahfrid Strabo (808/9 geboren), Abt des Klosters 
Reichenau, muss ebenfalls bestimmte Kenntnis von Porf. 
gehabt haben, denn er schreibt in dem Carmen ad Hlo- 
tharium imperatorem (MG. PL.II 415), nachdem er das Los 
der Dichter geschildert, das darin bestände fern von der 
Heimat sich aus den eignen Schöpfungen Trost holen zu 
müssen — Strabo selbst war von Ludwig dem Deutschen 
vertrieben worden, als er nach Ludwig des Frommen Tod 
für Lothar eingetreten war, bekam aber nach 2 Jahren, 
während der er in Speier Unterkunft gefunden hatte, seine 
Abtei zurück — und unter anderen als Beispiele Ovid und 
Vergil angeführt hatte: 
Porphyrius proprius longe est depulsus ab oris. 
Natürlich beweisen diese Worte nicht, dass er auch das’ 
Werk Optatians kannte; in seinen Dichtungen lassen sich 
jedenfalls keine Spuren einer Benutzung nachweisen, daer 
nur Acrosticha und Telesticha anwandte, die in jener Zeit 
genug verbreitet waren. 
Von der Reichenau ist uns aber ein carmen figuratum 

de cruce erhalten, das nicht von Walahfrid stammt; es ist 
abgedruckt in den MG. PL. IV 2 p. 1013 (ed. Strecker, noch 
nicht erschienen), aber unübersichtlich, so dass man die 
Künsteleien noch nicht recht durchschauen kann. 
Mico, Mönch und Diacon zu St. Riquier in der ersten 
Hälfte des 9. Jh., soll nach Manitius a.a.O.p. 474 unter 
anderen auch den Porfyrius in seinem opus prosodiacum 
benutzt haben. In dessen Abdruck bei Traube (MG. PL: 
III 280) habe ich aber nirgends den Namen ÖOptatian ge 


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Kluge, Publilius Optatianus Porfyrius 335 


funden. Dagegen heisst es in der Prosaschrift Micos de 
primis syllabis: similiter tropaeum sine aspiratione Por- 
phirio consentiente (v. Manitius hg. im MM. I p. 131). 
Ausserdem beweist eine andere Stelle der Carmina cen- 
| Zulensia (Gentulum ist das Kloster St. Richarii, St. Riquier), 
RE der Nenien z Micone conlatae, dass Mico unseren Dichter 
kannte. Es heisst dort (Traube MG. PL. III 310.) von 
einem Jüngling Leutgaudus 

— o © melri asiu pollebat iure magistri, 

in qua florebat velut unus Porphyrianus. 

Auf eine direkte Abhängigkeit von Optatian deuten dieEugenius 
Figurengedichte des Eugenius Vulgaris, der um 900 in 
Neapel lebte (MG. PL. IV 407), denn c. XXXVII hat die 
Form einer Syrinx, organi psalterii formula, wie er selbst 
schreibt, und ein solches Bild begegnet uns ausser bei 
Porfyrius nur bei den Alexandrinern, von denen Eugenius 
es sicher nicht entnahm, denn diese wurden erst etwas 
später „entdeckt“. Zudem stimmt der sprachliche Ausdruck 
oft wörtlich mit dem unseres Dichters überein, Carmen I an 
Papst Sergius III. enthält nur Acro-Meso-Telesticha, c. XIV, 
dasausD Teilen besteht, ergibt mit c.XV zusammenein Kreuz 


in folgender Anordnung _ _;c.XVI stellt eine Pyra- 


mide dar, c. XXXV, wie das folgende Gedicht an Kaiser 
Leo gerichtet, weist das gleiche Bild auf wie das zweite 
Figurengedicht Milos. 

Der Ire Cruindmelus, der wie viele seiner Landsleute Cruind- 
im Frankenreich lebte, verweist am Ende seiner metrica Melus 
ratio die, die Weiteres wissen wollen, auf das Werk des 
Servius de centimetris und auf die Gedichte des Porfyrius 
(Manitius a. a. O. p. 524). Leider konnte ich die Ausgabe 
des Dichters von Huemer nicht bekommen. 

Von Abbo, einem Mönch in St. Germain-de-Pres zu Abbo 
Ende des 9. Jh., der über die Belagerung von Paris durch 
die Normannen schrieb, berichtet sein Lehrer Aymon (P. 
M. A. IV 138): Othoni (gemeint ist Graf Odo von Paris, 
der spätere französische König nach der AbdankungKarlslIl.) 
quoque imperatori epistolam . . . conscripsit ... . nullis 


_.z 
C 


336 Kluge, Publilius Optatianus Porfyrius 


sapienlium istius lemporis comparandum carminibus, ex 
Porphyriano utique sibi codice exemplar sumens. Hunc 
versum materiam et quasi fundamentum totius constituit 
operis 
Otto valens Caesar nÖstro tu cede colurnO. 

Demnach scheint das Gedicht, das mit diesem Vers be- 
gann, ein quadratisches von 35 Buchstaben gewesen zu 
sein, wie wir es meist bei Optatian fanden, wahrscheinlich 
mit Acro-Meso- und Telestichon verbunden. 

Diese Zeugnisse führen uns aber schon in die Zeit, 
aus der unsere ältesten Codices stammen, d.h. der Cod. 
Bern. 207, der allerdings nur 2 Gedichte bringt, gehört 
wohl schon ins 8. Jh. und ebenso der Phill. 1815 Berlin 
ins 8./9. Jh. Es scheint aber nicht möglich zu sein, eine 
direkte Verbindung einer unserer Hss. mit einem dieser 
mittelalterlichen Dichter herzustellen. Auf jeden F'all sehen 
wir aber, dass seit der Zeit der sogenannten karolingischen 
Renaissance sich die Nachahmungen und Erwähnungen 
des Porfyrius mehren, was nicht nur an der ‚Neuauffin- 
dung‘ zu liegen scheint, sondern auch daran, dass diese 
Zeit wie auch die Renaissance des 17. Jh. Interesse und 
Freude am Gezierten, Verschnörkelten hatte und so mit 
dazu beitrug, dass uns dieser Panegyriker Kaiser Kon- 
stantins erhalten blieb. 


II. Zur Chronologie der Gedichte. 


Wie ich zu Anfang sagte, kann man sich das Lebens- 
bild des Dichters nur aus seinen Gedichten herstellen, dazu 
ist vor allem eine chronologische Fixierung derselben nötig. 
Einen Teil seines uns überkommenen Werkes bilden, wie 
schon die Ueberschrift der meisten Hss. besagt, die pane- 
gyrischen Gedichte an den Kaiser Constantin zur Feier 
seiner Vicennalien 325 (siehe meine Abhandl. im Hist. Jb. 
Bd. 42 Heft 1). Um die Gedichte nun in eine ungefähre 
Reihenfolge ihrer Entstehung nach bringen zu können, 
muss man versuchen, sie nach den in ihnen erwähnten 
Ereignissen annähernd zu datieren. Doch ist die Chrono- 
logie der konstäntinischen Zeit so unsicher, dass ein klares 


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ei a ee 


Kluge, Publilius Optatianus Porfyrius 337 


5 und entscheidendes Ergebnis nicht zu erwarten ist; auch 
| wird die Unsicherheit noch vermehrt durch die Spärlich- 
keit der Anspielungen in den Gedichten. 

Carmen I lässt nur ersehen, dass es aus der Verban- «I 
nung geschrieben wurde, und da der Hauptinhalt in der 
Klage des Dichters besteht, er könne nun seiner Schrift 
keine so prunkvolle Ausstattung mehr geben wie früher, 
ist der Schluss berechtigt, dass es mit der ersten Sendung 
von Carmina an den Kaiser abgegangen ist, denn bei spä- 
teren wäre dem Herrscher die einfache Ausführung der 
Spielereien in Schwarz und Rot anstatt Gold und Silber 
nach den vorhergehenden Sendungen nichts Neues mehr 
gewesen. 

C. II ist ebenfalls aus dem Exil geschrieben (cf. vss. °- UI 
1 fi., 31ff.). In Vs. 25: armis civilibus ullor, per te pax, 
bellis secura quies liegt sicherlich eine Andeutung der 
Liciniuskämpfe. Damit ist ein terminus post quem gege- 
ben, nämlich das Jahr 3235. (Zur Ansetzung des letzten 
Entscheidungskampfes zwischen Constantin und seinem 
Mitaugustus cf. Kluge a.a.O. S. 100 £.) 

Aus C. III ist nichts zu entnehmen. c. II 

In C. IV ist gesagt, dass es zum Vicennalienfest ge- o. IV 
dichtet ist, cf. Vs. 1; Vs. 5/6 wünscht Porfyrius: videat co- 
ruscos altera Roma duces, mit denen die Söhne Constantins 
gemeint sind. Unter dem zliera Roma ist nicht, wie L. 
Mueller annimmt, Nicomedia zu verstehen, sondern das 
neugegründete Constantinopel (cf. Kluge a. a. O. S. 98 £i.). 

C. V ist reich an Anspielungen auf Ereignisse im Osten. “ V 
Vs. 3: Oriente recepto nimmt wohl Bezug auf die Besiegung 
des Licinius, denn dadurch wurden die Parther und Meder 
Nachbarn Constantins und suchten als solche in freund- 
schaftliche Beziehungen zu ihm zu treten. Darauf scheinen 
die Vss. 2 und 5 zu gehen, die von einer Gewinnung per- 
sischer Gebiete sprechen; jedoch ist nach Vs.5 dicaltio 
weniger an eine gewaltsame Eroberung zu denken als an 
eine persische Gesandtschaft, ähnlich der, die Nazarius 
Paneg. 38 erwähnt: /psö... amicitiam tuam, Constantine 
maxime,non minus lrepide quam amabiliter petiverunt. Die 


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De I 


c. VI 


338 Kluge, Publilius Optatianus Porfyr us 


Erwähnung der Inder Vs. 13 lässt sich zeitlich nieht weiter 
verwerten; man kann nur annehmen, dass sie ziemlich üh 
in ein Abhängigkeitsverhältnis zu Constantin traten, denn 
Eusebius schreibt schon in der vita Const. VII 8: ’Ivöay 
pEXpL TOV EEWTATW TÜVTE EVXOXAD, TTEPLOIXWY TOD TTAVTOG UNS Yüs 
ünavrag elyev Onnxdoug. Vielleicht braucht man aber gar 
nicht an ein bestimmtes Ereignis zu denken, werden doch 
bei der Verherrlichung eines Fürsten gerne die Inder er- 
wähnt, um die Grösse seiner Machtsphäre anzudeuten; man 
vergleiche nur Verg. Aen. VI 794 f. und Hor. carm. saec. 

Vs.5f. — Bezüglich der Araber ist nichts festzustellen. — 

Unter dem Begriff Aethioper ist wohl Afrika gemeint oder 

besser Aegypten, das zum Reich des Licinius gehörte, aber 

durch dessen Besiegung Constantin zufiel. Auf den durch 

den Sieg über Licinius gewonnenen Friedenszustand scheint 

Vs. 16 mit omnia laela... zu deuten, während die fol- 

genden Verse auf den Triumph des Kaisers zurückgreifen. 

Fassbarer ist die Angabe Vs. 32 ff.: Crispi in fortia vires 

„.. Rhenum Rhodanumque tueri parant, die auf das Rhein- 

kommando des Crispus weist, das er bis zu seinem Tode 

behielt, abgesehen davon, dass er die Flotte im Kampf 

gegen Licinius befehligte.e Genauerer und sicherer aber 

als durch diese Anspielungen ist das Gedicht durch die 

Erwähnung der Vicennalien in Vs. 8, der Decennalien der 

Caesaren Vs. 26 und des Votum für die Tricennalien Vs.35 

festgelegt, nämlich als ein Carmen der panegyrischen Samm- 

lung zum Jahre 325. Auch bilden die Rubrica des Ge- 

dichtes folgende Zeichen: AVG. XX CAES. X. Eine leise 

Andeutung der schon öfter zum Ausdruck gebrachten Hoff- 

nung des Dichters durch ein Loblied aus der Verbannung 

befreit zu werden, möchte ich aus Vs. 25 spe pinget carmen 

herauslesen. 

Carmen VI lässt nach dem ganzen Ton erschliessen, dass 
es als unmittelbare Auslösung der darin geschilderten Ereig- 
nisse geschrieben ist. Nach Vs. 35: placarint fata procellas 
ist es als im Exil verfasst erkennbar. Eine weitere zeit- 
liche Bestimmung ist nicht sicher zu erreichen, denn das 
Jahr der Besiegung der Sarmaten unter ihrem König 


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Kluge, Publilius Optatianus Porfyrius 339 


Rausimod ist zweifelhaft; vielleicht ist es 322 (cf. Kluge 
a. a. Ö. S. 101 f.). Bedeutungsvoll ist in Vs. 33: Zestis,; 
danach kann man annehmen, dass Porf. an dem Feldzug 
teilgenommen hatte; als das Gedicht entstand, war er aber 
bereits in der Verbannung wie am Anfang angedeutet. 
Gerade in der Art, wie er von seinem Unglück spricht, 
möchte ich einen Beweis dafür sehen, dass er sich noch 
nicht lange im Exil befindet: er gedenkt schon des munus 
sacrum, das die Strafe von ihm nehmen wird, aber eine 
direkte Bitte darum wagt er noch nicht. Voraussichtlich 
ist also das Carmen auf 322/3 zu datieren. 

Für O. VII kann man annehmen, dass es ebenfalls aus 
dem Exil stammt; Vs. 10: sud lege lässt sich nämlich auf 
ein kaiserliches Gebot deuten, zumal im gleichen Vers: 
nunc copia Musae non talis diese Auffassung stützt: in 
solcher Lage ist der Zufluss seiner Muse nicht derart, dass 
eine reiche dichterische Produktion zu erwarten wäre. 
Sonstige Zeitangaben sind nur sehr spärlich und unsicher. 
Vs. 31 nennt Constantin vicior Sarmatiae toliens, was auf 
den schon in 0. VI genannten Sarmatenkrieg geht. Worauf 
Vs. 20 ff.: indomiti reges etc. zu beziehen ist, entzieht sich 
unserer Kenntnis, da die Angaben zu allgemein gehalten 
sind; vielleicht sind darunter die Fürsten der Sarmaten 
und Franken zu verstehen. Bei der genannten Beziehung 
auf die Verbannung, die aber wie in C. VI sehr schwach 
und umschrieben ist, und aus dem Umstand, dass ausser 
dem Sarmatenkrieg keine Rede von späteren Ereignissen 
ist, kann man vielleicht eine engere Verbindung mit 0. VI 
mutmassen. 

C. VIII enthält keine konkrete Angabe, durch die sich 
ein chronologischer Anhaltspunkt ergäbe. Im allgemeinen 
ist es auffallend, dass von einem vo/um perenne, perennia 
saecula gesprochen wird, aber nie von Vicennalien und 
Decennalien. Eher lässt der Anfang picia novis elegis wie 
die Verse 6 bis 9: gloria iam saeclo processit... ut laurea 
vota.... primis iam debeat annis (Öaesaribus) den Schluss 
auf eine ziemlich frühe :Ansetzung der Gedichte zu. Weiter 
als 319 zurückzugehen verbietet aber Vs. 33: pergue tuos 


f AıNıI—S—E > 
DIgIIZea Dy WII) > IC 


c. VII 


c., VIII 


c. IX 


840 Kluge, Publilius Optatianus Porfyrius 


natos vincis praeconia magna, das wohl auf den Sieg des 
Crispus über die Franken ziel. Mit Vs. 1 kann aber 
schliesslich auch nur das eingezeichnete Christusmonogramm 
als zovum bezeichnet sein. Wenn wir die früher geäus- 
serte Vermutung aufrecht erhalten, Optatian sei aus reli- 
giösen Gründen verbannt worden, so müsste das Carmen 
demnach in die Zeit des Exils fallen. Die Zaurea vola 
andrerseits lassen sich bei der Spärlichkeit der Angaben 
auf die Quinquennalien ebensogut wie auf Decennalien 
und Vicennalien beziehen. Vielleicht kann man die Verse 
also auch in die Gedichtsendung zum zwanzigjährigen Ju 
biläum miteinbeziehen, da nichts einer solchen Ansetzung 
direkt im Wege steht. 

C. IX ist nach den beiden letzten Versen als ein Fest- 
gedicht erwiesen, denn Vicennalien und Decennalien sind 
in engster Verbindung erwähnt. Etwas dunkel gehalten 
sind die Anspielungen in Vs. 2 bis 8 und Vs. 29: genies 
tibi adiunge rogantes. Wenn man sich aber die Verhält- 
nisse vergegenwärtigt, wie sie nach der Besiegung des 
Liciniuslagen, lassen sie sich ohne Vergewaltigung erklären. 
V3. 3: feliciter orbem reddens bezieht sich auf das ganze 
Reich, das mit der Niederwerfung des Mitaugustus unter 
einem Herrscher vereint und unter ihm glücklich ist. Gon- 
stliis iterum suadens ... (4) erinnert ebenfalls an die Aus- 
einandersetzung mit Licinius, durch die Rom wieder al- 
leinige Hauptstadt wurde. Bekanntlich war der Mitaugustus 
nach seiner Niederzwingung von Oonstantin auf freien Fuss 
gesetzt worden. Zon. XIII (p. Il 3) gibt an: 7) adeIpN ob 
Kuwvoravılvov npoeAFo0oa aurW Lökero Dnep TOD Kvöpdg TnpmTvat 
auTi) NV dpynv - mpofjye tiv ölnatv.. . Xal eis BesaaAovixnv Evörz- 
zp!Berv lölwreberv xeleberar; und ähnliche Berichte bieten 
Euseb. vita Oonst. II 19, Zos. II 28 (Aurel. Victor) epit. 41,7. 
Diese Tatsache ist dichterisch umschrieben in den Vss. b 
bis 8, denn man konnte für den besiegten Mitregenten die 
saeva vincla iugi erwarten, aber die c/emens pietas liess 
den Kaiser anders handeln. — Gerade zu einem Sieges- 
hymnus stimmt der Wunsch nach Ueberreichung der Palme, 
die in der Rubrica aus dem Gedicht hervorttritt. 


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Kluge, Publilias Opt fyrius 341 


In carmen 10 ist Vs. 25: paras nunc omine Crispi 
Oceani intaclas oras ... . scharf nicht fassbar; vielleicht 
hat Crispus nach dem Hauptschlag durch Unterfeldherren 
die Eroberung bis an die Küste vollenden lassen. Nach- 
richten von einem Krieg in dieser Richtung haben wir 
Jedenfalls nicht. Omine Crispi bietet keinen Anstoss wegen 
der Rückkehr des Caesaren nach Serdica nach Unterwer- 
fung der Franken, denn diese kleineren Unternehmungen 
stehen ja noch unter dem Omen des Oberfeldherrn. Der 
Hauptschlag ist geführt, das Frankenreich ist erobert, und 
dies Ereignis wohl war die Veranlassung des vorliegenden 
Carmen. Dieser Frankenkrieg fällt mit aller Wahrschein- 
lichkeit, wie schon erwähnt, ins Jahr 319. Das Consulat 
des Crispus 321 halte ich nicht wie Seeck (Gesch. d. Unter- 
gangs d. ant. Welt IV 3, 13 und Anm.) für eine Belohnung, 
weil dieser Frankenkampf siegreich ausging, sondern für 
eine Festgabe zur Decennalfeier, zumal Crispus mit seinem 
Stiefbruder Constantin zusammen das Amt bekleidete. 
Concordi saeclo (Vs. 21) und pecato sub orbe (Vs. 35) 
greifen auf den Friedensschluss mit Licinius 314 zurück. 
Auch lassen die Worte, die durch Minium in dem Gedicht 
hervorgehoben sind: paier imperas, avus imperes wohl den 
Schluss zu, dass Constantin noch keine Enkel hatte. Herbst 
322 aber wurde dem Crispus der erste Sohn geboren aus 
seiner Ehe mit Helena. (Ood. T'heod. IX 38: propter Crispi 
atque Flelenae partum omnibus indulgemus praeter veni- 
ficos, hominicidas, adulteros.) 

Carmen XI ist augenscheinlich ein Siegeslied zur Ueber- 
wältigung des Licinius im Septemper 323. Die fortia facto 
foto dominantia iam nunc orbe sollen diesen Sieg darstel- 
len, und Vs. 4—6 beklagen die unheilvolle bisherige Zer- 
rissenheit der Herrschaft und begrüssen die Einigung des 
Reiches. Constantinus, bisher nur Herr des Westens, war 
nun auch Herr des Ostens und als solcher Nachbar der 
Perser und Meder, an die vielleicht in Vs. 9 erinnert ist. 
Die letzten Verse 17—20 feiern ihn nochmals als nunmehr 
alleinigen Herrn der Welt. 

Auch C. XII geht auf die Niederzwingung des Lici- 


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0. X 


c. XI 


c. XI 


ee te en er 
u» er 


o. XIII 


c. XIV 


342 Kluge, Publilius Optatianus Porfyrius 


nius Renovata dabis weist auf eine zu erwartende Umge- 
staltung, besonders im Osten, hin (Eois populis iura feres), 
die im Anschlusse an den Sieg erfolgen kann, und klar ist 
die Einigung im Folgenden ausgesprochen: so/us Augustus 
in omni mundo. Noch nicht lange scheint der Krieg be- 
endet zu sein, denn Vs.15 ff. heisst es: concordia iam saucia 

. orat, res fessas leves. Das in Vs. 1 stehende consul 
lässt sich nicht im allgemein üblichen Sinn fassen, sondern 
ist nur synonym mit consilarius, consultor (cf. Kluge a. 
a. 0. S. 92/3). 

Ebenso scheint C. XIII dem Tone nach unmittelbar 
nach der Besiegung des Licinius abgefasst zu sein. Vs.1 
spricht von placido sub are iam nunc, und Oriens guie- 
Zus ibit (5) ist nur verständlich, wenn Constantin wirklich 
Herrscher im Osten ist, also im ganzen Reich wie Vs. 10 
sagt: Zotum sub orbe moderans und 12: solus dominans. 

0. XIV ist sicher nach der Niederwerfung des Mit- 
augustus geschrieben. Jetzt ist Constantin so/us princeps 
(2) und Zyranni fusi sunt. (Porf. scheint zusammenfassend 
an die ganzen Kämpfe des Kaisers gegen seine Neben- 
buhler zu denken, da er Vs. 4 und 7 und auch in dem Mi- 
niumvers den Plural Zyranni setzt, Kämpfe gegen Maxen- 
tius, den Zon. XIII 1,2 als töpxvvog bezeichnet, dann Mar- 
tinian, der nach Aurel. Vict. Caes. 414 von Licinius @d au- 
xilium cooptatus und oppressus est, Gonstantins Schwager 
Bassianus und Valens, der wie Zos, II 19» berichtet xorywyvöv 
&ywv tod rrol£nov nach der Besiegung des Licinius 314 seine 
Rolle als Caesar ausgespielt hatte). Der Krieg ist schon 
beendet, denn Vs.8 gibt an aspera vis posita est belli. 
Die folgende Anführung der Völkerschaften scheint im 
wesentlichen nur die Herrschaft des Kaisers auch im Osten 
illustrieren zu wollen. Die weitere Ausholung bezüglich 
der Perser Vs. 25 ist wohl auf eine uns unbekannte Ge- 
sandtschaft zurückzuführen, denn bis 335 herrschte Frieden 
mit diesen, ja Eusebius berichtet vita Oonst. IV 8: ö Ilepooyv 
Baosıleds Kwvoravılvp yvwplleodar Sı& rpeoßelag Mglou SOpz Te 
Kr oÜTWg onovöß@v YLlıx@v dtentunero obnßoAx, welches Ge- 
schehnis man allgemein ins Jahr 333 verlegt. Mit reparatiz 


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Kluge, Publilius Optatianus Porfyrius 343 


| Zugans divortia mundi und orbes iunge pares ist wiederum 
{ die Vereinigung der beiden Reichshälften gemeint. Auf 
die Vicennalfeier geht wohl das Zus/rum oris Zui Vs. 17. 
Aus C. XV ist nichts zu entnehmen, was zu einer 0. XV 
chronologischen Fixierung führen könnte. Vielleicht kann 
man aber an eine Ansetzung vor der Entstehung des so- 
genannten Panegyricus denken, da Porf. sich als ruris 
vates kennzeichnet, also damals auf bukolischem Gebiete 
seine Haupttätigkeit gelegen zu haben scheint. 
C. XVI ist nach Vs. 35 zu den Vicennalien geschrieben. c. XVI 
Die Anspielung auf das decus venerabile Karthagos (Vs.15) 
wie Tyrii und ab Arctois plaga horrida cauro ist nicht 
näher zu bestimmen und folglich für eine zeitliche Fest- 
stellung nicht zu verwerten. Doch lässt sich ein terminus 
post quem erschliessen aus den Vss. 12: omnia quod re- 
spirant mente quietem und 33: undique pacalis...rebus, 
wenn man sie auf den Friedenszustand nach dem Sturz 
des Licinius bezieht, eine Ansetzung, die schwer durch 
etwas anderes zu ersetzen ist, da der Sarmatenkrieg schon 
verhältnismässig zu weit zurückliegt und nicht so bedeu- 
tungsvoll erscheint wie die Besiegung des Nebenkaisers. 
C, XVII ist nur Scholion. c. XVII 
C. XVII ist reich an Namen von Völkern und reiche. XVII 
an Anspielungen, allein wenig davon ist für eine Chrono- 
logie zu verwerten. Wann die Wiederaufnahme der Meder 
ins Reich erfolgte, ist uns nicht überliefert, auch von dem 
dakischen Ereignis nichts und so fort. Einzig fassbar ist 
der Gotenkrieg Vs. 10 ff. Porf. braucht den Ausdruck Ge- 
ten. Die Geten sind ursprünglich ein mit den Goten eng 
verwandter Stamm. Durch eine mehr als tausendjährige 
Trennung aber wurden sie zwei verschiedene Völker und 
erst Ende des 2. Jh. n. Ohr. vereinigten sie sich wieder in 
gemeinsamen Sitzen zu einer nationalen Einheit, wobei die 
Goten das führende Element bildeten. Der Name wech- 
selt bei den Schriftstellern. Ammian, Eutrop, Cassiodor, 
Prokop haben sich die Form Goten zu eigen gemacht, 
während Claudian seine Werke de bello Getico betitelte, 
vielleicht nur, weil ihm das klassischer erschien, und Jor- 


0° 


c. XIX 


344 Kluge, Publilius Optatianus Porfyrius 


danes das seine: de Gelarum sive Gothorum origine et rebus 
gestis, in der Darstellung selbst aber bevorzugt er das Wort 
‚Goten‘ (cf. Dahn-Wietersheim, Geschichte der Völkerwan- 
derung II 359ff.). Von dem erwähnten Gotenkrieg berichtet 
der Anon. Vales. exc. 31: deinde adversus Gothos bel- 
lum suscepit et implorantibus Sarmaltis auxilium tulit, ita 
per Conslantinum Caesarem centum prope milia extincia 
sunt. Zweifellos hat aber Porf. nach Vs. 10 ff. diesen Kampf 
gemeint, der zeitlich auf 332 anzusetzen ist nach den Cons. 
Constant.: Pacatiano et Hilariano His conss. victi Gothi ab 
exercitu Romano in terris Sarmatorum die XlI kal. Maü 
(MG. Chron. min. I 234). 

In c. XIX ist eine chronologisch unmittelbar zu ver- 
stehende Angabe nicht enthalten. Zunächst lässt aber schon 
das Bild des Gedichtes durch die eingezeichneten XX 
(Seecks Annahme einer dargestellten XXX ist völlig un- 
berechtigt) darauf schliessen, man könnte ein Gedicht zur 
Vicennalfeier vor sich haben. In dem Text selbst ist aus 
der offenbar verderbten Stelle Vs. 13—15 doch soviel heraus- 
zulesen, dass der Kriegsgott das Reich verlassen hat und 
der Tempel des Janus geschlossen ist. Diese Deutung wird 
gestützt durch Vs. 31: pos£ fractum Martem... \s. 16 
schliesst sich ohne Zwang an 15 an: es wird die erstan- 
dene Friedenszeit gepriesen. Offenbar ist also wieder von 
der Besiegung des Licinius und der Reichseinheit die Rede. 
Auf die Vicennalien scheint Vs. 12 novis votis und Vs. 30/31 
mit summis volis zu zielen. Die Verbindung der Decennal- 
feier mit dem Fest des Augustus tritt in Vs. 26 auf: Au- 
gustae sobolis memorans insignia fala. \s. 33/4 denkt 
offenbar schon an die festliche Begehung des vierzigjährigen 
Regierungsjubiläums, zu der Porf. schon jetzt einen Pane- 
gyricus in Aussicht stellt. (Latium steht hierbei wie öfter 
bei Dichtern für Rom und das römische Reich; vielleicht 
sprach auch die Wortnot mit). Eine umschriebene Bitte 
um Befreiung aus dem Exil sehe ich in den Vss. 21—26: 
Der Dichter möchte alle Gefahren der Seefahrt verachtend 
sicher das sigäische Meer durchfahren können. Es lässt 
sich allerdings nicht entscheiden, ob mit dem sigäischen 


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m 


Kluge, Publilius Optatianus Porfyrius 345 


Meer allgemein das römische gemeint ist oder speziell der 
Meeresteil vor dem Vorgebirge Sigäum, die Einfahrt in die 
Dardanellenstrasse, was auf den Pontus als Ort der Ver- 
bannung weisen könnte — diese Vermutung ist jedoch 
andererseits sehr unwahrscheinlich, da der Osten dem Li- 
cinius gehörte — oder ob schliesslich das ägäische Meer 


darunter zu verstehen ist und auch hier aus Wortnot die 


Bezeichnung gewählt wurde. Einstweilen stellt sich der 
Dichter das ersehnte Schiff durch sein Carmen vor Augen 
(der Nebensinn der allgemein üblichen Verwendung des 
Schiffes zur Darstellung des Staates kann natürlich auch 
mitgesprochen haben) und seine Hoffnung auf das Fest 
des Kaisers. 

Von 0. XX ist nur der erste Teil für eine zeitliche 
Feststellung heranzuziehen. Dass das Gedicht zur Feier 
des Regierungsjubiläums verfasst ist, liegt auf der Hand, 
spricht doch dieser ganze Teil von dem Fest zu Ehren des 
Kaisers und der Caesaren. In Vs. 22 ff. wird ausdrücklich 
ausgesprochen, dass Porf. noch in der Verbannung weilt. 

C. XXI bietet keinen Anhaltspunkt für eine Datierung. 
Allerdings ist ein Bassus erwähnt, allein wir kennen mehrere 
Männer dieses Namens in der Zeit zwischen 315 und 331. 
Ein Septimius Bassus bekleidete 315 ein höheres Amt, 
nach Seeck bei Pauly-Wissowa III 1 207 wohl das Vikariat 
von Rom, und vom 15. V. 317 bis 1. IX. 319 war er praef. 
urbi. Ein Junius Bassus war 317 Consul nach de Rossi 
Bulletino di archaeol. christ. 1871 p. 43, 320/21 und 326 
praef. praet. und 331 nochmals Consul. Man nahm für das 
letzte Jahr früher einen Annius Bassus in Anspruch, doch 
hat Ed. Schwartz in den Nachr. d. kgl. Ges. d. Wiss. z. Gött. 
hist.-phil. Kl. 1904 S.345 das Unberechtigte dieser Annahme 
nachgewiesen aus dem griechischen Text der Österbriefe 
des Athanasius, durch den allein wir das Gentilicium dieses 
Consuls kennen. Ein Znnius Bassus wird aber als praef. 
praet. 330/31 genannt. Allein, welcher von den dreien der 
in unserem Gedicht gemeinte ist, lässt sich nicht ermitteln, 
da wir ausser dem Üognomen nichts von ihm erfahren. 
Allgemein betrachtet liegt der Gedanke nahe, das Carmen 

Münchener Museum für Philologie des MA. IV, 3. 23 


c. XX 


c. XXI 


346 Kluge, Publilius Optatianus Porfyrius 


ziemlich früh anzusetzen, denn Porf. sagt von sich in Vs.1: 
pauca quidem cecini... his iungam ludicıa, wonach die in 
diesem Gedicht angewandte Spielerei als etwas Neues an- 
zusehen ist. 

c. XXI ©. XXI enthält keine direkte Angabe für eine chro- 
nologische Einordnung. Seecks Annahme, dass es an den 
Bassus, der uns in ©.XXI entgegentritt, gerichtet sein könnte 
und zeitlich sehr früh anzusetzen sei, ist m. E. zu schwach 
begründet. Seeck behauptet nämlich (Rh. M. 63,271 ff.), 
das gleiche Rautenmuster trete hier auf wie in dem vo- 
rigen Carmen, und die gleichen Unvollkommenheiten träten 
auch hier zu Tage. Erstens ist aber das Prinzip der ein- 
geschriebenen Figuren in beiden Gedichten verschieden: 
in C. XXI laufen die Zeilen im Zickzack, in ©. XXI schnei- 
den sie durch. Zweitens ist sehr zu bezweifeln, ob es ge- 
rade so leicht ist, ein derartig dichtes Muster in ein Ge- 
dicht einzuzeichnen. Der Dichter muss sich doch zuerst 
die Miniumverse fertigstellen und ist damit derartig ge- 
bunden, dass man dem trotz dieser Schwierigkeiten fertig- 
gestellten Kunsiwerk als solchem die „gebührende“ Be- 
wunderung nicht versagen darf. Dass die Rauten nicht 
genau gleichseitig sind, ist doch eine verschwindende Rlei- 
nigkeit, die man zudem nicht als weniger kunstvoll an- 
sprechen darf, da in dieser Ungleichmässigkeit auch wieder 
System liegt. Aus diesen Erwägungen heraus möchte ich 
das Gedicht vielmehr spät ansetzen. Schliesslich lässt sich 
gegen Seecks Vermutung auch vorbringen, dass Porf., der 
wie später nachzuweisen, eine hohe Stellung am Hof ein- 
nahm, doch mit mehreren Uonsuln bekannt gewesen sein | 
wird. — Wer die Zreusicolae in Vs.21 sind, habe ich nicht 
feststellen können. Mit Vs. 23: nil prius est fl. scheint 
mir eine versteckte Bitte um Fürsprache beim Kaiser zur 
Befreiung aus der Verbannung einzusetzen. Ausführlicher 
handelte ich darüber im Hist. Jhb. a.a. O.1 8. 91 f£. 

ec. XXIII C. XXI bis XXVII scheiden für eine Datierung 

»XXVIlya]lig aus. | 

Die Es bleibt nun noch ein Wort zu sagen über die zwei 
Briefe überlieferten Briefe des Kaisers an den Dichter und des 


Kluge, Publilius Optatianus Porfyrius 347 


Porf. an Constantin. Zeitlich stehen sie sich nahe, denn 
der Brief des Dichters ist anscheinend die Antwort und 
der Dank für das kaiserliche Schreiben. Ein absolutes 
Datum festzustellen ist bei dem Fehlen jeglicher Zeitan- 
spielung unmöglich. In damaliger Zeit scheint Porf. zu- 
erst mit seinen Gedichten an den Kaiser herangetreten zu 
sein und sie der Oeffentlichkeit vorgelegt zu haben; we- 
nigstens sagt er von sich: meriti nunc usque perparvi und 
auch der Kaiser lobt an den Gedichten, dass Optatian dum 
anliqua servaret etliam nova iura sibi conderet. Es sind 
als die Carmina des Porf. wie andern so auch dem Con- 
stantin noch etwas Neues, und an Constantin wird sich 
doch Porf. zuerst gewandt haben, da er am Hofe eine an- 
gesehene Stellung einnahm. Dass dieses Hervortreten vor 
der Verbannung des Dichters erfolgte, ergibt sich aus dem 
Briefe des Kaisers, denn hier wird Porf. mit frater caris- 
sime angeredet, was uns zu den Rückschlusse das Recht 
gibt, dass Optatian zu der näheren Umgebung des Kaisers, 
den comites, gehörte. Auf die Zeit nach dem Exil sind 
aber die Briefe nach dem obigen nicht mehr zu beziehen, 
da uns aus der Folgezeit genügend Figurengedichte vor- 
liegen. — Ein terminus post quem allein ist durch die 
Anrede marimus gegeben, die Constantin 312 nach Be- 
siegung des Maxentius annahm, als er der ältere Augustus 
wurde, dagegen fehlt die Anrede vic/or, die der Kaiser 
sich nach dem Sturz des Licinius 323 beilegte (Seeck 
S. 272). 

Fasst man die Ansetzung der einzelnen Gedichte kurz Zu- 
zusammen, so ergibt sich etwa folgendes Bild. Als aus Aaisung 
der Verbannung geschrieben lassen sich C. I, II, V, VII, 
XIX, XXa und XXIII erkennen, zu der Vicennalfeier C. 
IV, V, IX, XIL XIX, XXa, in den C. IV, V, IX, XVI 
wird zugleich die Besiegung des Licinius angedeutet; 
dessen Niederwerfung ohne Erwähnung der Zwanzigjahr- 
feier rühmen C. XI bis XIV. Zeitlich obne Bestimmung 
sind ©. IH, VII, XV, XXI, XXI bis XXVII Aufdas 
Jahr 319/20 lässt sich C. X festlegen, auf 322/3 C. VI, 
auf 324/5b CO. XXI und auf 332 C. XVII. Von den Ge- 


348 Ochs, swickä, w&ö he dö swenken gönc 


dichten, die aus der Verbannung geschrieben sind, lassen 
sich demnach etwa drei Gruppen zusammenstellen: unter 
die erste sind die frühen Carmina zu rechnen C. I und 
VI, die zweite umfasst die Gedichte zur Besiegung des 
Licinius, die dritte wird in den Festgedichten zur Vicen- 
nalfeier bestanden haben. Dass Porf. nur dreimal an den 
Kaiser Gedichte geschickt hat, soll damit keineswegs gesagt 
sein, er mag da und dort ein einzelnes Gedicht gesandt haben. 
München. Elsa Kluge. 


swickä, w& he dö swenken gönc! 

Das Elsäss. Wörterb. Il523 verzeichnet für Orte zwischen 
Colmar und Strassburg das Femininum schwick ‚Lenkstange 
des Wagens, das bewegliche Stück Holz unter der Lang- 
wiede, welches an der Deichsel befestigt ist und ein Um- 
kehren des Wagens ermöglicht‘; fernerdas Verbumschwicken, 
bei Laugholzfuhren dem Hinterwagen durch Ziehen an der 
Langwiede eine andere Richtung geben, als sie der Vorder- 
wagen hat; nur auf diese Weise können scharfe Biegungen 
genommen werden‘. 

Diese Worte sind auch rechtsrheinisch; schwicki, f., 
‚Hebel, Lenkvorrichtung hinten am Langholzwagen, um 
ihn um die Kurve zu drücken‘; schwickdeichsel ‚die Hinter- 
deichsel am Langholzwagen‘; schwicken schw. Zw. ‚diese 
Deichsel, bezw. die Hinterräder, den Hinterwagen für sich 
lenken‘. Ich kenne diese Gruppe im Raume Waldkirch— 
Ettenheim— Biberach an der Kinzig— Schiltach — Waldkirch; 
sie reicht zweifellos weiter, da das Langholzführen schon 
in der Ebene, besonders aber auf gewundenen, steilen 
Strassen eine Vorrichtung und wohl auch ein Wort überall 
erfordert für die Kunst, den Hinterwagen selbständig und 
doch im Hinblick auf den Vorderwagen zu steuern. In 
der Freiburger Zeitung vom 2.3. 1920 sucht jemand aus 
St. Märgen eine Schwick-Maschine zu kaufen. Indessen 
hat man zu Bleibach im Elztal neuerdings statt der schwicke 
eine leichter zu bedienende Schraube, die galle f. heisst. 
Weiter südlich, in Lörrach, heisst jene Kunst des Fuhrmanns 
wäbfe (< wöpfen), die Vorrichtung dazu wäbfi, weibl., 


m NN 


Ochs, swickä, w& he dö swenken gönc! 349 


welches Verbalsubstantivum ich auch aus Rotzingen, Amt 
Waldshut, für das Jahr 1895 belegen kann; diese Worte 


. sind von einem idg. Standpunkt mit schwicken verwandt 


(siehe unten). wepfen ist auch schweizerisch (Stalder IL 446), 
während schwicken dort einen anderen Sinn hat. schwick 
hat anderwärts die Bedeutung von rascher, schwankender 
Bewegung überhaupt. So istesim Grimmschen Wörterb. IX 
2611 f. behandelt; dasselbe gilt für ndl. zwikken swikken, 
seit dem 16. Jahrhundert bezeugt. Von neuen schweiz. 
Darstellungen seien genannt Berger (St. Galler Rheintal) 
S.36 swiky ‚Blick‘; Vetsch (Appenzell) S. 67 swikx ‚Augen- 
blick‘, S. 66 orswikxe ‚noch mit einem Blick erhaschen’. 
Fischers schwäbisches Wörterhuch V 1285 f. bietet Spuren 
des Schwick in schweizerischer Bedeutung nur für das 
südlichste Schwaben; dagegen ist die technische Bedeutung 
wie im Westen „weit verbreitet“. Sie schliesst sich räumlich 
an das badische Schiltach an und erstreckt sich über fast 
ganz Württemberg. Fischer bringt an älteren Beispielen 
Schwickholz ‚Langholz‘ von 1486, Schwickknecht ‚Knecht 
zum Schwicken‘ von 1515, Schwickwagen ‚Wagen zum Lang- 
holzführen‘ von 1619. 

Auch die mhd. Beispiele rein für das Alter der 
elsässisch-badischen Bedeutung. Nur hat Lexer II 1371 
sie nicht glücklich erläutert — sei es mit Rücksicht auf 
seinen Artikel über wicken, oder auf das moderne schweiz. 
Wort. mhd. swicken heisst ‚winden, schwingen‘ — nichts 
anderes. Es kann keine Rede davon sein, dass intransitves 
swicken —= ‚hüpfen, tanzen‘ vorliegt i im Darifant Bertholds 
von Holle, Vers 143: 

swickä, w& he dö swenken gönc 

und selve daz widergelt untfönc 

von dem werden Darifant! 
Hierzu fragt Grimms Grammatik (Abdruck von 1890) III 281 
„was ist swickä?“ — Es stehen in diesem Satz unser 
schwicken und sein später siegreicher Doppelgänger 
schwenken gleichbedeutend beisammen. Gemeint ist das 
Schwenken, Schwingen des Schwertes, wie gleich darauf 
im Darifant 167: 


. 


360 Ochs, swickä, w& he dö swenken pänc! 


her... 
daz swert mit beiden handen nam: 
we her swenkte üf den helt gemeit! 
Aehnlich in Bertholds Crane 288 und 4371. 

Bekannt sind mhd. Befehlsverstärkungen mit — ä& und 
Doppelungen wie dringä drinc, klingä klinc (Germania T, 
257 ff). Eine feinere Form wird daraus, wenn ein Satz- 
glied zwischen die beiden Imperative tritt: bekera dich, 
beköre! dringä, ritter, dringe! Wolfram von Eschenbach 
(der das -& am meisten verwendet) hat sich hieraus eine 
erweiterte Form geschaffen, die ihm Verstärkung und Ab- 
wechslung zugleich liefert, das erste Verbum gleichzeitig 
zur Interjektion stempelt: hurtä, wie dä gehurtet wart! 
Willehalm 54, 9; läzä klingen! was dö swerte erklanc! 
Willeh. 413, 1. Bei zwei Nachahmern Wolframs kehrt 
solche Fügung getreu wieder. Der eine sagt im jüngeren 
Titurel 4087, 1 wirrä, wie geworren wart dä an allen siten. 
Der andere ist Berthold von Holle (vergl. Beitr. 16, 360) 
mit seinem swickä, wö he dö swenken gönc. Man mag 
übersetzen: „Schwupp, wie schwang er da...“. 

Ulrich von Türheim gebraucht in seinem Willehalm 
swicken = ‚winden‘: daz sie zuo züne die juden ie ge- 
strieten oder an ein criuze swicten; so heisst es ahd. an 
ein rad wintan und jetzt noch aufs Rad flechten. Aehnlich 
zu verstehen ist eine Stelle der „Oefnung zu Neukilch 
(Klettgau)“, abgedruckt in Grimms Weistümern 1296 (spätere 
Fassung einer Urkunde vom Jahr 1330): „Item es ist wyssend, 
daz die keller sonnd haben ayn vortagzu Nuwkilch mithewen 
und mit schniden, dasselb sonnd sy ouch haben zu Ergoltingen 

Item ein waybel und ain forster sonnd aym keller, so 
er schnydt, die wyden schwiken.“ Der Gutsverwalter 
schneidet eines Tages Weiden bezw. Wieden; damit diese 
aber als Band (Schwäb. Wörterb. I 602) für den Landwirt 
brauchbar seien, müssen sie gedreht werden, sonst brechen 
sie beim Knoten einer Reisigwelle u. dgl. ab. Der Ver- 
walter bekommt daher zwei Helfer, die ihm die Gerten 
schwicken ‚winden, drehen’; wie es denn in Hoflimanns 
Fundgruben I 344, 28 heisst: 


Ochs, swichä, w& he dö swenken gänc! 351 


Dä wil ich in disen wald 
Und will wide houwen und wil sie winden 
Und wil zwön und sibenzig riten daran binden. 
(14. Jahrhundert.) 
Vergl. auch Els. Wb. 11 792, 746°; Hebel, Mann im Mond 
Strophe 13. 

Endlich mit dem Beleg aus Hartmanns Rede vom 

Glauben 2781: 

Dise rede la dir dicke 

in din herze swicke 

unde gedenke allir tagelich, 

daz... 
ist nicht viel anzufangen, da hier bildliche Predigtsprache 
vorliegt. Lexer übersetzt ‚hineindringen’, sprechender wäre 
auch hier ‚winden, heften’, vgl. auf die Seele binden. 

Weitere ältere Zeugnisse für swicken stecken in dem 
mhd. und mudd. vorkommenden swickbogen (LexerI11370, 
Schiller-Lübben IV 495 f.). Auszugehen ist bekanntlich 
von ahd. swibogo!); die späteren Erweiterungen swingboge, 
swebeboge, Schweifbogen usw. zeigen, dass das Bewusst- 
sein Anlehnung suchte bei Verben, die eine krumme Be- 
wegung ausdrücken. swickboge wird nun von swicken 
aus recht anschaulich; swicken anderseits wird durch 
swickboge für ein weiteres Gebiet bezeugt. 

Vermutlich ist schwicken mit dem Femininum schwicke 
(schwicki) der Anklammerungspunkt gewesen für zwei an- 
dere Worte des Fuhrmanns, die in zahlreichen Spielarten 
durch die Lande geben: micken, ‚bremsen’, micke (micki) 
f. ‚Bremse und Langwid landwick f. ‚Langbaum am 
Wagen’. 

Gute Seitenstücke zu den elsässisch-badischen Bei- 
spielen sind altnord. sveigr ‚biegsam’, sveigja ‚biegen’, ek 
sveigja at ydr ‚ich ziehe euch eines über’ (Njäla cap. 58), 
svigna ‚sich biegen’, svigi m. ‚Stengel, Gerte’, svig n- 
‚Kurve‘. engl. switch tritt erst im 17. Jahrhundert auf 

!) Schweizer Mundarten wie die von Baselstadt, badische wie 


die von Lörrach, Ottenbeim, Friesenheim fordern sogar ein ahd. 
swibogo! | 


352 Ochs, swickä, w€@ he dö swenken gönc! 


und ist der Entlehnung aus dem Nordischen oder Holländi- 
schen verdächtig; seine Bedeutungen ‚Zweig, Gerte — 
Weiche, Ausweichschieriee weisen ebenfalls ins Bereich 
krummer, schwenkender Bewegung; entsprechend heisst 
to switch nicht nur peitschen, sondern auch rangieren. 

Der methodische Zweifel, ob schwicken nicht ein Deno- 
minativum vom Werkzeug schwicke ist (‚mit der Schwicke 
bearbeiten’), lässt sich nicht begründen; das Altersverhältnis 
ist umgekehrt. schwicken ist ein Intensivum von der Art wie 
nicken, bücken zu dem im nord. vorliegenden Stamm *svig 
biegen’. Auf dessen Berührung mit der Wurzel *svib, z.B. in 
ahd. swipfen ‚eine rasche Kreisbewegung machen’, haben 
schon mehrere hingewiesen; hierher gehört auch das oben er- 
wähnte wöpfen. Anderseits stehen ansprechend nahe — 
mit anderem Vokalismus — altnord. sveggja ‚(ein Schiff) 
wenden’ und nasaliert hd. schwenken, das in der Schrift- 
sprache über das einfachere schwicken gesiegt hat. Ueber 
Anknüpfungen im Slavischen und Latein siehe Falk-Torp 
S. 1202. Vom binnendeutschen Standpunkt aus ist es von 
Interesse, ob ahd. swig&n schweigen’ mit schwicken ver- 
wandt ist. Persson hat swig&n in Bezzenb. Beitr. 19, 264 
als Gutturalableitung zum Stamm *swi — gestellt, womit 
eine entfernte Verwandtschaft zu schwicken gegeben wäre, 
Ich glaube, man kann weiter gehen. swig&n ist deutsches 
Inchoativum (entsprechendaltnord.svigna) zum Stamm *svig, 
mit einer Grundbedeutung ‚sich beugen’, dann ‚nachgeben, 
weichen’ — ‚verstummen’. Altnord. sveigja til heisst 
‚nachgeben, Zugeständnissemachen‘. hd. weichen istübrigens 
damit verwandt (idg. *wig: *swig, swik) und hat seine Be- 
deutung ebenfalls von einem Ausgangspunkt nachgeben’ 
entwickelt (wozu dann wieder hd. biegen: lat. fugere parallel 
geht. Hält man neben schweigen und weichen ihre 
griechischen Uebersetzungen oiy&w und eixw und Kreuzt 
sie — wozu man etymologisch und begrifflich berechtigt 
ist —, so erhält man die guten Lautentsprechungen oiydw 
— weichen, ex» — schweigen. 


Freiburg i. B. Ernst Ochs. 


Pi AÜN CHENERMUSEUM 
| FÜR PHILOLOGIE DES MITTEL- 
ALTERS UND DER RENAISSANCE 


HERAUSGEGEBEN VON 
FRIEDRICH WILHELM 


MW 2... VIERTER BAND ’ 
1 Se DRITTES HEFT 


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B a SRH | 1924 | 
_ VERLAG GEORG D. W. CALLWEY MÜNCHEN 


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Een A A ie Be A 


INHALT: 


Aus Capri und Amalfi. Von Adolf Hofmeister... . 

Bemerkungen zu späteren lateinischen Schriftwerken. york 
Wolfram von Eschenbach und die Markgräfin von Heitstein. Von 
Dye siben seulein. Von R, Newald . . , „2. 2... 
Studien zu Publilius Optatianus Porfyrius. Von E. Kluge . 


swickä, w& he dö swenken genc, Von Ernst Ochs . . 


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E- Münchener Museum 
’ für Philologie des Mittelalters und der Renaissance 
AESAUSBEREDEN von FRIEDRICH WILHELM 


0, Professor an der Universität Freiburg i. B. 


I. Band 


4 TR 1. HEFT: Deutsche Mystikerpredigten von /r. Wilhelm — Der Feigen- 
- muntorden von Fr. Wilhelm — Wandlungen alten Sagengutes im Russland der 
Gegenwart von Z. Weber — Freidanks Todesjahr von Fr. Wilhelm — Virginal- 
-bruchstücke aus der Benediktinerstiftsbibliothek Metten von M. Huber O.S.B. 
Hymnus auf St. Godehard von Hildesheim von Ar. Wilhelm — Zu Aynard 
on St. Eyre von M. Manitius — Ein Naturgedicht Georg Greflingers von Zx- 
 Beditus Schmidt OÖ. F. M. — Mitteilungen aus dem Clm. 15613 von E. See- 
mann — Die Schäftlarner Augustinerregel von #r., Wilhelm — Handschrift- 
liches zur lateinischen Dichtung von 7. Manitius, 

2, HEFT: Micons von St, Riquier de primis syllabis von M. Manitius — 
Zur Grammatik Peters von Pisa von M. Manitius — Die lateinischen Akten 
‚des heiligen Psotius von Fr. Wühelm und X. Dyroff — Zur altsächsischen 
Genesis von Fr. Wilhelm — Drei ungedruckte Ulrichsmirakel von A, Hirsch — 
Beiträge zur Stoffgeschichte des lateinischen Ordensschuldramas von Z. Pfand! 
 — Peter Grieninger von fr. Wilhelm — Aus Czepkos Kreise von €. 7%. Strasser 
-— Die junge Frau und der alte Mann von Ar. Wilhelm — Zu den deutsch-fran- 


 zösischen Kulturbeziehungen im 12. Jahrhundert von Fr. Wilhelm. 


3. HEFT: Die Historia de preliis und das Alexanderepos von Ar. Pfister 
—— Zu den lateinischen Georgslegenden von C. Weyman — Zur Sage von dem 
Grafen von Barcelona (Toulouse) und der Kaiserin von Deutschland von Siein- 
2 berger — Homilienfragmente aus der Benediktinerstiftsbibliothek von M. Huber. 
Pins 


Er II. Band: 
® 1. HEFT: Drei Schichten dichterischer Gestaltung im Beowulf-Epos von 
Walter A. Berendsohn — Carlos Garcia und sein Anteil an der Geschichte 
Bier kulturellen und literarischen Beziehungen Frankreichs zu Spanien von 
- L. Pfand! — Die Intronati von Siena von Max 7. Wolff — Remigiusscholien 
won MM. Manitius — Eine Nachwirkung Walthers von der Vogelweide in England? 
von S$. Aschner — Zerstreute Uebersetzungen der Gedichte Michel Angelo 
| Au Buonarottis von Franz Spunda. 


| 2. HEFT: Randbemerkungen zu den lateinischen Sprichwörtern und Sinn- 
sprüchen des Mittelalters von C. Weyman — Zur Dreikönigslegende von 
Fr. Wilhelm — Das Erlanger Mandevillebruchstück und die Entstehungszeit 
- der Diemeringenschen Verdeutschung von Aug, Gebhardt — Zu Guibert von 
 — Nogent von Z. Rob. Curtius — Ueber eine Raaber Handschrift des Hartlieb- 
schen Alexanderbuches von Zug. Travnik — Aesopus Graecus per Laurentium 
Vallensem traductus Erffurdiae 1500 von 7. O. Achelis — Ein Rhythmus des 
 Jourdain Fantosme und ein Conflictus Rationis et Fidei von Ar. Wilhelm — Zu 
den Sankt Lambrechter Gebeten von Fr. Wilhelm. 


3. HEFT: Die Aesopübersetzung des Lorenzo Valla von 7. O. Achelis — Das 
Tegernseer Spiel vom Deutschen Kaisertum und vom Antichrist von Zerd. Vetter 
— Lesefrüchte von Car! Weyman — Wer ist der Verfasser der Praecepta 
fr vivendi? von Adam Streib — Medizinisches aus dem Basler Cod, B. XI. 81. 
„von Fr. Wilhelm. 
| 


« 


4 RE 
Bu. 


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u: by Google 


Verlag von Georg D. W. Callwey in München 


Münchener Museum 
für Philologie des Mittelalters und der Renaissance 
Herausgegeben von FRIEDRICH WILHELM 


0. Professor a. d. Universität Freiburg i. B. 


II. Band: 

1. HEFT: Zur Frage nach der Heimat Raimars des Alten und Walthers 
von der Vogelweide von Fr. Wiühelm — Widsip von A. Berendsohn — 
Die Gelage am Dänenhof zu Ehren Beowulfs von A. Berendsohn — Von 
den drei Magiern von Fr. Wilhelm — Uebersetzung von Genesis und Exodus 
aus dem Cgm. 341 von Max Stefl. 


2. HEFT: Die Historia apocrypha der Legenda aurea von 2.v. Sieinmeyer 
— Kritische Bemerkungen zu lateinischen Dichtungen des christl. Altertums 
und des Mittelalters von C, Weyman — Die lateinischen Aesophandschriften 
der Vaticana und Laurentiana von 7. ©. Achelis — Zur Abfassungszeit des 
Meier Helmbrecht und des Jüngeren Titurel von Zr. Wilhelm — Reinbot von 
Dürne von Fr. Wilhelm u. a. m. 


3. HEFT: Zur handschriftlichen Ueberlieferung der „Historia Septem Sa- 
pientum Romae“ von F, Moldenhauer — Deutsche Briggittentexte aus Hand- 
schriften des 15. Jahrhunderts von M. Helm — Ueber Funktion und Stellung 
des variierenden Satzglieds in der altdeutschen Stabreimdichtung von AR. BZlümel 
— Der Einfluß des Lukian von Samosata auf die Dialogi Septem Festive 
Candidi. Authore S. Abydeno. Corallo. Germ, von A. Bauer — Verzeichnis 
der Drucke der Historia Septem Sapientum Romae von F. Moldenhauer — 
Das Margarethenleben Wetzels von Bernau von Ar. Wilhelm — Erlanger Bruch- 
stücke des Alten Passionals von G@. Wolf. 


IV. Band: 

1.HEFT: Studien zu Ulrich von Türheim von Fr. Wilhelm — Zur Abfas- 
sungszeit der Legenda aurea von Zr. Wilhelm — Ein Züricher Reformortho- 
graph des 17. Jahrhunderts von Virgil Moser — Fasching von Fr, Wilhelm — 
Zur Sage von Hirlanda von Bretagne von ZHerm. Steindberger — Zu Meinloh 
von Sevelingen von Gerhard Kahlo — Urkundliches zu Konrad von Hainsfahrt 
von Ludwig Steinberger — Bayrisches Deutsch in der bayrischen Verwaltung 
zur Reformationszeit von Ar. Wilhelm — Der Sermo de inventione sancti Ka- 
taldi von A. Hofmeister — Textkritisches zum Archipoeta von Ä, Ganszyniec — 
Die Adresse der Epistula Aecsopi von 7. ©. Achelis — Zu den neuen Funden 
aus dem 12, Jahrhundert von Hans Ernst Müller — Die Quellen zu Veldekes 
Servatius von Är. Wilhelm — Ein Bruchstück von Strickers Karl aus Linz von 
Y. Wilhelm. 


2. HEFT: Zur griechisch-lateinischen Uebersetzungsliteratur des früheren Mit- 
telalters von Ado// Hofmeister — Ein unbekanntes Versbuch des 17. Jahrhunderts 
von Karl Th. Strasser — Danielis ä Czepko, drey Rollen verliebter Gedancken — 
Zu H. J. Christoph von Grimmelshausen von Arthur Becktold — Die Fabeln Avians 
in Steinhöwels Aesop von 7, O. Achelis — Hermann Paul von FAriedr. Wilhelm — 
Wenn der Mann geht ins Mahd... von Zras? Ochs — Neidhart von Reuenthal ein 
Oberbayer von Friedr. Wilhelm — Ein urkundliches Zeugnis für Walter von der 
Vogelweide? von Z. Szeinderger — Der Name Walters von der Vogelweide von 
Mas Ortner — Zum Verzeichnis der Drucke der Historia Septem BRRTSRNUN Ro- 
mae von $, Rest. 


Druck von Kastner & Callwey, München. 


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